Analogien sind in. Memes, Podcasts, Pressekommentare und wissenschaftliche Debatten vergleichen Trump mit Hitler oder Mussolini. Trump wiederum handelt mit falschen moralischen Äquivalenzen und sieht bei der Demonstration „Unite the Right“ in Charlottesville „sehr gute Leute auf beiden Seiten“. Politiker beziehen sich auf die Konzentrationslager der Nazis, um die Haftanstalten der Immigrations- und Zollbehörde ICE an der Südgrenze der USA zu beschreiben. Dem widerspricht das United States Holocaust Memorial Museum energisch mit der Begründung, der Holocaust sei einzigartig und unvergleichbar, während die ICE selbst in ihren Versuchen, die Analogie zum Faschismus zurückzuweisen („Wir sind keine Nazis. Wir befolgen nur Befehle“), unwillentlich genau diesen Punkt beweist.

Protest gegen Trump vor der Amerikanischen Botschaft in London, 2017; Quelle: independent.co.uk
Das alles ist nicht neu, vor allem nicht im Internet, wo das Godwin-Gesetz die reductio ad hitlerum längst als ein zentrales rhetorisches Muster der Online-Debatten definiert hat. Analogien bilden oft die Grundlage politischer Argumente und laden sie affektiv auf. Sie bauen konzeptuelle Brücken zwischen ansonsten unverbundenen Strukturen und Ereignissen. Zwar können Analogien auch kritisches Denken befördern und uns vorzustellen helfen, was sich in der Zukunft ändern könnte. Sie können Geistesblitze zünden und sie können bedeutende diskursive Energien für alle möglichen politischen Zwecke, seien sie heilsam oder destruktiv, bündeln und umlenken. Gleichzeitig haben zumal historische Vergleiche ihre Grenzen, neigt doch das Denken in Analogien dazu, zu dekontextualisieren. Indem sie komplexe historische Prozesse auf handliche Symmetrien reduzieren, negiert die Analogie das jeweils Spezifische und verwischt Unterschiede. Schnelle Nachrichtenzyklen und die Sozialen Medien begünstigen die Replikation ebenso schneller Analogien. Diese scheinen zwar unseren gegenwärtigen Moment zu definieren, aber sie erklären nur sehr wenig über die Ereignisse eines bestimmten Tages, einer Woche oder eines Monats, wenn wir nicht gleichzeitig deren Mehrdeutigkeiten und Widersprüche wiederherstellen.
Deutschland-Vergleiche
Was uns – zwei weißen Germanisten, die während der Trump-Präsidentschaft und nach fast einem Jahrzehnt Black Lives Matter-Aktivismus in den Vereinigten Staaten tätig sind – , heute auffällt, ist der zunehmende „Analogien-Verkehr“ über den Atlantik hinweg, und zwar in beide Richtungen. Dabei geht es nicht mehr nur um die Frage, ob Hitler für Trump ein Vorbild sei oder ob die Situation in Amerika im Jahr 2020 analog zu der in Weimar-Deutschland in den 1920er Jahren wäre. Kommentatoren oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verstärken die bereits allgegenwärtigen Nazi-Analogien zusätzlich noch durch vergleichende Hinweise auf die in den USA und in Deutschland verschiedenen Formen der Vergangenheitsbewältigung, aber auch der Kolonisierung, Versklavung, Wiedergutmachung und Versöhnung, und schließlich auch der Polizeiarbeit in Deutschland nach dem Holocaust einerseits und nach Aufhebung der rassistischen „Jim Crow“-Gesetze in den Südstaaten der USA andererseits.
In den letzten Monaten gab es zunehmend Memes in sozialen Medien, in denen deutsche und US-amerikanische Erinnerungskulturen miteinander verglichen wurden und in denen erklärt wurde, dass die Aufarbeitung des Holocausts durch die Deutschen der Art und Weise, wie Amerika mit seinem Erbe der Sklaverei umgeht, weit überlegen sei. Diese Memes, die Deutschland als Modell für das Denken über amerikanische Konflikte anbieten, sind grundsätzlich darauf angewiesen, die beiden Länder, ihre Geschichte, ihre Erinnerungskulturen und ihre Identitätspolitik als analog darzustellen. Als ausgebildete Wissenschaftlerin wird Merkel zum Vorbild für alles, was Trump nicht ist; Drosten ist der effektivere Fauci; deutsche Gedenkstätten geben vor, wie an Völkermord und Sklaverei gleichermaßen zu erinnern sei. Die Suche nach Gemeinsamkeiten hat (wenn auch selektiv) die Erinnerungskulturen der beiden Länder erfasst und die Debatten über Politik und Identität auf beiden Seiten des Atlantiks geprägt.
Aber um welchen Preis setzen wir politische Analogien ein, und was bedeuten solche Analogien für das Verhältnis zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten? Wir haben gelernt, Gräuel nicht im Rahmen eines „komparativen Bösen“ gegeneinander aufzurechnen. Dürfen wir aber vom Paradigma der „komparativen Errettung,“ das die Philosophin Susan Neiman vorschlägt, unverfänglichere Einsichten erwarten? Wenn Deutschland in der Erinnerungspolitik eine Vorreiterrolle spielt, können wir dann seine koloniale Vergangenheit vergessen? Wenn die deutsche Vergangenheitsbewältigung jetzt eine Vorlage für die antirassistische Arbeit in den Vereinigten Staaten liefern soll, wo bleibt dann die Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung? Welchen Stellenwert hat im gegenwärtigen Diskurs über Analogien zwischen Trumps Amerika und Nazideutschland der explizite Bezug auf Parallelen zu Faschismus und Genozid durch namhafte anti-rassistische Aktivisten wie Paul Robeson in den 40er Jahren? Was wird, mit anderen Worten, in der Analogie und im Vergleich gewonnen – und was geht verloren?
Neiman hatte diese ganze Diskussion mit ihrem provokant betitelten Buch Learning from the Germans (Von den Deutschen lernen) angestossen, um zu zeigen, wie die USA mit ihrer rassistischen Vergangenheit umgehen könnten. Indem sie ihr Projekt Von den Deutschen lernen nannte, drehte sie den Begriff der reeducation, der „Umerziehung“ der Nachkriegsdeutschen durch die Alliierten, bewusst um. In jüngster Zeit hat Isabel Wilkerson in ihrem viel diskutierten Buch Caste: The Lies That Divide Us den Vergleich sogar noch auf das Beispiel Indien ausgeweitet: Das amerikanische Konzept von „race“, so argumentiert sie, trennt die Afroamerikaner ebenso von der Mehrheitsgesellschaft wie die Dalit im indischen Kastensystem oder eben auch wie die Juden in Nazideutschland.
Diese beiden provokativen Interventionen von Neiman und Wilkerson haben produktive Debatten entfacht. Aber sie haben auch Kritik für ihr analoges Denken auf sich gezogen, das unweigerlich historische Diskrepanzen beschönigt und transhistorische Vergleiche allzu leicht auf ahistorische Gleichungen reduziert. Was jedoch weder Neiman noch Wilkinson hätten vorhersehen können, ist, wie ihre Vergleichsrahmen aufgegriffen werden, während die größte Protestbewegung in der Geschichte der Vereinigten Staaten gleichzeitig internationale Aufmerksamkeit erregt. Während Graffiti die Statue von Robert E. Lee in Richmond, Virginia, bedecken und der umliegende Park zum Schauplatz antirassistischer Proteste wird, sind die transatlantischen Parallelen, die Wilkerson und Neiman zwischen Rassismus und Erinnerungspolitik in Deutschland und den USA ziehen, zu einem akzeptierten Interpretationsrahmen der Unruhen geworden – und zwar nirgendwo mehr als in den Sozialen Medien.
Beschleunigung der Analogien in digitalen Medien
Ein Großteil des „Analogien-Verkehrs“ findet auf Facebook und Twitter statt, in Videos, Memes oder persönlichen Beiträgen, die algorithmisch durch Retweets und Likes verstärkt werden. Verfasser legen es darauf an, dass ihre Beiträge affektives Gewicht haben und eine emotionale Reaktion hervorrufen. Im Zuge des globalen Rechtsrucks hat die Geschwindigkeit der Kommunikationstechnologie einen Stil analogen Denkens verstärkt, der auf einer meme-basierten Syntax beruht: Eine Nazi-Flagge erscheint neben einer Flagge der Südstaaten-Konföderation unter der Überschrift „Flaggen für Verlierer“. In ähnlich einfacher Weise impliziert ein Foto von der Befreiung der Lager im Jahr 1945 eine Analogie zu den Statuen der Konföderierten, indem es die Betrachter:innen bzw. Leser:innen ermahnt, „sich an die Geschichte zu erinnern[:] Das jüdische Volk wollte, dass die Welt sich an den Holocaust erinnert. Dafür bauten sie keine Statuen Hitlers und seiner Gefolgsleute“. Ein viraler Tweet schließlich zeichnet dieses Bild: „Stell dir vor, du bist Jude und gehst durch Deutschland & siehst eine Hitler-Statue. Du bist verärgert und willst, dass sie niedergerissen wird. Und schon sagt jemand: ‚Wie kannst du es wagen? Mein Vorfahre war ein Nazi. Das ist mein Erbe‘ Verrückt, oder? Nun, das ist eine Realität für Schwarze in Amerika, Tag für Tag.“

Quelle: facebook.com
Die memetischen Analogien, denen zufolge Statuen, die konföderierte Soldaten verherrlichen, „schlechte“ Gedenkstätten darstellen, die feierliche Bewahrung von Konzentrationslagern wie Auschwitz hingegen eine „gute“ Art des Gedenkens, sind nur eine Form der Anreicherung historischer Vergleiche mit starken Emotionen. Eines der Memes, die diesen Sommer im Umlauf sind, stellte der englischsprachigen Gedenktafel in Auschwitz-Birkenau, die an den Ort als „Schrei der Verzweiflung und Warnung an die Menschheit“ erinnert, die Inschrift gegenüber, die auf dem Fame Confederate Monument in Salisbury, NC (1909 eingeweiht, 1991 restauriert, im Juli 2020 entfernt) sich an die Soldaten der Konföderation richtet: „Der Ruhm hat euch / eine unvergängliche Krone gegeben / Die Geschichte wird berichten / euren kühnen Mut / edle Leiden und / unvergleichliche Errungenschaften / zur Ehre und / zum Ruhm unseres Landes.“ Die offenkundige visuelle Parallele unterstreicht den Unterschied zwischen Gedenkstätten, die sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzen, und solchen, die unkritisch vergangene Gewalt feiern.
Um das Funktionieren solcher digitaler Bilder zu verstehen, muss man daran erinnern, dass white supremacy dazu geführt hat, dass Weiße chronisch verleugnen, worum es im amerikanischen Bürgerkrieg eigentlich ging. Als ich (Schuster-Craig) in den 1990er Jahren in Fayetteville, Georgia, ins Gymnasium ging, lernte ich, der wesentliche Konflikt des Bürgerkriegs sei jener um Souveränitätsrechte der Staaten gewesen. Ich erinnere mich hingegen nicht, dass dem Leiden der versklavten Menschen je Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre. Aber es gibt unzählige Lehrpläne und Kinderbücher über den Holocaust in amerikanischen Schulen, die die Entmenschlichung jüdischer Menschen einfühlsam darstellen. Haben Weiße Schwierigkeiten, sich in den Schmerz der Schwarzen und Braunen einzufühlen, so fällt ihnen der Rekurs auf Holocaust-Analogien wesentlich leichter – beziehen sich diese doch auf das Leid von Menschen, die im US-Kontext in der Regel als weiß gelten. (Doch sogar noch dieser häufige Rückgriff auf den Holocaust kann erodieren. Douglas Macgregor, Trumps designierter Botschafter in Deutschland, hat die deutsche Vergangenheitsbewältigung als „kranke Mentalität“ angeprangert, ganz im Sinne des Angriffs der Trump-Administration auf Geschichte und Zeitlichkeit.)
Analogien sind formbar. Memes vergleichen Auschwitz nicht nur mit Denkmälern der Konföderierten, sondern auch mit deren Sturz. Das folgende Meme ist eine Variante einer Gegenüberstellung, die Mitte Juni und Anfang Juli 2020 auf Facebook üblich war. Auf der linken Seite ist ein virales Bild der Eisenbahngleise zu sehen, die nach Auschwitz führen – es ist ein Bild, das in Hunderten von Facebook-Postings zu finden ist und die Überschrift trägt: „Über 1,1 Millionen Menschen wurden in Auschwitz ermordet und es steht nach 72 Jahren immer noch“. Auf der rechten Seite sieht man eine zerstörte, niedergerissene Statue der Konföderierten. Auf beiden Fotos sind im Vordergrund keine Menschen zu sehen.

Quelle: facebook.com
Von Schwarzen angeführte Protestbewegungen haben in den USA jahrzehntelang aktiv Gedenkstätten aus Widerstand gegen Ungerechtigkeit identifiziert und niedergerissen. In diesem Meme jedoch wird ausgerechnet Auschwitz als Warnung vor einem solchen Aktivismus angeführt. Memes, die Analogien zwischen konföderierten Statuen und Holocaust-Gedenkstätten ziehen – insbesondere solche wie dieses, das impliziert, dass konföderierte Statuen nicht abgerissen werden sollten – machen das Leiden der Schwarzen ebenso unsichtbar wie Jahrzehnte einer von Schwarzen angeführten Erinnerungskultur. Die Zerstörung kann eine aktive Form der Erinnerung sein, die die Auseinandersetzung mit und die Kenntnis der Geschichte erfordert: Wer hat was, wo und wann getan? Können wir diese Person und ihre Taten als erinnerungswürdig erachten? Wollen wir sie immer noch in Erinnerung behalten? Insbesondere im US-amerikanischen Kontext rückt die visuelle Strategie des obigen Meme offenkundig ein weißes Subjekt – deutsch, jüdisch oder white American – als denjenigen in den Mittelpunkt, der entscheidet, was und wie man sich erinnert. Ein derartiges Konstrukt ignoriert zudem die von schwarzen Europäer:innen geprägten, aus diasporischen und transnationalen Netzwerken hervorgebrachten counter-memory discourses, in denen sich Fatima El-Tayeb zufolge mannigfaltige Erinnerungen kreuzen und überlagern.
Gedächtniskonkurrenz über den Atlantik
Wie in anderen Ländern der Welt haben die Deutschen die amerikanischen Straßenproteste unterstützt, die ein Ende der von der Polizei begangenen Morde und ein nachhaltiges und breites Engagement für Gerechtigkeit zwischen den „Rassen“ (racial justice) forderten. Als Ausdruck transatlantischer Solidarität hatten die deutschen Proteste im eigenen Land allerdings ambivalente Auswirkungen. Obwohl es den Protesten in mancher Hinsicht gelang, die Unterstützung für BLM mit einer erhöhten Sichtbarkeit für Schwarze Deutsche und Organisationen wie der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) zu verbinden und Aufrufe zum Umdenken über „Rasse“ und das koloniale Erbe im heutigen Deutschland zu unterstützen, befürchten wir, dass sie doch einen gegenteiligen Effekt haben könnten: Denn statt neuer, multidirektionaler Engagements scheinen die Proteste die Gelegenheit geboten zu haben, das falsche Überlegenheitsgefühl vieler Europäer in Bezug auf Rassismus gegenüber den USA zu erneuern. Verfolgt von den „Gespenstern des Vergleichs“ kehren die weißen Deutschen zu leicht zu einem konkurrierenden Denken zurück, in dem eine Erinnerung die andere auslöscht – ein Paradigma, das insbesondere der Holocaust-Historiker Michael Rothberg in umsichtigen Beiträgen kritisiert und neu gedacht hat.
Der deutsche Rechtsrahmen, der das öffentliche Zeigen von Nazi-Insignien verbietet, soll nun Vorbild für den Umgang mit der Konföderierten-Flagge sein. Denkmäler, Straßennamen oder Stolpersteine in Deutschland dienen als Referenz für den Abriss von Statuen und die Errichtung von Gedenkstätten im amerikanischen Süden; die Schulung gegen Vorurteile bei der Ausbildung amerikanischer Polizisten soll sich am Geschichtsunterricht orientieren, den deutsche Polizeianwärter erhalten. Aber diese und andere Parallelen verdecken die spezifischen Geschichten auf beiden Seiten des Atlantiks. Die Konzentration auf deutsche Vorbilder lässt allzu leicht die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung, die Errungenschaften der kritischen race-Forschung und die lange Geschichte antirassistischer Arbeit in den Vereinigten Staaten vergessen, die allesamt den Boden dafür bereitet haben, dass BLM eine breite Schicht der US-Bevölkerung gegen die endemische white supremacy-Ideologie mobilisieren konnte. Es ist noch zu früh, um schon abschätzen zu können, wie BLM die deutsche Kultur und die öffentliche Wahrnehmung der jahrelangen Bemühungen Schwarzer Deutscher um die Dekolonisierung der deutschen Räume beeinflussen wird. Aber auch zum Beispiel die jüngste Ablehnung der deutschen Reparationen für den Völkermord an den Nama und Herero durch Namibia zeigt die Grenzen einer deutschen Erinnerungspolitik auf.
Analogien übertreiben; sie kodieren Ängste. Aber diese Ängste haben auch eine Geschichte, denn die Morde durch die Polizei gehen weiter, und die Düsseldorfer Polizei wurde auf Video erwischt, wie sie scheinbar die Taktik der Mörder von George Floyd nachahmte, möglicherweise sogar zum Spaß. Politisierte Analogien – oft in visueller Form durch Memes dargestellt – sind von Natur aus widersprüchlich und absichtlich reduzierend. Als konzeptuelles Werkzeug ist die Analogie statisch. Sie läuft Gefahr, einen geradezu eingefrorenen Interpretationsrahmen gegenüber der inhärenten Mobilität und Multidirektionalität verflochtener Geschichten und Erinnerungen zu privilegieren. Um diese Beweglichkeit wiederherzustellen, bedarf es einer Differenzierung und einer unermüdlichen Aufmerksamkeit für die Prozesse, die die Analogie verdichtet, aber auch verdeckt. Die Analogie funktioniert, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen und zu bündeln – aber nur, wenn wir unseren Interpretationsrahmen wieder für Kontexte öffnen.
Übersetzung: phs.