Europäische Gesellschaften suchten im 19. Jahrhundert ihre „Zivilisation“ in alle Welt zu exportieren. Die „Fremden“, darunter auch die Armen, erschienen dem gegenüber als „Barbaren“. Ist diese Geschichte schon zu Ende?

Moderne Gesell­schaften haben ein Problem mit dem, was sie als das eigene Fremde oder das Fremde in den eigenen Reihen, das Fremde bei sich und in sich selbst empfinden. Seit Jahr­hun­derten zwar konnte das Fremde jenseits von Europa, in einem fanta­sierte „Orient“ und auf fernen Konti­nenten als verfüh­re­risch imagi­niert werden. Auch wenn diese Fremde in der Regel als gänz­lich „unzi­vi­li­siert“ und seine Erfor­schung als gefähr­lich erschien, lockte es mit Reich­tü­mern, Schön­heiten und dem Verspre­chen erfüll­barer (Männer-)Träume. Aber heute, bei uns? Eine hoch­qua­li­fi­zierte Fern­seh­mo­de­ra­torin mit paläs­ti­nen­si­schen Eltern, die sich als Jugend­liche poli­ti­sche Sympa­thien geleistet hatte, für die sie sich jetzt schon mehr­fach und über­zeu­gend öffent­lich entschul­digt hat, erscheint dem WDR nach einer Kampagne der Sprin­ger­presse als untragbar. Musli­mi­sche Frauen mit Kopf­tuch wurden in Berg­heim (Nordrhein-Westfalen) in rechts­wid­riger Weise an der Bundes­tags­wahl gehin­dert. In Zürich hat der Stadtrat ein alba­ni­sches Kultur­fes­tival mit Verweis auf die Corona-Pandemie verboten, während gleich­zeitig die Pride-Parade und andere Groß­an­lässe der Mehr­heits­be­völ­ke­rung erlaubt wurden.

Die Beispiele ließen sich beliebig mehren. Das in unseren Gesell­schaften als fremd Wahr­ge­nom­mene hatte in der euro­päi­schen Moderne oft einen schweren Stand, und das gilt bis heute. Richtet man den Blick in das lange 19. Jahr­hun­dert zurück, betrifft dies zum einen die Geschichte der als „fremd“ empfun­denen Abgründe der eigenen Seele – zum anderen und vor allem aber die Geschichte der „Barbaren“ in den euro­päi­schen Gesell­schaften selbst.

Was die Seele betrifft, hat der roman­ti­sche Schrift­steller Jean Paul 1796 für sie die Formel vom „wahren inneren Afrika“ geprägt. Es war eine Meta­pher, die primär die zwischen Faszi­na­tion und Schre­cken chan­gie­renden Bilder vom uner­forschten Konti­nent südlich der Sahara aufrief. Doch die Rede vom „wahren inneren Afrika“ ging im Grunde noch weiter: Sie behaup­tete die eigene dunkle Tiefe der roman­ti­schen Seele als noch „wahrer“, als sogar noch dunkler als Afrika selbst. Die Wendung hat ein Jahr­hun­dert später auch Sigmund Freud gefallen: Er nannte das von ihm erforschte Unbe­wusste ein „inneres Afrika“, bemerkte noch 1926, die weib­liche Sexua­lität sei für die Psycho­logie ein „dark conti­nent“, und verglich sich selbst mit einem Entde­ckungs­rei­senden, der die sagen­um­wo­benen „Quellen des Nils“ im dunklen Zentrum des afri­ka­ni­schen Konti­nents aufspürte. Diesem jeden­falls über­ließen solche Formu­lie­rungen nicht einmal die Trophäe für den dunkelsten Platz der euro­päi­schen Imagi­na­tion: Auf dem Gipfel der Zivi­li­sa­tion wohnte auch die dunkelste Seele – und mit ihr ihre furcht­losen Entde­cker mit Feder­kiel und Analysecouch.

„Zivi­li­sie­rung“

Ähnli­ches galt aber auch für die angeb­li­chen „Barbaren“, die in der Vorstel­lung des 19. Jahr­hun­derts zum einen auf fernen Konti­nenten lebten, zum andern aber auch – und diese Geschichte ist heute fast in Verges­sen­heit geraten – im Innern der west­eu­ro­päi­schen Gesell­schaften. Das ist eine ganz andere, auch viel hand­fes­tere Geschichte als jene der roman­ti­schen Seele. Laut ihren Prot­ago­nisten stand dabei zunächst nicht weniger auf dem Spiel als die „Zivi­li­sa­tion“ und später, bis ins 20. Jahr­hun­dert hinein, eine Weile lang die „Gesund­heit“ – bis die „Zivi­li­sa­tion“ wieder zum poli­ti­schen Flucht­punkt nicht nur in den Kolo­nien wurde. Im viel­ge­le­senen Meyers Konversations-Lexikon von 1897 wurde Zivi­li­sa­tion „im Gegen­satz zur Barbarei“ defi­niert. Sie sei „der Inbe­griff derje­nigen Bildungs­ele­mente, welche zunächst zu einem geord­neten bürger­li­chen Zusam­men­leben erfor­der­lich sind und in demselben heraus­ge­bildet wurden“. Die Zivi­li­sa­tion sei, so hält Meyers aber vor allem fest, „die Stufe, durch welche ein barba­ri­sches Volk hindurch muss, um zur höheren Kultur in Indus­trie, Kunst, Wissen­schaft und Gesin­nung zu erlangen.“

Die Stoß­rich­tung dieser im popu­lären Lexikon verdich­teten Denk­hal­tung und die mit ihr gemeinte histo­ri­sche Tendenz ist nicht schwer zu entzif­fern: Zivi­li­sie­rung galt als Fort­schritts­pro­zess, den alle „Völker“ durch­laufen müssen, um in der Zivi­li­sa­tion anzu­kommen. Zum einen betraf das die ost- und außer­eu­ro­päi­schen „Völker“, wie eine Karte von 1826 mit ihrer unter­schied­li­chen Einfär­bung der verschie­dene Regionen der Welt schön zeigt: Regionen, die als „savage“ bzw. „wild“ einge­schätzt wurden, sind dunkel­braun einge­färbt; gering­fügig heller die „barba­ri­schen“, gefolgt von den „halb-zivilisierten“, den „zivi­li­sierten“ und schließ­lich einzelnen Städten als „aufge­klärte“.

Moral & Poli­tical Charta of the Inha­bited World, 1826; Quelle: imgur.com

Die Botschaft solcher Karten war klar: Dem Westen erschien der Kolo­nia­lismus als eine „Zivi­li­sie­rungs­mis­sion“, die die Völker der Erde vom Dunkeln ins Licht führte – und auch, wie die Karte nahe­legt, zum Christentum.

Doch „Barbaren“ lebten nicht nur auf fernen Konti­nenten. Schon 1749 beschwerte sich Voltaire darüber, dass die Häuser der Armen, die etwa den Blick auf den Louvre verstellten, aussähen wie von „Goten und Vandalen“ errichtet, dass ihre Straßen von Unrat stinken und sie „Infek­tionen“ verbreiten würden. Es ging also um „Barbaren“ – ein Begriff, der im antiken Grie­chen­land wert­neu­tral die „Fremden“ meinte, sich in der Zeit der Völker­wan­de­rung aber negativ auflud. „Barbarei“ und „Vanda­lismus“ sind bis heute ferne Echos dieser Geschichte geblieben.

„Barbaren“ unter uns

Die Klage über die „Barbaren“, die auf die eigenen Armen zielte, zog sich jeden­falls durch das ganze 19. Jahr­hun­dert, und der Vergleich mit fremden „Völkern“ war schnell zur Hand. In Manchester, der führenden Indus­trie­stadt Englands, beob­ach­tete ein Zeit­ge­nosse in den 1840er Jahren, dass die verarmten Arbei­te­rinnen und Arbeiter „ihren wohl­ha­benden Nach­barn unbe­kannter waren als die Bewohner von Neusee­land oder der Kamt­schatka“ und bemerkte: „Ardwick“ – ein reiches Viertel in Manchester – „weiß von Ancoats“ – einem Fabrik­viertel – „weniger als von China“. In London hatten die Arbei­ter­quar­tiere Mitte des 19. Jahr­hun­derts den Ruf, das „Land der Barbaren“ zu sein, ja ein „dunkler Konti­nent,“ der erst erkundet werden müsse. Doch das galt nicht nur für England. 1860 entsetzte sich der italie­ni­sche Poli­tiker Luigi Carlo Farini in einem Brief an Camillo Cavour über ganze Regionen seines Vater­landes: „Was sind das für Länder, Molise und der Süden! Welche Barbarei! Das ist nicht Italien! Das ist Afrika: Vergli­chen mit diesen Bauern sind die Beduinen auf dem Gipfel der Zivilisation.“

Auch Fried­rich Engels bediente sich, bei aller Schärfe seiner Analyse der Klas­sen­ver­hält­nisse in den engli­schen Indus­trie­städten, einer ähnlich ethni­sie­renden Sprache. Der priva­ti­sie­rende Sozi­al­wis­sen­schaftler, zeit­wei­lige Fabri­kant in Manchester und Co-Autor von Karl Marx notierte 1845, dass die schlech­testen Wohn­ge­genden in Manchester von „einer stark mit irischem Blut vermischten Arbei­ter­race“ bewohnt würden. In dem von ihm und Marx verfassten Mani­fest der Kommu­nis­ti­schen Partei von 1848 heißt es eben­falls in aller Selbst­ver­ständ­lich­keit: „Wie [die Bour­geoisie] das Land von der Stadt, hat sie die barba­ri­schen und halb­bar­ba­ri­schen Länder von den zivi­li­sierten, die Bauern­völker von den Bour­geois­völ­kern, den Orient vom Okzi­dent abhängig gemacht.“ Für Marx und Engels war die histo­ri­sche Tendenz damit klar, wenn auch in kriti­scher Absicht: Der Weg der Geschichte führte weg von der Barbarei zur Zivi­li­sa­tion, weg vom Orient zum Okzi­dent – und inner­halb der euro­päi­schen Länder weg vom Land­leben hin zur Stadt und zur indus­tri­ellen Produktionsweise.

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Mit dem auch auf dem Konti­nent sich zügig durch­set­zenden Fabrik­system, das große Migra­ti­ons­be­we­gungen vom Land in die Stadt, die Vers­lu­mung von Innen­städten und die Verar­mung und Prole­ta­ri­sie­rung weiter Bevöl­ke­rungs­kreise mit sich brachte, schwoll auch der Chor jener an, die über die neuen „Nomaden“ in den Städten, ihre „barba­ri­schen“ Sitten oder viel­mehr ihren Sitten­zer­fall lamen­tierten. Noch 1904 hat der – sozia­lis­tisch gesinnte – Sexu­al­re­former und Psych­iater August Forel in seinem Best­seller Die Sexu­elle Frage bemerkt, dass sich „in belgi­schen alko­ho­li­sierten Indus­trie­be­zirken die Menschen viel­fach wie Tiere nachts auf den Straßen begatten, nicht viel feiner als betrun­kene Kaffern in Südafrika”. Mehr Verach­tung und bürger­li­ches Entsetzen war nicht möglich.

Das mani­feste Elend des Indus­trie­pro­le­ta­riats löste aller­dings auch Gegen­be­we­gungen aus. Die bürger­li­chen Schichten, die sich im Verlauf des 19. Jahr­hun­derts dem Anliegen verschrieben, die Gesell­schaft in Europa zu zivi­li­sieren, sahen zu diesem Zweck eine große Band­breite an Maßnahmen vor: Sie schloss huma­ni­täre und cari­ta­tive Gaben ein, schreckte in erzie­he­ri­scher Absicht aber auch nicht vor harten, diszi­pli­nie­renden Strafen zurück, die im Fall von Aufstän­di­schen selbst die Verban­nung in Straf­ko­lo­nien nicht ausschloss.

Dazu kam die sich formie­rende Arbei­ter­be­we­gung, die ihrer­seits für zumin­dest eine gewisse „Hebung der arbei­tenden Klasse“ sorgte. Dass all diese Anstren­gungen insge­samt nicht erfolglos blieben, zeigt eine Karte des engli­schen Stadt­for­scher und Phil­an­thropen Charles Booth, der 1887 in seiner „Descrip­tive Map of East End Poverty“ die räum­liche Vertei­lung der sozialen Klassen im Londoner East End darstellte. Dazu arbei­tete er mit einem Farb­system, bei dem „schwarz“ für „lowest class, vicious, semi criminal“ stand und am anderen Ende der Skala die Wohn­orte „well to do, profes­sional classes and larges shop-keepers“ rot einge­tragen wurden.

Charles Booth, Descrip­tive Map of East End Poverty; Quelle: invaluable.com

Die Beschrei­bungen von Booth waren deut­lich diffe­ren­zierter als die düsteren Phan­ta­sien über den mora­li­schen Verfall der Arbeiter und Armen. Er argu­men­tierte, dass der Groß­teil der Armen nicht wegen „lieder­li­cher Lebens­füh­rung“ in diese Lage gekommen sei, sondern weil die Löhne schlicht zu niedrig seien. Diesem Teil der Armen konnte also geholfen werden,  durch Wohl­tä­tig­keit und mora­li­sche Unter­stüt­zung – im Gegen­satz zu den angeb­lich Unver­bes­ser­li­chen, den „Barbaren“ und „Wilden“ der Zivi­li­sa­tion, die Booth mit 0,9% der Londoner Bevöl­ke­rung aller­dings der margi­nalen Gruppe A zurech­nete. Er schrieb: „The hordes of barba­rians of whom we have heard, who, issuing from their slums, will one day over­whelm modern civi­liza­tion, do not exist. There are barba­rians, but they are a handful, a small and decre­asing percen­tage: a disgrace but not a danger.”

„Kontraselektion“und die „Gesund­heit der Rasse“

Zur glei­chen Zeit, am Ende des 19. Jahr­hun­derts, änderte sich aller­dings die Gefah­ren­wahr­neh­mung noch einmal drama­tisch. Para­do­xer­weise waren es nun gerade die Fort­schritte der Zivi­li­sa­tion, die sich langsam verbes­sernde Hygiene in den Städten, die etwas bessere Ernäh­rung des Prole­ta­riats und die Fort­schritte der Medizin, die verdäch­tigt wurden, die „Gesund­heit“ nicht der Einzelnen, sondern der „Rasse“ zu schä­digen. Darwi­nisten wie der briti­sche Anthro­po­loge Francis Galton, der Zoologe Ernst Haeckel oder der Arzt Alfred Ploetz argu­men­tierten, dass durch die Fort­schritte der Medizin sowie aufgrund verbes­serter Wohn­ver­hält­nisse oder durch die Befreiung der Kranken vom Kriegs­dienst die „natür­liche Auslese“ nicht mehr funk­tio­nieren würde, die die „Schwa­chen“ und „Kranken“ eigent­lich durch einen frühen Tod davon abhalten sollte, sich fortzupflanzen.

Mit anderen Worten: Durch diese „Kontras­e­lek­tion“ würde die „Rasse“ insge­samt geschä­digt und an die Stelle der „Barbaren“ waren nun, in einer biolo­gi­sie­renden und hart ausgren­zenden Sprache, die „Entar­teten“ getreten. Haeckel, der mit seinen Büchern Natür­liche Schöp­fungs­ge­schichte (1868), Die Welt­rätsel (1899) oder Lebens­wunder (1904) unzäh­lige Auflagen und Über­set­zungen in zwölf Spra­chen erlebte und bis weit ins 20. Jahr­hun­dert hinein ein Millio­nen­pu­blikum erreichte, propa­gierte schon ab 1870 die Tötung „schwa­cher“ Neuge­bo­rener oder unheilbar Kranker und Geis­tes­kranker. Alfred Ploetz, der in Zürich bei Forel studiert hatte, prägte für dieses Programm 1895 den Begriff der „Rassen­hy­giene“, die die Segnungen der modernen Zivi­li­sa­tion nur jenen zugu­te­kommen lassen wollte, die auch ohne sie stark genug wären, um im „Lebens­kampf“ zu bestehen, und die daher durch die Zeugung vieler Kinder zur „Hebung“ der „Rasse“ betragen würden.

Die Folgen dieser drama­ti­schen diskur­siven Verschie­bung von den „Barbaren“ zu den „Entar­teten“ und von der „Zivi­li­sa­tion (Europas)“ zur „Gesund­heit der Rasse“ waren weit­rei­chend und, wie man weiß, grau­en­er­re­gend und verhee­rend. Gleich­zeitig ist nicht zu über­sehen, dass in erster Linie im kolo­nialen Kontext der Zivi­li­sie­rungs­an­spruch weiterhin präsent, ja prägend blieb, wenn Kolo­ni­sierte von den west­eu­ro­päi­schen Mächten noch bis in die frühen 1970er Jahre in oft überaus grau­samer Weise bekämpft wurden. Ebenso bedeutsam ist, dass nach 1945 in (West-)Deutschland die „Rück­kehr zur Zivi­li­sa­tion“ bezie­hungs­weise das „re-civilizing“ das eigent­liche Programm darstellte. Die „Barbaren“ waren nun nicht nur die besiegten Nazis, sondern sehr schnell auch die Sowjets (anti­sla­wi­sche Unter­töne inklu­sive) – die aller­dings ihrer­seits den Anspruch erhoben, die euro­päi­sche „Zivi­li­sa­tion“ vor der angeb­li­chen barba­ri­schen Unkultur der Ameri­kaner zu schützen.

Hier­ar­chie der „Zivi­li­sa­tionen“

Meinte „Zivi­li­sa­tion“ im 19. Jahr­hun­dert noch unan­ge­fochten „euro­päi­sche“ oder schlicht „christ­liche“ Zivi­li­sa­tion, so hat sich, wie der Histo­riker Paul Betts argu­men­tiert, nach 1945 das Konzept „Zivi­li­sa­tion“ stärker diffe­ren­ziert, ja recht eigent­lich entlang „kultu­reller“ und poli­ti­scher Linien verviel­fäl­tigt. Das ändert aber nichts daran, dass der Begriff bis heute seine harte, ausschlie­ßende Bedeu­tung beibe­hielt, die jeder­zeit gegen alles „Fremde“, „Barba­ri­sche“ akti­viert werden kann. Das völker­recht­liche Konzept der „Respon­si­bi­lity to Protect“, das es erlaubt, mili­tä­ri­sche Inter­ven­tionen zu recht­fer­tigen, zeugt in der Praxis und in medialen Reprä­sen­ta­tionen immer wieder davon, dass trotz aller Viel­falt nach wie vor eine impli­zite Hier­ar­chie der „Zivi­li­sa­tionen“ mitge­dacht wird.

Auch die Tatsache, dass die Anschläge des 11. September 2001 nicht allein als beispiel­loser Terrorakt, sondern oft auch darüber hinaus­ge­hend als ein Angriff auf die – wahl­weise – west­liche oder christ­liche „Zivi­li­sa­tion“ gedeutet wurden, war in der jüngsten Vergan­gen­heit ein deut­li­cher Hinweis darauf, welche Menschen, welche Kulturen und welche Reli­gionen als nicht „uns“ zuge­hörig empfunden werden. In ähnli­cher Weise deut­lich wurde das in der soge­nannten „Flücht­lings­krise“ von 2015 bezie­hungs­weise ange­sichts der mit der Ankunft von Flücht­lingen verbun­denen „Ängste“. Und schließ­lich lässt auch die meist als klare Auf- und Anfor­de­rung verstan­dene Rede von der „Inte­gra­tion“, die sich an Geflüch­tete und Migrat:innen richtet, bis heute zwei­fels­frei mithören, dass damit ein „zivi­li­sa­to­ri­scher“ Anspruch verbunden ist, der immer nur die „Fremden“ meint. Dass der Begriff des „Barbaren“ dabei dezent verschluckt wird, ändert mithin nichts an der Kluft, die mit der Rede von der „Zivi­li­sa­tion“ ange­zeigt wird.