Ironische Redeweisen gelten – zumindest in der Moderne – als Ausweis einer ‚liberalen‘, antitotalitären, nichtfanatischen Einstellung. Thomas Mann pries die Ironie als ein „Pathos der Mitte“; Richard Rorty präsentierte seine „liberale Ironikerin“ als Inbegriff abgeklärter Menschenfreundlichkeit: Ironiker seien Menschen, für die „es nichts Schlimmeres gibt, als grausam zu sein“. Die Ironie erscheint auf diese Weise als eine wirksame Versicherung gegen den politischen Radikalismus, ein Mittel gegen ideologische Identifikationen, totalitäre Wahrheitsansprüche, traditionelle Verpflichtungen und völkische Bindungen. Zwar wird immer wieder, besonders nach politischen Schockmomenten (z.B. den Anschlägen von 2001, der Wahl Donald Trumps, dem Übergreifen des Terrors auf Europa, der ‚Flüchtlingskrise‘, dem Brexit), das Ende der Ironie konstatiert (oder gefordert); doch wird dann auch immer wieder ihre Rückkehr gefeiert, mit der gewohnten Begründung, dass sie eine unverzichtbare Waffe „against disinformation, lies, abuses of power and emotive hysteria“ darstelle.
Wenn Rechte witzig werden
Was aus der einen Sicht als liberale Gelassenheit erscheint, stellt sich aus einer anderen Perspektive als elitäre Überheblichkeit dar. Intuitiv wurde die Ironie stets auf Seiten der Mächtigen und Gerissenen verortet; eine ganze kulturtheoretische Tradition hebt ihren Gegensatz zu den populären, direkteren Formen des Humors hervor: der hintersinnige Spott gegen das freudige Lachen (Spinoza), das „reduzierte Lachen“ gegen „das positive, erneuernde Moment des Lachprinzips“ (Bachtin), der „kaltschnäuzige Doktor der Distanz“ gegen die enthierarchisierende, überschreitende Bewegung des populären Humors (Deleuze).
Diese Gegenüberstellung von ‚Volk‘ und ‚Ironie‘ ist auch in den heutigen Diskussionen um den Rechtspopulismus wirksam. Als elitäre, arrogante Ausdrucksform scheint die Ironie mit ‚Populismus‘, also einer Rede im Namen des Volkes, kaum vereinbar zu sein. Populistische Diskurse verstehen sich als Ausdruck eines direkten, unverstellten Willens (‚Volkswille‘) oder einer unmittelbaren Wut (‚Volkszorn‘). Wenn von Vertrauen, Überzeugung, Hingabe, Empörung und Opferbereitschaft die Rede ist, kann das Auftreten von Ironie nur befremdlich wirken.
Grundsätzlich scheint also der Appell an das Volk keine Ironie zu vertragen. Ausnahmen von dieser Regel waren bisher vor allem auf der Seite der politischen Linken zu finden, etwa bei Heine, Büchner, Marx und Brecht, die populäre Forderungen auf elegante Weise mit ironischen Argumentationen verbunden haben. Heute lässt sich die verstörende Beobachtung machen, dass die Ironie ‚rechts‘ geworden ist, dass sich weite Teile der Rechten ganz selbstverständlich einer uneigentlichen, doppeldeutigen Argumentation bedienen und darin keinen Widerspruch zu der von ihnen behaupteten Volksnähe sehen.

Ein Hauch von Kindergeburtstag: aufblasbarer Bundesrichter (Sergio Moro) auf einer Kundgebung von Bolsonaro-Anhängern vor dem Abgeordnetenhaus in Brasilia, Juni 2019. Quelle: veja.abril.com.br
Dabei geht es mir gar nicht in erster Linie um die Phänomene, die zur Zeit unter dem Titel „rechte Ironie“ verhandelt werden, also um den „ironic“ oder „just joking-nazism“, mit dem rechte Youtuber und andere ‚Influencer‘ um Aufmerksamkeitswerte kämpfen. Solche Provokationen sind zweifellos ekelhaft; innerhalb einer durch und durch ironischen social-media-Kultur ist ihr Auftreten aber auch nicht verwunderlich. Erklärungsbedürftiger ist die zunehmende Verbreitung von ironischen Rede- und Verhaltensweisen im Kontext der rechtspopulistischen, eliten- und globalisierungsfeindlichen Bewegungen: Denn diese vertreten eine Agenda, die sich dezidiert gegen alles richtet, was irgendwie nach liberaler Unverbindlichkeit riecht. Gegen die Relativierung der Wahrheiten und Identitäten berufen sie sich auf die unverrückbaren Werte der Moral und Religion; sie erklären die Familie, das Volk, die Nation oder auch den Glauben an Gott zum Maßstab allen Handelns.
Grundsätzlich scheinen die rechten Bewegungen damit einem Vokabular der Ernsthaftigkeit verpflichtet zu sein; gegen die Zweideutigkeit, die Korruption, den Opportunismus der kosmopolitischen Eliten setzen sie auf eindeutige Bekenntnisse und simple Überzeugungen; sie bevorzugen eine kräftige, authentisch wirkende Ausdrucksweise. Entsprechend müssten sie auch die Ironie verabscheuen, denn diese steht gerade für die Herrschaft der Zweideutigkeit, für all die Ambiguitäten und komplizierten Verflechtungen, die den ‚einfachen Mann‘ und ‚aufrechten Bürger‘ daran hindern, ein ruhiges und ehrliches Leben zu leben. Angesichts dieser traditionellen Ächtung ist es durchaus verblüffend, wenn Ironie in rechten Diskursen zu einem Massenphänomen wird.
Aggression und Selbstmitleid
Mit Rücksicht auf den zweifelhaften, elitären Ruf der ironischen Rede wurde im brasilianischen Präsidentschafts-Wahlkampf von 2018 die durchaus vernünftige Warnung ausgegeben, selbst den frenetischen Bolsonaro-Anhängern nicht mit Ironie zu begegnen. In dem „Anti-Bolsonaro-Leitfaden“ eines Bloggers hieß es: „Vergiss die Ironie, den Sarkasmus. Die Leute verstehen das als präpotent.“ Zugleich war aber auch nicht zu übersehen, dass die rechten Massenbewegungen längst ihre eigene Art der Ironie gefunden hatten, eine Weise der kalkuliert verletzenden, zotenhaften Verunglimpfung, der wiehernden Belustigung, die sich selbst als „Spaß“ oder „Verarschung“ („zueira“) deklarierte und sich in den Sozialen Medien in einem epidemischen Auftreten der Buchstabenfolge „kkkkkkkkkk“ (etwa: „hihihi“) niederschlug. Sarkasmus und höhnische Parodie, die satirische Verkehrung demokratischer Slogans, der ‚witzig‘ auftretende Personenkult um Bolsonaro („mito“, „Bolsomito“) und den Richter Sergio Moro („heroi“, „Super-Homem“), die kalkulierten Geschmacklosigkeiten, pubertären Machtgesten und haltlosen Drohungen des Kandidaten, all solche Formen einer leichtfertigen, zweideutigen Kommunikation bildeten feste Bestandteile der rechten Hassrede. Die als arrogant und elitär verschriene Ironie nahm auf diese Weise ihr Bad in der Menge und wurde volkstümlich. „Boa ironia!!!“ lobte Bolsonaro auf Twitter, wenn der Spaß sich gegen ‚Staatskommunismus‘, ‚Kulturmarxismus‘ und ‚Genderideologie‘ richtete.

Die Geste „Waffe im Anschlag“ wurde zum Markenzeichen Bolsonaros. Quelle: veja.abril.com.br
Die Berufung auf Ironie bot zugleich den Vorteil der kalkulierten, rhetorischen Überschreitung. So konnte Bolsonaro im Oktober 2018 eine Großkundgebung in São Paulo zur Ekstase treiben, indem er verkündete, von nun an müssten die „roten Banditen“ sich „unserem Gesetz unterwerfen“ und „entweder ins Ausland oder in den Knast gehen“. Die empörten Reaktionen konnte Bolsonaro dann als „linkes Mimimi“ abtun, als Ausdruck der Empfindlichkeit und Humorlosigkeit seiner Gegner. Eine übertreibende, sarkastische Rhetorik diente auf diese Weise dazu, die Grenzen der Zumutbarkeit auszutesten und zu verschieben. Oberflächlich erinnert ein solches Verfahren an die alte, von Gregory Bateson populär gemachte Geschichte von dem Frosch, der durch langsame Temperaturerhöhung den Zeitpunkt verpasst, aus dem Kochtopf zu springen. Der Unterschied ist allerdings, dass Bolsonaro nicht auf schleichende Gewöhnung setzte, sondern auf das Zusammenspiel von Schockwirkung und Erleichterung: Dem Frosch wird erst mit dem Kochen gedroht; dann wird ihm verkündet, es sei nur ein Scherz gewesen, er könne also beruhigt im Wasser bleiben.
In vielem folgt Bolsonaros repressiver Humor dem Vorbilds Trumps, der im Wahlkampf Hillary Clinton ebenfalls mit Gefängnis drohte oder Barack Obama als „Gründer des Islamischen Staats“ verunglimpfte – nur um hinterher zu erklären, seine Kritiker verstünden keine Ironie: „THEY DON‘T GET SARCASM?“ Trumps spezieller Gebrauch von Sarkasmen ist treffend als Militarisierung („weaponizing“) der Ironie beschrieben worden. Zugleich wird gesagt, er habe damit die Ironie gegen ihre Erfinder, gegen die Klasse der „urbane and educated“ gekehrt. Die Vorstellung von der Ironie als Eigentum feinsinniger Intellektueller hat allerdings mit der realen gesellschaftlichen Ironieverteilung nicht viel zu tun, und sie erklärt daher auch nicht ihre Aneignung durch Trump. Ironie ist nicht nur im Bildungsbürgertum zuhause, sondern ebenso selbstverständlich dort, wo Trump sich zeitlebens bewegt hat, in den Milieus der Reichen, der Geschäftsleute, der Celebrities und Showleute. So wie die Kunst des Deal-Making hat Trump auch den Zynismus der Oligarchen in die Politik mitgenommen.

Patient Bolsonaro, nach dem Messer-Attentat vom September 2018, wieder mit Waffen-Geste. Quelle: brasil.elpais.com
Den Staatsmann mimen
Anders verhält es sich im Fall Bolsonaros. Während sich Trumps Populismus auf die Pose des erfolgreichen Wirtschaftsbosses gründet, setzt Bolsonaro auch als Präsident ganz auf das Image des Mannes aus dem Volk. So lässt er sich gerne filmen, wenn er mit Lastwagenfahrern und Soldaten speist, im Urlaub seine Shorts selber wäscht und seine Gäste in Plastiksandalen und Trainingshose empfängt. Eine solche Rhetorik der Einfachheit und Unverdorbenheit scheint kaum mit einer ironischen Haltung zu vereinbaren zu sein. Dennoch hat Ironie in den Auftritten Bolsonaros und seiner Regierungsleute (besonders des Unterrichtsministers Abraham Weintraub) einen festen Platz. Dies hat wohl mit den besonderen Problemen eines Populismus an der Macht zu tun: Bolsonaros Wahlerfolg gründet sich auf den Ruf des radikalen Außenseiters, des Verstoßenen, der sich bedingungslos dem korrupten System der „velha política“ entgegenstellt.
So hatte Bolsonaro nach seiner Machtübernahme nicht nur das Problem, den Staatsmann mimen zu müssen. Die zusätzliche Schwierigkeit bestand darin, den Anhängern zeigen zu müssen, dass er noch nicht Teil der korrupten politischen Klasse geworden war. Daraus ergab sich eine merkwürdige Spaltung im Erscheinungsbild: In die steifen Auftritte des Regierungs-Bolsonaro mischten sich die überschüssigen Gesten des Volks-Bolsonaro – eine Art pubertärer Revolte des Antipolitikers gegen den Politiker, der er von Amts wegen sein musste: „Stell Dir mein Vergnügen vor, mit Macron und Merkel zu sprechen“, mit Sprüchen dieser Art demonstrierte Bolsonaro seine Fremdheit gegenüber den globalen Eliten und damit seine Nähe zum Volk. Ein süffisanter Kommentar führte schließlich im August 2019 zur Eskalation des diplomatischen Konflikts mit Frankreich: „Demütige den Kerl nicht. Kkkkkk”, schrieb Bolsonaro, als ein Twitter-Follower die Fotos der Präsidentengattinnen verglich und unterstellte, dass Macron Bolsonaro „verfolge“, weil dieser eine jüngere Frau habe.
Ein weiterer Grund für die ironische oder sogar selbstironische Färbung des neuen brasilianischen Autoritarismus liegt in Bolsonaros politischem Misserfolg. Formell der mächtigste Mann Brasiliens, hatte er Schwierigkeiten, auch nur Teile seiner Agenda gegen den Kongress und das Oberste Bundesgericht durchzusetzen. Wenige Wochen nach Amtsantritt stellte sich der Eindruck ein, dass Bolsonaro das Regieren schon aufgegeben habe und nur noch versuche, den engeren Kern seiner Anhänger durch moralische Polemiken im Zustand der diskursiven Hyperventilation zu halten. Zugleich sanken die Popularitätswerte so tief, dass die Möglichkeit einer diktatorischen Machtergreifung in weite Ferne rückte. Wie Bolsonaro der Zeitschrift Veja gestand, habe er in den ersten Monaten seiner Amtsführung nachts „schon verdammt viel geweint“. In der Öffentlichkeit jedoch versuchte Bolsonaro das Schwinden seiner Möglichkeiten ironisch zu überspielen: gegen jede Evidenz erteilte er seiner Regierung die Bestnote, witzelte aber zugleich, der Kongress wolle ihn zur „englischen Königin“ machen.
Der ironische Jargon als Lebenselixier
Wie sich hier andeutet, handelt es sich bei einem großen Teil dessen, was heute als rechte Ironie auftritt, um politisch gewandeltes Selbstmitleid. Wenn die Ironie, die traditionell als ein Instrument der Liberalen und Linken galt, sich derzeit bei den Rechten solcher Beliebtheit erfreut, so liegt das offenbar nicht nur an ihrer Wirksamkeit als rhetorische Zermürbungstechnik; es hat offenbar auch mit dem libidinalen Mehrwert zu tun, den sie bereitstellt. Die Ironie ist, mit anderen Worten, nicht nur Waffe im ideologischen Kampf, sie bildet ein wesentliches Element der politischen Subjektivierung. Dies wird am Beispiel des deutschen Rechtspopulismus besonders deutlich: Millionen von älteren, meist männlichen Deutschen, die sich vor 10 Jahren gar nicht oder nur im kleinen Kreis politisch geäußert hätten, haben die Möglichkeit, entdeckt, ihrer allgemeinen Verbitterung ‚im Internet’ Luft zu machen; eine ganze Bevölkerungsschicht, die vorher nicht durch Ironie hervorgetreten war, hat sich auf den zwanghaft sarkastischen, verdächtigenden Ton der AfD- und Putin-Trolle eingestimmt. Wenn auf diese Weise eine bestimmte Art von gehässiger Ironie zur Erkennungsmelodie des Rechtspopulismus geworden ist, so hat dies offenbar ganz wesentlich mit ihrer psychoökonomischen Attraktivität zu tun: Die Entdeckung der Ironie stellt lebensgeschichtlich eine Art zweiten Frühling dar; der ironische Jargon wirkt wie eine Art Lebenselixier, ein Hormonpräparat, das eine ganze Generation in die politische Pubertät zurückgeholt hat.
Alte, weiße deutsche Männer, die sich selbst sarkastisch als „alte, weiße deutsche Männer“ bezeichnen, gönnen sich damit nicht nur die Befriedigung einer polemischen Spitze gegen die Mainstreammedien, die political correctness, den Genderdiskurs, den Antirassismus, die Migrationspolitik usw. Der ironische Tonfall gibt ihnen auch, und dies dürfte inzwischen ein wesentlicher Faktor in der rechten Politisierung sein, Gelegenheit, sich in gewisser Weise über ihr Schicksal zu erheben: Ein wenig ist es so, als wäre man als selbstdeklarierter „alter, weißer deutscher Mann“ vor allem ein mutiger Freiheitskämpfer – und nur noch in ironischem Sinne alt.