
Im Licht einer Umgestaltung der „ecology of the planet“ (David Abram) verliert der Begriff des Terraforming zunehmend seine techno-futuristische Pointe, die sich seit Jack Williamsons Kurzgeschichte Collision Orbit (1942) auf die menschliche Urbarmachung fremder Planeten bezog. Vielmehr muss Terraforming heute, wie Donna Haraway betont hat, als eine grundlegende Kategorie einer menschlichen und nicht-menschlichen Reform der Erde verstanden werden, die immer schon und erst recht in Zukunft zahlreiche Akteur:innen bei der aktiven Umgestaltung des Planeten Erde zusammenführt. Nicht zufällig bezeichnet Haraway Bakterien als „the greatest planetary terraformers (and reformers) of all“, welche „in inter/intra-action of myriad kinds (including with people and their practices, technological and otherwise)“ stehen.
Ein solcher Begriff von Terraforming, der die Bedeutung weg vom Extraterrestrischen hin zum Terrestrischen verschiebt, grenzt sich jedoch auch gegenüber anthropozentrischen Verkürzungen ab – einem einseitigen Technikglauben, der heute in Form des Geo- oder Climate-Engineering neu auflebt. So soll etwa durch neuartige Infrastrukturen oder Holzplantagen CO2 aus der Atmosphäre gebunden werden. Angesichts der gleichzeitigen Herausforderung der Klimawandelanpassung und der Energiewende kann ökologische Praxis jedoch nicht länger auf rein menschliche Aktivitäten des Engineering oder Designs reduziert werden; vielmehr müsste ein kohabitatives Terra-Reforming an deren Stelle treten, um neue Energielandschaften und klimaangepasste urbane Territorien denkbar werden zu lassen. Wie wir heute wissen, bilden extraktive Rohstoffgewinnung und intensive Plantagenwirtschaft ein längst in Gang befindliches Terraforming, das die Ökologie mit der Ökonomie kurzschließt und dessen Wirkungsfeld Haraway im Dreigespann von „Anthropocene, Capitalocene, Plantationocene” zusammenfasst. Dieser empirischen Realität muss ein neues normatives Verständnis entgegengestellt werden, wie Timothy Morton angedeutet hat: „We have always been terraforming, so let’s do it consciously from now on.”
Eine Wissensgeographie des Terraforming
Intellektuelle Reservoirs von Terraforming, die gleichermaßen zur Begriffsschärfung und zur Anschauung einer zukünftigen bewussten Praxis dienen, finden sich im urbanistischen Denken des 20. und 21. Jahrhunderts. Für den russischen Ingenieur und Schriftsteller Andrej Platonov, den deutschen Architekten Hermann Sörgel und den US-amerikanischen Künstler-Architekten Peter Fend bezeichnet Terraforming integrierte Techniken der Klimatransformation und Energiegewinnung. Indem die Ideenwelten dieser Autoren, deren Referenzterritorien sich von der Meerenge von Gibraltar bis in den äußersten Osten Sibiriens erstrecken, hier zusammen vorgestellt werden, soll eine „Wissensgeographie” des Terraforming skizziert werden, die im Anschluss an Ananya Roy auch als eine „new geograph[y] of theory” bezeichnet werden kann.
Beispiel 1: Andrej Platonovs Dshan
Beginnen möchte ich mit dem intellektuell wohl anspruchsvollsten Theoretiker des (erdbezogenen) Terraforming. Der russische Schriftsteller und Ingenieur Andrej Platonov (1899–1951) ist ein exemplarischer Vertreter eines Terraforming-Utopismus unter sowjetischen Vorzeichen, dessen visionäre Schriften in einer heutigen Lesart zahlreiche Schnittmengen mit ökologischen Diskursen aufweisen. Was im proto-ökologischen Roman Dshan (1935) kulminierte, wurde von Platonov bereits in den 1920er Jahren in Form von mehreren technischen Aufsätzen theoretisch vorweggenommen. In Über die Verbesserung des Klimas (1923) etwa denkt der Bewässerungsingenieur Platonov über die Anpassung von Ökosystemen in kontinentalen Ausmaßen nach. Im Zentrum steht die These von der grundsätzlichen Transformierbarkeit geoklimatischer Bedingungen (die Natur als das Vorgegebene). Dabei nimmt er Bezug auf Fachdiskussionen unter nordamerikanischen und sowjetischen Ingenieuren seiner Zeit. Platonov verweist etwa auf die Idee der „Erhöhung der mittleren Jahrestemperatur“ auf der Labrador-Halbinsel oder der „Verbesserung des Klimas“ in Ostsibirien. In Neufundland, so Platonov, lief das Projekt „im Wesentlichen darauf hinaus, durch die Errichtung eines gewaltigen Staudamms in der Meerenge zwischen der Labrador-Halbinsel und Neufundland eine bestimmte kalte Meeresströmung zu unterbrechen und gleichzeitig eine warme Strömung in die gewünschte Richtung zu lenken“. Die Beschreibung der dafür nötigen Mechanismen erinnert auf frappierende Weise an heutige empirische Beschreibungen des globalen Klimawandels, mit dem Unterschied allerdings, dass die veränderten Meeresströmungen planerischinduziert wären.

Josef Stalin, Großer Plan zur Umgestaltung der Natur, 1948.
© Lopez, Fanny. 2014. Le rêve d’une déconnexion. De la maison autonome à la cité auto-énergétique. Paris: Editions de la Villette.
Platonov hebt drei wesentliche Interventionsebenen für eine Klimaverbesserung hervor: die „Hydrosphäre“, die „Atmosphäre“ sowie das „Relief der Erdoberfläche“. Alle drei Ebenen sind hochkomplex, dynamisch und interagierend; Platonov erachtet sie als zentrale Hebel, um das Klima bewusst zu verändern. Zu konzipieren wäre ein neues Profil „der gesamten Erde“, indem neue Gebirgssysteme durch die „Verwendung von Sprengstoff“ in die gewünschte Form gebracht werden. Wie das Wasser lassen sich auch die Luftströme „stauen, kanalisieren (…) begradigen usw.“ Das Relief der Erdoberfläche stellt einen „Widerstand gegen die atmosphärischen Strömungen“ dar, der maßgeblich das Klima beeinflusst. So könnte etwa die Wüste Gobi durch Terraforming-Maßnahmen in Sibirien wieder fruchtbar gemacht werden.
Bemerkenswert sind solche Überlegungen zum Terraforming, wie sie in der frühen Sowjetunion angestellt wurden, weil sie die Vorgegebenheit der Ressourcen hinterfragen und einen engen Konnex zwischen Geologie und Infrastruktur postulieren. Im Licht der zu schaffenden neuen Gesellschaft muss auch die Geografie (und die damit zusammenhängenden Ökologien) des Sowjet-Reiches neu komponiert werden. Terraforming erscheint hierfür, neben dem Infrastrukturbau, als probates Mittel. Noch 1948 präsentierte Stalin seinen großen Plan zur „Transformation der Natur“; ein gigantisches Netzwerk von Energieinfrastrukturen, das Asien überziehen und mit Europa verbinden sollte. Im Unterschied zur staatlichen Politik der Ausbeutung der Natur, mit ihrer Fixierung auf großmaßstäbliche Infrastrukturen, war sich Platonov der ökologischen Verheerungen sehr wohl bewusst. Changierend zwischen Machbarkeitsglauben und radikaler ökologischer Kritik zielte er auf die Schaffung neuer Ökosysteme, die den Infrastrukturbau konzeptionell ergänzen sollten.
Beispiel 2: Hermann Sörgels Atlantropa
Der deutsche Architekt Herman Sörgel (1885–1952) hat mit seinem alle Maßstäbe sprengenden Projekt Atlantropa eine neue Geografie, mit neuen Landmassen und neuen Ökologien, anvisiert. Über drei Jahrzehnte hinweg hat Sörgel an diesem Projekt unter Beizug zahlreicher Experten gearbeitet. Atlantropa beruhte auf der Idee einer geologischen Transformation des mediterranen Meerbeckens. Würde dem Mittelmeer der Zufluss aus dem Atlantik (und dem Schwarzen Meer) entzogen, so Sörgels zentrale Idee, so würde es zu einer fortlaufenden Verdunstung und in der Folge zu einer kontinuierlichen Absenkung des Wasserspiegels und zu neuen Landbrücken, etwa zwischen Sizilien und Kalabrien, kommen. Durch die Errichtung eines neuen Damms zwischen Sizilien und Tunesien würden schließlich zwei voneinander getrennte Wasserbecken entstehen. Durch die Absenkung des westlichen Meeresspiegels um 100 Meter und des östlichen um 200 Meter würden riesige neue Landflächen gewonnen werden. Für die trocken gelegten Territorien entwarf die Elite des Neuen Bauens futuristisch anmutende Bauten, Infrastrukturen und Neustädte. Im Kontext der Weltwirtschaftskrise erschien Atlantropa als ein realisierbares Unterfangen, das Arbeit in einem bis dahin unbekanntem Ausmaß für alle gesellschaftlichen Schichten versprach.

Hermann Sörgel, Atlantropa-Übersichtskarte, die das Energienetz und die Landgewinnung zeigt, 1932.
© Deutsches Museum, München.
Als „Paneuropäer“, der von der Überlegenheit Europas (und nicht etwa Deutschlands) überzeugt war, verfolgte Sörgel mit rassistisch motiviertem Eifer die Transformation des Klimas des Kontinents Afrika. Die riesigen Binnengewässer, die aus dem Stauen der Meerenge von Gibraltar und der Dardanellen resultieren würden, sollten die klimatischen und ökologischen Verhältnisse des Mittelmeeres einschneidend verändern und zur Wolkenbildung über den hochariden Gebieten Afrikas anregen. Zudem zielte Sörgel darauf, die tiefer gelegenen Gebiete der Sahara-Wüste mit dem Wasser der beiden Binnengewässer fruchtbar zu machen. Kanäle sollten die Wüstengebiete bewässern und interkontinentale Handelsrouten die neuen fruchtbaren Ökologien mit Europa verbinden. Atlantropa reihte sich insofern nahtlos in das koloniale Politikverständnis der damaligen Zeit ein.
Infrastrukturen an den Rändern Europas sollten schließlich dessen Energiebedarf decken. Zusammen mit dem Schweizer Elektroingenieur Bruno Siegwart, Direktor von Siemens & Halske, plante Sörgel bis in alle Details den Gibraltar-Staudamm, welcher 35 Kilometer lang, 2,5 Kilometer breit und über 300 Meter hoch werden sollte. Sörgel ging davon aus, dass für die Errichtung des Staudamms nicht mehr als 15 Jahre benötigt würden – unter Einbezug von einer Million Arbeiter:innen. Mit der veranschlagten Leistung aus den Mittelmeerwerken war, wie der Architekturhistoriker Wolfgang Voigt angemerkt hat, „der Strombedarf Europas für alle Zeiten gedeckt“ und der Kontinent „gewappnet für den Tag, an dem die fossilen Energieträger endgültig erschöpft sein würden.“ Im Kontext heutiger Diskussionen zu einem gesamteuropäischen Netz von erneuerbaren Energien – mit imaginierten Solarfarmen in der Sahara und Windfarmen in der Nordsee – erscheinen die Planspiele Sörgels in einem neuen, das Zukünftige antizipierenden Licht.
Beispiel 3: Peter Fends Ocean Earth
Der zeitgenössische amerikanische Künstler Peter Fend (*1950) ist ein Pionier des environmental art movement. Terraforming erscheint in seinem Fall als logische Weiterentwicklung der Land Art, die sich mit begrenzten Interventionen in der Landschaft begnügt hatte. Im Unterschied zu den fortschrittsgesättigten Überlegungen von Sörgel und Platonov kreisen die ökologischen Projekte von Fend um die negativen Auswirkungen von Staudämmen, Plantagen, Abholzung etc. auf die lokalen Ökosysteme sowie die Möglichkeiten, wissenschaftlich informiert, ein neues Terra-Reforming zur Regeneration zerstörter Umwelten zu entwickeln. Wie zwei jüngere Ausstellungen im Migrosmuseum in Zürich andeuteten, führen Fends Überlegungen Eco-Fiction, Eco-Facts und Eco-Action zusammen, damit Ansätzen von Donna Haraway folgend.

Peter Fend, Ökologische Wiederherstellung des Kaspischen Meeres.
© Peter Fend (Ocean Earth Development Corporation).
Ging es in der Frühphase von Fends Arbeiten noch zentral um urbane Fragen – etwa neue Energieressourcen und ihre faire Verteilung in New York, so wurden später immer größere Ökosysteme untersucht, die mit ihren geo-hydrologischen Themensetzungen über explizite Bezüge zu Terraforming verfügen. Fends jüngere Arbeiten kreisen etwa um das Kaspische Meer, dessen Wasser immer stärker Verdunstungsprozessen unterliegt. Die Frischwasserzufuhr wie sie früher bestand ist unterbrochen und ganze Fischarten sterben aus. Die Wolga ist kein eigentlicher Fluss mehr, sondern bloß eine Reihe von Seen, die jene Nährstoffe zurückhalten, die das kaspische Meer so dringend benötigt. Fend hat verschiedene Recherchen unternommen und Projekte vorgeschlagen, wie diese Prozesse rückgängig gemacht werden können. Durch interdisziplinäre Kollaborationen entwickelt seine Firma Ocean Earth Construction and Development Corporation neue umweltbezogene Strategien. Wichtiger Bestandteil seiner Bemühungen bildet eine künstlerische Kartografie, die auf die Sichtbarmachung des bisher Übersehenen und das geografische Rearrangieren von Territorien zielt. Satellitenaufnahmen für seine Recherchen nutzend, nahm Fend forensische Ansätze in der Kunst vorweg, die heute auch prominent durch Forensic Architecture vertreten werden. Es kann von einer “Kunst im Weltmassstab” oder von einer “Klimakunstforschung” gesprochen werden, die Projekte und Ideen mit Interventionen verbindet.
Der schiere Machbarkeitsglaube Sörgels, unter Missachtung unkalkulierbarer ökologischer Effekte, erscheint im Licht von Fends Arbeiten überaus problematisch. Die Absenkung des mediterranen Meeresspiegels würde die Ökologie und damit auch das Klima der ganzen Großregion in nicht vorhersehbare Richtungen verändern. Gerade solche möglichen negativen Effekte waren außerhalb von Sörgels Vorstellungsvermögen, während Platonov, als skeptischer kommunistischer Ingenieur, eine mittlere Position einnimmt. Er schwankte zwischen dem Glauben an die Transformierbarkeit vorgegebener Ökologien und den Einsichten in die Unzulänglichkeit großtechnischer Systeme. Mehr noch als Platonov zielt Fend in seinen Projekten auf die Reparatur des von Menschen verursachten ökologischen Schadens. Künstlerische Imaginationskraft scheint hierfür unerlässlich.
Die Energielandschaft als Palimpsest
Das intellektuelle Erbe der genannten Autoren gilt es heute im Kontext der aus dem Klimawandel erwachsenden Herausforderungen neu zu deuten. Bedenkenswert sind die Ideen Platonovs, Sörgels und Fends heute insbesondere deshalb, weil sie die Energieversorgung nicht bloß zu einem Infrastruktur-, sondern darüber hinaus zu einem ökologischen Problem von kontinentalen Ausmaßen gemacht haben. Die Terraforming-Fantasien der drei Autoren eröffnen Einblicke in die über-menschlichen Herausforderungen bei der Etablierung zeitgenössischer postkarbonischer Energielandschaften. Das Territorium bildet nicht länger neutrale Hintergrundfolien für Energieinfrastrukturen; vielmehr treten neuartige, der Klimatransformation geschuldete Infra-Ökologien in den Austausch mit den Infrastrukturen. Dabei erscheint Terraforming als letztlich politisch grundierte urbanistische Praxis, bei der die Erhöhung der postkarbonischen Stromproduktion mit jener der Biodiversität einherzugehen hätte.
In Anlehnung an zwei Schlüsselbegriffe der jüngeren Urbanismustheorie kann von Amalgamen aus Megaformen und Megastrukturen gesprochen werden, welche Energielandschaften in Zukunft darstellen werden. Während der Begriff der Megastruktur insbesondere aus der technophilen japanischen Architektur der 1950er und 60er Jahre hervorgegangen ist, war der Begriff der Megaform Resultat europäischer Debatten zum Regionalismus in den 1980er und 90er Jahren. Im Gegensatz zur infrastrukturell gedachten Megastruktur, entwickelt sich die Megaform aus topografischen Gegebenheiten, die zu Architekturen geformt werden.
So verstanden ist das primäre Charakteristikum jedweder Energielandschaft ihre palimpsestische Verfasstheit, welche Megastrukturen mit Megaformen verknüpft. Der Begriff des „Palimpsests“, wie ihn der Genfer Urbanismustheoretiker und ETH-Professor André Corboz 1983 in seinem Aufsatz Das Territorium als Palimpsest geprägt hat, kann helfen, den raum-zeitlichen Charakter von Energielandschaften zu erfassen. Das Territorium erscheint bei Corboz als „Ergebnis einer sehr langwierigen und sehr langsamen Schichtenbildung, die man kennen sollte, bevor man in sie eingreift.“ Corboz betont den fragmentarischen Charakter und die Vulnerabilität der Schichten: „Die meisten dieser Schichten sind sehr dünn und zugleich voller Lücken. Vor allem fügt man ihnen nicht nur etwas hinzu, man löscht vielmehr etwas aus.“ Solche Beschreibungen schärfen den Sinn beim ökologischen Reformieren der Erde. Das Territorium stellt nicht nur im räumlichen, sondern auch im zeitlichen Sinn eine komplexe Überlagerung dar; jeder neue Eingriff ist, folgt man Corboz, ein „Lektüreversuch“ des Territoriums, der das Palimpsest (durchaus gewaltsam) erneut hervorbringt: „Das ganz mit Spuren und gewaltsam durchgeführten Lektüreversuchen überladene Territorium ähnelt […] einem Palimpsest.“ Die Energiewende so verstanden ist keine technologische Substitution, sondern eine Überlagerung von unterschiedlichen Technologien und territorialen Formationen. Postkarbonische Energielandschaften können nur dann zu einer wünschenswerten Raumentwicklung beitragen, wenn diese aus dem historischen Erbe des Urbanismus und des damit zusammenhängenden techno-utopischen Denkens des Terraforming schöpft und lernt.