Seit mehr als 150 Jahren kämpft das iranische Volk für seine Rechte und Freiheiten. Obwohl gewisse Fortschritte erzielt wurden, stiessen diese Kämpfe auf schwerwiegende Hindernisse, insbesondere nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der Gründung der Islamischen Republik im Jahr 1979. Dieser Umschwung wurde zwar durch eine Volksrevolution herbeigeführt, ist aber grundlegend gescheitert und kehrte den Verlauf der Geschichte gewissermassen um.
Dieser Essay versucht, diese merkwürdige Wendung der Ereignisse mit einer Reihe von „Kooptierungen“ zu erklären, die das iranische Streben nach Frieden, Freiheit und Wohlstand untergraben haben. Hierzu müssen wir einen Schritt zurücktreten und einen kurzen Abstecher in die Geschichte machen.
Monarchen und Mullahs
Inspiriert von der französischen Revolution von 1789 und Schriftstellern der Aufklärung wie Voltaire und Montesquieu vertraten iranische Intellektuelle am Beginn des 19. Jahrhunderts eine säkulare Weltanschauung und setzten sich für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende der Macht absoluter Monarchen ein. Diesen Zielen standen zwei Gruppen entgegen: die Verteidiger des Ancien Régime einerseits und reaktionäre schiitische Geistliche andrerseits. Während der Widerstand der Monarchisten gegen den Wandel auf der Hand liegt und über den Iran hinaus bekannt ist, ist der Widerstand des Klerus weniger bekannt, da er komplexer und verwickelter ist.
Diese Komplexität ergibt sich daraus, dass sich der schiitische Klerus historisch in der Opposition zur Monarchie positioniert hatte, er aber gleichzeitig von deren Grosszügigkeit profitierte. Dieser ambivalente Bezug zur Macht hatte es den Mullahs in der Vergangenheit ermöglicht, bestimmte politische Situationen zu ihren Gunsten zu wenden, indem sie sich als Verteidiger des Volkes darstellten und das Volk gegen die Monarchie mobilisierten, wann immer ihre Agenda dies erforderte. Tatsächlich bestimmte jedoch zumeist der Kampf mit den Monarchen um die Macht das Handeln der Geistlichen, und nicht ihr Engagement für das Volk. Die politische Geschichte Irans, insbesondere der letzten dreihundert Jahre, sollte aus dieser Perspektive betrachtet werden.
Im 18. Jahrhundert brachte die Einführung westlicher liberaler Ideen einen neuen Parameter in dieses traditionelle Machtgleichgewicht ein, und mit der Figur des öffentlichen Intellektuellen betrat eine neue Kraft die politische Bühne. Der Klerus sah in dieser Kraft zu Recht eine Bedrohung für seine Macht und ging mehrheitlich entschieden in Opposition zu den Intellektuellen, die er als Vertreter eines verderblichen westlichen – und das heisst auch christlichen – Einflusses auf die iranische Gesellschaft sah. Insbesondere die von diesen Intellektuellen propagierte säkulare Rechtsstaatlichkeit wurde als direkte Bedrohung für die auf den Gesetzen der Scharia beruhende richterliche Gewalt des Klerus angesehen. Umgekehrt verleitete die oppositionelle Rolle des Klerus einige Intellektuelle dazu, ihre säkularen Ansichten „anzupassen“ und sie der Öffentlichkeit in einem religiösen Gewand zu präsentieren, in der Hoffnung, so den Widerstand des Klerus gegen sie zu mildern und zugleich das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.
Diese kompromissbereite Haltung nahm bisweilen seltsame Formen an. Dies ging so weit, dass einige Schriftsteller und Kommentatoren des 19. Jahrhunderts „Freiheit“ als das Recht interpretierten, das Verhalten der Menschen religiös-moralisch zu überwachen (amr-e be maroof). Im 20. Jahrhundert nahm dieser Kompromiss eine andere Form an, insbesondere in den Schriften und Provokationen religiöser Intellektueller wie Ali Shariati – einem an der Sorbonne ausgebildeten Sozialtheoretiker, der marxistische Ideen des Klassenkampfes aufgriff, sie mit Jean-Paul Sartres existenzialistischen Ideen kombinierte und in die eschatologische Sprache des schiitischen Märtyrertums goss. Daraus entstand eine eklektische Mischung, die weder marxistisch noch existenzialistisch war, doch auf die iranische Jugend der 1960er und 1970er Jahre die mobilisierende Kraft eines intellektuellen Erdbebens ausübte. Schlau wie immer witterten die Kleriker in diesen Ideen einen potenziellen Konkurrenten, aber auch eine Quelle der sozialen Mobilisierung, die zu gegebener Zeit auf Linie gebracht werden könnten. So kam es zu einer doppelten Kooptierung, in der westliche liberale Ideen von Intellektuellen aufgegriffen und in eine religiöse Sprache übersetzt wurden – um wiederum von gewieften Geistlichen zu deren eigenem Vorteil übernommen zu werden.
Juristen und Imperialisten
Während der Verfassungsrevolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts erreichten diese Spannungen ihren Höhepunkt, als prominente Mitglieder des Klerus sich vehement gegen die Abschaffung der absoluten Monarchie zur Wehr setzten. Doch ihre Versuche scheiterten und 1906 wurde ein Dekret über die Einführung einer neuen Verfassung erlassen, die eine gewählte Körperschaft, die Einrichtung eines säkularen Justizsystems und Reformen zugunsten der Rechte und Freiheiten des Einzelnen vorsah. Dabei entwickelten jedoch einige Persönlichkeiten aus dem Klerus die alternative Konzeption, dass der Faqih, der islamische Rechtsgelehrte, die Autorität über die politischen Angelegenheiten haben sollte; die Idee der Juristenherrschaft (velayat-e faqih), die heute das politische Fundament der Islamischen Republik bildet, ist direkt davon abgeleitet. Vor diesem Hintergrund widersetzten sich die Kleriker in den 1920er Jahren den zaghaften Plänen des aufstrebenden Reza Khan, die Monarchie abzuschaffen und im Iran ein republikanisches System nach dem Vorbild der Türkei einzuführen. Jahrzehnte später jedoch wurde, wie gesagt, die Idee der Juristenherrschaft von Khomeini übernommen, und es entstand die Islamische Republik.
Die breite Opposition, die Khomeini 1979 an die Macht brachte, umfasste Gruppen aus dem gesamten politischen Spektrum – von westlich orientierten Liberalen bis zu sowjetisch orientierten Marxisten und von radikalen Guerillakämpfern bis zu reformfreudigen Juristen. Dabei gewannen die von Khomeini angeführten Kleriker die Oberhand, einerseits dank der Moscheen, durch die sie die Basis mobilisieren konnten und andererseits aufgrund der finanziellen Unterstützung durch traditionalistische Basarhändler. Das Gleichgewicht kippte schliesslich zugunsten von Khomeini, nicht zuletzt auch auf Grund seiner impliziten Unterstützung durch westliche Mächte im Rahmen der sogenannten Brzezinski-Doktrin der Errichtung eines muslimischen „Grünen Gürtels“ gegen die Sowjetunion, was Khomeini einen Zufluchtsort und ein öffentliches Forum in den Vororten von Paris verschaffte. Als er an die Macht kam, brach er mit seinen früheren Verbündeten, unterdrückte Forderungen nach Frauenrechten, Pressefreiheit und liberalen Freiheiten und steckte seine Gegner ins Gefängnis oder stellte sie vor ein Erschiessungskommando. Die Invasion Irans durch Saddam Hussein – wiederum mit stillschweigender Unterstützung westlicher Mächte, die Khomeinis antiisraelische Rhetorik und seine regionalen Ambitionen mit Argwohn sahen – goss Öl ins Feuer der Unterdrückung, das das neue Regime gelegt hatte.
Die Entstehung des islamischen Regimes im Iran und sein extremer Rechtsruck können daher in gewisser Weise als Ergebnis des Aufeinandertreffens dreier historischer Tendenzen gesehen werden: (1.) auf einer innenpolitischen Ebene führten interne Spannungen zwischen politischen Gruppierungen dazu, dass das neue Regime gewaltsam gegen seine früheren Verbündeten vorging, unter anderem auch gegen islamische Gruppen; (2.) regionale Rivalitäten und alte Feindseligkeiten, die durch die aggressive Politik Saddam Husseins aufflammten; und (3.) das globale Umfeld des Kalten Krieges, insbesondere die antisowjetische Politik der USA, die den Feind ihres Feindes als Freund ansahen, selbst wenn es sich um ein fundamentalistisches Regime wie die Islamische Republik handelte. Die kumulative Wirkung dieser Entwicklungen resultierte in der völligen Vernichtung der revolutionären Ideale von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, die die Menschen gegen die Monarchie aufgebracht hatten. Zum Teil wird immer noch darüber diskutiert, ob Khomeini sowohl seine früheren Verbündeten als auch den Westen über seine wahren Absichten getäuscht hatte oder ob der Verlauf der Ereignisse ihn in diese Richtung gedrängt hatte. Vielerlei Hinweise sprechen immer stärker für das erste Szenario – d.h. dass Khomeini sich auf betrügerische Weise an die Macht manövrierte –, doch Fakt bleibt, dass eine weitreichende Volksrevolution buchstäblich von einer Gruppe reaktionärer, engstirniger, religiöser Fanatiker gekapert und so letztendlich der Lauf der iranischen Geschichte umgekehrt wurde.
Der Anfang vom Ende
Mehr als vierzig Jahre später mündet diese Abwärtsspirale für das ganze Land in Freiheitsverlust, Autokratie, wachsender Armut, zügelloser Korruption, Umweltzerstörung, Geschlechterdiskriminierung, ethnischer Unterdrückung, weit verbreiteter Prostitution und moralischer Verzweiflung, und sie führt darüber hinaus zu regionalen Reibereien, internationalen Spannungen und dem Verruf der Iraner und ihrer alten Kultur überall auf der Welt. In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder und in verschiedenen Formen Proteste gegen die sozialen Missstände, ja die eigentliche gesellschaftliche Katastrophe im Land, aber sie wurden regelmässig mit grausamen Strafen, Inhaftierungen, Hinrichtungen, Mord und Terror im In- und Ausland beantwortet. Doch mit den Aufständen von 2022 und 2023, die wie der Anfang vom Ende der Islamischen Republik wirken, scheint diese Abwärtsspirale nun endlich ein Ende zu nehmen.
Ausgelöst durch den Tod von Mahsa Amini, einer jungen Kurdin, die während eines Besuchs in der Hauptstadt Teheran von der so genannten Sittenpolizei getötet wurde, wuchs dieser Aufstand schnell zu einer mächtigen Bewegung an, an der sich Frauen, Student:innen, ethnische Minderheiten, Lehrer:innen, Arbeiter:innen und sogar Schulkinder beteiligten und die von ausländischen Künstler:innen, Intellektuellen und Politiker:innen sowie von Millionen von Iraner:innen auf der ganzen Welt sehr aktiv unterstützt wird. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten waren die Strassen Europas, Nordamerikas, Australiens und anderer Teile der Welt Zeugen der kraftvollen Anwesenheit der Iraner:innen, die sich zu Tausenden versammelten und selbstbewusst und kreativ gegen die Gräueltaten des islamischen Regimes protestierten. Ironischerweise kommen nun Menschen zurück auf die Bildfläche, die als entbehrlich gegolten hatten und direkt oder indirekt gezwungen gewesen waren, das Land zu verlassen: Scharen von bisher Unsichtbaren wenden sich nun gegen das Regime.
Schon früh stürzten die Geschwindigkeit und die Intensität des Aufstands das islamische Regime in Verwirrung und Chaos und veranlassten den Westen dazu, seine Beziehungen zu ihm zu überdenken. Einige Monate später, mit mehr als 500 getöteten Demonstranten (darunter sechzig Kindern), Tausenden von Verletzten und Inhaftierten und vier jungen Männern, die unschuldig zum Tode verurteilt und gehängt wurden, scheint das Regime die Ereignisse teilweise unter Kontrolle gebracht zu haben und sich im In- und Ausland als stabile Macht zu behaupten. Aber unter der Oberfläche lodert das Feuer der Revolution mit unerbittlicher Heftigkeit weiter. Die Frage, die sich heute allerdings stellt, lautet, ob nicht die Gefahr bestehe, dass diese Volksbewegung erneut vereinnahmt und gekapert wird. Und wenn ja, woher kommt diese Gefahr?
Frauen, Leben, Freiheit
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die aktuelle Bewegung in ihren historischen Kontext einordnen, angefangen bei ihrem Hauptslogan „Frauen, Leben, Freiheit“. Diese Worte zeigen, dass die sich in Iran entfaltende Revolution unmittelbar ein historisches Muster aufbricht – das der Präsenz, ja Dominanz des schiitischen Islam als einer Alternative. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten identifizieren junge Männer und Frauen den politischen Islam als Ursprung und nicht mehr als Lösung sozialer Probleme. Dieser Wandel zeigt sich nicht nur in den Slogans, sondern auch in Handlungen wie dem Herunterschlagen von Turbanen Geistlicher (ammameh parani) als symbolische Geste gegen die herrschende Ideologie. Das islamische Regime scheint der Unantastbarkeit religiöser Institutionen in der Öffentlichkeit einen historisch unwiederbringlichen Schaden zugefügt zu haben. Keine säkulare Bewegung hätte das Glaubenssystem der jungen Generation so erschüttern können, wie es die islamische Herrschaft selbst bewirkt hat. Nun ist der vier Jahrzehnte andauernde Missbrauch öffentlicher Mittel zugunsten des herrschenden Klerus und seiner Verbündeten ans Licht gekommen und hat die Scheinheiligkeit ihrer vorgeblichen Frömmigkeit entlarvt.
Dies ist ein Wandel von historischem Ausmass, dessen Bedeutung nicht überschätzt werden kann. Um eine sportliche Analogie zu verwenden: So wie man einen Schritt zurücktritt, um über einen Bach zu springen, ist es, als ob die iranische Gesellschaft vor vier Jahrzehnten einen Schritt zurückgetreten sei, um über ein grosses Hindernis, nämlich den politischen Islam zu springen. Aus dieser Verschiebung lässt sich darauf schliessen, dass in Zukunft von Seiten des politischen Islam kein Kooptierungsrisiko mehr besteht – zumindest nicht in absehbarer Zukunft. Mit anderen Worten, die politisierte Religion kann die gegenwärtige Situation nicht wie in der Vergangenheit vereinnahmen. Doch es existieren andere, ernstzunehmende Gefahrenquellen. Abgesehen von der vernachlässigbaren Möglichkeit einer fortgesetzten Unterdrückung durch das gegenwärtige Regime möchte ich hier drei weitere Möglichkeiten hervorheben: falscher Feminismus-Liberalismus, Monarchismus-Faschismus und falscher Radikalismus.
Feminismus, Faschismus, Radikalismus
Zweifelsohne stehen die Frauen an der Spitze der aktuellen Bewegung. Sie werden durch das islamische Gesetz und die patriarchalische Tradition doppelt unterdrückt und fordern ihre Rechte und damit die Anerkennung der historischen Rolle ein, die sie für die Blüte der persischen Kultur gespielt haben. Ungeachtet der im Ausland weit verbreiteten falschen Vorstellungen haben Frauen im politischen und kulturellen Leben der iranischen Gesellschaft eine Schlüsselrolle gespielt, insbesondere in der Neuzeit. Als Künstlerinnen, Dichterinnen, Schriftstellerinnen, Aktivistinnen, Sportlerinnen, Verwaltungsangestellte usw. waren sie sichtbar präsent. Sie haben mit ihrem kalkulierten Widerstand gegen das islamische Regime in den letzten vier Jahrzehnten gezeigt, dass sie für ihre eigenen Rechte kämpfen können. Das Letzte, was sie brauchen, ist daher, dass weisse (westliche) Männer oder Frauen sich als ihre Retter:innen aufspielen. Ihre Version des Feminismus geht über den liberalen Feminismus hinaus, der die Gleichstellung von Frauen in einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung mit den damit verbundenen Ungleichheiten entlang von Klassenlinien, ethnischen Linien und Bildungsunterschieden anstrebt. Es handelt sich um einen radikalen, intersektionalen Feminismus, der ein Modell für den Rest der Region, die islamische Welt im weiteren Sinne und vielleicht sogar für die ganze Welt sein kann.
Was für den Status der Frauen gilt, gilt auch für die Gesellschaft im Allgemeinen. Historisch gesehen wurde die Machtdynamik in Iran, wie oben beschrieben, von zwei dominanten Akteuren bestimmt – den Monarchen und den Mullahs. Dieser Kreislauf muss endgültig durchbrochen werden. Jetzt, wo die Herrschaft des Klerus durch den gegenwärtigen Aufstand in Frage gestellt wird, erscheint das monarchistische System als realisierbare Alternative, und seine Befürworter treiben ihre Agenda mit Hilfe der Figur von Reza Pahlavi, dem Erben des letzten Shahs, voran. Er selbst behauptet zwar, langfristig keine politischen Ambitionen zu haben, doch das Verhalten einer erkennbaren Gruppe von Monarchisten lässt das Gegenteil vermuten. Dies weckt bei einigen Beobachtern berechtigte Sorgen über einen potenziellen Aufstieg des monarchistisch umhüllten Faschismus in einem postislamischen Iran. Die Erfahrungen des Arabischen Frühlings, insbesondere in Ägypten, machen solche Befürchtungen plausibel.
Die westlichen Mächte, insbesondere die USA, spielen in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle. Die jüngste Geschichte, nicht nur in Ägypten, Irak und Libyen, sondern auch in Iran selbst, zeichnet ein weitgehend negatives Bild davon, wie der Freiheitskampf der Völker durch ausländische Interventionen untergraben wurde und Hunderttausende unschuldiger Menschen auf dem Altar von Unternehmensprofiten und den Plänen des militärisch-industriellen Komplexes geopfert wurden. Die düstere Realität der globalen Realpolitik wird der freiheitlichen Rhetorik des Westens nicht gerecht. Diese traurige Bilanz ist einer der Gründe dafür, dass die Islamische Republik so lange überleben konnte und sich als Retterin der Muslime gegen westliche Interventionen, das israelische Apartheidsystem und die autokratischen Regime in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten darstellen konnte. In der Zukunft eines befreiten Iran und der Region darf sich diese Geschichte nicht wiederholen.
Anlass zur Sorge um Irans Zukunft bietet auch der Fakt, dass die Kombination der oben genannten Probleme einen fruchtbaren Boden für die Kultivierung eines falschen Radikalismus schafft. Dieser könnte danach streben, den Status quo durch unkontrolliert radikale Aktionen zu erschüttern. Ein solcher Ansatz kann ethnische, kulturelle oder politische Formen annehmen, oder diese kombinieren. Angesichts der praktischen Herausforderungen, denen sich ein befreiter Iran in Bezug auf Wirtschaft, Umwelt, politische Stabilität und regionale Rivalitäten stellen muss, hätte ein solcher Radikalismus kaum eine Chance, den Frieden, die Freiheit und den Wohlstand herbeizuführen, den der aktuelle Aufstand anstrebt. Wir brauchen einen gemässigten Radikalismus, der über die traditionellen Alternativen hinausgeht, aber gleichzeitig in der Lage ist, praktische Alternativen zu bieten, die in den sozio-historischen, politischen und kulturellen Gegebenheiten Irans verankert sind.
Dieser kurze Überblick über den iranischen Kampf für Menschenrechte und Freiheiten zeigt, wie anfällig diese Kämpfe für verschiedene Arten der Vereinnahmung sind. Man kann nur hoffen, dass keine neuartigen Formen der Kooptierung den aktuellen Aufstand untergraben werden. Um es mit Tolstoj zu sagen: Alle Revolutionen sind gleich, aber jede gescheiterte Revolution scheitert auf ihre eigene Weise. Ich würde gerne daran glauben, dass die junge Generation von Männern und Frauen im Iran genug aus der Geschichte gelernt hat, um ihre Revolution nicht scheitern zu lassen.
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Anne Krier
Die These, dass es sich bei den jetzigen Aufständen im Iran um intersektionellen Feminismus handle, ist schon sehr steil und sehr, sehr ideologisch. Ich zweifelte schon, als ich im Iran wohnte und zweifle auch jetzt daran, dass es im Iran eine echte Zivilgesellschaft gibt, die einen liberalen Rechtsstaat aufbauen will und kann. Der Protest der Frauen ist sicher berechtigt, da das Regime in seiner Kontrolle der Bürger und namentlich der Frauen in unerträglicher Weise (und entgegen der iranischen Tradition, sich nicht in das Privatleben anderer einzumischen), übergriffig ist. Im Grundsatz aber wollen diese Frauen wohl vor allem vom Regime in… Mehr anzeigen »