Eine neue Staatsform ist auf dem Wege, sich zu etablieren: Diese ist zwar demokratisch legitimiert, stützt sich aber nicht auf die Aushandlung von Interessen, sondern auf die Bewirtschaftung des Ressentiments.

  • Daniel Strassberg

    Daniel Strassberg, Facharzt für Psychiatrie, ist Psychoanalytiker und Philosoph in Zürich

Unter aufrechten Demo­kraten geniesst Nietz­sche keinen guten Ruf. Er gilt wegen seiner Verach­tung für die Demo­kratie als Wegbe­reiter des Faschismus. Sein oft kriti­sierter Vorwurf an die Demo­kratie lautet: Dass sie sich von jenem Ressen­ti­ment nährt, das sie selbst züchtet. Doch die Nach­richten von jenseits des Teiches scheinen Nietz­sche Recht zu geben. Eine neue Staats­form ist auf dem Wege, sich zu etablieren, die zwar demo­kra­tisch legi­ti­miert ist, sich aber nicht auf die Aushand­lung von Inter­essen, sondern auf die Bewirt­schaf­tung des Ressen­ti­ments stützt.

Nicht nur der Wahl­er­folg Trumps, sondern auch dieje­nigen der AfD, des Front National, von Geert Wilders, Viktor Orbán, Tayyip Erdoğan, der polni­schen, slowa­ki­schen und tsche­chi­schen Regie­rung verdanken sich einem Gefühl, zu kurz gekommen zu sein und dafür einer­seits Flücht­linge und sons­tige Fremde, ande­rer­seits „die da oben“, „Brüssel“ oder „Washington“ verant­wort­lich machen. All diese Bewe­gungen punkten mit dem Verspre­chen, das Gefühl des Zu-kurz-gekommen-Seins zu tilgen. Das Gefühl wohl­ver­standen und nicht die reale Benachteiligung.

Die Schlecht­weg­ge­kom­menen

Die Frage kann also nicht sein, ob die Gefühle der „Schlecht­weg­ge­kom­menen“ (Nietz­sche) berech­tigt sind oder nicht. Ohne Zweifel sind die Menschen im Norden Englands, die mehr­heit­lich für den Brexit gestimmt haben, Verlierer der Globa­li­sie­rung und Opfer der Libe­ra­li­sie­rung der Märkte. Ihre Ängste um ihre wirt­schaft­liche Zukunft sind mehr als begründet. Doch ebenso wenig Zweifel kann es daran geben, dass sich mit einer restrik­tiven Flücht­lings­po­litik daran kaum etwas ändern wird. Weshalb also lassen sich Menschen durch einen Groll leiten, der ihren Inter­essen mögli­cher­weise sogar zuwiderläuft?

Friedrich Nietzsche; Quelle: wikipedia.org

Fried­rich Nietz­sche; Quelle: wikipedia.org

Der locus clas­sicus des Ressen­ti­ments ist die Genea­logie der Moral von 1887, wo Nietz­sche die Herkunft des Ressen­ti­ments durch einen beinahe hege­lia­ni­schen Drei­schritt erklärt. „Gut“ sei zunächst eine Selbst­be­ur­tei­lung der Mäch­tigen gewesen: Was sie taten, war gut, weil sie es taten. Im Wesent­li­chen war dies die Über­wäl­ti­gung der Schwa­chen, deren Tun entspre­chend als schlecht galt. In der nächsten histo­ri­schen Phase wird das Gute als Über­wäl­ti­gung nach innen gewendet: Die Pries­ter­kaste verlangt von den „Sklaven“ Selbstüber­win­dung durch Askese. Diese Inter­na­li­sie­rung des Kampfes gegen das Schlechte – nun das Böse genannt – führt zu einem unbän­digen Hass gegen die Mäch­tigen, die diesen Kampf nicht auf sich nehmen müssen und sich nicht über­winden müssen. Dieses merk­wür­dige Amalgam von Selbst­über­win­dung und Hass gegen oben verfes­tigt sich als Moral. Im dritten Schritt exter­na­li­sieren die „Schlecht­weg­ge­kom­menen“ diesen Kampf wieder in Form des Ressen­ti­ments gegen die Mäch­tigen, denen sie die Schuld für ihr Unglück in die Schuhe schieben. Ressen­ti­ment ist für Nietz­sche im Wesent­li­chen Groll darüber, das Gesetz des Handelns nicht bestimmen zu können und dafür denen die Schuld zu geben, die noch aktiv sein dürfen. Ressen­ti­ment ist das reak­tive Gefühl schlechthin: „Das Ressen­ti­ment“, schreibt Gilles Deleuze, „es ist deine Schuld, es ist deine Schuld … projek­tive Anklage und projek­tive Gegen­be­schul­di­gung. Es ist deine Schuld, wenn ich schwach und unglück­lich bin.“

Vieles, was Nietz­sche beschreibt, erkennen wir in der heutigen poli­ti­schen Land­schaft wieder: Der Groll über das Gefühl, nicht (mehr) Subjekt der Geschichte zu sein, bestimmen das Abstimmungs- und Wahr­ver­halten in weiten Teilen der Welt. Der Hass entlädt sich dabei, anders als von Nietz­sche analy­siert, in zwei Rich­tungen: Gegen (vermeint­liche) Konkur­renten im Kampf um die spär­li­chen Ressourcen und gegen „die da oben“, die die Zukurz­ge­kom­menen nicht vor dem sozialen Abstieg schützen.

Über­haupt denkt Nietz­sche das Ressen­ti­ment nicht weit genug, viel­leicht, weil er, wie Cioran meint, sein eigenes Ressen­ti­ment nicht durch­schaut. Er hat seinen Hegel nicht ernst genug genommen: Der (Herren-)Mensch ist keines­wegs so unab­hängig vom Ressen­ti­ment (des Knechts), wie er (und Nietz­sche) gerne glauben möchte, bezieht er doch seine Macht von ihm.

Das Verspre­chen der Reinheit

Dafür fordern die Schlecht­weg­ge­kom­menen auch etwas von den Führern ein: sie sollen die Geschichte rück­gängig machen. Die Rhetorik des Ressen­ti­ments beschreibt die Geschichte als Verschmut­zung eines ursprüng­lich reinen Zustandes, als Vermi­schung und als Deka­denz. Rein­heit ist immer erträumter Ursprung, als wollten wir vergessen, dass inter faeces et urinam nascimur. Wenn aber Geschichte Verschmut­zung und Vermi­schung ist, hat die Politik die Aufgabe, die Rein­heit des Ursprungs wieder­her­zu­stellen. Und genau dies verspre­chen die Mäch­tigen dieser Welt: Wenn Erdoğan das osma­ni­sche Reich, Putin die Sowjet­union oder wahl­weise das Zaren­reich, Orbán die alte unga­ri­sche Grösse oder Benjamin Netan­jahu Gross­is­rael beschwören, so geht es ihnen weniger um die schiere Ausdeh­nung ihres Reiches als um ein von aller Verun­rei­ni­gung befreites Gebiet. „Ethnic clean­sing“ ist der barba­rischste Ausdruck dieser Sehn­sucht nach ursprüng­li­cher Reinheit.

Trump-Supporterinnen in Mobile, Alabama, 21. August 2015; Quelle: snopes.com

Trump-Supporterinnen in Mobile, Alabama, 21. August 2015; Quelle: snopes.com

Damit der Führer sein Verspre­chen – nach Nietz­sche die höchste Form der Souve­rä­nität, weil es selbst das eigene Ich dem Willen zur Macht unter­stellt –, die unbe­fleckte Rein­heit wieder herzu­stellen, einlösen kann, muss er die Geschichte unge­schehen machen. Denn Rein­heit gab es nur im Ursprung. Make America Great Again verspricht eine gross­ar­tige, mythi­sche und reine Vergan­gen­heit wieder herzu­stellen. Doch ein Verspre­chen ohne Adressat, der es einfor­dern und ohne Zeugen, der es garan­tieren kann, ist hohl und leer. Der Verspre­cher bleibt vom Adres­saten abhängig.

Schon Jean Améry hat das Ressen­ti­ment als Forde­rung, Geschichte unge­schehen zu machen, diagnos­ti­ziert. Gerade die Absur­dität dieser Forde­rung soll für Améry aber Garant gegen das Vergessen und Stachel im Fleisch der Wohl­mei­nenden und Wohl­ge­sinnten sein. Doch das Bewusst­sein für die Absur­dität der Forde­rung geht den heutigen Trägern des Ressen­ti­ments ab. Sie beharren auf dem realen Pfund Fleisch. Zu diesem Zweck erschaffen sie eine Figur – den Führer, den „Leader“ –, der die Fähig­keit zuge­spro­chen wird, Wirk­lich­keit ausser Kraft zu setzen und die Geschichte unge­schehen zu machen. Inves­ti­ga­tive Jour­na­listen zeigen pausenlos die selbst­herr­li­chen Geset­zes­brüche und infamen Lügen dieser neuen poli­ti­schen Führer auf und wundern sich, dass ihre Enthül­lungen weder an der Urne noch vor Gericht Konse­quenzen haben. Doch die Gesetz­lo­sig­keit ist kein Kolla­te­ral­schaden der poli­ti­schen Ordnung, sondern gera­dezu ihr Funda­ment. Nur wer das Gesetz aufheben kann, ist in der Lage, Geschichte umzu­kehren – und Rein­heit herzustellen.

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Der Clown und der Held

Zwei Formen der Gesetz­lo­sig­keit haben sich in den letzten Jahren etabliert: Der Clown und der Held. Der Typus Clown, wie ihn Berlus­coni und Trump perfekt verkör­pern, trickst das Gesetz zwar aus, hebt es aber nicht auf (und bei beiden ist die Frisur die Insi­gnie des Clownesken).

Trump hair tutorial; Quelle: YouTube.com

Trump hair tuto­rial; Quelle: YouTube.com

Das Gesetz gilt, aber nicht für mich! sagt der Furbo, und seine Legi­ti­ma­tion ist die Lächer­lich­keit des Gesetzes: An ein Gesetz, dass die Krüm­mung der Banane fest­legt (wie angeb­lich das EU-Recht), muss man sich nicht halten. Mit dem Clown kann sich jeder­mann iden­ti­fi­zieren: Was er kann, kann ich auch, was er darf, darf ich auch.

Der Held hingegen ist nicht der Doppel­gänger des Bürgers, sondern sein Erlöser. Hegel analy­siert in seiner Ästhetik die Funk­tion des Helden in der Moderne glas­klar: Der Bürger, frus­triert, nur noch ein kleines Rädchen im Räder­werk des bürger­li­chen Staates zu sein, phan­ta­siert sich eine Figur herbei, deren indi­vi­du­elle Taten noch eine Bedeu­tung haben und etwas bewirken können. Aller­dings muss dazu der bürger­liche Staat aufge­hoben werden, denn in ihm gibt es für indi­vi­du­elles Heldentum kein Platz.

Der Held (oder die Heldin wie im Falle der Anti­gone) suspen­diert also den bürger­li­chen Staat zugunsten eines höheren Gesetzes – der Gerech­tig­keit selbst. Dieses höhere Recht soll einst am mythi­schen Ursprung gestanden haben und durch die Geschichte korrum­piert worden sein. Doch weil das bürger­liche Gesetz Geltung behalten muss, endet Heldentum immer tragisch. Hegel stellt klar, dass der Held eine bloss ästhe­ti­sche Figur sein kann, die zugleich der Projek­tion bürger­li­cher Sehn­süchte nach Indi­vi­dua­lität als auch der Warnung vor denselben dient. Das Ressen­ti­ment ist also nicht, wie Nietz­sche meint, die Schwund­form des heldi­schen (Über)-Menschen, sondern der Held ist die eigent­liche Schöp­fung des Ressen­ti­ments.

Josef Früchtl hat gezeigt, dass der Western­held genau nach dem Hegel­schen Muster gestrickt ist. Und tatsäch­lich verkör­pern Vladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan bis in die Ikono­gra­phie ihrer Selbst­in­sze­nie­rung den Western­helden. Hegel hatte wohl nicht damit gerechnet, dass die ästhe­ti­sche Figur des Helden dereinst die Buch­de­ckel verlassen und in die poli­ti­sche Realität hinüber­wech­seln könnte. Mit dem Über­tritt in den Raum der Wirk­lich­keit verliert die Saga vom Helden aller­dings ein wesent­li­ches Moment ihrer lite­ra­ri­schen oder kine­ma­to­gra­phi­schen Exis­tenz: Das Schei­tern. Sie insze­nieren sich als Führer, die die Gesetz­mäs­sig­keiten der Geschichte tatsäch­lich ausser Kraft setzen und die Welt des Ressen­ti­ments wieder in Ordnung bringen können.

Die west­eu­ro­päi­sche Form des Ressentiments

Das west­eu­ro­päi­sche Ressen­ti­ment unter­scheidet sich in wesent­li­chen Punkten von den eben beschrie­benen Formen: Die Führer­fi­guren spielen eine gerin­gere Rolle. Sie werden ange­griffen (Frauke Petri) oder ausge­wech­selt (Lutz Bach­mann, Nigel Farange, Jean Marie le Pen), ohne dass die Bewe­gung wesent­li­chen Schaden nimmt.

Viel­leicht bietet jener ominöse Satz, den Angela Merkel am 31. August 2015 ausge­spro­chen hat „Wir schaffen das“ einen Zugang zum Verständnis des west­eu­ro­päi­schen Ressen­ti­men­ta­lismus. Wört­lich sagte die Kanz­lerin damals: „Deutsch­land ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge heran­gehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!“

Titelseite Bildzeitung, 4.9.2013; Quelle: bani.blogger.de

Titel­seite Bild­zei­tung, 4.9.2013; Quelle: bani.blogger.de

Die Empö­rung kam verzö­gert, aber umso heftiger und sie kostete Merkel beinahe die Kanz­ler­schaft. Doch man versteht nicht recht, wogegen sich die Empö­rung richtet. Die Antwort kann nur sein: Das Ressen­ti­ment will es gar nicht schaffen. Es will weder im Sinne Merkels und noch im Sinne Nietz­sches stark sein, weil es sonst seine Exis­tenz­grund­lage verliert. Es will in seinem Unglück verharren und es auskosten, weil es nur so das Unglück ausdrü­cken kann. Über­zeugt – und nicht einmal zu Unrecht – dass das Gesetz des Handels nicht bei ihm liegt, zieht er sich auf die souve­räne Sphäre der freien Meinung zurück. Mit der Einlei­tung „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ insze­niert es den freien Ausdruck als Wider­stands gegen die Obrig­keit, der unter­stellt wird, die Wahr­heit unter­drü­cken zu wollen. Das west­eu­ro­päi­sche Ressen­ti­ment ist weit weniger auf den Führer ange­wiesen, weil es selbst den Frei­heits­helden verkör­pert: der Held der freien Meinung.

Die Souve­rä­nität dieses Ressen­ti­ments erfüllt sich nicht im Handeln, sondern im blossen Ausdrü­cken. Plato hat die Meinung nicht deswegen verab­scheut, weil sie falsch wäre, sondern weil sie nicht begründet und deshalb nicht legi­ti­miert ist. Die Meinung des Ressen­ti­ments ist hingegen dadurch legi­ti­miert, dass sie souve­räner Akt der ausdrü­ckenden Person ist. Die Meinung legi­ti­miert also ebenso die Indi­vi­dua­lität, wie die Person die Meinung legi­ti­miert. Ein geschlos­sener Kreis.

Das Ressen­ti­ment im „post­fak­ti­schen Zeit­alter“ und die „Sorgen der Menschen“

In jüngster Zeit wurde immer wieder das post­fak­ti­sche Zeit­alter beschworen: Meinungen werden ohne Rück­sicht auf die Fakten in die Welt gesetzt und beherr­schen die poli­ti­sche Agenda. Um dem Ressen­ti­ment freien Lauf lassen zu können, werden die Fakten beisei­te­ge­schoben. Die Verleug­nung der Wirk­lich­keit wird somit als unlieb­same Neben­wir­kung der Droge Ressen­ti­ment gedeutet. Doch dies scheint mir nicht weit genug zu gehen. Der Akt des Meinens ist als Ausdruck der indi­vi­du­ellen Souve­rä­nität beson­ders triftig, wenn er selbst die Wirk­lich­keit hinter sich lässt. „Lügen­presse, Lügen­presse“ ist einer der belieb­testen Rufe an den Demons­tra­tionen der Pegida. Die Wirk­lich­keit wird ebenso gehasst wie die Fremden und die Eliten.

An die Stelle der Wirk­lich­keit oder der Begrün­dung als Legi­ti­ma­ti­ons­in­stanz tritt das Gefühl: Die Subjek­ti­vität des „Es ist wahr, weil Ich es so fühle“ ist der unglück­liche Resti­tu­ti­ons­ver­such verlo­rener Subjek­ti­vität. Aller­dings – und darin liegt der Wider­spruch des blossen Meinens – funk­tio­niert die Wieder­ge­win­nung der Indi­vi­dua­lität nur im Kollektiv, nur wenn es von anderen geteilt wird.

Den anderen die Schuld für das eigene Unglück zu geben, gilt nicht nur Nietz­sche als Haupt­cha­rak­te­ris­tikum des Ressen­ti­ments. Dies ist nicht falsch, greift aber zu kurz. Die Diagnose impli­ziert nämlich – auch bei Nietz­sche –, dass im Grunde die Zukurz­ge­kom­menen selbst dafür verant­wort­lich sind, aber nicht bereit sind, die Verant­wor­tung auch zu über­nehmen. Doch am Nieder­gang der Schwer­indus­trie im Norden Englands tragen gewiss nicht die Stahl- und Kohle­ar­beiter die Schuld. Es geht also weniger darum, jemanden für das eigene Unglück verant­wort­lich zu machen, als in der Sphäre des blossen Meinens den letzten Zufluchtsort zerstörter Souve­rä­nität zu finden, der, von der Fakti­zität des Wirk­li­chen befreit, dem Ich und seinen Gefühlen als letzte Legi­ti­ma­ti­ons­in­stanz dient. Es ist wahr, weil ich es finde, weil mein Gefühl es mir sagt. Gerade im scho­nungs­losen und fakten­freien Ausdruck der Meinung findet das Subjekt das Gesetz des Handels und die Souve­rä­nität des Ichs wieder, das es, da hat Nietz­sche wohl recht, so schmerz­lich vermisst hat: Ich kann zwar nichts ändern, aber ich kann jede belie­bige Meinung äussern.

Die übliche Reak­tion der Wohl­mei­nenden auf das Ressen­ti­ment lautet: „Man muss die Ängste ernst nehmen.“ Diese ebenso verlo­gene wie herab­las­sende Haltung nähert sich bis zur Unkennt­lich­keit dem Ressen­ti­ment an: Auch sie erklärt das Gefühl zur höchsten Instanz. In Tat und Wahr­heit ist das Ressen­ti­ment eine Verleug­nung der Angst. Im kollek­tiven Getöse der wieder­ge­won­nenen Souve­rä­nität – oder viel­mehr: in dieser Schrumpf­form von Souve­rä­nität – geht die Angst unter. Wer mit anderen in derselben Meinung vereint ist, braucht keine Angst mehr zu haben. Dabei gilt: Erst wenn sich echte Angst, vor dem, was kommt, und vor dem, was schon ist, Bahn bricht, kann auf Wider­stand gegen die Verhält­nisse gehofft werden.