Nach dem Willen von US-Präsident Joe Biden soll Amy Gutmann US-Botschafterin in Berlin werden. Die Universitätspräsidentin bringt nicht nur akademisches Charisma auf das diplomatische Parkett. Mit ihr nehmen die USA auch eine lange Tradition in den deutsch-amerikanischen Beziehungen wieder auf.

  • Charlotte Lerg

    PD Dr. Charlotte A. Lerg lehrt amerikanische Kulturgeschichte und Transatlantische Studien am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihre Habilitation Universitätsdiplomatie. Wissenschaft und Prestige in den transatlantischen Beziehungen 1890-1920 erschien 2019. Seit 2021 ist sie Mitherausgeberin der Reihe History of Intellectual Culture. Yearbook of Knowledge and Society.

Anfang Juni hat der ameri­ka­ni­sche Präsi­dent Joe Biden die Univer­si­täts­prä­si­dentin Amy Gutmann als neue Botschaf­terin für Berlin vorge­stellt. Fraglos will die US-Regierung mit dieser Wahl ein Zeichen gegen­über dem trans­at­lan­ti­schen Partner und in der Welt setzen, dass die Zeit von fake news und staat­li­cher Wissen­schafts­leug­nung über­wunden sei. In scharfem Kontrast zu ihrem Vorgänger, dem Trump-Vertrauten Richard Grenell, verleiht die studierte Poli­tik­wis­sen­schaft­lerin Gutmann dem Amt akade­mi­sches Charisma. Ihre Nomi­nie­rung signa­li­siert einen Neustart für die diplo­ma­ti­schen Bezie­hungen zwischen Washington und Berlin, greift aber zugleich auf histo­ri­sche Tradi­tionen zurück, die sich schon früher bewährt haben: Die Univer­sität war in der Vergan­gen­heit immer wieder ein zentrales Feld, auf dem die soge­nannte „Kultur­di­plo­matie“ (oder „public diplo­macy“, wie es moderner heißt) zwischen den Verei­nigten Staaten und Deutsch­land ausge­spro­chen intensiv betrie­benen wurde. Gutmann als neue US-Botschafterin, wenn sie die Bestä­ti­gung vom Congress erhält, verspricht ein neues Kapitel in dieser beson­deren Verflech­tung von akade­mi­scher Welt und Diplo­matie aufzuschlagen.

Insze­nie­rungen auf dem Campus

Das Faszi­nie­rende, ja Para­doxe, am „academic charisma“, so stellte der Histo­riker William Clark 2006 in seinem gleich­na­migen Buch fest, sei, wie Wissen­schaft und Univer­sität unauf­hör­lich zur Entzau­be­rung der Welt beitrügen und gleich­zeitig selbst stets eine Aura des Erha­benen behielten. Die so geweihten Räume – und Personen – können damit gerade außer­halb der akade­mi­schen Welt beson­dere Wirkung entfalten. Hinzu kommen hehre abstrakte Werte wie Ratio­na­lität, Wahr­heit, Neutra­lität (bzw. Unab­hän­gig­keit), Frei­heit und Zukunfts­ori­en­tie­rung. Auch wenn jedes dieser Konzepte unend­li­chen Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum offen lässt, und die admi­nis­tra­tive Realität sowie die orga­ni­sa­to­ri­schen Heraus­for­de­rungen des Systems Univer­sität zu viel­fäl­tigen Idio­syn­kra­sien in Anwen­dung und Umset­zung führen, werden Schlag­worte wie diese doch gern ange­führt, um das „academic charisma“ wirk­mächtig zu beschwören. Gerade für inter­na­tio­nale Politik und Diplo­matie ist die univer­si­täre Bühne beson­ders attraktiv; sugge­riert das Ideal der Gelehr­ten­re­pu­blik doch Inter­na­tio­na­lität und trans­na­tio­nale Kooperation.

John F. Kennedy bei seinem Besuch der Freien Univer­sität; Quelle: fu-berlin.de

Es über­rascht daher kaum, dass im Kalten Krieg, der zu einem beacht­li­chen Anteil als Ideologien-Konflikt auf dem Feld der Kultur­di­plo­matie ausge­tragen wurde, die akade­mi­sche Welt eine zentrale Rolle spielte. Bevor John F. Kennedy 1963 vor dem Berliner Rathaus die Massen begeis­terte, hatte er auf dem Campus der Freien Univer­sität Berlin das trans­at­lan­ti­sche Verhältnis beschworen und dabei die Univer­sität als einen tragenden Pfeiler des west­li­chen Kanons der Frei­heit gepriesen. Hier wurden Alli­anzen geschlossen, aber vor allem auch sichtbar und mit den Weihen des akade­mi­schen Charismas inszeniert.

Auch die erste öffent­liche Präsen­ta­tion des Marshall­plans fand anläss­lich einer akade­mi­schen Feier in Harvard statt. US-Außenminister George Marshall nahm 1947 die Auszeich­nung mit einer Ehren­dok­tor­würde zum Anlass, um erst­mals seine Über­le­gungen für den Wieder­aufbau Europas vorzu­stellen. Sozi­al­wis­sen­schaften hatten Konjunktur und verspra­chen ein konkretes Instru­men­ta­rium zur effek­tiven Gesell­schafts­ge­stal­tung. Vor diesem Hinter­grund verlieh der Kontext der Univer­sität dem wirt­schaft­li­chen Vorhaben Marshalls intel­lek­tu­elle Glaub­wür­dig­keit, die beson­ders in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung zählte.

Ehren­dok­tor­würden und Politik

Ehren­dok­tor­würden scheinen für das Inein­an­der­greifen von Univer­sität und (inter­na­tio­naler) Politik beson­ders nahe­lie­gend. Eine Gradu­ie­rung honoris causa, etwa von Personen des öffent­li­chen Lebens, gehört zu den etablierten Formen der Univer­sität, um sich im gesell­schaft­li­chen Diskurs zu posi­tio­nieren. Vor allem an US-amerikanischen Univer­si­täten gilt die Ehren­dok­tor­würde als Kommentar der Hoch­schulen zum poli­ti­schen und sozio-kulturellen Geschehen, als „seal of appr­oval“ wie es ein Hand­buch der Harvard Univer­sität schon Anfang der 1950er Jahre beschrieb. Vor diesem Hinter­grund sind Insze­nie­rungen auf dem Campus aus Sicht der Kultur­di­plo­matie, bei der es darum geht, geopo­li­ti­sche Bezie­hungen kultu­rell zu unter­füt­tern und gesell­schaft­lich zu legi­ti­mieren, beson­ders attraktiv. Schnell wird jedoch deut­lich, dass es sich nicht ausschließ­lich um eine Instru­men­ta­li­sie­rung von akade­mi­schem Charisma für die Politik handelt, sondern, dass die Hoch­schulen auch eigene Inter­essen verfolgen. Von der Princeton Univer­sität ist gar ein Anschreiben von 1961 ans State Depart­ment über­lie­fert, in dem die Hoch­schule anfragte, welche Staats­be­suche in den nächsten Monaten geplant seien, da man gern von Zeit zu Zeit einen inter­na­tio­nalen Gast auszeichne.

Univer­si­täten gelang und gelingt es, etwa durch die Ehrung von inter­na­tio­nalen Poli­ti­kern und Poli­ti­ke­rinnen, bewusst die grenz­über­grei­fende Sicht­bar­keit der Diplo­matie für sich zu nutzen. Fast alle deut­schen Nach­kriegs­kanzler, ausge­nommen Gerhard Schröder, wurden von mindes­tens einer US-amerikanischen Univer­sität ausge­zeichnet – zuletzt erhielt Angela Merkel an der Johns-Hopkins-Universität ihren dritten ameri­ka­ni­schen Ehren­doktor. Konrad Adenauers erste Auszeich­nung in den USA, 1953 an der George­town Univer­sität, war ein wich­tiges Element bei der Insze­nie­rung der Wieder­an­nä­he­rung für die beiden Nationen. Gleich­zeitig war der Univer­sität in Washington DC aber auch daran gelegen, sich als Ausbil­dungs­stätte inter­na­tional agie­render Eliten zu profi­lieren, da sich die Diplo­ma­ten­aus­bil­dung in den USA gerade in einer Phase der Profes­sio­na­li­sie­rung befand.

James B. Conant bei der Verlei­hung der Ehren­dok­tor­würde u.a. an Robert Oppen­heimer und George Marshall; Quelle: wikipedia.de

Für den ersten Kanzler der Bundes­re­pu­blik hatten seine insge­samt neun US-amerikanischen Ehren­dok­tor­würden eine zusätz­liche Funk­tion. Beson­ders solange die BRD noch nicht volle diplo­ma­ti­sche Souve­rä­nität hatte und ein offi­zi­eller Staats­be­such schwierig gewesen wäre, boten die Einla­dungen zu den akade­mi­schen Feiern wieder­holt einen Vorwand, um quasi­of­fi­ziell im rich­tigen Moment über den Atlantik zu reisen und bei der Gele­gen­heit mit ameri­ka­ni­schen Part­nern zu konfe­rieren. Bei diesen gezielten akade­mi­schen Einla­dungen für Adenauer, zum Zweck einer effek­tiven trans­at­lan­ti­schen Quasi­di­plo­matie, fällt der Blick auf Harvard Präsi­dent James B. Conant. Wie viele US-Hochschulen, hatte die Harvard Univer­sität ab 1933 unter Conant und beson­ders während des Zweiten Welt­kriegs aktiv wie nie zuvor die Nähe der US-Regierung gesucht. Im wissen­schaft­li­chen Kontext ist hier vor allem die Arbeit an der Atom­bombe im soge­nannten Manhattan Projekt bekannt. Nicht ganz zufällig wurde 1947 in derselben Zere­monie wie George C. Marshall auch Robert Oppen­heimer mit einem Ehren­doktor geehrt. Aber die Verflech­tungen gingen weit darüber hinaus. In den 1950er Jahren, als Adenauer in die USA reiste, hatte Präsi­dent Conant aller­dings bereits vom Campus aufs diplo­ma­ti­sche Parkett gewech­selt. Als US-High-Commissioner in Deutsch­land ab 1952 und dann ab 1955 als erster US-Botschafter in der jungen Bundes­re­pu­blik half er die Einla­dungen zu koor­di­nieren, indem er effektiv seine akade­mi­schen und seine diplo­ma­ti­schen Netz­werke verknüpfte.

Trans­at­lan­ti­sche Universitätsdiplomatie

James B. Conant bei einer Pres­se­kon­fe­renz, 1953 in Berlin; Quelle: wikipedia.org

Conant war nicht der erste ameri­ka­ni­sche Univer­si­täts­prä­si­dent, der in den amerikanisch-deutschen Bezie­hungen eine aktive Rolle spielte. Bevor Jacob Gould Schurman 1925 – auch in einer Zeit der Wieder­an­nä­he­rung nach dem Ersten Welt­krieg – als Botschafter nach Deutsch­land kam, war er Präsi­dent der Cornell-Universität gewesen. Er trat damit in die Fußstapfen Andrew Dixon Whites, dem Grün­dungs­prä­si­denten Cornells (1865), der von 1879 bis 1881 die USA in Berlin vertreten hatte. Auch zwischen 1908 und 1911 wurde mit David Jayne Hill von der Western Reserve Univer­sity ein Univer­si­täts­prä­si­dent in diplo­ma­ti­scher Mission nach Deutsch­land gesandt.

Die Wahl von Univer­si­täts­prä­si­denten sowie promi­nenten Profes­soren als Botschafter (damals noch ausschließ­lich männ­lich), ist umso bemer­kens­werter, als in den USA eine univer­si­täre Ausbil­dung für den diplo­ma­ti­schen Dienst keines­wegs zwin­gend war – beson­ders nicht für jene Vertreter, die nicht als Berufs­di­plo­maten sondern auf persön­li­ches Geheiß des Präsi­denten ihr Amt antraten, was gerade für die Posten in den Haupt­städten Europas galt. Da es in den USA keinen klas­si­schen Adels­stand gab, der in den meisten euro­päi­schen Nationen tradi­tio­nell den diplo­ma­ti­schen Dienst domi­nierte, war man gezwungen, auf Geld- und Geis­tes­a­ris­to­kratie zurück­zu­greifen. Es fällt auf, dass vor allem für Berlin beson­ders oft Akade­miker rekru­tiert wurden. Ins repu­bli­ka­ni­sche Frank­reich, dem man sich poli­tisch verwandt fühlte, und das zugleich für Lebensart und schöne Künste stand,  gingen eher Finan­ziers oder Poli­tiker, die bereits national Karriere gemacht hatten. Nach England hingegen, einem der wich­tigsten Handels­partner der USA und Zentrum eines Welt­rei­ches, sandte man gern Vertreter der Wirtschaftsprominenz.

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Im Austausch mit der „Wissen­schafts­na­tion“

Wie kam es dazu, dass Wissen­schaft und Univer­sität zu einem zentralen Begeg­nungs­raum im deutsch-amerikanischen Verhältnis wurden? Die deut­schen Univer­si­täten hatten gerade den US-Amerikanern im 19. Jahr­hun­dert als fort­schritt­liche Vorbilder gegolten. Während der Gründungs- und Umge­stal­tungs­phase des US-amerikanischen Hoch­schul­sys­tems nach dem Bürger­krieg ab Mitte der 1860er Jahre hatte ein Verweis auf Deutsch­land somit einen beson­deren Effekt gehabt. Auch wenn der bis heute gern beschwo­rene deut­sche Einfluss auf die ameri­ka­ni­sche Forschungs­uni­ver­sität, etwa, was die Einfüh­rung des Doktor­ti­tels betraf, meist mehr rheto­risch als real war, verfes­tigte sich dieser Topos im trans­at­lan­ti­schen Diskurs. Bemüht, sich der ‚alten Welt‘ gegen­über als gleich­wer­tiges Mitglied der soge­nannten ‚Kultur­na­tionen‘ zu beweisen, setzten die USA ab der Jahr­hun­dert­wende, vor allem in ihrer Bezie­hung zu Deutsch­land, auf die akade­mi­sche Welt. Dies traf sich gut, denn von deut­scher Seite aus hatte man die Univer­sität eben­falls als viel­ver­spre­chenden Ansatz­punkt diplo­ma­ti­scher Bemü­hungen um die USA ausge­macht. In der Hoff­nung, Span­nungen wie in der Venezuela-Krise 1902/3 oder einem sich anbah­nenden trans­at­lan­ti­schen Zoll­krieg entgegen zu wirken, begann man im Preu­ßi­schen Kultus­mi­nis­te­rium, das vor allem unter Minis­te­ri­al­di­rektor Fried­rich Althoff (1839-1908) in ganz Deutsch­land Einfluss ausübte,  Prak­tiken der „auswär­tigen Kultur­po­litik“, wie es damals noch hieß, zu entwickeln.

Eugen Kühne­mann; Quelle: wikipedia.org

Dazu gehörten neben der Verlei­hung von Ehren­dok­tor­würden vor allem durch die Berliner  Univer­sität, auch erste Austausch­ab­kommen und Vortrags­touren. Programme für Studie­rende gab es erst ab den 1920er Jahren. Zunächst beschränkte man sich auf Profes­soren, von denen man sich am meisten Pres­tige versprach. Aller­dings war es zunächst gar nicht so einfach, Kandi­daten für diese Unter­neh­mungen zu finden, da die meisten deut­schen Akade­miker keinen wissen­schaft­li­chen Nutzen im Austauschs mit US-Institutionen sahen, denen sie sich weit über­legen wähnten. Oft gingen daher Vertreter, denen auch der poli­ti­schen Nutzen dezi­diert am Herzen lag, wie etwa der Germa­nist Eugen Kühne­mann oder der Histo­riker Eduard Meyer. Beide versuchten kurz darauf, während des Ersten Welt­kriegs, ihre Kontakte in Amerika propa­gan­dis­tisch zu nutzen. Neben der deut­schen Regie­rung warb vor allem Frank­reich in ähnli­cher Weise um die Gunst der aufstre­benden Groß­macht jenseits des Atlan­tiks. Doch obgleich die akade­mi­sche Kultur­di­plo­matie in Frank­reich sogar früher profes­sio­na­li­siert und dem Außen­mi­nis­te­rium ange­glie­dert wurde, blieb Deutsch­land bis zum Ersten Welt­krieg als bewun­derte Wissen­schafts­na­tion domi­nant auf diesem Feld der trans­at­lan­ti­schen Beziehungen.

Das euro­päi­sche Inter­esse an einer Inten­si­vie­rung der trans­at­lan­ti­schen Bezie­hungen machten sich um die Jahr­hun­dert­wende auch die aufstre­benden ameri­ka­ni­schen Univer­si­täten zu Nutze. Tatsäch­lich waren es in der Regel die großen privaten Hoch­schulen, die als Partner für die kultur­di­plo­ma­ti­schen Annä­he­rungs­ver­suche aus Deutsch­land und Frank­reich bereit­standen. Im US-amerikanischen Außen­mi­nis­te­rium gab es noch niemanden, der hier verant­wort­lich hätte zeichnen können. Ange­sichts der stei­genden Konkur­renz im univer­si­tären Wett­be­werb um Spenden, Studie­rende und öffent­li­ches Ansehen versprach eine Rolle auf dem inter­na­tio­nalen Parkett auch inner­halb Amerikas Sicht­bar­keit und wert­volles Pres­tige. Es lag daher nahe, sich im Sinne einer Inter­na­tio­na­li­sie­rungs­stra­tegie mit dem diplo­ma­ti­schen Milieu zu vernetzen.

Hier war der Univer­si­täts­prä­si­dent gefragt (Präsi­den­tinnen gab es zu jener Zeit noch so gut wie keine). Er war prak­tisch der „Minister des Äußeren“ für seine Hoch­schule, wie es ein deut­scher Austausch­pro­fessor 1909 einmal formu­lierte. Das Amt an der Spitze einer Rese­arch Univer­sity verlangte mehr als akade­mi­sches Charisma. Schon damals zogen Kritiker Paral­lelen zu den Vorsit­zenden großer Wirt­schafts­un­ter­nehmen. Der Sozio­loge Thor­stein Veblen beispiels­weise titu­lierte Univer­si­täts­prä­si­denten ironisch als „Captains of Erudi­tion“ in Anspie­lung auf promi­nente „Captains of Industry“ wie John D. Rocke­feller, Andrew Carnegie oder J.P. Morgan. Gleich­zeitig galt es, zivil­ge­sell­schaft­lich und poli­tisch präsent zu sein und das eigene Ansehen gezielt für die Insti­tu­tion einzu­setzen, sowohl national als auch inter­na­tional, etwa durch Enga­ge­ment in Stif­tungen und inter­na­tio­nalen Orga­ni­sa­tionen. Für den nicht immer einfa­chen Balan­ceakt zwischen Campus und Diplo­matie mussten Univer­si­täts­prä­si­denten daher gera­dezu als präde­sti­niert erscheinen. Sie vereinten gesell­schafts­po­li­ti­sches Geschick und wirt­schaft­li­ches Verständnis mit akade­mi­scher Ausstrahlung.

Univer­si­täts­prä­si­dentin in diplo­ma­ti­scher Mission

Viele der beschrie­benen Eigen­schaften treffen auch auf Amy Gutmann zu. Sie gehört zu den best­be­zahlten Unipräsident*innen des Landes und die Univer­sity of Penn­syl­vania, der sie seit 2004 vorsteht, ist im Finanz­jahr 2020 die siebtreichste Univer­sität der USA und zugleich der größte Arbeit­geber in der Region. Gutmann enga­giert sich zudem in mehreren Think Tanks und NGOs. Eine dezi­diert globale Stra­tegie war von Anfang an erklärtes Ziel ihrer Präsi­dent­schaft. Der Botschafts­posten ist auch nicht Gutmanns erster Vorstoß ins poli­ti­sche Milieu. Als Mitglied des National Secu­rity Higher Educa­tion Advi­sory Board beriet sie das FBI und hatte von 2009 bis 2016 den Vorsitz der Presi­den­tial Commis­sion for the Study of Bioe­thical Issues inne. 2013 verlieh ihre Univer­sität Biden die Ehren­dok­tor­würde. Nicht zuletzt hat die Wahl Gutmanns, der Tochter eines Holo­cau­st­über­le­benden, für den Posten in Berlin noch eine ganz andere histo­ri­sche Dimension.

Amy Gutmann und Joe Biden; Quelle: upenn.edu

Es dürften also wohl kaum ausschließ­lich die akade­mi­schen Weihen seien, die hier ins Gewicht fallen und doch sind sie es, die bei dieser Nomi­nie­rung am promi­nen­testen heraus­ge­stellt und auch auf deut­scher Seite entspre­chend wahr­ge­nommen werden. „America is Back“ verkün­dete Biden wieder­holt gegen­über den inter­na­tio­nalen Part­nern, zurück ist auch eine Diplo­matie, die sich wissen­schaft­lich abwä­gend und intel­lek­tuell fundiert gibt. Sie knüpft an histo­ri­sche Tradi­tionen in den deutsch-amerikanischen Bezie­hungen an, die inter­na­tio­nale Bezie­hungen und akade­mi­sche Welt immer wieder unter unter­schied­li­chen Vorzei­chen zusammen brachten; sei es die natio­nale und insti­tu­tio­nelle Pres­ti­ge­po­litik der Jahr­hun­dert­wende oder die ideo­lo­gi­sche Block­bil­dung des Kalten Kriegs. Und im 21. Jahr­hun­dert? Image­po­litik oder nicht, ange­sichts der popu­lis­ti­schen Wissen­schafts­skepsis, die augen­blick­lich inter­na­tional um sich greift, kann ein wenig akade­mi­sches Charisma in den trans­at­lan­ti­schen Bezie­hungen sicher nicht schaden.