Ein Eckpunktepapier zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes löste unlängst so massiven Protest aus, dass es Tage später zurückgenommen wurde. Dieses Gesetz rahmt – zusammen mit dem Drittmittelwesen – die wissenschaftliche Wettbewerbsordnung. Welchen Typus von Wissenschaftler:in soll diese Ordnung hervorbringen?

  • Lisa Janotta

    Dr. Lisa Janotta ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Rostock, Institut für Allgemeine Pädagogik und Sozialpädagogik. Sie ist aktiv im Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss).
  • Álvaro Morcillo Laiz

    Dr. Álvaro Morcillo Laiz forscht zum Geld und Wissen als Herrschaftsmittel in der Wissenschaft – und in der internationalen Politik. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der FU Berlin. Davor war er Professor am CIDE in Mexiko-Stadt und ein Member des Institute for Advanced Study in Princeton.

Vertei­diger wie Kriti­ke­rinnen der deut­schen Wissen­schafts­po­litik berufen sich gern auf Max Weber. Die Anwälte des Status Quo berufen sich auf seine Beschrei­bung der Wissen­schaft als „eine geis­tes­a­ris­to­kra­ti­sche Ange­le­gen­heit“, sie wollen eine vermeint­liche „Besten­aus­lese“ (Ludwig Kronthaler) sowie „Exzel­lenz“ (Dieter Lenzen) und damit en passent das deut­sche Wissen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz (WissZeitVG) recht­fer­tigen. Tatsäch­lich hat Weber schon lange vor seiner Rede Wissen­schaft als Beruf (1917/1919) gemahnt, es müsse „jedem Privat­do­zenten in die Seele geschrieben werden…, daß er unter keinen Umständen irgendwie einen begrün­deten Anspruch auf Anstel­lung hat“. Zu seinem „persön­li­chen Bedauern“ pflege jedoch „begreif­li­cher­weise ein großer Teil unseres Nach­wuchses“ das „Ideal“ der „Siche­rung der Existenz“.

All dies wäre Wasser auf die Mühlen derje­nigen, die die deut­sche Wissen­schafts­po­litik in ihrer neoli­be­ralen Verfasst­heit vertei­digen, wie Peter-André Alt, derzeit noch Präsi­dent der Hoch­schul­rek­to­ren­kon­fe­renz. Nur, Weber ist in der heutigen Debatte auch deshalb inter­es­sant, weil er über das wissen­schaft­liche Tun selbst nach­dachte. In seiner Rede von der Wissen­schaft als Beruf entwi­ckelte er das Bild vom „inneren Berufe zur Wissen­schaft“, in dem es gelte, „rein der Sache“ zu dienen. Dies erfor­dere „Leiden­schaft“ und „Einge­bung“, die zu wissen­schaft­lich „wert­vollen Einfällen“ führen sollen. Auch kriti­sierte er scharf, wie das damals waltende „System Althoff“ – ein Inbe­griff für intrans­pa­rente Orga­ni­sa­ti­ons­füh­rung – sich auf den wissen­schaft­li­chen Nach­wuchs auswirkte.

In welcher Rela­tion steht der „wert­volle Einfall“ zum Erfolg einer wissen­schaft­li­chen Karriere? Seiner­zeit räumte Weber mit auffal­lender Beschei­den­heit ein, er habe seine Beru­fung „einigen abso­luten Zufäl­lig­keiten zu verdanken“ – während andere, unbe­ru­fene „Alters­ge­nossen unzwei­fel­haft mehr als [er] geleistet hatten“. An diese Kritik anknüp­fend, greift die #IchbinHanna-Bewegung Webers Begriff des „Hazard“ auf und moniert die Unwäg­bar­keiten der wissen­schaft­li­chen Laufbahn. 

Zu fragen ist: Wer reüs­siert heute? Können Wissenschaftler:innen ihrer akade­mi­schen „Leiden­schaft“ nach­gehen – oder verlangt die unter­neh­me­ri­sche Hoch­schule ganz andere Fähig­keiten von ihren Beschäf­tigten? Was macht die „audit culture“, bei der nur gilt, was sich abzählen lässt – Zahl der Publi­ka­tionen, impact factor, Patente und allem voran Dritt­mit­tel­vo­lumen – mit Wissen­schaft und Wissenschaftler:innen? Wie würde Weber – hundert Jahre später – über die heutige Wissen­schaft als Beruf urteilen?

Die Doppel­helix des Wissenschaftsbetriebs

Einer Doppel­helix gleich prägen zwei inein­ander verschlun­gene Prin­zi­pien die gegen­wär­tige, deutsch­spra­chige Wissen­schafts­ord­nung: Die befris­tete Finan­zie­rung und die befris­tete Anstel­lung. So wurde in Deutsch­land die Grund­fi­nan­zie­rung der Hoch­schulen seit den 1990er Jahren zugunsten eines Aufwuchses an Dritt­mit­tel­för­de­rungen zurück­ge­fahren. Dritt­mittel werden heute maßgeb­lich von der Deut­schen Forschungs­ge­mein­schaft (DFG) und dem Bundes­mi­nis­te­rium für Bildung und Forschung (BMBF) verwaltet. Diese Insti­tu­tionen vergeben ihre Gelder nach kompe­ti­tiven Prin­zi­pien und stets nur für befris­tete Projekte. Zeit­gleich eröffnet das Wissen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz (WissZeitVG) als Sonder­ar­beits­recht den Hoch­schulen und Forschungs­ein­rich­tungen die Möglich­keit, Akademiker:innen insge­samt zwölf Jahre befristet zu beschäftigen. 

Auch unter den derzei­tigen Bedin­gungen von Befris­tung und fakti­schem Berufs­verbot nach zwölf Jahren kumu­lierter Befris­tung sollen es einige Post­Docs bis zur Professur schaffen. Ideal­ty­pisch akqui­rieren sie dazu befris­tete Förder­mittel von BMBF, DFG oder – noch besser – dem Euro­pean Rese­arch Council (ERC). Die Karrie­re­leiter soll über eine Forschungs­grup­pen­lei­tung zur Bewer­bung auf eine Professur (W3) führen. Dafür sind eigene Akquisen Voraus­set­zung. Auch beim Umweg über eine geringer dotierte Professur (W2 in Deutsch­land) bleibt ein üppiges Dritt­mit­tel­vo­lumen conditio sine qua non. Je pres­ti­ge­träch­tiger, aber vor allem: je mehr, desto besser. Wegen der auf etwa 50% zurück­ge­fah­renen Grund­fi­nan­zie­rung brau­chen die deut­schen Hoch­schulen, wo es an Geld für Personal und Arbeits­mittel glei­cher­maßen fehlt, jene dritt­mit­tel­starken Forscher:innen, die ihr eigenes Geld mitbringen. 

Auf die nega­tiven Folgen eines zu hohen Dritt­mit­tel­an­teils machte jüngst der Wissen­schaftsrat aufmerksam. Denn unter den Bedin­gungen mangelnder Grund­fi­nan­zie­rung kommt das befris­tete Dritt­mit­tel­system nicht ohne das zweite Prinzip – die befris­tete Anstel­lung – aus. Die befris­teten Beschäf­tigten machen mehr als 80 Prozent des an deut­schen Hoch­schulen beschäf­tigten akade­mi­schen Perso­nals aus; sie stehen einer verhält­nis­mäßig kleinen Zahl von Profes­suren als Zuarbeiter:innen für Lehre und Text­pro­duk­tion zur Verfü­gung und müssen zugleich, neben eigener, nicht selten hoher Lehr­be­las­tung, ihre Quali­fi­ka­tion (Promo­tion, Habi­li­ta­tion) voran­bringen, um ‚im Spiel‘ zu bleiben.

Macht­miss­brauch als Folge prekärer Anstellungsverhältnisse

Welche Folgen hatten unsi­chere Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisse zu Webers Zeiten? Das von ihm vor hundert Jahren kriti­sierte Preka­riat des wissen­schaft­liche ‚Nach­wuchses‘ führte seiner Meinung nach zu fatalen Abhän­gig­keits­ef­fekten. So zwangen damals die verbe­am­teten Kollegen den Jüngeren Schwei­ge­pflichten auf, beispiels­weise über ethik- und rechts­wid­rige Hand­lungen der Vorge­setzten. Dem ‚Nach­wuchs‘ wurde nahe­ge­legt, unbe­liebte Themen zu unter­richten, unbe­zahlte Lehr­auf­träge anzu­nehmen und das Benoten von Klau­suren zu über­nehmen. Dafür wurde er in so unred­li­cher Weise belohnt, dass der Vorge­setzte, so Weber, sich sicher sein konnte: „[D]as wird mein Mann, der wird von mir abhängig werden“. 

Anders gewendet: Weber wollte zwar eine akade­mi­sche Ordnung, in der der „Nach­wuchs“ jegli­chen „Anspruch auf Anstel­lung“ aufgibt, bezeich­nete aber das, was eine solche Ordnung für den „Nach­wuchs“ bedeutet, als „ungünstig“ und „korrum­pie­rend“. Inzwi­schen wissen wir, dass die Preka­rität gera­dezu das Einfallstor für den von Weber monierten Miss­brauch ist.

Sie können uns unter­stützen, indem Sie diesen Artikel teilen: 

Prekäre Beschäf­ti­gung führt auch heute zu forschungs­feind­li­chen Abhän­gig­keits­ef­fekten. Neben medial viel­fach bespro­chen Formen sexu­eller Nöti­gung, doku­men­tiert das „Netz­werk gegen Macht­miss­brauch in der Wissen­schaft“: Vorge­setzte erzwingen Ehren­au­tor­schaft auf Publi­ka­tionen, bestrafen Kritik und entziehen Promo­vie­renden im Konflikt­fall das Nutzungs­recht forschungs­pro­jekt­be­zo­gener Daten.  

Homo acade­micus, 2023

Wie oben gezeigt, bedingt das Dritt­mit­tel­wesen die Befris­tung und vice versa. Dies verän­dert nicht nur die Vertei­lung von Ressourcen, sondern – tief­grei­fender – die Wissenschaftler:innen selbst. Um die Folgen analy­sieren zu können, knüpfen wir an Webers Arbeits- und Wirt­schafts­so­zio­logie an. Er schlug seiner­zeit vor, eine Ordnung nach den Menschen zu beur­teilen, die sie begüns­tigt. Und er warnte: „Auslese“ sei „nicht iden­tisch mit Auslese zu Gunsten des ‚höher entwi­ckelten‘ Typus“. Den Begriff des „Menschen­typus“ entwi­ckelte er in Anschluss an Marx und Nietz­sche; demnach ist der vorherr­schende Mensch­typus ein Ergebnis gesell­schaft­li­cher Ordnungen. In diesem Sinne fragen wir nach dem homo acade­micus 2023: Wen fördert die Wett­be­werbs­ord­nung, wer „besteht“ mit höherer Wahrscheinlichkeit? 

Wegen fehlender Grund­fi­nan­zie­rung können Forscher:innen ihre Gegen­stände meist nicht frei wählen und bear­beiten, sondern müssen unter der Beach­tung von engen Antrags­fristen und vorge­ge­benen Themen­schwer­punkten (bei BMBF-Förderungen) bzw. der Bedin­gung maximal drei­jäh­riger Umsetz­bar­keit (bei DFG-Projekten) Dritt­mittel bean­tragen; Bewil­li­gung stets unge­wiss. Statt sich leiden­schaft­lich auf den Forschungs­ge­gen­stand einzu­lassen, müssen Antrag­stel­lerin ihre Forschungs­de­signs an Förder­be­din­gungen anpassen. So werden in erster Linie marke­ting and manage­ment skills geför­dert – also der Wissen­schaft eigent­lich un-eigene Fähig­keiten, weit entfernt von Webers „wert­vollem Einfall“. Die Schlüs­sel­kom­pe­tenz: unter widrigen Bedin­gungen die persön­liche Produk­ti­vität zur Schau stellen. Als Erfolg zählt: Zahl der Publi­ka­tionen – nicht Inhalt; Höhe der einge­wor­benen Mittel – nicht Forschungsergebnis.

Statt nach wissen­schaft­li­cher Allge­mein­bil­dung – Bedin­gung auch für die akade­mi­sche Lehre – strebt die erfolg­reiche Nach­wuchs­for­scherin ideal­ty­pisch nach förder­wür­diger Spezia­li­sie­rung. Die Wett­be­werbs­ord­nung engt Themen­felder und – bedingt durch die kurzen Förder­zeit­räume – auch die Komple­xität von Frage­stel­lungen empfind­lich ein. Unter dem Zwang, zu veröf­fent­li­chen, werden immer klei­nere Teil­ergeb­nisse publi­ziert und Texte mit geringen Modi­fi­ka­tionen re-publiziert. 

Der Wett­be­werb favo­ri­siert nicht zual­ler­erst jene, die in wissen­schaft­li­cher Hinsicht Heraus­ra­gendes leisten, sondern dieje­nigen, die die Spiel­re­geln der Konkurrenz- und Wett­be­werbs­ord­nung beson­ders gut beherr­schen. In diesem Wett­be­werb setzt sich durch, wer wenig braucht, z.B.: Forscher:innen, die weniger Zeit brau­chen, um viel Geld einzu­werben. Forscher:innen, die weniger lesen müssen, weil zu ihrem Thema noch wenig Lite­ratur vorliegt. Und Forscher:innen, die wegen der augen­fäl­ligen Verwert­bar­keit ihrer Ergeb­nisse keine umständ­li­chen Recht­fer­ti­gungen ihrer Neugier bedürfen. So einen Wett­be­werb kannte übri­gens schon Weber: „Wenn Bedürfnisstand maßge­bend: oft Auslese zu Gunsten des Bedürfnislosesten“.

Mit den Augen Webers besehen, entde­cken wir heute kaum Gele­gen­heiten, akade­mi­sche ‚Geis­tes­a­ris­to­kratie‘ zu entfalten. So zeigt die Evalua­tion des WissZeitVG: Je nach Einrich­tungstyp haben in Deutsch­land bis knapp 80% der Arbeits­ver­träge eine Lauf­zeit von unter 6 Monaten bis 3 Jahren. Forschungs­pro­zesse dauern aller­dings länger: Eine durch­schnitt­liche Promo­tion dauert 4,7 Jahre (für die Habi­li­ta­ti­ons­dauer liegen keine Daten vor, unter fünf Jahren ist aller­dings selten). Kurzum: Es wird noch immer anspruchs­volle Forschung betrieben – dies aber kaum wegen, sondern allen­falls trotz der gegen­wär­tigen Arbeitsbedingungen.

„Besten­aus­lese“ – auf Kosten wissen­schaft­li­cher Qualität?

Die Wett­be­werbs­ord­nung mit ihrer Doppel­helix aus Dritt­mit­tel­fi­nan­zie­rung und Befris­tung zeitigt fatale Effekte für die Wissen­schaft und die geför­derten sowie gefor­derten Eigen­schaften in Wissen­schafts­kar­rieren. Nach außen hin wird die aus akade­mi­scher Perspek­tive dysfunk­tio­nale Ordnung jedoch mit einer notwen­digen „Besten­aus­lese“ begründet.

Noch hat aller­dings niemand wissen­schaft­lich nach­ge­wiesen, dass die „Auslese“ einer winzigen Minder­heit über Elite­pro­gramme wie Emmy-Noether, Walter Benjamin, Frei­geist usw. tatsäch­lich „die Besten“ auswählt. Syste­ma­tisch sollte erforscht werden, ob die in Einwer­bungen Erfolg­rei­chen tatsäch­lich am Ende bis zur Professur kommen. Müssen nicht von ihnen viele irgend­wann ins Ausland, bzw. in einem Minis­te­rium oder in der Wirt­schaft auf Stel­len­suche gehen? Alle deut­schen Wissenschaftler:innen – so unsere anec­dotal evidence – kennen ehema­lige ‚Auser­ko­rene‘, die die deut­sche Wissen­schaft unfrei­willig verlassen mussten. Sie hätten aus wissen­schafts­in­ternen Gründen (Wissen­schafts­frei­heit), oder aus wissen­schafts­externen Gründen (mate­ri­elle Exis­tenz­si­che­rung) eine Dauer­stelle gebraucht.

Die Grenzen der vermeint­li­chen ‚Besten­aus­lese‘ werden in zahl­rei­chen Konstel­la­tionen augen­fällig. So wurden die Aufsätze des späteren Nobel­preis­trä­gers Nils Bohr fünf Jahre lang von seinem Fach igno­riert. Hätte er an einer deut­schen Univer­sität gear­beitet, hätte es ihm das WissZeitVG nach dieser Zeit nahezu unmög­lich gemacht, an einer deut­schen Uni beschäf­tigt zu bleiben. Denn: Das WissZeitVG schränkt nicht nur die Zeit ein, die den Wissenschaftler:innen für ihre „Einfälle“ zur Verfü­gung steht, sondern auch die Zeit, dass das Fach­pu­blikum sie als „wert­voll“ aner­kennt. Man denke auch an die Zahl von Absagen, die die Erfinder:innen der mRNA-Impfstoffe sammelten. 

Empi­ri­sche Forschung zu den Folgen der heutigen ‚Besten­aus­lese‘ könnten zeigen, dass „wissen­schaft­liche Einge­bungen“ womög­lich von „uns verbor­genen Schick­salen [abhängen]“. Keine Auswahl­kom­mis­sion kann – gerade jungen Forscher:innen – die Fähig­keit zu künf­tigen Einge­bungen zuver­lässig beschei­nigen oder abspre­chen. Wodurch ließe sich der Status Quo also recht­fer­tigen? Die Kosten – das Verschwinden komplex ange­legter Forschung – für das Verspre­chen vermeint­li­cher „Besten­aus­lese“ sind zu hoch. Zumal die audit culture Erfolg eben nur quan­ti­tativ bemisst. Dass entfris­tete Stellen nach der Promo­tion kompa­tibel mit guter Wissen­schaft sind, zeigt übri­gens Groß­bri­tan­nien, das im inter­na­tio­nalen Vergleich als wissen­schaft­lich erfolg­reich gilt. Das gleiche trifft für skan­di­na­vi­sche Länder, Holland usw. zu, wo Befris­tungen zwar exis­tieren, jedoch nicht in dem Ausmaß wie in den deutsch­spra­chigen Ländern.

Welche Wissen­schaft wollen wir?

Dieje­nigen, die sich nach dem Mitte März schnell geschei­terten Versuch anschi­cken, das WissZeitVG zu novel­lieren, sollten sich bewusst sein, dass jede Ordnung „bestimmte Typen“ von Wissenschaftler:innen „begüns­tigt“ und andere „benach­tei­ligt“. Welche Art von Forschung kann inner­halb von drei Jahren geplant, durch­ge­führt, ausge­wertet und veröf­fent­licht werden, wie das Eckpunk­te­pa­pier es vorschlägt? Welche Wissenschaftler:innen können sich dem Risiko aussetzten, dass die Rech­nung nicht aufgeht –, um danach dem Berufs­verbot zu unter­liegen oder dritt­mit­tel­ba­siert mit Frist­ver­trägen bis zur Rente zu forschen? In Webers Worten: „[J]ede, wie immer gear­tete Ordnung der gesell­schaft­li­chen Bezie­hungen ist, wenn man sie bewerten will, letzt­lich auch daraufhin zu prüfen, welchem mensch­li­chen Typus sie, [] die opti­malen Chancen gibt, zum herr­schenden zu werden“. Die Politiker:innen im BMBF und dem Bundestag sollten sich fragen, welchen Fähig­keiten von Wissenschaftler:innen sie fördern wollen. Auch, ob sie nur einen ‚Menschen­typus‘ fördern und kraft des WissZeitVG alle anderen aus der Wissen­schaft vertreiben wollen. Wie muss Wissen­schaft gestaltet werden, damit sie Gründ­lich­keit, Einfalls­reichtum und Kolla­bo­ra­tion fördert – und nicht Ellen­bo­gen­men­ta­lität und die Akquise von Dritt­mit­teln? „Strebt“ nicht das aktu­elle „System“ – wie damals dasje­nige Althoffs – danach, „unseren akade­mi­schen Nach­wuchs allmäh­lich in eine Art von akade­mi­schen Geschäfts­leuten umzuwandeln“? 

Sicher ist: Die derzei­tige Wett­be­werbs­ord­nung, allem voran die Kombi­na­tion von Dritt­mit­tel­fi­nan­zie­rung und arbeits­recht­li­cher Preka­rität – siehe WissZeitVG – ist nicht kompa­tibel mit dem, was uns Nobel­preis­träger Anton Zeilinger rät: „Denkt nicht zu viel an künf­tige Anwen­dungen.“ Die Wett­be­werbs­ord­nung macht es den Forscher:innen unmög­lich, „rein der Sache“ der Wissen­schaft zu dienen. Um es im sozi­al­dar­wi­nis­ti­schen Wort­schatz von Hoch­schul­po­li­ti­kern wie Lenzen und Kronthaler auszu­drü­cken: Sie fördert nicht die Auslese „zu Gunsten des ‚höher entwi­ckelten‘ Typus“ von Wissenschaftler:innen, sondern das Über­leben intel­lek­tuell bedürf­nis­loser, in der Dritt­mit­tel­wäh­rung handelnder Geschäfts­leute, die weniger Zeit brau­chen, um oft zu veröf­fent­li­chen. Max Weber, der ‚Anwalt der Geis­tes­a­ris­to­kratie‘ wäre entsetzt darüber, in welchem Maß die audit culture nicht den „Einfall“, sondern die Akquise belohnt.