Der Rücktritt von Kathleen Stock wird derzeit hitzig diskutiert. Nach Protesten gegen ihre transfeindlichen Äußerungen hat sie ihre Professur niedergelegt. Entgegen aller Cancel Culture-Rufe geht es weniger um Meinungsfreiheit als um Menschenrechte. Denn die biologistische Rhetorik führt in gefährliche Fahrwasser.

  • Jule Govrin

    Jule Govrin ist Philosoph:in und forscht an der Schnittstelle von Politischer Theorie, Sozialphilosophie, Feministischer Philosophie und Ästhetik, aktuell arbeitet sie am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main zur politischen Dimension von Körpern und zu Verwundbarkeit als Modus der Gleichheit. Zu ihren Publikationen zählen "Begehren und Ökonomie. Eine sozialphilosphische Studie" (de Gryuter 2020) und „Politische Körper. Von Sorge und Solidarität“ ( Matthes & Seitz 2022). Neben ihrer Forschung ist sie als Redakteur:in bei Geschichte der Gegenwart tätig.

Die Philo­so­phin Kath­leen Stock hat in vergan­genen Jahren beständig behauptet, Menschen, die trans sind, würden nicht exis­tieren, da nur biolo­gi­sches Geschlecht ‚real‘ sei. Ihre Einlas­sungen, die sich vorrangig auf Twitter abspielten, sind mehr akti­vis­ti­scher denn wissen­schaft­li­cher Natur. Stock agiert als Treu­hän­derin der LGB Alli­ance, die sich dafür einsetzt, die Rechte von trans Menschen einzu­schränken. Daraufhin folgten Proteste vonseiten Studie­render der Univer­sity of Sussex. Anschei­nend eska­lierte diese Ausein­an­der­set­zung, als die Protes­tie­renden den Campus plaka­tierten, woraufhin sich Stock nicht mehr sicher fühlte. Ihr Fall ist aufschluss­reich, weil die Rahmung des Konflikts als Frage der Meinungs­frei­heit verdeckt, dass die Rhetorik des biolo­gi­schen Geschlechts, wie sie Stock betreibt, einer reak­tio­nären Schlag­rich­tung folgt.

Zunächst zur Frage der Bedro­hungs­lage: Stocks Rück­tritt geht eine verhär­tete Ausein­an­der­set­zung voraus – zwischen ihr und Studie­renden, Kolleg:innen, der Gewerk­schaft, der Univer­si­täts­lei­tung –, die es erschwert, die Gemenge­lage zu beur­teilen. Wenn Stock bedroht wurde, ist dies nicht hinnehmbar. Das gilt aller­dings für beide Seiten, wie die Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­lerin Andrea Geier betont. Wieso stoßen Stocks Äuße­rungen, dass Geschlecht biolo­gisch fest­ge­legt sei, auf derar­tigen Wider­stand? Hierzu schreibt Peter Weis­sen­burger in der taz: „Warum wird eine Philo­so­phin für das, was sie über Geschlecht sagt, bedroht? Die Antwort ist: Weil sie für viele selbst eine Bedro­hung darstellt. Das recht­fer­tigt nichts. Aber es kann helfen zu verstehen.“ Denn Stock äußert nicht einfach eine Meinung, auf die Studie­rende über­emp­find­lich reagieren. Sie setzt sich aktiv dafür ein, dass die Rechte von Menschen, die nicht geschlech­ter­kon­form leben, einge­schränkt werden. Und sie stellt die Exis­tenz dieser Menschen in Frage, bezeichnet sie als reine Fantasie und scheut nicht davor zurück, Studie­rende, die ihr wider­spre­chen, auf Twitter hart anzu­gehen. Studie­rende die trans oder non-binär sind, berichten, dass sie sich durch Stocks Akti­vismus unsi­cher fühlten, da die Feind­se­lig­keit gegen sie deut­lich zunahm.

Man muss sich, wie die Sozio­login Paula Villa betont, die

Geschichte verge­gen­wär­tigen: der Gewalt, der Miss­ach­tung, des Leidens, der Beschä­mung, der Verstüm­me­lung von Menschen, die als Trans­men­schen immer schon gelebt haben – in der Geschichte und auch jetzt. Wenn diese nun mehr Rechte und Aner­ken­nung fordern, wenn sie auf ihre Wirk­lich­keit hinweisen […], dann wird viel­leicht auch verständ­lich, vor welch leid­vollem histo­ri­schem Hinter­grund das geschieht.

Durch ihre Einlas­sungen hat Stock ihre Studie­renden expo­niert. Sie entgegnet: Diese würden behaupten, dass allein ihr Buch sie gefährde, doch das, so Stock, entspreche nicht der Wirk­lich­keit. Stock meint, eine klare Vorstel­lung von Wirk­lich­keit zu haben. Dabei blendet ihre Darstel­lung aus, dass in Groß­bri­tan­nien 41 % der Menschen, die trans sind, Gewalt erfahren mussten. Diese Gewalt wird durch trans­feind­liche Rhetorik verstärkt. Dazu gehört auch, dass Stock Trans­ge­schlecht­lich­keit als Fanta­sie­ge­bilde verzerrt und im Schul­ter­schluss zur LGB Alli­ance steht, die  Trans­ge­schlecht­lich­keit mit Pädo­philie und Bestia­lität asso­zi­iert.

Man kann demnach von einer beid­sei­tigen Bedro­hungs­lage ausgehen. Die Studie­renden hatten jedes Recht, gegen Stocks poli­ti­sche Polemik zu protes­tieren. Dies sollte aller­dings eine Dozentin nicht derart bedrängen, dass sie sich an ihrem Arbeits­platz nicht sicher fühlt. Ebenso unzu­lässig ist es, wenn sich Studie­rende in der Univer­sität nicht sicher fühlen, weil ihre Exis­tenz, ihr Geschlecht, ihr Körper von einer Dozentin infrage gestellt werden. Univer­si­täten müssen Umgangs­formen finden, die es allen Betei­ligten ermög­li­chen, sich in akade­mi­schen Räumen zu bewegen.

Eine Frage der Meinungsfreiheit?

Wie verhält es sich nun mit der Meinungs­frei­heit? In den Feuil­le­tons wird der Konflikt als Frage der Meinungs- und Forschungs­frei­heit hoch­ge­spielt. Dabei konnte Stock ihre Forschung frei betreiben und laut­stark ihre Meinung vertreten – in Semi­naren, Blog-Einträgen und tausenden Tweets. Im Gespräch mit ihrer Gleich­ge­sinnten Julie Bindel auf Unherd freut sie sich, dass ihr der Rück­tritt eine größere Platt­form verschaffe. Ange­sichts all dessen ist es absurd, von bedrohter Meinungs­frei­heit zu spre­chen. Zudem wäre es leicht­fertig, die Ausein­an­der­set­zung auf einen Konflikt zwischen zwei femi­nis­ti­schen Posi­tionen zu verkürzen oder als Beleg für eine ‚Cancel Culture‘ anzu­führen. Sie lässt sich weder auf Fragen der Meinungs­frei­heit noch auf ein Minder­hei­ten­pro­blem begrenzen, dafür birgt die biolo­gis­ti­sche Sicht­weise, wie sie Stock vertritt, zu weit­rei­chende poli­ti­sche Risiken.

Stock gilt als Vorden­kerin der soge­nannten ‚gender-critical femi­nists‘, sie hat deren Selbst­be­zeich­nung als ‚gender-kritisch‘ geprägt. Gender, so der Kern­ge­halt, gebe es nicht, denn Geschlecht sei durch Biologie bestimmt. Stock ist nicht die allei­nige Prot­ago­nistin, zuletzt machte die Schrift­stel­lerin Joanne K. Rowling mit trans­feind­li­chen Äuße­rungen auf sich aufmerksam. Um die Schlag­kraft des Konflikts, den sie in den Vorder­grund spielen, zu verstehen, muss man den breiten Diskurs­zu­sam­men­hang betrachten, in dem Biologie zum Einsatz gebracht wird. Man kann schwer­lich argu­men­ta­tive Stränge heraus­ar­beiten, da die Äuße­rungen der ‚Genderkritiker:innen‘ wenig Strin­genz zeigen. Selbst die akade­mi­schen Vertreter:innen unter ihnen vermeiden tiefer­ge­hende Ausein­an­der­set­zungen mit dem Forschungs­stand, der sich über die Diszi­plin­grenzen hinweg in den letzten Jahr­zehnten etabliert hat.

Um beim Beispiel von Stock zu bleiben: Bis vor drei Jahren hat sie nie zum Thema Geschlecht geforscht, ihre Anmer­kungen bestehen haupt­säch­lich aus Tweets und Blog-Einträgen. Ihr Buch Mate­rial Girls. Why Reality Matters for Femi­nists (2021) widmet sich dem Thema zwar ausführ­li­cher, ist aller­dings popu­lär­wis­sen­schaft­lich ange­legt. Anstelle von klar kontu­rierten Argu­menten findet man zwei Schlüs­sel­mo­tive, mit denen trans­feind­liche Rhetorik arbeitet: Bedro­hungs­sze­na­rien und biolo­gis­ti­sche Menschenbilder.

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Angst­bilder und Verschwörungserzählungen

Ein Szenario, das von den ‚gender-critical femi­nists‘ stetig in die Twitter-Time­lines gespült wird, zeichnet Frauen, die trans sind, als Eindring­linge, die sich in Schutz­räume einschlei­chen würden, um sich gewalt­tätig gegen Frauen und Kinder auszu­agieren. Das klingt nicht allein abstrus, diese Behaup­tung ist vor allem nicht belegbar. Statt­dessen wird beständig ein- und derselbe Einzel­fall einer Person zitiert, die trotz Vorge­schichte als Sexu­al­straf­täter fälsch­li­cher­weise ins Frau­en­ge­fängnis über­stellt wurde. Wenn man dagegen auf die gelebte Praxis von Schutz­räumen schaut, zeigen sich hier keinerlei Hinweise auf Gewalt­aus­brüche, wie sie die ‚gender-critical femi­nists‘ beschwören. Zudem über­sehen sie geflis­sent­lich, dass auch Frauen, die trans sind, als Frauen diskri­mi­niert werden, dass sie Gewalt erfahren und diese Schutz­räume bitter benö­tigen wie auch andere Frauen.

Trans­feind­liche Rhetorik arbeitet mit para­no­iden Angst­bil­dern – Bilder, die auch Rowlings jüngster Roman aufruft, sie schil­dert einen Psycho­pa­then, der sich femi­nine Klei­dung anzieht, um sich seinen Opfern, die er aus frau­en­feind­li­chen Affekten tötet, anzu­nä­hern – ein altbe­kanntes, trans­feind­li­ches Motiv der Film-und Lite­ra­tur­ge­schichte, das promi­nent in Hitch­cocks Psycho auftauchte, wie die poli­ti­sche Kommen­ta­torin Natalie Wynn poin­tiert darlegt. In solchen Narra­tiven werden Ressen­ti­ments geschürt. Wie die Schau­spie­lerin Laverne Cox in der Doku­men­ta­tion Disclo­sure erläu­tert, wird trans Menschen seit jeher vorge­worfen, sich zu verkleiden und falsch auszu­geben, um andere zu täuschen. Daher bauen Behaup­tungen, dass sich Frauen, die trans sind, in Schutz­räume ‚einschlei­chen‘, auf veral­teten Vorur­teilen auf – Vorur­teile, die schnell in hand­feste Gewalt umschlagen.

Mithin birgt die Rhetorik des Versteck­spiels verschwö­rungs­theo­re­ti­sche Züge, die bislang in konser­va­tiven Lagern anklangen. Vor nicht allzu langer Zeit warnte der Vatikan vor einer vermeint­li­chen ‚Gay-Lobby‘, die sich heim­lich daran mache, die tradi­tio­nelle, sprich patri­ar­chale Familie zu zerstören, wobei Menschen, die trans sind, als quasi-satanische Sünden­bock­fi­guren herhalten müssen. Mit ähnli­chem Einschlag wird inzwi­schen auf Unherd gegen eine angeb­liche „Trans-Lobby‘ mobi­li­siert: Beispiels­weise schreibt Julie Bindel, die ‚Trans-Lobby‘, die sie auch ‚trans-Taliban‘ nennt, erwarte „blinde Loya­lität und totalen Gehorsam“ und lenke heim­lich die Polizei und den National Health Service. Zum einen wird hier deut­lich, in welcher abstruser Weise solche Behaup­tungen den Einfluss von Transaktivist:innen über­schätzen, zum anderen zeigt sich, wie das ‚gender-kritische‘ ebenso wie das katho­li­sche Lager mit Bedro­hungs­bil­dern und Verschwö­rungs­nar­ra­tiven arbeiten.

Nun haben die katho­li­sche Kirche und Personen, die sich als femi­nis­tisch verstehen, wenig mitein­ander gemein, ja, in vieler Hinsicht sind ihre Welt­an­schau­ungen unver­einbar. Dennoch über­kreuzen sich ihre rheto­ri­schen Muster in der Bezug­nahme auf biolo­gis­ti­sche Geschlech­ter­mo­delle – dem zweiten Schlüs­sel­motiv der selbst­er­nannten ‚gender­kri­ti­schen Feminist:innen‘.

Fremd­be­stimmte Körper

Das Schlüs­sel­motiv lautet, dass zwei und nur zwei ‚natur­ge­ge­bene‘ Geschlechter exis­tieren würden. Diese Annahme vertreten neben den ‚gender-critical femi­nists‘ auch Anhänger:innen von katho­li­schen und evan­ge­li­kalen, konser­va­tiven bis offen rechts­extremen Strö­mungen, die gegen eine angeb­liche ‚Gender-Ideologie‘ agitieren. Voll­mundig beruft man sich auf die Biologie. Schaut man jedoch genauer hin, wird unter dem Deck­mantel der Wissen­schaft­lich­keit ein veral­tetes Alltags­ver­ständnis von Geschlecht in Anschlag gebracht.

Das wird auch in Stocks Texten deut­lich: In ihrem Buch kommt sie zwar darauf zu spre­chen, dass es Menschen gibt, deren Chro­mo­so­men­satz unein­deutig ist, doch davon lässt sie sich nicht irri­tieren und sortiert sie kurzer­hand in die Kate­go­rien ‚männ­lich‘ oder ‚weib­lich‘ ein. Wissen­schaft­lich ist das unred­lich, poli­tisch macht das Menschen, die inter­ge­schlecht­lich sind, unsichtbar. Auch hier wird eine Gewalt­ge­schichte kaschiert, nämlich die Praxis der Zwangs­ope­ra­tionen an Klein­kin­dern, um sie in die binäre Norm einzupassen.

Anstatt sich mit aktu­ellen Erkennt­nissen der Biologie und verwandten Wissen­schaften wie der Medizin oder Sexu­al­wis­sen­schaft ausein­an­der­zu­setzen, beharrt Stock auf zwei natur­ge­ge­benen, getrennten Geschlech­tern. Dabei geht man über die Diszi­plin­grenzen hinweg davon aus, dass sich Geschlecht weit komplexer zusam­men­setzt, und zwar aus sozialem, biolo­gi­schem und gefühltem Geschlecht. In der Biologie wird Geschlecht als Spek­trum verstanden, in dem es keine kate­go­ri­schen Tren­nungen, sondern Über­gänge gibt. Die Natur ist viel­fäl­tiger als es manchen recht ist.

Gerade weil sich Geschlecht facet­ten­reich zusam­men­setzt und anhand von externen Faktoren wie Chro­mo­somen oder Hormonen nicht eindeutig bestimmbar ist, bleibt die Selbst­be­stim­mung das schlüs­sigste Krite­rium – nicht die Fremd­be­stim­mung. Darauf wies beispiels­weise 2017 das Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hin, welches die Möglich­keit eines dritten Geschlechts­ein­trags forderte. Ange­sichts dieser Erkennt­nisse– in der Biologie und in verwandten Fächern, aber auch in entfern­teren Fächern wie der Rechts­wis­sen­schaft – ist die Annahme von zwei getrennten Geschlech­tern unhaltbar. Sie enttarnt sich als poli­ti­sche Polemik, die jedweder wissen­schaft­li­chen Grund­lage entbehrt. Das ist nicht nur in wissens­ethi­scher Hinsicht frag­würdig, es trans­por­tiert ein Menschen­bild, das Menschen auf ihre vermeint­liche ‚Natur‘ redu­ziert und in zwei Gruppen einteilt: schüt­zens­werte Frauen und aggres­sive Männer.

Unhei­lige Allianzen

Ob gewollt oder unge­wollt, das Beharren der selbst­er­nannten ‚gender-kritischen Feminist:innen‘ auf einer ‚Wahr­heit der Natur‘ führt zu uner­war­teten Alli­anzen. Auch ein Viktor Orban spricht von ‚biolo­gi­schem Geschlecht‘, so wurde 2020 in Ungarn ein Gesetz verab­schiedet, das Geschlecht als biolo­gisch unum­stöß­liche Tatsache fest­schreibt, wodurch Menschen, die trans- oder inter­ge­schlecht­lich sind, recht­li­cher Schutz und medi­zi­ni­sche Versor­gung entzogen wird. Sie werden zu Verwor­fenen gemacht, die offen Hass und Hetze ausge­setzt sind, ähnlich wie in den selbst­er­klärten ‚LGBT-freien Zonen‘ in Polen.

Judith Butler hat jüngst im Guar­dian geäu­ßert, dass man jene Stimmen und Strö­mungen, die auf biolo­gi­schem Geschlecht beharren und gegen eine angeb­liche ‚Gender-Ideologie‘ predigen, nicht nur reak­tionär, sondern faschis­tisch seien. Das wirkt wie ein hartes Urteil. Konser­vativ oder reak­tionär, viel­leicht. Aber gleich faschis­tisch? Wenn man aller­dings in die Geschichte schaut, gerade in die deut­sche Geschichte, sieht man, dass ‚Biologie‘ als Einsatz­punkt für Politik auto­ri­täre Schlag­kraft entfaltet, die oftmals in den Faschismus führte. Denn faschis­ti­sches Denken baut auf natu­ra­li­sierten Diffe­renzen auf, durch die man eine Gesell­schafts­ord­nung der Ungleich­heit begründet. Man zieht die Natur als höhere Ordnung heran, um über die Körper von Menschen zu verfügen.

Nun ist wenig verwun­der­lich, wenn sich reak­tio­näre und rechts­extreme Kräfte auf eine ‚natür­liche‘ Ordnung der Geschlechter berufen, um ihre anti­fe­mi­nis­ti­sche Agenda zu stärken. Umso erstaun­li­cher ist es, wenn dies von Stimmen kommt, die sich als femi­nis­tisch bezeichnen. Sicher­lich sind die Moti­va­tionen von Stock und ihrem Umfeld anders gela­gert als von einem Orban oder Papst. Dennoch sind die rheto­ri­schen Schlüs­sel­mo­tive, welche die Strö­mungen mitein­ander teilen, untrennbar. Zumal Recher­chen aufzeigen, dass es zwischen der LGB Alli­ance sowie ähnli­chen Gruppen und Orga­ni­sa­tionen der reli­giösen Rechten Verbin­dungen und Vernet­zungen gibt.

Man kann deren Bemü­hungen, die errun­gene Gleich­be­rech­ti­gung rück­gängig zu machen, als Abwehr­kämpfe verstehen, die sich ange­sichts der enormen Erfolge von femi­nis­ti­schen Bewe­gungen auftun. Doch während reli­giöse Rechte ihrer altbe­kannten, anti­fe­mi­nis­ti­schen Tradi­tion folgen, manö­vrieren sich die selbst­er­nannten ‚gender-kritischen Feminist:innen‘ in Selbst­wi­der­sprüche. Denn Vertreter:innen wie Stock, die sich als Femi­nistin versteht und offen lesbisch lebt, verwenden just jene biolo­gis­ti­sche Rhetorik, die in der Vergan­gen­heit gegen sie gewendet wurde. Geschicht­lich gesehen hat der rheto­ri­sche Einsatz von ‚Biologie‘ Frauen und Lesben beständig geschadet, die ‚Natur‘ musste herhalten, um Frauen als passiv, schwach und unter­legen abzutun, um Lesben als krank und gestört zu stig­ma­ti­sieren. Nun wird sie erneut heran­ge­zogen, um eine der größten Errun­gen­schaften des Femi­nismus in Frage zu stellen: körper­liche und geschlecht­liche Selbstbestimmung.

Menschen vorzu­schreiben, in welchem Geschlecht sie zu leben haben, bedeutet, über ihren Körper zu verfügen, ihnen vorzu­schreiben, wie sie sich darin zu fühlen haben, wie sie sich zu bewegen, wie sie sich zu kleiden haben. Deshalb ist die derzei­tige Diskus­sion kein Randgruppen- oder Minder­hei­ten­pro­blem, sondern rührt an den Menschen­rechten. Sie führt uns gera­de­wegs zur Frage, in welcher Gesell­schaft wir leben wollen. Schließ­lich ist Selbst­be­stim­mung eine Sache der Gleich­heit und Gleich­be­rech­ti­gung, sie geht uns alle an, bis in unsere Körper hinein.