Die Schweizerische Bundesversammlung will Personen, die für dschihadistische Taten verurteilt wurden, in Staaten ausschaffen können, in denen ihnen Folter droht. Dieser Entscheid verstösst gegen das Folterverbot und wirft ernste verfassungsrechtliche Fragen auf.

  • Julia Meier

    Julia Meier hat in Zürich, Lausanne und Hong Kong Rechtswissenschaften studiert und ist wissenschaftliche Assistentin am Institut für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht der Universität Zürich. Sie forscht aus einem rechtstheoretischen, rechtssoziologischen und rechtshistorischen Blickwinkel im Bereich des Öffentlichen Rechts und des Völkerrechts.

Die Bundes­ver­samm­lung will Personen, die für dschi­ha­dis­ti­sche Taten verur­teilt wurden, auch in Staaten ausschaffen können, in denen ihnen Folter droht. Der Beschluss verstösst gegen das Folter­verbot und ist ein Tief­punkt der letzten Legis­latur. Bereits 1996 beschäf­tigte sich die Bundes­ver­samm­lung mit einer Volks­in­itia­tive, die Ähnli­ches forderte. Damals wurde das Vorhaben jedoch noch ganz anders beur­teilt. Das zeigt einen Wandel des Verständ­nisses von verfas­sungs­po­li­ti­schen Grund­sätzen, der zu denken gibt. Durch die Gegen­über­stel­lung der beiden Beschlüsse ergeben sich verfas­sungs­recht­liche Fragen, welche sich die Bundes­ver­samm­lung hätte stellen müssen.

Die Vorge­schichte

Die Geschichte des Beschlusses, der als Vergleich dient, beginnt im Wahl­jahr 1991, als die kleine rechts­na­tio­na­lis­ti­sche Partei Schweizer Demo­kraten die Volks­in­itia­tive „für eine vernünf­tige Asyl­po­litik“ lancierte. Diese sah unter anderem vor, dass illegal einge­reiste Asyl­be­wer­bende und solche, deren Gesuch rechts­kräftig abge­wiesen worden ist, umge­hend und ohne Beschwer­de­mög­lich­keit aus der Schweiz wegge­wiesen werden können. Das Initia­tiv­ko­mitee argu­men­tierte ähnlich wie heutige Befür­worter der Verschär­fung des Asyl­rechts. Es brauche eine Ände­rung, um die Schweiz für eine angeb­lich zu grosse Anzahl von angeb­lich „unechten“ Flücht­lingen unat­trak­tiver zu machen.

Bevor eine Volks­in­itia­tive dem Volk und den Ständen zur Abstim­mung vorge­legt wird, muss die Bundes­ver­samm­lung diese jeweils für gültig erklären; bei einer Ungül­tig­erklä­rung kommt die Initia­tive gar nicht zur Abstim­mung. Im Juni 1994 legte der Bundesrat dem Parla­ment die Initia­tive zur Asyl­po­litik vor. Er empfahl der Bundes­ver­samm­lung, sie für ungültig zu erklären, weil sie gegen das Folter­verbot und somit zwin­gendes Völker­recht verstosse. Für eine derar­tige Empfeh­lung gab es keine geschrie­bene verfas­sungs­recht­liche Grund­lage. Vor der Total­re­vi­sion der Bundes­ver­fas­sung 1999 waren nur die beiden formellen Ungül­tig­keits­gründe – Einheit der Form und Einheit der Materie – im Verfas­sungs­text veran­kert. Inhalt­liche Gründe, eine Volks­in­itia­tive für ungültig zu erklären, waren im Verfas­sungs­text keine vorgesehen.

Der Bundesrat argu­men­tierte: Die Initia­tive verstosse gegen eine zwin­gende völker­recht­liche Norm, nämlich das Folter­verbot. Dieses verbietet einem Staat nicht nur, selbst zu foltern, sondern auch Personen in einen Staat wegzu­weisen respek­tive „auszu­schaffen“, wenn stich­hal­tige Gründe für die Annahme bestehen, dass ihnen dort Folter droht. Dieses Verbot wird als „menschen­recht­li­ches Non-Refoulement Prinzip“ bezeichnet. Da die Initia­tive vorsah, illegal einge­reiste Flücht­linge umge­hend und ohne jede Beschwer­de­mög­lich­keit auszu­schaffen, wäre in diesen Fällen keine Prüfung erfolgt, ob das Folter­verbot womög­lich verletzt wird. Damit hätte die Schweiz ihre aus dem Folter­verbot entste­henden Verpflich­tungen verletzt.

Eine Initia­tive, welche gegen völker­recht­liche Normen verstosse, müsse grund­sätz­lich als Auftrag verstanden werden, den Vertrag, in dem diese Norm fest­ge­halten ist, zu kündigen oder zumin­dest neu auszu­han­deln. Das war damals das herr­schende Verständnis zum Verhältnis von Volks­in­itia­tiven und Völker­recht. Die Initia­tive verstosse aber nicht nur gegen völker­recht­liche Normen, sondern gegen „zwin­gendes Völker­recht“. Weil dieses eine unbe­dingte Geltung bean­spruche, sei eine Neuaus­hand­lung oder Kündi­gung nicht möglich. Die Normen des zwin­genden Völker­rechts seien „für einen Rechts­staat von derart grund­le­gender Bedeu­tung“, dass „auch dem Souverän … keine Wahl­frei­heit zukommen könne.“

Eine wegwei­sende Handhabe

Im März 1996 behan­delte die Bundes­ver­samm­lung die Volks­in­itia­tive. Der CVP-Ständerat Carlo Schmid warnte während dieser Debatte: „Wenn wir heute eine Ungül­tig­erklä­rung ausspre­chen, nehmen wir uns als Parla­ment das Recht heraus, ohne Abstüt­zung auf die Bundes­ver­fas­sung dem Volk zu sagen, ob es über etwas abstimmen darf oder nicht.“ Die Bundes­ver­samm­lung nahm sich dieses Recht heraus: Sie erklärte die Initia­tive für ungültig und die Initia­tive wurde dem Volk und den Ständen gar nicht erst zur Abstim­mung unter­breitet. Der Vorgang zeigt die hohe Bedeu­tung, welche die Bundes­ver­samm­lung damals den zwin­genden Bestim­mungen des Völker­rechts beimass.

Das war das erste und bis jetzt einzige Mal, dass die Bundes­ver­samm­lung aufgrund einer Verlet­zung bestimmter funda­men­taler norma­tiver Grund­sätze eine Initia­tive dem Volk und den Ständen nicht zur Abstim­mung vorlegte. Dieser Beschluss führte dazu, dass die „zwin­genden Bestim­mungen des Völker­rechts“ bei der Total­re­vi­sion der Verfas­sung 1999 als inhalt­liche Schranke der Verfas­sungs­än­de­rung in die neue Bundes­ver­fas­sung aufge­nommen wurden. Seitdem beschränken sie jede Verfas­sungs­än­de­rung, also auch Volks­in­itia­tiven. Diese Bestim­mungen veran­kern nun in der Bundes­ver­fas­sung dieje­nigen verfas­sungs­po­li­ti­schen Grund­sätze, die von derart hoher Bedeu­tung sind, dass selbst ein Entscheid der verfas­sungs­ge­benden Gewalt sie nicht aufheben kann. Seitdem muss die Bundes­ver­samm­lung bei jeder Verfas­sungs­än­de­rung und somit jeder Volks­in­itia­tive prüfen, ob sie zwin­gende Bestim­mungen des Völker­rechts verletzt. Bei einer Verlet­zung erklärt sie die vorge­schla­gene Verfas­sungs­än­de­rung für ungültig und legt sie Volk und Ständen nicht zur Abstim­mung vor.

Der Vorschlag Regazzis

Heute sieht die Sache anders aus. Das poli­ti­sche Klima hat sich seit diesem Beschluss gewan­delt – der aufkom­mende Rechts­po­pu­lismus und die Angst vor dem Terro­rismus haben die Selbst­ver­ständ­lich­keit von recht­staat­li­chen Prin­zi­pien erschüt­tert. Durch verschie­dene Volks­in­itia­tiven der SVP wurde das Infra­ge­stellen dieser Prin­zi­pien in der Schweiz wieder salon­fähig. Vor diesem Hinter­grund reichte der CVP-Nationalrat Fabio Regazzi Ende 2016 einen Vorschlag ein, um das Ausschaf­fungs­recht zu verschärfen und die Rolle des Völker­rechts zu hinter­fragen. Er forderte eine Rechts­än­de­rung, um die „Auswei­sung von Terro­ris­tinnen und Terro­risten in ihre Herkunfts­länder, unab­hängig davon, ob sie als sicher gelten oder nicht“ zu ermög­li­chen. Der einge­reichte Text lautet knapp: „Der Bundesrat wird beauf­tragt, das Verfahren anzu­passen, mit dem Dschi­ha­dis­tinnen und Dschi­ha­disten, die für Taten in Zusam­men­hang mit dem IS verur­teilt wurden, in ihr jewei­liges Land ausge­wiesen werden, auch wenn diese Länder als unsi­chere Länder gelten. Damit würde Artikel 33 Absatz 2 des Abkom­mens über die Rechts­stel­lung der Flücht­linge vor Artikel 25 Absatz 3 der Bundes­ver­fas­sung gelten.“

Auf den ersten Blick scheint die Forde­rung ledig­lich eine Vorrang­re­ge­lung zugunsten des inter­na­tio­nalen Rechts (der Flücht­lings­kon­ven­tion) vor der Bundes­ver­fas­sung zu verlangen. Dadurch profi­tiert die Forde­rung von der legi­ti­ma­to­ri­schen Ausstrah­lung des huma­ni­tären Völker­rechts. In Regazzis Vorschlag wird vorge­gau­kelt, dass das Völker­recht selbst hier eine Möglich­keit für eine stren­gere Ausschaf­fungs­praxis bereit­stelle. Die Forde­rung verschweigt jedoch, dass Art. 33 der Flücht­lings­kon­ven­tion und Art. 25 Abs. 3 der Bundes­ver­fas­sung einen anderen Inhalt haben und somit gar nicht kolli­dieren können – weshalb eine Vorrang­re­ge­lung sinnlos ist. Zuge­ge­be­ner­massen, beide Artikel veran­kern einen Grund­satz der Nicht­zu­rück­wei­sung, ein Non-Refoulement Prinzip, jedoch mit jeweils unter­schied­li­chem Inhalt. Es sind durchaus keine juris­ti­schen Spitz­fin­dig­keiten, denen wir uns jetzt zuwenden müssen.

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Menschen­recht­li­ches und völker­recht­li­ches Nichtzurückweisungsgebot

Das eine Non-Refoulement Prinzip ergibt sich aus dem Folter­verbot, das andere aus dem huma­ni­tären Völker­recht. Das Folter­verbot verbietet einem Staat, Personen in einen Staat abzu­schieben, wenn stich­hal­tige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie dort Gefahr laufen, gefol­tert zu werden. Dieses Verbot wird als „menschen­recht­li­ches Non-Refoulement Prinzip“ bezeichnet und ist in Art. 25 Abs. 3 der Bundes­ver­fas­sung veran­kert. Es gilt absolut; Ausnahmen sind also nicht möglich.

Daneben besteht im Flücht­lings­recht das „huma­ni­täre Non-Refoulement Prinzip“. Dieses Prinzip ist in Art. 33 der Flücht­lings­kon­ven­tion veran­kert. Es besagt, dass ein Flücht­ling nicht in ein Gebiet zurück­ge­wiesen werden darf, in welchem sein Leben oder seine Frei­heit wegen seiner Rasse, Reli­gion, Natio­na­lität, Zuge­hö­rig­keit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder poli­ti­schen Anschau­ungen gefährdet wäre. Im Gegen­satz zum menschen­recht­li­chen Non-Refoulement Prinzip gilt es jedoch nicht absolut, und die Flücht­lings­kon­ven­tion hält in Art. 33 Abs. 2 eine Ausnahme fest. Wenn nämlich erheb­liche Gründe vorliegen, dass die Person als eine Gefahr für die Sicher­heit des Aufent­halts­staates ange­sehen werden muss oder wenn er eine Bedro­hung für die Gemein­schaft dieses Landes bedeutet, darf ein Flücht­ling ausnahms­weise trotzdem ausge­schafft werden. Das heisst aller­dings nicht, dass dabei gegen das Folter­verbot verstossen werden darf, das ausnahmslos gilt.

Eine Posse

Indem nun die Forde­rung von Regazzi verlangt, dass die Ausnahme des huma­ni­tären Non-Refoulement Prin­zips auch für das menschen­recht­liche Non-Refoulement Prinzip zu gelten habe, verletzt sie letz­teres Prinzip, das ausnahmslos gilt. Regazzi verwischt in seiner Forde­rung die Unter­schei­dung zwischen diesen beiden Prin­zi­pien. Als Rechts­an­walt mit lang­jäh­riger Praxis­er­fah­rung sollte ihm ein derar­tiger Fehler nicht unter­laufen – es sei denn, er wollte ihn bewusst begehen.

Wie bei der Initia­tive von 1996 handelt es sich also um eine vorge­schla­gene Rechts­än­de­rung, welche gegen eine zwin­gende Bestim­mung des Völker­rechts, das menschen­recht­liche Non-Refoulement Prinzip, verstösst. Doch während die Bundes­ver­samm­lung 1996 beschloss, das Volk nicht darüber abstimmen zu lassen und den mögli­chen Verfas­sungs­än­de­rungen eine inhalt­liche Schranke setzte, gab sie 2019 genau ein solches Gesetz beim Bundesrat in Auftrag. Dieser muss die Forde­rung nun umsetzen.

Kritik

Die kriti­schen Reak­tionen darauf waren zahl­reich. Eine Verlet­zung des Folter­ver­bots ist nicht „nur“ eine Menschen­rechts­ver­let­zung, sondern eine Verlet­zung einer zwin­genden Bestim­mung des Völker­rechts (ius cogens). Ius cogens benennt eine Kate­gorie von wenigen Normen im Völker­recht, die von allen Staaten als derart wichtig aner­kannt werden, dass davon nicht abge­wi­chen werden darf. Der Entscheid der Bundes­ver­samm­lung verletzt also eine Norm, bei der sich alle Staaten einig sind, dass die daraus flies­senden Verpflich­tungen nicht unter­laufen werden können. Er unter­gräbt dadurch funda­mental die huma­ni­täre Tradi­tion der Schweiz und den errun­genen globalen mini­malen Konsens über solche zwin­genden Normen.

Davon abge­sehen aber wirft er eine offene verfas­sungs­recht­liche Frage auf, die weder während des Entschei­dungs­pro­zesses der Bundes­ver­samm­lung noch in den darauf­fol­genden Reak­tionen formu­liert wurde. Denn die zwin­genden Bestim­mungen des Völker­rechts über­nehmen in der schwei­ze­ri­schen Verfas­sungs­ord­nung eine spezi­fi­sche Funk­tion: Sie setzen mögli­chen Verfas­sungs­än­de­rungen eine Grenze. Der Verfas­sungs­geber, also Volk und Stände, hat sich in der Total­re­vi­sion der Verfas­sung 1999 selbst zurück­ge­bunden und die «zwin­genden Bestim­mungen des Völker­rechts» als dieje­nigen Normen defi­niert, die selbst er nicht verletzen darf.

Der Bundesrat hielt in seiner Stel­lung­nahme ledig­lich fest, dass aufgrund des menschen­recht­li­chen Non-Refoulement Prin­zips „kein Hand­lungs­spiel­raum für die mit der Forde­rung verlangte Praxis­än­de­rung“ bestehe. Die Frage, ob die Forde­rung in Anbe­tracht der inhalt­li­chen Schranke der Verfas­sungs­än­de­rung über­haupt gültig ist, wurde gar nicht erst gestellt. Grund­sätz­lich über­trägt die Bundes­ver­fas­sung der Bundes­ver­samm­lung die Verant­wor­tung, jeweils zu prüfen, ob eine Volks­in­itia­tive die zwin­genden Bestim­mungen des Völker­rechts verletzt. Bei Regazzis Forde­rung hätte sie diese Verant­wor­tung ebenso wahr­nehmen und einige Fragen stellen und beant­worten müssen: Wieso soll die inhalt­liche Schranke der Verfas­sungs­än­de­rung nicht auch für die Gesetz­ge­bung und für hier­ar­chisch tiefere Normen Geltung haben? Und wieso gilt die Beschrän­kung des Verfas­sungs­ge­bers, also des Volkes und der Stände, nicht auch für die Bundes­ver­samm­lung? Die Bundes­ver­fas­sung sieht in der Bundes­ver­samm­lung die höchste Gewalt im Bund – unter Vorbe­halt der Rechte von Volk und Stände. Wieso hat also die Bundes­ver­samm­lung hier auf einmal eine Wahl, wo selbst „dem Souverän […] keine Wahl­frei­heit“ zukommen kann?

Das spezi­fisch schwei­ze­ri­sche Demokratieverständnis

Der deut­sche Staats­rechtler Peter Häberle schrieb mit Blick auf die schwei­ze­ri­sche Bundes­ver­fas­sung: „Die Schweiz braucht dank ihrer im Ganzen glück­li­chen Verfas­sungs­ge­schichte keine posi­ti­vierte Ewig­keits­klausel. Ihr kultu­reller Kontext, d.h. Frei­heit, Demo­kratie, Föde­ra­lismus und Gewal­ten­tei­lung sind so vital […]. Die Wider­stands­fä­hig­keit gegen alle Formen von tota­li­tärer oder auto­ri­tärer Staat­lich­keit ist im kollek­tiven Gedächtnis der ‘Willens­na­tion Schweiz’, auch der Umgang mit ethni­schen und anderen Minder­heiten, so sehr Teil der poli­ti­schen Kultur […].“ Häberle zieht diesen Schluss vor dem Hinter­grund der sehr unglei­chen Erfah­rung Deutsch­lands. Das deut­sche Grund­ge­setz enthält aufgrund der Erfah­rungen des Zweiten Welt­krieges inhalt­liche Schranken der Verfas­sungs­än­de­rung, welche weiter gehen als jene in der Schweiz und die als „Ewig­keits­klausel“ bezeichnet werden.

Die Frage nach den Schranken von Verfas­sungs­än­de­rungen und in einem weiteren Sinne von demo­kra­ti­schen Entscheiden stellte sich in der Schweiz dagegen nie in einer solchen Dring­lich­keit. Es ist eine Frage, die bisher umgangen werden konnte und auf welche eine klare Antwort verzichtbar schien. Vor allem ist es eine unan­ge­nehme Frage – sie verträgt sich wenig mit der in der Schweiz gelebten direkt-demokratischen Tradi­tion. 1954 hat der Schweizer Staats­rechtler und ehema­lige Rektor der Univer­sität Zürich Zaccharia Giaco­metti die Demo­kratie als „Hüterin der Menschen­rechte“ beschrieben. Die dahin­ter­ste­hende Prämisse – das Volk schützt eine frei­heit­liche Ordnung wesens­ge­mäss, weil jede und jeder an dieser Ordnung teilhat – ist heute noch Teil des schwei­ze­ri­schen Demo­kra­tie­ver­ständ­nisses. Dieses Verständnis der Demo­kratie braucht keine Antwort auf die Frage nach den Schranken eines demo­kra­ti­schen Entscheids. Gleich­zeitig aber zeigen verschie­dene Volks­ab­stim­mungen, dass dieses Verständnis der Demo­kratie nicht der Realität entspricht. Der Entscheid der Bundes­ver­samm­lung 1996 war einer, der sich dieser Realität stellte und eine Antwort auf die Frage nach einer Schranke versuchte. Bei der Behand­lung von Regazzis Forde­rung hat die Bundes­ver­samm­lung verwei­gert, sich diese wich­tige Frage zu stellen.