Klimaschutz jetzt! – dies fordern aktuell viele von ihrer Hochschule. Die Wunschlisten sind lang und umfassend: Hochschulen sollen CO2-Bilanzen und -Budgets erstellen, regelmäßige Umweltberichte veröffentlichen, Emissionen aller Art verringern, neue Mobilitätskonzepte erarbeiten, mehr vegetarische Gerichte in den Mensen anbieten und das Thema Klimaschutz stärker in Lehre und Forschung verankern. Letztlich geht es darum, bisherige Verhaltensweisen und Handlungsparameter radikal in Frage zu stellen und neue Maßstäbe zu etablieren. Was dabei oft übersehen wird: Mit der Umsetzung dieser Ziele gehen weitreichende Veränderungen in Verwaltung und Steuerung einher, die unbedachte und daher teilweise auch unerwünschte Folgen haben können. Dies ist kein Plädoyer dafür, alles beim Alten zu lassen und Klimaschutzmaßnahmen hintanzustellen, ganz im Gegenteil. Ein Blick zurück auf die Anfänge universitären Umweltmanagements vor gut dreißig Jahren zeigt jedoch eindrücklich, dass es notwendig ist, sich von vornherein Gedanken darüber zu machen, welche Strukturveränderungen mit der Definition und Umsetzung von Klimaschutzzielen einhergehen können.
Spannungsreiche Position der Hochschulen
Der Begriff des Umweltmanagements transportiert die Verbindung zwischen Umwelt bzw. Klima und Management bereits im Namen. Er stammt aus den 1990er Jahren, als die EU und die Internationale Organisation für Normung (ISO) erstmals umweltbezogene Zertifizierungsmöglichkeiten schufen, um Unternehmen zu umweltfreundlicherem Handeln zu animieren. Seit 1993 können sich Unternehmen in der EU dem freiwilligen Öko-Audit EMAS (Eco Management and Audit Scheme) unterziehen, 1996 trat die internationale Umweltmanagementnorm ISO 14001 in Kraft. Dienstleister und der öffentliche Dienst griffen das Format des Öko-Audits auf. Auch Hochschulen machten sich Ende des Jahrzehnts vereinzelt daran, die Anforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten des Umweltmanagements auf ihre Strukturen und Bedürfnisse hin anzupassen, um das neue Instrument für sich nutzbar zu machen.
Bis heute finden sich Hochschulen dabei in einer spannungsreichen Position. Anders als die meisten Unternehmen nahmen und nehmen sie oftmals für sich in Anspruch, Vordenker:innen in Sachen Umweltschutz, mittlerweile auch bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu sein. Wissenschaftler:innen und Studierende fordern Aufmerksamkeit und die Berücksichtigung ihrer Forschungsergebnisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie sehen sich außerdem in einer großen Verantwortung, da Hochschulen die künftigen Generationen ausbilden, die in der Lage sein sollen, den Klimawandel zu verstehen und Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig zeigen sowohl die Diskussionen der 1990er Jahre wie auch die gegenwärtigen Proteste, dass ein auf die eigene Institution bezogener Umwelt- und Klimaschutz an den meisten Hochschulen keine Priorität hatte und weiterhin nicht hat.
Umweltschutz – eine Steuerungsgröße für Hochschulen?
Die Diskussionen über eine Implementierung der neuen Steuerungsmittel Audit bzw. Managementsystem kurz vor der Jahrtausendwende zeigen eine erste und langsame Umorientierung an den Hochschulen. Bereits seit den 1970er Jahren gab es Hochschulgruppen und -initiativen, die sich für Umweltthemen engagierten, erste Umweltstudiengänge entstanden am Ende des Jahrzehnts und dann vermehrt seit den 1990er Jahren. In Politik und Öffentlichkeit waren Umweltfragen damals enorm präsent, u.a. durch die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand und das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung etablierte, oder durch das europäische Naturschutzjahr 1995. Erst zu diesem Zeitpunkt wuchs, wenn auch zunächst nur bei einigen wenigen Hochschulangehörigen, allmählich das Bewusstsein für die Diskrepanz zwischen den Lehrinhalten und der gelebten Realität an der eigenen Hochschule.
Vor diesem Hintergrund richtete sich nun an manchen Hochschulstandorten der Blick nach innen. Die TU Darmstadt etwa führte 1991/92 als erste deutsche Hochschule ein Semesterticket ein und das Umweltreferat des Studentischen Konvents an der Katholischen Universität Eichstätt beschäftigte sich mit der Frage, wie die KU umweltfreundlicher werden konnte. In Bremen erarbeitete das universitäre Öko-Referat 1995 „Vorschläge für eine ökologisch effiziente Universität“. Auch die Hochschulleitungen setzten das Thema Umwelt zumindest auf die Agenda. 1993 legte die Europäische Rektorenkonferenz die Copernicus-Charta für nachhaltige Entwicklung vor, die hunderte europäische Hochschulen unterzeichneten. Ein Jahr später gab die Hochschulrektorenkonferenz das Handbuch „Umweltschutz an Hochschulen“ heraus. Konkrete Verpflichtungen waren damit nicht verbunden. Doch das Bewusstsein, Schlussfolgerungen der Umwelt- und Klimaforschung auf sich selbst anwenden zu müssen, wuchs. Mancherorts, zum Beispiel an den Universitäten Bremen und Osnabrück, an der FHW Berlin oder an der FH Furtwangen entstanden Mitte und Ende der 1990er Jahre Diplomarbeiten, die sich mit einer möglichen Übertragung von Umweltmanagementstrukturen auf die eigene Hochschule befassten.
Mit Audits und Managementsysteme standen Instrumente im Raum, die auf der systematischen Ebene ansetzten. Es ging nicht länger um Einzelmaßnahmen wie die Abschaffung von Einweggeschirr, attraktivere Anbindungen der Hochschule an den Nahverkehr oder die Einführung von Abfalltrennung auf dem Campus. Stattdessen gerieten Abläufe in ihrer Gesamtheit in den Blick. Sie waren nicht auf eine konkrete Zielmarke ausgerichtet, sondern auf einen Prozess, der als dauerhafte Aufgabe mit immer neuen Zielfestlegungen begriffen und häufig – wie auch im Falle von EMAS und ISO 14001 – extern überprüft und zertifiziert wurde. Die festgelegten Normen reichten über gesetzliche Vorschriften hinaus, denn es ging gerade um die Übernahme von Eigenverantwortung und Vorsorgemaßnahmen. Wer sich auf ein Zertifizierungsverfahren oder Einführung eines Umweltmanagementsystems einließ, musste einigen Aufwand betreiben: Der Gesamtbetrieb musste durchleuchtet, Ziele und Umsetzungsstrategien festgelegt, interne Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Verfahren waren aufwendig und kostenintensiv. Warum und wie nahmen Hochschulen diese Mühe auf sich?
Die gemanagte Hochschule
Ein Blick auf die Diskussionen um Hochschulreformen der 1990er Jahre zeigt interessante Parallelen des Umweltmanagements zu Prozessen, die gemeinhin unter dem Schlagwort der (neoliberalen) Ökonomisierung der Universität verhandelt werden. Die Debatten um Umweltmanagement und Öko-Audits begannen zu einem Zeitpunkt, zu dem sich betriebswirtschaftliche Managementstrukturen, -instrumente und -begriffe bereits im Hochschulbereich zu etablieren begonnen hatten. Geschichtswissenschaftliche Studien haben gezeigt, wie sich neue hochschulpolitische Leitbilder, Leitungsformen und Steuerungsinstrumente durchsetzten: Die sich als unternehmerisch verstehende Universität, nach innen und außen ausgerichtet an Vorstellungen von Konkurrenz und Wettbewerb, strukturell ausgerichtet an Unternehmensstrukturen und dem Gedanken des New Public Management. Damit hielten ein neuer betriebswirtschaftlicher Jargon sowie betriebswirtschaftliche Instrumente Einzug in die Hochschulen.
Diese neue Nähe zwischen Hochschul- und Unternehmenswelt zeigt sich auch in den ersten Umweltberichten, die einige wenige Hochschulen Ende seit der 1990er Jahre veröffentlichten, und in den Publikationen, die den Austausch zwischen Hochschulen zu Umweltmanagement und Öko-Audits dokumentierten. Bei der Frage, wie das für Unternehmen konzipierte Instrumentarium auf Hochschulen übertragen werden könnte, glichen die beteiligten Wissenschaftler:innen und Verwaltungsmitarbeiter:innen immer wieder ab, inwiefern Hochschulen Unternehmen ähnelten und wo die Verfahren modifiziert werden mussten. Die Unsicherheit manifestierte sich auch schriftbildlich. Wenn Hochschulen als Unternehmen oder unternehmensähnlich bezeichnet wurden, war der Begriff „Unternehmen“ teils in Anführungszeichen gesetzt, um eine gewisse Distanz zu signalisieren, teils aber auch nicht.
Neue Managementstrukturen – und dazu zählte auch das Umweltmanagement – standen für einen veränderten Blick auf Hochschulen. Ob es um Geld, Energie, Abfall, Wasser oder andere Ressourcen ging: Fakultäten, Fachbereiche, Abteilungen, Seminare oder Institute standen nicht mehr für sich allein, sondern erschienen als verbrauchende bzw. erzeugende Teilbereiche eines großen Ganzen, zusammengeführt in einer Gesamtbilanz. Kreisläufe und Zusammenhänge rückten in den Vordergrund, gut abzulesen in ihrer Visualisierung durch Schaubilder und Diagramme in Berichten. Sie stellten Hochschulen auf eine neue Weise dar, man könnte sagen, sie entwarfen ein neues Bild. Diese Entwicklung war umso bedeutsamer, als Hochschulen sich zunehmend in Konkurrenz zueinander sahen, nicht zuletzt mit Blick auf Finanzgeber und Studierende. Hinweise auf das Image der Hochschule prägten sowohl die Diskussionen um neue hochschulpolitische Leitbilder wie um die Einführung von Umweltmanagementstrukturen.
Neues Institutionswissen
Die zentrale Voraussetzung für diese neue Sichtweise auf Hochschulen war die Erhebung unzähliger Daten. Es galt, ein neues Wissen über die eigene Institution zu erwerben und sie neu zu vermessen, um sich einen Überblick zu verschaffen und Maßnahmen beschließen zu können. Der Datenhunger der Berichterstatter:innen zeigt sich in den allgemeinen Statistiken und Rechenschaftsberichten mit bisher unüblichen Berechnungen von Drittmittelquoten, Publikationen und Zitationsindizes, während es in Umweltberichten und in den Überlegungen zur Einführung von Audits bzw. Umweltmanagementsystemen um Ressourcenverbrauch und Abfallmengen ging. Überall war von notwendigen Erhebungen die Rede, um Unbekanntes und bisher auch Unwichtiges sichtbar zu machen. Möglich wurde die Datenerhebung nicht zuletzt durch technische Umrüstung, beispielsweise die massenhafte Installation von Thermostaten und Zählern, die individuelle Verbrauchswerte erfassten sowie Softwareprogrammen zu deren Verarbeitung. Nicht zuletzt bildete die flächendeckende Ausstattung der Hochschulen mit Computern seit den 1980er Jahren eine wichtige Voraussetzung für Erfassung und Verarbeitung der Datenbestände.
Lagen ausreichend Daten vor, konnten Indikatoren gebildet, Leistungsziele festgelegt und Termine für eine Überprüfung vereinbart werden. „Öko-Controlling“, wie es in einer der ersten Publikationen zur Einführung von Öko-Audits an Hochschulen 1997 hieß, funktionierte nach den gleichen Prinzipien wie betriebswirtschaftliches Controlling, das Leistungsindikatoren und Zielwerte festlegte, die erreicht werden mussten, nicht über- oder unterschritten werden durften. New Public Management und Umweltmanagement entsprangen denselben Überlegungen und sie führten zur Ausbildung paralleler Mechanismen und Instrumente.
Dies zeigt nicht zuletzt der Blick auf die Diskussionen über die Frage, wie Leistungs- bzw. Einsparungsziele erreicht, kontrolliert und gesichert werden konnten. Das Zauberwort lautete Budgetierung. Sie sollte Einsparungen ermöglichen, Wettbewerb fördern und Mittelzuweisungen legitimieren. Auch im Umweltschutzbereich bildeten Kosteneinsparungen einen starken Anreiz, der Hinweis darauf fehlt in keinem Hochschuldokument zu diesem Thema. Umweltmanagementsysteme fügten sich nahtlos in die allgemeinen und hochumstrittenen Überlegungen zu Budgetierung und zu Reformen nach den Maßgaben des New Public Management an Hochschulen seit den 1990er Jahren ein. Um Ressourcen wie Energie, Wärme, Wasser, Chemikalien und andere Rohstoffe einzusparen, sollten Mittelvergabe, Leistungsanreize und Sanktionen aneinandergekoppelt werden. Die Vorschläge reichten von der Einführung einer dezentralen Ressourcenverwaltung bis zur individuellen Zuordnung von Verbrauchswerten. Verbraucher:innen wurden damit als einzelnes Fach oder als Fakultät in die Verantwortung genommen. Einige Hochschulen überlegten, eingesparte Mittel anteilig an die Fächer oder Fakultäten zu geben, um Anreize zur Erfüllung der Zielvereinbarungen zu setzen.
Hochschulpolitik zwischen Klimastreik und Managementstrukturen
Die hier beschriebenen Prozesse verliefen in engen Grenzen. Nur wenige Hochschulen entschlossen sich zur Einführung von Umweltmanagementsystemen oder ließen sich zertifizieren. Zu den Pionieren zählten u.a. die HTWS Zittau/Görlitz, die Universität Lüneburg sowie die Universität Bielefeld. Trotz der ungleich höheren Dringlichkeit von Umwelt- und Klimaschutz im öffentlichen Diskurs sind auch heute nur etwa zwanzig Hochschulen in Deutschland EMAS-zertifiziert, einige andere haben andere Formen des Umweltmanagements gewählt.
Doch die Beobachtung, dass die Anstöße zur „unternehmerischen Universität“ und erste Ansätze zu Umweltmanagementsystemen auf ähnliche Grundideen und Maßnahmen setzten, gibt für die aktuellen Debatten zu denken. Liegt in der gewachsenen Aufmerksamkeit für die Herausforderungen des Umweltschutzes ein bisher übersehener Erkläransatz für die Transformation der Hochschulen seit den 1990er Jahren? Die Impulse kamen zwar aus unterschiedlichen Teilen der Hochschulöffentlichkeit und ihnen lagen durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der Hochschule der Zukunft zu Grunde. Dennoch griffen sie in ihren praktischen Stoßrichtungen oft ineinander.
Auf heute bezogen hieße das: An welchen Zielen sollen sich Hochschulen ausrichten, nach welchen Maßgaben und mit welchen Instrumenten sollen sie gesteuert werden? Lassen sich zentrale Forderungen des Klimaschutzes nach einer Reduzierung des Ressourcenverbrauchs und klimaneutralem Forschen und Lehren mit den dezentralen Strukturen deutscher Hochschulen vereinbaren? Dafür ist es notwendig, Umwelt- bzw. Klimaschutz nicht als Einzelziel, sondern als Teil gesamtuniversitärer Strukturen zu denken und beide Teile des in den 1990er Jahren eingeführten Neologismus „Umweltmanagement“ weiter auszuloten. Wer Klimaschutz will, muss auch über Management nachdenken.