Putin versucht das postsowjetische Russland seit Jahren als ein zutiefst gekränktes Land, das vom „Westen“ wiederholt beleidigt und betrogen worden sei, darzustellen. Wie hat Putin mit dieser Affektrhetorik den Krieg vorbereitet?

  • Riccardo Nicolosi

    Riccardo Nicolosi lehrt Slavische Literaturwissenschaft an der LMU München und forscht zu Rhetorik, Wissenspoetik, Abenteuerliteratur und Alternativgeschichte. Er ist Mitherausgeber des "Wiener Slawistischen Almanachs".

Vladimir Putins Reden zu Beginn der russi­schen Aggres­sion gegen die Ukraine haben die Welt geschockt. In zwei Fern­seh­an­spra­chen hat Putin seine Argu­men­ta­tion in einem emotio­nalen, aggres­siven, teil­weise wütenden Ton vorge­tragen: am 21. Februar über die russi­sche Aner­ken­nung der von Kyiv abtrün­nigen „Volks­re­pu­bliken“ Donezk und Luhansk und am 24. Februar am Anfang der soge­nannten „mili­tä­ri­schen Spezi­al­ope­ra­tion“. Nicht wenige haben daraufhin die Vermu­tung geäu­ßert, der russi­sche Präsi­dent sei verrückt geworden. Wie es um die mentale Gesund­heit Vladimir Putins steht, wissen wir nicht. Was wir aber mit Sicher­heit wissen: Putins aggres­sive Sprache der letzten Wochen ist keines­wegs neu, viel­mehr handelt es sich um eine radi­ka­li­sierte Rhetorik, die direkt auf die Affekte der Zuhörer:innen zielt. Diese Affekt­rhe­torik hat Putins Argu­men­ta­tion in Bezug auf die Ukrai­ne­frage von Anfang an charak­te­ri­siert. Das post­so­wje­ti­sche Russ­land model­liert Putin als einen Emoti­ons­raum, der vom Gefühl einer tiefen Krän­kung domi­niert wird. Vom Westen betrogen und gede­mü­tigt, sehne sich Russ­land nach Respekt und Aner­ken­nung seiner geopo­li­ti­schen Inter­essen, in denen die Ukraine eine Schlüs­sel­rolle spielt. Es lohnt sich daher, einen Blick auf diese beson­dere Form der Argu­men­ta­tion in Putins Rhetorik zu werfen und ihre Verschrän­kung mit anderen Argu­men­ta­ti­ons­stra­te­gien zu untersuchen.

Poli­ti­sche Affekte

Dass poli­ti­sche Ordnungen auch affek­tive Ordnungen sind, d.h. dass Affekte – Gefühle in einem weiten Sinne – ein Motor des Poli­ti­schen sind, darauf wurde im Zuge des soge­nannten affec­tive turn in den Geis­tes­wis­sen­schaften in den letzten Jahr­zehnten viel­fach hinge­wiesen. Wenn ich hier aber von Affekt­rhe­torik spreche, meine ich nicht die bloße emotio­nale Färbung poli­ti­scher Rede, sondern eine Form der Argu­men­ta­tion, die nach der aris­to­te­li­schen Rheto­rik­lehre zu den wich­tigsten Über­zeu­gungs­mit­teln des Redners gehört. In der berühmten Triade „Logos“, „Ethos“ und „Pathos“ bezeichnet Letz­teres das auf Affekt­er­re­gung der Zuhörer gerich­tete Argumentieren.

Vladimir Putin ist in dieser Hinsicht ein inter­es­santer Redner, weil er das Spiel mit rheto­ri­schen Mitteln gut beherrscht. Er ist sicher­lich kein sonder­lich begabter Orator, wie beispiels­weise sein poli­ti­scher Zieh­vater Anatolij Sobčak, Bürger­meister von St. Peters­burg in den 1990er Jahren, oder auch Boris El’cin in den ersten Jahren seiner poli­ti­schen Karriere es waren. Putins Rhetorik zeichnet sich eher durch stilis­ti­sche Viel­falt und argu­men­ta­tive Flexi­bi­lität aus. Je nach Situa­tion, Adres­saten und Kontext konkre­ti­siert sich diese rheto­ri­schen Eklektik unter­schied­lich, durch Reden, deren Spann­breite sehr weit ist: vom Tech­no­kra­ti­schen (hier stili­siert sich Putin als kundiger Mann der Tat, der über umfas­sende Kennt­nisse in allen wich­tigen poli­ti­schen Berei­chen verfügt und konkrete Probleme löst), über das ‚Spontan-Arhetorische‘, zum Teil Vulgäre (durch das er seine volks­nahe Entschlos­sen­heit zum Ausdruck bringt, wobei er manchmal die Sprache der orga­ni­sierten Krimi­na­lität verwendet) bis hin zum Historisch-Staatstragenden.

Unter diesen verschie­denen rheto­ri­schen Rollen, die Putin verkör­pert, hat letz­tere in jüngster Zeit deut­lich die Ober­hand gewonnen: Putin insze­niert sich zum einen als oberster Histo­riker des Landes, der ‚wissen­schaft­liche‘ Artikel publi­ziert, lange und gerne über Geschichte doziert, und zugleich als histo­ri­sche Persön­lich­keit, d.h. als Voll­ender einer „geschicht­li­chen Mission“, die in der Wieder­her­stel­lung der terri­to­rialen Einheit des „histo­ri­schen Russ­lands“ besteht. Wie Putin in alter impe­rialer Tradi­tion viel­fach argu­men­tiert hat, gehört für ihn dazu auch die Ukraine.

Das Gewicht von Putins Reden für den heutigen poli­ti­schen Diskurs in Russ­land kann man kaum hoch genug einschätzen, denn sie haben eine program­ma­ti­sche Funk­tion. Putins Reden, an denen ein großer Stab von Rede­schrei­bern arbeitet, sind zentrale Orte der Formu­lie­rung von poli­ti­schen Ideo­lo­gemen, die dann in allen Staats­me­dien konse­quent propa­giert, d.h. ausbuch­sta­biert und bebil­dert werden. Es handelt sich dabei um eine mono­lo­gi­sche Rhetorik, die keine Wider­rede akzep­tiert und den quasi-sakralen Status der Wahr­heits­ver­kün­dung aufweist.

Die rheto­ri­sche Vorbe­rei­tung des Krieges

Putins Rhetorik ist von zentraler Bedeu­tung für das Verständnis des Krieges in der Ukraine, der – und das wird oft vergessen – bereits 2014 begann. Putin hat diesen Krieg rheto­risch vorbe­reitet, begleitet und eska­lieren lassen. Aus seiner Argu­men­ta­tion ragen drei Ebenen beson­ders deut­lich heraus: Eine sach­lo­gi­sche Ebene, in deren Zentrum vor allem völker­recht­liche Argu­mente stehen; eine histo­ri­sche Ebene, die narra­tiver Natur ist und deshalb, rheto­risch gesehen, weniger zwin­gend als das ratio­nale Argu­men­tieren ist; und eine affekt­rhe­to­ri­sche Ebene, die heftige, akute Emotionen hervor­rufen will.

Diese drei Argu­men­ta­ti­ons­li­nien sind eng mitein­ander verwoben und poten­zieren sich gegen­seitig. Völker­recht­liche Argu­mente haben 2014, im Zuge der Recht­fer­ti­gung der Anne­xion der Krym, eine zentrale Rolle gespielt. In seiner feier­li­chen Rede vom 18. März 2014 beruft sich Putin auf das Selbst­be­stim­mungs­recht der Völker und vergleicht die Situa­tion auf der Krym mit jener im Kosovo im Jahr 1999. Er bildet also seine Argu­men­ta­tion auf Kausal- und Vergleichs­schlüssen. Aber auch für die jetzige Recht­fer­ti­gung des Beginns der mili­tä­ri­schen Opera­tionen in der Ukraine sind völker­recht­liche Argu­mente in Bezug auf einen angeb­li­chen „Genozid“ an der dort lebenden russi­schen Bevöl­ke­rung von zentraler Bedeu­tung. Wesent­lich ist dabei der Vergleich mit der Recht­fer­ti­gung der mili­tä­ri­schen Inter­ven­tion der NATO gegen Jugoslawien.

In den letzten Jahren hat das histo­ri­sche Argu­ment der Zuge­hö­rig­keit der Ukraine zur „russi­schen Welt“ in Putins Reden zuneh­mend an Bedeu­tung gewonnen und das völker­recht­liche Argu­ment an den Rand gedrängt. Mithilfe einer äußerst tenden­ziösen histo­ri­schen Erzäh­lung hat Putin dieses Argu­ment im Juli vorigen Jahres in einem langen (und lang­at­migen) Artikel „Über die histo­ri­sche Einheit der Russen und Ukrainer“ erläu­tert. Wieder­holt hat er es seitdem mehr­mals, etwa in den zwei oben genannten Fern­seh­an­spra­chen Ende Februar.

Wie mitt­ler­weile bekannt sein dürfte, postu­liert Putin eine histo­risch gewach­sene Einheit von Russen, Ukrai­nern und Bela­russen, deren Wurzel er im mittel­al­ter­li­chen Staat der sog. Kiever Rus’ (9.-12. Jahr­hun­dert) sieht. Putin knüpft dabei an eine alte Meis­ter­er­zäh­lung der russi­schen impe­rialen Geschichts­schrei­bung des 19. Jahr­hun­derts an: Nach dem Zerfall der Kiever Rus’ und der Zeit unter dem „tata­ri­schen Joch“ habe Moskau mit der „Samm­lung der russi­schen Länder“ begonnen, da es, im Sinne einer trans­latio imperii, das neue Zentrum der russi­schen Staat­lich­keit wurde.

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Für Putin gibt es zwischen Russen und Ukrai­nern, für die er oft die alte impe­riale Bezeich­nung „Klein­russen“ verwendet, nicht bloß ein gemein­sames Erbe, sondern eine Art natür­liche Einheit, vorge­geben durch ortho­doxen Glauben, sprach­liche Nähe und kultu­relle Gemein­sam­keiten. Aus diesem Grund seien Vorstel­lungen einer von Russ­land unab­hän­gigen ukrai­ni­schen Nation schlichtweg wider­na­tür­lich und bis zum Anfang des 20. Jahr­hun­derts prak­tisch nicht vorhanden gewesen. Dass diese Vorstel­lungen jedoch Realität geworden seien, liege einzig und allein an der Natio­na­li­tä­ten­po­litik der Bolschewiken.

Dazu Putin im Wort­laut: „Es war die sowje­ti­sche Natio­na­li­tä­ten­po­litik, die auf staat­li­cher Ebene die These von drei getrennten slawi­schen Völkern – dem russi­schen, dem ukrai­ni­schen, und dem bela­rus­si­schen – fest­schrieb, statt der großen russi­schen Nation, eines drei­ei­nigen Volks, bestehend aus Groß­russen, Klein­russen und Bela­russen. […] Die heutige Ukraine [wurde] auf Kosten des histo­ri­schen Russ­lands geschaffen“ (zitiert nach der deut­schen Über­set­zung von Andrea Huterer, in: Osteu­ropa 71/7 [2021]).  Nach dem Zerfall der Sowjet­union habe der Westen daran gear­beitet, diese histo­risch gewach­sene Einheit zu zerstören und aus der Ukraine ein „Anti-Russland“ zu machen. Aber die Ukraine könne „echte Souve­rä­nität nur in Part­ner­schaft mit Russ­land erreichen“.

Die große Kränkung

Viel ist über diesen histo­ri­schen Unsinn geschrieben worden, den Putin in seinen Reden und Texten über die Ukraine vertritt. Über­sehen worden ist aller­dings, dass die überzeugen-wollende Wirkung dieser histo­ri­schen Erzäh­lung, genauso wie jene der völker­recht­li­chen Argu­men­ta­tion, durch die Verschrän­kung mit einer bestimmten Affekt­rhe­torik gestei­gert wird. Die pene­trante ‚Bass­linie‘ in Putins Argu­men­ta­tion ist ein starkes Gefühl, und zwar das der Krän­kung. Diese Affekt­rhe­torik wird bereits in der Rede vom 18. März 2014 deut­lich formu­liert und seitdem perma­nent wieder­holt. Es lohnt sich also, auf diese Art von Rhetorik genauer einzu­gehen (im Folgenden zitiert nach der deut­schen Über­set­zung von Olga Radetz­kaja und Volker Weichsel, in: Osteu­ropa 64/5-6 [2014]).

Putin model­liert hier das post­so­wje­ti­sche Russ­land als ein zutiefst gekränktes Land, das vom „Westen“ wieder­holt belei­digt und betrogen worden sei. In histo­ri­scher Perspek­tive handelt es sich dabei um die letzte Etappe eines alten, von west­li­chen Mächten beharr­lich voran­ge­trie­benen poli­ti­schen Programms der „Eindäm­mung“ Russ­lands. Den „Verlust“ der Krym nach dem Zerfall der Sowjet­union beschreibt Putin mit der emotio­nalen Meta­pher des „Raubs“ („Als die Krym plötz­lich in einem anderen Staat lag, war das für Russ­land so, als wäre es nicht nur bestohlen, sondern regel­recht ausge­raubt worden“), wobei er Russ­land als perso­ni­fi­ziertes Opfer dieser „Unge­rech­tig­keit“ erscheinen lässt.

Dass Russ­land damals die Krym aufge­geben habe, führt Putin auf die Schwäche des Landes in den 1990er Jahren zurück. Sie ist das Schreck­ge­spenst im russi­schen poli­ti­schen Diskurs seit den 2000er Jahren und dient als Recht­fer­ti­gung für den Aufbau eines auto­kra­ti­schen, Stabi­lität verspre­chenden Systems. Die Komple­xität poli­ti­scher Prozesse, die damals statt­fanden, redu­ziert Putin auf einfache Gefühle, wenn er pathe­tisch behauptet: „Wo warst du, Russ­land? Russ­land hat den Kopf sinken lassen und resi­gniert, es hat die Krän­kung heruntergeschluckt“.

Die Krän­kung Russ­lands wird dadurch verstärkt, dass in der Rede eine Oppo­si­tion zwischen einem genuin aufrich­tigen Russ­land einer­seits und einer betrü­ge­ri­schen, vom Westen gesteu­erten Ukraine ander­seits aufge­baut wird. Man sei in den 1990er und 2000er Jahren der Ukraine „nicht nur in Bezug auf die Krym entge­gen­ge­kommen“, doch „die Dinge entwi­ckelten sich anders“.

An dieser Stelle in der Rede vom 18. März 2014 kommt ein verschwö­rungs­theo­re­ti­sches Moment ins Spiel, wenn es um die Gescheh­nisse auf dem Majdan geht: „Die Hinter­männer der jüngsten Ereig­nisse in der Ukraine verfolgten andere Ziele: Sie planten wieder einmal einen Staats­streich […]. Terror, Mord, und Pogrome wurden ange­zet­telt. Die trei­benden Kräfte des Umsturzes waren Natio­na­listen, Neonazis, Russen­hasser und Anti­se­miten“. Putin greift hier zu einer sehr hete­ro­genen Erwei­te­rung (ampli­fi­catio), die durch einen Vergleichs­schluss mit dem „Großen Vater­län­di­schen Krieg“ emotional aufge­laden wird – er dient im heutigen Russ­land oft als Folie für die Deutung gegen­wär­tiger Konflikte.

Die Oppo­si­tion zwischen einem gutgläu­bigen, und deshalb ernied­rigten und belei­digten Russ­land und dem listigen „Westen“ mündet in eine wütende Invek­tive, vorge­tragen in einer direkten, emotio­nalen Sprache: „Uns ist klar, was hier abläuft, uns ist klar, dass dieses Vorgehen sowohl gegen die Ukraine als auch gegen Russ­land und gegen eine Inte­gra­tion im eura­si­schen Raum gerichtet war. Und das, während Russ­land sich aufrichtig um einen Dialog mit unseren Kollegen im Westen bemühte. […] Wir wurden ein ums andere Mal betrogen […]. Aber alles hat seine Grenzen. […] Wenn man eine Feder bis zum Anschlag zusam­men­drückt, wird sie irgend­wann mit aller Kraft ausein­ander schnellen. Das sollte man nie vergessen“.

Deut­lich erscheint bereits hier die Moti­va­tion für die seit 2014 laufenden und in den letzten Wochen drama­tisch eska­lierten krie­ge­ri­schen Opera­tionen in der Ukraine: Es ist das Gefühl des Sich-Wehrens gegen die zu lange ertra­gene Krän­kung Russ­lands, ein Gefühl, das Putin durch eine direkte, Authen­ti­zität simu­lie­rende Sprache selbst verkör­pert. In diesem Kontext, in dem das Impe­rium zurück­schlägt, kann Putin zufolge die Ukraine kein selb­ständig agie­rendes poli­ti­sches Subjekt sein, da sie nur als Spiel­ball „west­li­cher Mächte“ infrage kommt. In seinem ins Gewand einer histo­ri­schen Abhand­lung geklei­deten Aufsatz vom letzten Jahr schreibt Putin dazu: „Schritt für Schritt zogen [die west­li­chen Mächte] die Ukraine in ein gefähr­li­ches geopo­li­ti­sches Spiel, dessen Ziel ist es, die Ukraine in einen Puffer zwischen Europa und Russ­land, in ein Aufmarsch­ge­biet gegen Russ­land zu verwandeln“.

Die histo­ri­sche Krän­kung Russ­lands radi­ka­li­siert sich hier bis zur Para­noia, bis zur Verschwö­rungs­theorie. Das west­liche Projekt, aus der Ukraine ein „Anti-Russland“ zu machen, sei nichts anders als die Fort­set­zung einer histo­risch gewach­senen Politik der Eindäm­mung Russ­lands, die als Akteure in der Vergan­gen­heit Polen-Litauen, dann Österreich-Ungarn, und nun die USA, die NATO und die EU kennt.

Dieses verschwö­rungs­theo­re­ti­sche Denken, in dessen Rahmen Russ­land gar nicht als Aggressor auftreten kann, sondern immer nur als Vertei­diger der eigenen natio­nalen Inte­grität, wird in Putins Rhetorik oft emotional aufge­laden durch einen weiteren zentralen Begriff aus dem gegen­wär­tigen russi­schen poli­ti­schen Diskurs, nämlich durch den Begriff der „Russo­phobie“: Jede Form von Kritik an Russ­land, sowohl im Inneren als auch im Ausland, wird zur Erschei­nung eines in der Welt tief veran­kerten Hasses gegen die russi­sche Kultur und die russi­schen Menschen erklärt.

Die Wurzeln dieses angeb­lich welt­weit verbrei­teten patho­lo­gi­schen Zustands werden nur vage erklärt, vermut­lich liegen sie – so die Unter­stel­lung – in einem kollek­tiven Neid auf die Größe und die damit verbun­dene geopo­li­ti­sche Macht Russ­lands, die in Angst und Hass umschlägt. Und so behaup­tete Putin im Dezember 2021, dass „die Russo­phobie im Donbas nur der erste Schritt zum Genozid ist.“ In dieser extremen Stufe von Putins Affekt­rhe­torik schlagen Emotionen ins Patho­lo­gi­sche um. Sie werden im Grunde irra­tional und deshalb umso gefährlicher.

Kann es in dieser Situa­tion Spiel­raum für verbale Abrüs­tung geben? Im Moment scheint die sorg­fältig geplante, affekt­rhe­to­ri­sche Eska­la­tion mit der zuneh­mend brutalen Kriegs­füh­rung der russi­schen Armee auf erschre­ckende Weise einher­zu­gehen. Zugleich aber liegt die ‚verbale Kriegs­füh­rung‘ immer mehr bei Putin allein, während andere wich­tige Funk­ti­ons­träger, wie zum Beispiel Vertei­di­gungs­mi­nister Sergej Šojgu, nicht mehr in Erschei­nung treten. Eine Wende in der Rhetorik wäre also durch einen Spre­cher­wechsel durchaus denkbar.