Seit der Pandemie bildet der Begriff der Vulnerabilität ein beliebtes politisches Schlagwort. Doch die Verwundbarkeitsdiskurse der Politik verschleiern Ungleichheiten und Machtverhältnisse. Wie kann man Vulnerabilität anders denken – als Schlüsselbegriff eines solidarischen Miteinanders?

  • Jule Govrin

    Jule Govrin ist Philosoph:in und forscht an der Schnittstelle von Politischer Theorie, Sozialphilosophie, Feministischer Philosophie und Ästhetik, aktuell arbeitet sie am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main zur politischen Dimension von Körpern und zu Verwundbarkeit als Modus der Gleichheit. Zu ihren Publikationen zählen "Begehren und Ökonomie. Eine sozialphilosphische Studie" (de Gryuter 2020) und „Politische Körper. Von Sorge und Solidarität“ ( Matthes & Seitz 2022). Neben ihrer Forschung ist sie als Redakteur:in bei Geschichte der Gegenwart tätig.

Das Voka­bular der Vulnerabi­lität ist in pande­mi­schen Zeiten in aller Munde. Am Anfang der Pandemie im März 2020 sagte Angela Merkel in ihrem Amt als Bundes­kanz­lerin in einer Ansprache: „Das ist, was eine Epidemie uns zeigt: wie verwundbar wir alle sind, wie abhängig von dem rück­sichts­vollen Verhalten anderer, aber damit eben auch: wie wir durch gemein­sames Handeln uns schützen und gegen­seitig stärken können.“ Damit hatte sie in wenigen Worten das Denken der Verwund­bar­keit umrissen: Diese zeigt sich nicht als zeit­wei­liger Zustand von einigen wenigen Menschen, viel­mehrt scheint sie als Verbun­den­heit aller Menschen auf. Eine Verbun­den­heit, die uns nicht lähmen, sondern zum soli­da­ri­schen Handeln anspornen sollte, wie Merkel betont. Neben diesem ethi­schen und poli­ti­schen Aufruf, der uns allen gemein­samen Verwund­bar­keit bewusst zu werden, verbreitet sich aller­dings auch ein Begriff von Vulnerabi­lität, der derzeit dazu dient, die Gefähr­dung verschie­dener Gruppen durch SarsCovid19 abzu­stufen. So erstellte das Robert-Koch-Institut neue Vulnerabi­li­täts­ka­te­go­rien, um das Gesund­heits­ri­siko durch den Virus akkurat abzu­schätzen. Wie verhalten sich die beiden Rede­weisen zueinander?

Ein breites Bedeutungsspektrum

Obwohl der Vulnerabi­li­täts­be­griff erst in der pande­mi­schen Krise des 21. Jahr­hun­derts zum viel­zi­tierten Schlag­wort wurde, begann seine Verbrei­tungs­ge­schichte bereits im von Welt­kriegen und Wirt­schafts­krisen erschüt­terten 20. Jahr­hun­dert. Deshalb vermuten die Herausgeber:innen des Hand­buchs Schlüs­sel­werke der Vulnerabil­täts­for­schung einen Nahzu­sam­men­hang zwischen diesen Kaskaden von Krisen und Kata­stro­phen und der Verbrei­tung des Vulnerabi­li­täts­vo­ka­bu­lars: „Im vergan­genen Jahr­hun­dert rückten Kriege, Terror- und Gewalt­taten derart in den Mittel­punkt der Geschichte, dass auch die Perspek­tiven der Opfer und Leidenden, Fragen der Unsi­cher­heit und des Risikos, Proble­ma­tiken der Fragi­lität und Passi­vität, kurz Dimen­sionen der Vulnerabi­lität expli­ziter wie impli­ziter Bestand­teil unter­schied­li­cher Theo­rien und Modelle dieses Jahr­hun­derts waren.“

Dieses seman­ti­sche Netz zwischen Leid und Schmerz, zwischen Preka­rität und Passi­vität, das sich um Vulnerabi­lität aufspannt, zieht sich tief in die Begriffs­ge­schichte hinein. Vulnerabi­lität entstammt dem neula­tei­ni­schen Adjektiv vulnerabilis, abge­leitet vom Verb vulnerare und dem Substantiv vulnus und bezeichnet die Verwun­dung von Körpern. Inzwi­schen birgt Vulnerabi­lität „ein breites Bedeu­tungs­spek­trum von Verlet­zung, Verlust, Krän­kung über Schulden hin zu Schlappe, Schlag oder Nieder­lage“, so die Autor:innen des Vulnerabi­li­täts­hand­buchs. Die körper­liche Verwun­dung wird zur Meta­pher für eine soziale und symbo­li­sche Verlet­zung. Dabei zeigt sich zwei­erlei. Zum einen ist Vulnerabi­lität untrennbar mit Verkör­pe­rung verbunden. Zum anderen bewegt sich Vulnerabi­lität offenbar im Wech­sel­spiel zwischen Passi­vität und Akti­vität, des Verlet­zens­wer­dens und Verlet­zens. Das führt zu Fragen der Ungleich­heit und Hand­lungs­macht. Ist Verwund­bar­keit unwei­ger­lich mit Ohnmacht verbunden oder gibt es eine Hand­lungs­macht, die aus dem Verwund­bar­sein herrührt?

Vulnerabi­lität und Resilienz

Seit den 1980er Jahren erlebt das Voka­bular der Vulnerabi­lität enormen Aufwind. Als Forschungs­ter­minus etablierte sich der Begriff in der Risiko-, Katastrophen- und Entwick­lungs­for­schung, Wegwei­send war die Entit­le­ment-Theorie von Amyarta Sen, in der er anhand einer Hunger­krise aufzeigte, dass diese nicht aus Umwelt­fak­toren wie Dürre herrührte, sondern aus der Kolo­ni­al­wirt­schaft, die die kommu­nalen Ökono­mien verküm­mern ließ, so dass Menschen trotz gefüllter Getrei­de­spei­cher verhun­gerten. In dieser Ausrich­tung ergänzte der Begriff der Vulnerabi­lität die Kate­gorie der Armut, die bis dahin als allei­niger Erklä­rungs­an­satz für struk­tu­rellen Ungleich­heiten diente, etwa in den entwick­lungs­po­li­ti­schen Arbeiten von Robert Cham­bers Ende der 1980er Jahre. In diesen Forschungs­fel­dern versteht man mithin unter Vulnerabi­lität Zustände, die zeit­weise auftreten, wie in Risi­ko­ge­bieten, die von Über­schwem­mungen bedroht sind. Zudem stuft man bestimmte Gruppen als vulnerabel ein, beispiels­weise Bewohner:innen eines Risi­ko­ge­biets, die so prekär leben, dass sie sich kaum vor Gefahren schützen können. Indem sich die ökono­mi­schen und ökolo­gi­schen Krisen­kas­kaden beschleu­nigen, sind entspre­chend immer mehr Menschen Lebens­ri­siken ausgesetzt.

In Zeiten der Coro­na­krise und der Klima­krise nehmen diese Risiken rasant zu, Vulnerabi­lität erscheint umso bedroh­li­cher. Mit Beginn der Pandemie fand daher der Vulnerabi­li­täts­be­griff, wie der Sozio­loge Stephan Lesse­nich fest­stellt, „Eingang […] in die öffent­liche Debatte und die poli­ti­sche Sprache“, während er in den Jahren davor „über den Umweg der Popu­la­rität seines Schwes­ter­be­griffs – der ‚Resi­lienz‘ – Verbrei­tung gefunden“ hatte. Dabei galt Vulnerabi­lität meist als nega­tive Kehr­seite der Resi­lienz: Um sich aus dem vulner­ablen Zustand zu befreien, bedarf es der Resi­lienz, lautet diese Logik. Als defi­zi­tärer Zustand soll Vulnerabi­lität tunlichst vermieden oder schleu­nigst über­wunden werden, während Resi­lienz erstre­bens­wert erscheint.

Schat­ten­seiten der Sorge

Doch in Zeiten der Pandemie verdrängt der Vulnerabi­li­täts­be­griff die Resi­lienz ein Stück weit, schließ­lich preisen die pande­mie­po­li­ti­schen Reden nicht Resi­lienz. Statt­dessen weiten sie das Vulnerabi­li­täts­vo­ka­bular aus. Die erwähnten Vulnerabi­li­täts­kri­te­rien des RKI bedeuten, dass denje­nigen, die als vulnerabel ausge­macht werden, beson­derer Schutz zuteil werden soll. Eine solche Einord­nung als vulnerabel schuf neue Risi­ko­gruppen, insbe­son­dere ältere Menschen und Menschen mit Behin­de­rung, die in Pfle­ge­ein­rich­tungen leben. Das ist nur nahe­lie­gend und sinn­voll, doch der die Schat­ten­seiten von Sorge und Verwund­bar­keit aufmerksam. Denn die als vulnerabel und beson­ders schutz­be­dürftig einge­stuften Gruppen wurden in ungleich höherem Maße ihrer Entscheidungs- und Bewe­gungs­frei­heit beraubt. Als der erste Lock­down in Deutsch­land für den Groß­teil der Gesell­schaft längst vorüber war, blieben sie in ihren Einrich­tungen isoliert. Zudem zeigte sich, wie in Krisen­zeiten sozi­al­dar­wi­nis­ti­sche Tendenzen in Sorge­öko­no­mien hervor­treten – die Zuschrei­bung als vulnerabel konnte still­schwei­gend umkippen in eine Markie­rung von Menschen, für die Sorge sich nicht mehr lohnt. In der ersten Pande­mie­phase verwei­gerten man in manchen Einrich­tungen die nötige ärzt­liche Behandlung.

Als Anfang 2021 in Deutsch­land täglich rund tausend Menschen starben, kam allmäh­lich der Verdacht auf, dass in Pfle­ge­ein­rich­tungen eine ‚stille‘, versteckte Triage vonstatten gehe. In den Statis­tiken der Ster­benden waren auffällig wenige Kran­ken­haus­ein­wei­sungen von Menschen aus Pfle­ge­ein­rich­tungen verzeichnet. Vor diesem Hinter­grund äußerste Eugen Brysch, Vorstand der Stif­tung Pati­en­ten­schutz, die Befürch­tung, dass „einer sehr großen Zahl von Covid-19-Patienten in Pfle­ge­ein­rich­tungen“ die notwen­dige „statio­näre Versor­gung in Kran­ken­häu­sern versagt wird“. Dieser Verdacht einer stillen Triage verweist in erschre­ckender Weise darauf, wie die Zuschrei­bung als vulnerabel, die im Zeichen von Schutz und Sorge erfolgt, die Selbst­be­stim­mung und mitunter auch das Leben der Betrof­fenen bedrohen kann. Dras­tisch ausge­drückt: Unter dem Deck­mantel von Schutz und Sorge werden Körper als produktiv und weniger produktiv bewertet. Das Verständnis von Vulnerabi­lität als defi­zi­tärer Zustand spielt in diese Bewer­tungs­logik von Körper hinein. Dieje­nigen, die als vulnerabel ausge­macht werden, spricht man ein Stück weit die Selbst­be­stim­mung ab und schränkt somit ihre Hand­lungs­macht weiter ein.

In solchen Zuschrei­bungen spielen Vulnerabi­li­sie­rung und Vikti­mi­sie­rung inein­ander. Das zeigen etwa entwick­lungs­po­li­ti­sche Reden über vulnerable Frauen im Globalen Süden, Diskus­sionen über Behin­de­rung oder, um ein tages­ak­tu­elles Beispiel einzu­bringen, der Aufruf des wieder­ge­wählten Bundes­prä­si­denten Frank-Walter Stei­ner­meier, „die Lage der Ärmsten und Verwund­barsten in unserem Land“ zu achten. Um kurz bei diesem Zitat  zu bleiben: Das Wir in Stein­meiers Ausspruch bezieht sich auf die aktiv Schüt­zenden, während die vulner­ablen und zu schüt­zenden Menschen als die anderen, als Gruppe am Rande der Gesell­schaft erscheinen. In Stein­meiers Aufruf klingt kein soli­da­ri­sches Wir an wie in der Rede von Angela Merkel, viel­mehr offen­bart seine pater­na­lis­ti­sche Rede die Kehr­seite von poli­ti­schen Vulnerabi­li­täts­dis­kursen. Während die Politik das Voka­bular des Vulner­ablen entdeckt, bleibt Verwund­bar­keit poli­tisch ungleich verteilt. Die Rede vom Schutz der Verwund­barsten verschleiert diese ungleiche Vertei­lung von Vulnerabi­lität. „Souverän ist heute, wer über den Verwund­bar­keits­zu­stand entscheidet. Und das sind nicht die Verletz­li­chen selbst“, so die bittere Bilanz von Stephan Lesse­nich. Statt Vulnerabi­lität auf bestimmte Gruppen zu beschränken, schien Merkel in ihrer Ansprache Verwund­bar­keit als geteilten Grund­zu­stand anzu­spre­chen, der Sorge und Soli­da­rität einfor­dert. Solche Worte weisen auf ein völlig verschie­denes Verständnis von Verwundbarkeit.

Verkör­perte Verwundbarkeit

Gina Pane, Senti­mental action, 1973; Quelle: theblogmagazine.com

In einem weiter gefassten, onto­lo­gi­schen Verständnis bildet Vulnerabi­lität, wie es sich in der femi­nis­ti­schen Philo­so­phie findet, eine Grund­be­din­gung des Lebens. Sie ist weit mehr als ein zeit­lich beschränkter Zustand, da wir fort­wäh­rend der affek­tiven und physi­schen Fürsorge bedürfen. Menschen kommen hilflos zur Welt, sie sind in grund­stän­diger Weise abhängig, wie Judith Butler fest­stellte. Diese Abhän­gig­keit und Verwund­bar­keit über­winden wir niemals, schließ­lich bleiben wir stets darauf ange­wiesen, von anderen gesehen, gehört und aner­kannt zu werden, von anderen gepflegt und umsorgt zu werden, wenn wir krank sind oder älter werden. Kurzum, Vulnerabi­lität stößt uns darauf, dass wir zual­ler­erst soziale und verkör­perte Wesen sind. Eben deshalb sind wir unauf­lös­lich anein­ander gebunden.

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Ulay and Marina Abra­movic, Rela­tion in Time, Perfor­mance 1977; Quelle: cobosocial.com

Aller­dings kann diese Abhän­gig­keit bedroh­lich sein, nicht zuletzt inmitten einer Pandemie, in der Körper einander anste­cken und gefährden. Doch in der Pandemie wird Verwund­bar­keit auch als Bedürfnis nach Sorge, Soli­da­rität und sozialer Bande spürbar. Denn Vulnerabi­lität als Grund­be­din­gung mensch­li­chen Daseins geht uns im pande­mi­schen Leben unter die Haut: Wir erleben unsere Abhän­gig­keit in der schmerz­haften Sehn­sucht nach körper­li­cher, affek­tiver Nähe; ebenso erleben wir sie im Wissen darum, von anderen abzu­hängen, um die Lasten des Alltags zu stemmen oder um unsere kranken Körper zu versorgen.

Verwund­bar­keit und Handlungsmacht

Wenn man Verwund­bar­keit nicht als defi­zi­tären Zustand von spezi­fi­schen Subjekten und Gruppen denkt, sondern als Grund­be­din­gung des Lebens begreift, verän­dert sich das Voka­bular. Zumeist wird Vulnerabi­lität als Anti­pode zu Auto­nomie und agency, also Hand­lungs­macht gesetzt. Dazu lädt ihr seman­ti­sches Umfeld von Leiden und Passi­vität ein. Doch diese Verwen­dungs­weise geht einher mit einer Haltung von oben herab, die Sorge und Schutz aus über­le­gener Posi­tion heraus gewährt oder verwei­gert. Anschei­nend verführt das defi­zi­täre Vulnerabi­li­täts­ver­ständnis dazu, als vulnerabel ausge­machte Gruppen und Subjekte in ihrer Ohnmacht und Hand­lungs­un­fä­hig­keit zu beschreiben.

Wenn man dagegen Verwund­bar­keit onto­lo­gisch versteht, als umfas­sende Grund­be­din­gung des Lebens, löst sich der Gegen­satz zwischen Vulnerabi­lität und Hand­lungs­macht auf. Anstatt Verwund­bar­keit als Gegenpol von Hand­lungs­macht zu veran­schlagen, erweist sie sich als Ermög­li­chungs­be­din­gung für Hand­lungs­macht. Judith Butler, Leticia Sabsay und Zeynep Gambetti machen darauf aufmerksam, dass man zahl­reiche Proteste als Ausdruck geteilter Verwund­bar­keit begreifen kann. Die Beispiele sind mannig­faltig, sie mani­fes­tieren sich in all den sozialen Kämpfen, die den glei­chen Schutz für alle Körper einfor­dern. Etwa Black Lives Matter, die aus der geteilten Verwund­bar­keit auf die Straße gehen, um sich gegen die rassis­ti­sche Poli­zei­ge­walt zu wehren. Oder Ni Una Menos, die femi­nis­ti­sche Streik­be­we­gung, die sich gegen geschlech­ter­ba­sierte Gewalt der Femi­ni­zide wenden und aus der geteilten Trauer über die ermor­deten Frauen eine trans­na­tio­nale Protest­welle lostraten. Auch klima­ak­ti­vis­ti­sche Proteste werden der Verwund­bar­keit gewahr, die sich nicht in mensch­li­chen Bezie­hungen erschöpft, sondern auch das Verhältnis zur Natur jenseits des Dogmas der Natur­be­herr­schung begreift. Sie lassen uns gewahr werden, dass wir unauf­lös­lich von unserer Umwelt abhängig sind. In ihrem soli­da­ri­schen Mitein­ander entfalten solche Proteste eine kollek­tive Hand­lungs­macht, die aus der geteilten Verwund­bar­keit herrührt.

Durch die globalen Krisen, die Coro­na­krise und die Klima­krise, werden Fragen der Verwund­bar­keit drän­gender. Gegen­wärtig führt uns die Coro­na­krise vor Augen, dass „der Wunsch nach Abgren­zung und voll­stän­diger Immu­nität ebenso wie das daraus resul­tie­rende Phan­tasma der Souve­rä­nität, Inte­grität und Tota­lität sowohl von Individual- als auch Gesell­schafts­kör­pern“ tatsäch­lich „niemals zu errei­chen ist“, aufgrund der „grund­le­genden Abhän­gig­keit von anderen Körpern, sozialen Einrich­tungen und poli­ti­schen Gemein­schaften“, wie die Philo­so­phin Sonja Gassner anmerkt. Die Pandemie lehrt uns, schreibt auch Sabine Hark, „von der Verwund­bar­keit der anderen und nicht von der eigenen Immu­nität ausge­hend zu handeln – eine Verwund­bar­keit, die zugleich meine eigene ist –, das ‚Ich, ich, ich‘ also nicht abso­lu­tis­tisch in den Mittel­punkt zu rücken“. Diese Perspek­tiven, die sich in Zeiten der Pandemie nahezu aufdrängen, zeichnen den Zukunfts­ho­ri­zont einer globalen Gemein­schaft, in der das Gemein­wohl im Mittel­punkt steht, in der Sorge und Soli­da­rität die Bande des Sozialen bilden. Um die kommenden Krisen global und gemein­schaft­lich anzu­gehen, bedarf es einer radi­kalen Wegwende, weit weg von Wert­logik der produk­tiven Körper, hin zu einer Wirt­schaft und Politik, die den Menschen dient. Vulnerabi­lität, als geteilte Verwund­bar­keit verstanden, geht mit der Forde­rung einher, die ungleiche Vertei­lung von Verwund­bar­keit vehe­ment anzufechten.