Auf dem Campus der angesehenen University of California in Berkeley, derselben Universität, an der vor 53 Jahren die Free Speech-Bewegung gegründet worden ist und an der ich 1978/79 an meiner Dissertation gearbeitet habe, kam es in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 2017 zu gewaltsamen Protesten, bei denen mindestens sechs Personen verletzt und erhebliche Sachschäden verursacht wurden. Der Grund für diese Proteste war eine geplante Rede des rechtsextremen Breitbart-Redakteurs Milo Yiannopoulos. Dieser britische Journalist, der als Katholik offen schwul lebt, zieht seit einigen Jahren von Campus zu Campus und attackiert in seinen Veranstaltungen regelmäßig Feministinnen, UmweltschützerInnen, Muslime und antirassistische Gruppen. Die Veranstaltung mit Yiannopoulos in Berkeley wurde auf Grund der Proteste abgesagt.
Breitbart

Andrew Breitbart (1969-2012); Quelle: tabletmag.com
Breitbart, eine US-amerikanische Nachrichten- und Meinungswebsite, die 2007 gegründet worden ist, war von Anfang an ein Sprachrohr der Konservativen und Rechten in den USA. Nach dem Tode ihres Gründers, Andrew Breitbart, wurde sie von Steve Bannon als Manager geleitet, der Breitbart in eine Plattform der extremen Rechten innerhalb der Alt-Right-Bewegung umfunktionierte. Unter Bannons Ägide erschienen in den Breitbart-Nachrichten Artikel, die offen antisemitisch, rassistisch, homophob und misogyn waren.
„Andrew Breitbart verachtete Rassismus. Er verachtete ihn wahrhaftig“, schrieb der ehemalige Breitbart-Herausgeber Ben Shapiro in Daily Wire, einer konservativen Webseite. „Seitdem Bannon Trump unterstützt, hat sich all das geändert. Jetzt ist Breitbart die Seite, auf der sich die Alt-Right-Bewegung sammelt, und mit [Milos] Yiannopoulos weißen Ethno-Nationalismus als eine legitime Antwort auf political correctness fördert und die Kommentarseiten in eine Senkgrube für weiße suprematistische Meme-Macher verwandelt.“ Shapiro, ein Konservativer, ist Nachfahre russisch-jüdischer Immigranten in Kalifornien und lehnt Trump ab, nicht zuletzt, weil sich seit Trumps Nominierung die Zahl der öffentlichen antisemitischen Äußerungen deutlich erhöht hat. Ben Shapiro schrieb in einer Online-Veröffentlichung des National Review, einer konservativen Plattform aus New York: „Unterstützer Trumps haben mich und andere Juden, die meine Ansichten teilen, bedroht. Sie haben mich mit Mails vollgespamt, die sich in antisemitischen Verschwörungstheorien ergehen. Sie begrüßten die Geburt meines zweiten Kindes, indem sie mich, meine Frau und meine Kinder in die Gaskammer schicken wollten.“ Der böse Geist hinter solchen antisemitischen Anwürfen ist kein Geringerer als der Präsidentenflüsterer Steve Bannon.
Bannons Aufstieg

Steve Bannon, März 2010; Quelle: nydailynews.com
Bannon beweist seit 2010 sein Gespür für die subtile Verteilung der Macht in den kommunizierenden Röhren der Republikanischen Partei, einer Partei, die er anfangs als zu anpasserisch und diskreditiert ablehnte, die er allerdings umzuwandeln versuchte. Das Label RINO – „Republican in Name Only“ („Republikaner nur dem Namen nach“) – stand für diejenigen Republikaner, die Wert auf eine Zusammenarbeit mit den Demokraten im Kongress legten, also Politiker wie John McCain, Mitch McConnell, Lindsay Graham oder Orrin Hatch. Bannon zog die Aufmerksamkeit der Ultrakonservativen auf sich, als er seinen Dokumentarfilm Generation Zero vorlegte, einen Film, der von Citizens United produziert wurde. Das war jene Organisation, die es schaffte, die Regeln für die Wahlkampffinanzierung in den USA so umzugestalten, dass Super Pacs möglich wurden und riesige Wahlkampfspenden mehr oder weniger unkontrolliert in die Kassen vor allem der Republikaner fließen konnten – mit der Begründung, die Meinungs- und Redefreiheit gelte auch für Aktiengesellschaften (Entscheidung des Supreme Court im Fall Citizens United v. Federal Election Commission, No. 08-205, 558 U.S. 310 (2010)).
Der nächste Schritt war ein Dokumentarfilm über Michele Bachmann, der gescheiterten Präsidentschaftsbewerberin der Republikaner aus dem Tea-Party-Flügel der Partei mit dem Titel Fire from the Heartland. Dieser Film stellte die konservativen Frauen als politisch aktiv, aber zutiefst „weiblich“ dar, eine Kampfansage an den politisch organisierten Feminismus, der von Bannon mit homophoben und misogynen Epitheta belegt wurde. Es folgte ein vielbeachteter Film aus dem Jahre 2011 mit dem Titel The Undefeated, ein Propagandafilm über Sarah Palin. Bannon steckte etwa 1 Million Dollar seines eigenen Geldes in die Produktion dieser Hagiographie, Geld, das er verlor, weil der Film seine Produktionskosten nicht annähernd einspielte. Dennoch hat sich dieser Film für ihn gelohnt, denn er brachte ihm die ungeteilte Bewunderung des Palinlagers ein.
Bald erschien Bannon regelmäßig auf Fox News mit Sean Hannity, der ihn mit Andrew Breitbart bekannt machte. Hannity, ein konservativer Meinungsmacher und Journalist, gehörte zu den ersten Medienpersönlichkeiten, die Donald Trump als Präsidentschaftskandidaten propagierten und ihm im medialen Raum Gelegenheit gaben, sich darzustellen. Bannon stellte Breitbart Büroräume zur Verfügung und machte dann einen Film mit ihm mit dem Titel Occupy Unmasked, ebenfalls produziert von Citizens United, der sich kritisch mit der Occupy-Bewegung auseinandersetzte. Nach Andrew Breitbarts frühem Tod bot sein Geschäftspartner Larry Solov Steve Bannon den Vorsitz seines Unternehmens an; Bannon nahm an und drängte Solov aus den redaktionellen Entscheidungen heraus, indem er auch die Posten des Chefredakteurs und des Radiokolumnisten bei Breitbart Radio auf Sirius XM übernahm. Breitbart ist seitdem so etwas wie die „Trump Prawda“, da Bannon sich von allen anderen konservativen Politikern trennte, um Trump seine ungeteilte politische Aufmerksamkeit zu widmen.

Steve Bannon, 2016; Quelle: flipboard.com
Mit der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten war Bannon, der der Wahlkampfmanager des spätberufenen Republikaners Trump war, diesem Ziel einen großen Schritt nähergekommen. „Die Wahl Steve Bannons als Chefberater des gewählten Präsidenten Trump bedeutet, dass weiße Suprematisten auf den höchsten Posten im Weißen Haus repräsentiert sein werden“, sagte ein Sprecher der demokratischen Minderheitsfraktion im US-Senat.
Weiße Suprematisten, Nazis und Antisemiten
In der Tat gibt es Verbindungen zwischen rassistischen Neonazi-Bewegungen und Bannon. Andrew Aglin, Betreiber der Nazi-Webseite Daily Stormer, erklärte: „Bannon ist unser Mann im Weißen Haus“. Auf Stormfont, dem bekanntesten Neonazi-Messageboard, gab es regelrechte Freudentänze, nachdem Trump Bannon für den Posten des Chefberaters vorgeschlagen hatte. Bannon hat sich nie von diesen politischen Umarmungen distanziert. Im Gegenteil, er macht aus seiner Nähe zur Alt-Right- Bewegung kein Geheimnis. „Sind Rassisten involviert in der alternativen Rechten [Alt-Right]? Absolut“, teilte er dem linksliberalen Magazin Mother Jones am Rande des republikanischen Parteitages mit: „Sehen Sie, gibt es weiße Nationalisten, die von einigen der Haltungen in der Alt-Right-Bewegung angezogen werden? Vielleicht. Gibt es Antisemiten, die angezogen werden? Vielleicht. Vielleicht werden auch etliche homophobe Menschen von der Bewegung angezogen, richtig?“ Bannons Frau Mary Louise Piccard bezeichnete ihn 2007 in einer eidesstattlichen Erklärung nicht nur als ihr gegenüber handgreiflich werdenden Schläger, sondern auch als Antisemiten.
Bannon ist kein netter Mann. Er gilt als rechthaberisch, unbeherrscht und neigt zu Tobsuchtsanfällen, während deren er seine Untergebenen beleidigt und zusammenschreit. Viele ehemalige Breitbart-MitarbeiterInnen fürchten sich vor ihm. Bannon ist eine klügere Version Trumps, ein aggressiver Self-Promoter, der durch dauerndes Namedropping seinen Status aufwertet. Er ist unendlich ehrgeizig und wird auch vor Trump nicht Halt machen, wenn es seinen Ambitionen nützt. Bannon weiß, dass man im „Game of Thrones“ entweder gewinnt oder stirbt. Er hat sicher nicht vor, zu sterben.
Sein neuester Coup: Bannon wurde von Donald Trump als Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates der Vereinigten Staaten (NSC) ernannt. Dies ist ein Vorgang ohne Präzedenz. Ein Gesetz legt genau fest, wer zu den ständigen Mitgliedern dieses Gremiums gehört: Der U.S. Code 50, Section 3021, definiert als Mitglieder des NSC den Präsidenten, den Vizepräsidenten, den Außenminister, Verteidigungs- und Energieminister und die Minister und Staatssekretäre, die der Präsident ernennt, wobei er dafür die Zustimmung des Senats benötigt. Bannon ist kein Minister und auch kein Staatssekretär. Als regelmäßige Sitzungsteilnehmer hatten sich seit Bestehen des Nationalen Sicherheitsrates (1947) zusätzlich der Generalstabsvorsitzende oder sein Stellvertreter, der Direktor der nationalen Geheimdienste und der Finanzminister herauskristallisiert.

Time magazine, 2.2.2017; Quelle: time.com
Per Executive Order verfügte Donald Trump am 28. Januar 2017, dass der Chairman of the Joint Chiefs of Staff und der Director of National Intelligence nicht mehr an den Sitzungen teilnehmen, dafür wurden sein Chefstratege Steve Bannon sowie der Stabschef des Weißen Hauses, Reince Priebus, neu aufgenommen. Beide sind keine Spezialisten für Fragen der nationalen Sicherheit, sondern politische Berater. Widerstand gegen diesen Umgang mit den Sicherheitsinteressen des Landes regte sich auch unter den Republikanern. Senator John McCain drückte sein Befremden über das beispiellose Vorgehen des Präsidenten aus. Diese Ernennung bedarf indessen einer Bestätigung durch den Senat, und man wird sehen, ob Bannon die notwendige Mehrheit von 51 Stimmen bekommt, die zu seiner Bestätigung erforderlich sind. Hier sind große Zweifel angebracht. Sollte es zu einer Abstimmung im Senat zugunsten Bannons kommen, hätte ein nationalistischer, antisemitischer und minderheitenfeindlicher Journalist, der eng mit Neonazis verbunden ist, Zugang zu den militärischen Geheimnissen der Vereinigten Staaten.