Ökologien müssen nicht links sein. In den letzten Jahren ist der Biologe Jakob von Uexküll zum heimlichen Star eines rechten ökologischen Nachdenkens über den Menschen in der Natur aufgestiegen. Seine Nähe zum Nationalsozialismus wurde bisher ignoriert.

Ökologie hat heute das Image, links und liberal zu sein. Aber das ist nicht immer so gewesen – und wenn es nach der ‚Neuen Rechten‘ geht, soll es auch nicht mehr lange so bleiben. Die Tradi­tion einer ‚konser­va­tiven Ökologie‘ wird derzeit in rechten Organen wie Sezes­sion, Die Kehre oder der einge­stellten Zeit­schrift Umwelt & Aktiv wieder­be­lebt. Das Motto: Ein Volk kann nicht von seinem Lebens- und Kultur­raum getrennt werden, ohne seine Über­le­bens­grund­lage zu verlieren. Dieser reak­tio­näre Natur- und ‚Volks­schutz‘ ist an Teile der Ökobe­we­gung anschluss­fähig – auch wenn diese sich nicht als rechts begreift. 

Wenn mithin der Begriff der Umwelt in diesem Sinne von rechten Vorden­kern wie Michael Beleites oder Alain de Benoist verwendet wird, um einem Volk einen genuinen Lebens­raum zuzu­spre­chen, aus dem alle anderen ausge­schlossen werden, greift man nicht nur auf die bereits im 19. Jahr­hun­dert entste­hende ‚Blut und Boden‘-Ideologie zurück, sondern reak­ti­viert vor allem eine Bedeu­tungs­linie des Umwelt­be­griffs, der 1909 vom balti­schen Biologen Jakob von Uexküll (1864-1944) geprägt wurde. 

In den letzten Jahren ist Uexküll zum heim­li­chen Star eines – libe­ralen – ökolo­gi­schen Nach­den­kens über den Menschen in der Natur aufge­stiegen. Seine Nähe zum Natio­nal­so­zia­lismus und seine Versuche, die Umwelt­lehre an diesen anschluss­fähig zu machen, wurden dabei igno­riert. Bisher unbe­ach­tete Doku­mente legen eine tiefere Verstri­ckung Uexkülls in den Natio­nal­so­zia­lismus nahe als bislang bekannt. Sie sind heute rele­vant, weil sie auch die Nähe zwischen der ‚Neuen Rechten‘ und der Ökologie verständ­lich machen – und weil die ‚konser­va­tive Ökologie‘ der ‚Neuen Rechten‘ auch auf Uexküll zurück­greift. Zwar wurde er nie zum restlos über­zeugten Partei­gänger und zog sich Mitte der 1930er Jahre aus fast allen poli­ti­schen und publi­zis­ti­schen Akti­vi­täten zurück. Auch wenn er – wie andere Denker der Ganz­heit­lich­keit – nie die Stel­lung inner­halb des Natio­nal­so­zia­lismus erreicht hat, die er sich erhoffte, tauchen zentrale Motive seines Denkens heute in der rechten Bewe­gung wieder auf.

Iden­ti­täre Logik

Uexküll steht gegen­wärtig am linken Ende des poli­ti­schen Spek­trums für die Ko-Existenz gleich­be­rech­tigter Welten und für die Viel­falt von Lebens­formen. Gelesen wird er von denen, die die Vorrang­stel­lung des Menschen in der Natur in Zweifel ziehen und jedem Lebe­wesen zu seinem Recht verhelfen wollen. Denn die Umwelt ist für Uexküll nicht einfach die uns umge­bende Natur, sondern ein subjek­ti­vis­ti­sches Konzept: Jedes Lebe­wesen hat seine unver­wech­sel­bare und für andere Lebe­wesen unzu­gäng­liche Umwelt. Sie hüllt das Lebe­wesen ein wie eine Seifen­blase. Uexküll spricht auch Zecken und Seeigeln den Status von Subjekten zu und nimmt so dem Menschen den Platz als Mittel­punkt der Welt – ein Gedanke, der im Anthro­pozän neue Wirk­sam­keit entfaltet.

Jedes Lebe­wesen lebt Uexküll zufolge in seiner Umwelt­zelle an einem festen Ort in der Ordnung der Natur, den es nicht verlassen soll. Uexkülls Lebe­wesen sind nicht passiv ihrer Umge­bung unter­worfen, sondern bringen ihre Umwelt aktiv hervor. Eine Plan­mä­ßig­keit durch­zieht die Schöp­fung, in der alles perfekt in seine Umge­bung einge­passt ist. Das Darwin‘sche Konzept der Anpas­sung, meint Uexküll, sei unnötig und die Evolu­ti­ons­theorie demo­kra­ti­scher Unsinn, propa­giert vom „Welt­pa­ra­siten“ England. 

In seiner Staats­bio­logie von 1920 beschrieb Uexküll den Staat als monar­chi­schen Orga­nismus. Der preu­ßi­schen Beam­ten­mon­ar­chie fühlte er sich als vertrie­bener balti­scher Land­ad­liger zuge­hörig. Die Demo­kratie wollte er „dem wohl­ver­dienten Fluche der Lächer­lich­keit“ preis­geben. Ihr „Blöd­sinn“ und der durch sie am Köcheln gehal­tene „Menschen­brei“ galt ihm schon lange als größte Bedro­hung der gesell­schaft­li­chen Ordnung. 

Sein Ideal eines demo­kra­tie­freien und stän­di­schen Staats setzt sich aus den Berufs­um­welten der Menschen zusammen: Der Bäcker lebt in der „Bäcker­welt“ wie der Hund in der „Hunde­welt“. Berufs­wechsel sind das klei­nere, Gewerk­schaften das größere Übel. Uexküll erklärte die Welt als eine Struktur, in der alles seinen durch die Natur fest­ge­legten Ort hat. Diese iden­ti­täre Logik spricht zwar allen Menschen, Berufen und Völkern ein Lebens­recht zu – aber nicht in der Umwelt eines anderen. Die Vermi­schung von Umwelten oder gar ihr Zusam­men­schluss zu einer „Masse“ gefährdet die Ordnung dieses Staates. Hinter dieser Lehre verbirgt sich ein struk­tu­reller Konser­va­tismus, der anti-moderne, anti-demokratische und anti-liberale Ressen­ti­ments pflegt, der aber auch nicht reibungslos in der Ideo­logie des NS aufgeht.

„Para­siten“

Mit dem Rassisten Houston Cham­ber­lain tauschte sich Uexküll schon in den 1920er Jahren über ein von Juden gebil­detes „para­si­täres Netz“ aus, „das die staat­li­chen Gebilde zersetzt und die Völker in gärende Stoff­haufen verwan­delt“. Diese Rhetorik auszu­rot­tender Para­siten passt auf den ersten Blick nicht in die Umwelt­lehre, die alle Umwelten gleich­rangig behan­delt. Dieser Wider­spruch sollte hell­hörig machen.

Die 1933 erschie­nene Neuauf­lage der Staats­bio­logie widmete sich noch expli­ziter der Patho­logie des von Para­siten befal­lenen und von der freien Presse ausge­höhlten Staats. Uexküll sprach nun nicht mehr von irgend­einem Staat, sondern von Deutsch­land 1933. Die Hoff­nung liege auf „Adolf Hitler und seiner Bewe­gung“, um „der Über­frem­dung der Staats­or­gane durch eine fremde Rasse Einhalt zu gebieten.“ Mit der These der Unver­ein­bar­keit der Umwelten unter­schied­li­cher Völker recht­fer­tigte er implizit den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Umbau des Staates. Von diesem Welt­bild sind die arten­über­grei­fenden Bezie­hungen, die heute mit Uexkülls Hilfe beschrieben werden, weit entfernt.

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Zwar protes­tierte er in Briefen gegen die Verfol­gung jüdi­scher Profes­soren und stand als Aris­to­krat der Massen­be­we­gung skep­tisch gegen­über. Doch 1933 unter­zeich­nete Uexküll wie die meisten ganz­heit­li­chen Biologen dieser Zeit das Bekenntnis der deut­schen Profes­soren zu Adolf Hitler und dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Staat. Von der neuen Politik versprach er sich eine von Demo­kratie und Libe­ra­lismus gerei­nigte Zukunft. Im Gegenzug versuchte er, dem Natio­nal­so­zia­lismus eine Lehre zur Verfü­gung zu stellen, in der das Ganze über seinen Teilen steht und alle indi­vi­du­ellen Inter­essen dem Ganzen unter­ge­ordnet sind – in Biologie wie Politik. 

„Gesund­heits­pflege des Staates“ All das ist seit langem bekannt. Weniger bekannt ist, dass Uexkülls Stra­tegie der Anbie­de­rung Erfolg hatte: 1934 wurde er vom NS-Vordenker Hans Frank in den Ausschuss für Rechts­phi­lo­so­phie der „Akademie für Deut­sches Recht“ berufen, gemeinsam unter anderem mit Martin Heid­egger, Carl Schmitt und Alfred Rosen­berg. Dieser Ausschuss sollte das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Programm durch eine dem ‚Deutschtum“ ange­mes­sene, auf dem Führer­prinzip beru­hende Rechts­phi­lo­so­phie begleiten.

1938 wurden die Akten des Ausschusses weitest­ge­hend vernichtet, doch die erhal­tenen Frag­mente liegen seit 2019 in einer kriti­schen Edition vor. Diese Doku­mente machen es erst­mals möglich, Uexkülls Rolle zu rekon­stru­ieren. Als vor einigen Jahren die Verstri­ckungen Heid­eg­gers mit der Veröf­fent­li­chung der Schwarzen Heftein neuem Licht erschienen, wurde der Ausschuss intensiv disku­tiert. War das Exper­ten­gre­mium – und damit Heid­egger – in die Entste­hung und Umset­zung der Rassen­ge­setze invol­viert? Eine umstrit­tene Mitglie­der­liste deutet auf ein Fort­be­stehen bis 1941 hin, beweist aber keines­wegs tatsäch­liche Treffen. Ob der Ausschuss zu dieser Zeit noch aktiv war, ist unklar.

Uexküll, der 1936 pensio­niert wurde und sich in hohem Alter auf Capri zurückzog, wo er 1944 starb, dürfte dabei keine Rolle gespielt haben und tauchte auf der späten Liste nicht mehr auf. Doch seine Bedeu­tung für die Früh­zeit des Ausschusses ist bislang unbe­achtet geblieben. Ein Blick auf die Details ist wichtig, denn sie belegen, dass sich Uexküll – anders als oft behauptet – aktiv an der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Rechts­po­litik betei­ligt hat und keines­wegs nur ein zeit­weiser Mitläufer war.

1934 bittet der Jenaer Rechts­phi­lo­soph und Nietzsche-Herausgeber Carl Emge als Leiter des Ausschusses dessen Mitglieder um die schrift­liche Beant­wor­tung einiger rechts­phi­lo­so­phi­scher Fragen. Weder Heid­egger noch Schmitt noch Rosen­berg reagieren – Uexküll hingegen schon. Er veran­kerte das neue Rechts­ver­ständnis in der Umwelt­lehre und beschrieb den anti-demokratischen „totalen Staat“ des Natio­nal­so­zia­lismus als „eine aus gemeinsam arbei­tenden Organen aufge­baute leben­dige Einheit“. In diesem von Carl Schmitt geprägten Modell des Staates sollte die unbe­schränkte Ausübung der Staats­ge­walt alle indi­vi­du­ellen Inter­essen über­blenden. So wurde die Politik Hitlers auch theo­re­tisch als „Gesund­heits­pflege des Staates“ gerecht­fer­tigt.

Kurz darauf wurde ein Vortrag veröf­fent­licht, den Uexküll am 3. Mai 1934 im Weimarer Nietzsche-Archiv bei der Eröff­nung des Ausschusses gehalten haben soll. Er vertei­digt die Auto­nomie der Univer­si­täten und passt inso­fern nur bedingt zu den Zielen des Ausschusses. Doch Uexküll sprach sich zugleich für eine Umwand­lung hin zum „totalen Staat“ aus, um die Demo­kratie der Weimarer Repu­blik zu verab­schieden. Die Univer­sität sah Uexküll trotz seiner Kritik an den ‚Säube­rungen‘ gerade nicht durch den Natio­nal­so­zia­lismus bedroht, sondern durch die libe­rale Demo­kratie, die die Univer­sität vom „Volks- und Staats­körper“ trenne. Uexküll vertei­digte nicht die Frei­heit der Forschung, sondern forderte, sie so in die „Tota­lität des Staates“ zu inte­grieren, dass die Univer­sität zu dessen „Sinnes­organ“ werde. Davon, dass Uexküll hier die Univer­sität gegen den NS vertei­digte, kann keine Rede sein.

Klar ist: Ein Wider­standsakt gegen die NS-Politik, wie ihn Uexkülls Witwe Gudrun 1964 beschreibt, war dieser Vortrag nicht. Uexküll wurde von den Nazis nicht das Wort verboten, wie seine Witwe kolpor­tiert, und er durfte offen seine Meinung sagen. Doch aus Gudrun von Uexkülls Bericht ist bislang in der Uexküll-Forschung, aber auch von Philo­so­phen wie Adolf Port­mann (1897-1982) oder Giorgio Agamben die Arglo­sig­keit Uexkülls abge­leitet worden. Noch in der aktu­ellen Forschungs­li­te­ratur gilt er als unbe­denk­li­cher, weil allen­falls zeit­weise irrender Aris­to­krat. Auf dieses Bild stützt sich auch seine popu­läre Rezep­tion. Was bedeuten die neuen histo­ri­schen Erkennt­nisse über Uexkülls Rolle 1933 für seine Inan­spruch­nahme in der Gegenwart?

Gefähr­li­cher Ganzheitsgedanke

Uexküll hat nicht nur Anschluss an eine bestimmte Prägung des NS gesucht, sondern sich aktiv an der kolla­bo­ra­tiven Heraus­ar­bei­tung einer natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Rechts­phi­lo­so­phie betei­ligt und diese durch seine Umwelt­lehre zu begründen versucht. Auch wenn die Folgen seiner Mitar­beit unklar sind, sein Aris­to­kra­tismus nicht mit der völki­schen Ideo­logie vereinbar war und er von den Nazis nicht zum Vordenker gemacht wurde, ist das Bild eines unbe­schol­tenen, aufrechten Profes­sors, der sich gegen den Zeit­geist stellte, nicht haltbar.

Mangels Quellen muss vieles im Dunkeln bleiben. Viel­leicht stand Uexküll dem Natio­nal­so­zia­lismus im Detail entgegen, sicher­lich aber nicht dem Ziel der Zerstö­rung von Demo­kratie und Libe­ra­lismus. Das hat nicht nur mit seiner poli­ti­schen Posi­tion zu tun, sondern ist tief in der Umwelt­lehre veran­kert. Ihren Kern bildet die Annahme einer Plan­mä­ßig­keit der Natur, in der alles an seinem Ort ist. Die Gefahr jeder demo­kra­ti­schen Massen­be­we­gung und des aus ihr folgenden „Rassen­chaos“ bestehe darin, dass die Menschen aus ihren ange­stammten Umwelten heraus­drängten. Nur wenn eine solche Bewe­gung im Volk veran­kert sei wie der Natio­nal­so­zia­lismus, könne sie die Ordnung des Staates bewahren. 

Solche Über­le­gungen sind keine bedau­erns­werten Beigaben zu einem ansonsten unpro­ble­ma­ti­schen Werk. Uexkülls Umwelt­lehre führt zu einer ganz­heit­lich begrün­deten Ableh­nung der Demo­kratie und entlädt sich in einer iden­ti­tären Logik, in der alles plan­mäßig an seinem Platz ist und alles, was nicht hier hin gehöre, verschwinden soll. Die Umwelt­lehre ist eine Lehre der rich­tigen Orte – und damit auch der falschen. Dieser Gedanke liegt auch Uexkülls Anti­se­mi­tismus zugrunde: Er zollte den Umwelten der Juden höchsten Respekt und forderte zugleich die Nazis dazu auf, sie aus Deutsch­land zu entfernen, weil hier nicht der rich­tige Ort für ihre ‚ortlosen‘ Umwelten sei.

Ökologie und Grenzregime

Teile der ‚Neuen Rechten‘ und der Iden­ti­tären Bewe­gung versu­chen heute unter dem Stich­wort ‚konser­va­tive Ökologie‘, den Ganz­heits­ge­danken erneut in den ‚Heimat­schutz‘ zu inte­grieren. Der Einzelne soll wieder in einer Bewe­gung des Ganzen aufgehen, die feste Grenzen hat und weiß, wer drinnen und wer draußen ist. Diese Strö­mung begreift sich als ganz­heit­lich, völkisch und damit poli­tisch wie biolo­gisch konser­vativ. Mit den glei­chen Argu­men­ta­ti­ons­fi­guren will die ‚konser­va­tive Ökologie’ die ‚Umwelt‘ als genuinen ‚Lebens­raum‘ eines ‚Volkes’ erfassen und so eine rassis­ti­sche Bevöl­ke­rungs­po­litik zum Thema der Ökologie machen. 

Jemand, der im Staat keinen Ort hat, dem der Ort entzogen wird oder der sich unbe­rech­tigt an einen Ort begibt (also Grenzen über­quert), bringt dessen Ordnung ins Wanken. Jede Umwelt befindet sich irgendwo, aber nicht jede Umwelt darf ihren Ort dort haben, wo sie ist. Wenn etwa der ehema­lige DDR-Bürgerrechtler Michael Beleites in seinem Buch Umwelt­re­so­nanz nach einer biolo­gisch begrün­deten „frei­heit­li­chen Alter­na­tive zur Demo­kratie“ fragt, dann beruft er sich explizit auf Uexküll. Beleites verwahrt sich gegen den Verdacht, der Blut und Boden-Ideologie zu folgen. Doch er nutzt die gleiche Argu­men­ta­tion wie Uexküll, wenn er behauptet, dass „Rassen“ aufgrund ihrer biolo­gi­schen Ausstat­tung nur an einem Ort leben können und dies auch für den Menschen gelte.

Diesem „Ethno­plu­ra­lismus“ (Henning Eich­berg) zufolge ist das ‚Volk‘ eine Kate­gorie der Biologie, die nur dann einer ganz­heit­li­chen Ordnung entspricht, wenn jedes Volk an seinem Platz ist und sich nicht mischt. Die Prot­ago­nisten der ‚konser­va­tiven Ökologie’ sehen sich in einer Tradi­tion, die die Lebens­be­din­gungen des über seine Rasse defi­nierten Volkes an ‚Blut und Boden’ knüpft und damit das Leben im Einklang mit der Natur als Leben eines von allem Fremden gerei­nigten Volkes propa­giert. Ganz wie bei Uexküll kann kein Volk von seinem Lebens­raum getrennt werden, ohne seine Über­le­bens­grund­lage zu verlieren. Arterhal­tung durch gerei­nigte Umwelten nicht nur bei Tieren ist die rechte Vari­ante dieses Natur­schutzes, der die poli­ti­schen Konse­quenzen seiner Prämissen oft bewusst im Dunkeln lässt.

Theo­rie­po­litik der ‚Neuen Rechten‘

Mit dieser Stra­tegie versucht die Neue Rechte, das Thema Natur­schutz den Grünen zu entreißen, um den Ort und die Umwelt des deut­schen Volkes gegen die libe­ralen Verir­rungen der Demo­kratie und die Vermi­schung mit anderen Umwelten zu schützen. So argu­men­tieren Autoren wie Götz Kubit­schek oder der Heraus­geber Jonas Schick in der Zeit­schrift Die Kehre oder auf der Platt­form Sezes­sion, wenn sie sich dem Thema Migra­tion widmen und behaupten, dass Ökologie nicht grün, sondern braun sei. 

Man kann keines­wegs davon spre­chen, dass sich die ‚Neue Rechte‘ ökolo­gi­sches Wissen auf unbe­grün­dete Weise aneignet und die Natur­schutz­be­we­gung infil­triert. Genauso wenig ist die rechte Beset­zung dieses Themas rein instru­men­teller Art. Viel­mehr zeigen die histo­ri­schen Konti­nui­täten eine unun­ter­bro­chene Verbin­dungs­linie. Die Neigungs­ten­denzen insbe­son­dere holis­ti­schen Denkens nach rechts sind eindeutig. Das poli­ti­sche Kalkül der Gegen­wart vermischt sich unwei­ger­lich mit den genannten Traditionen.

Damit soll keines­falls gesagt sein, dass ökolo­gi­sches Denken grund­sätz­lich faschis­tisch sei. Es geht auch nicht darum, Uexküll zu ‚canceln‘. Ganz im Gegen­teil: Es ist wichtig, ihn zu lesen – aber auf andere Weise als bisher. Um die Gemenge­lage zu verstehen, in der ganz­heit­liche Theo­rien heute an Posi­tionen der ‚Neuen Rechten‘ anschluss­fähig sind, ist es von entschei­dender Bedeu­tung, die histo­ri­schen Texte neu zu kontextualisieren.

Die Konti­nuität zwischen ganz­heit­li­cher Ökologie, Faschismus und ‚Neuer Rechte‘ sollte man im Blick behalten, wenn man ökolo­gi­sches Denken heute zu anderen Zwecken nutzen will. Heute rächt sich, dass die Ökologie-Bewegung so wenig über ihre Vergan­gen­heit weiß: Ökologie war nie rein, natür­lich oder unschuldig. Im Lichte ihrer Geschichte sollte die Ökologie ihr Wissen um Viel­falt, Diver­sität und Anders­ar­tig­keit bewusster posi­tio­nieren als bisher.