Die CSU skandalisiert Lesungen von Drag-Künstler*innen als angebliche Gefährdung des Kindeswohls, die SVP attackiert Gender-Tage. Sie übernehmen dabei die brandgefährliche queerfeindliche Agenda der US-amerikanischen Rechten, und zwar auf Kosten von Kindern und Jugendlichen.

  • Annika Brockschmidt

    Annika Brockschmidt ist freie Journalistin und Autorin. Ihr aktuelles Buch, „Amerikas Gotteskrieger - wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet" landete auf der Spiegel Bestsellerliste. Sie schreibt außerdem für den Tagesspiegel, die Frankfurter Rundschau, Zeit Online und Religion Dispatches. Außerdem hostet sie den Podcast „Kreuz und Flagge", der sich mit der amerikanischen Demokratie befasst.

In Zürich musste jüngst eine Drag-Lesung für Kinder auf Grund der Drohungen, die die Veran­stalter erhielten, unter Poli­zei­schutz abge­halten werden. Auch eine Schule in Stäfa, im Kanton Zürich, in der Schüler*innen zu einem „Gender-Tag“ am 15. Mai geladen hatten, erhielt nach einem online gene­rierten Shit­s­torm derart massive Drohungen, dass die Veran­stal­tung in Rück­sprache mit der Polizei wegen Sicher­heits­be­denken abge­sagt wurde. Der „Gender-Tag“ wurde seit zehn Jahren jähr­lich in der Schule abge­halten – bis in diesem Jahr Drohungen gegen „Leib und Leben“ von Veranstalter*innen und Lehr­kräften die Schule zum Rückzug zwangen. Der Vorwurf lautet: Es handle sich um eineVerse­xi­sie­rung des Schul­un­ter­richts“. Rechte Politiker*innen mischten eben­falls mit: SVP-Nationalrat Andreas Glarner forderte auf Twitter die Entlas­sung der Schul­lei­tung. Eine weitere Drag-Lesung für Kinder in Zürich wurde in diesem Monat von Rechten ange­griffen – vorn mit dabei bei der Mobi­li­sie­rung der anti-LGBTQ Proteste war ein Verschwö­rungs­theo­re­tiker mit Kontakten in die deut­sche Reichs­bürger-Szene. „Dass wir bei einer Kinder­ver­an­stal­tung in der Biblio­thek mit physi­scher Gewalt rechnen müssen, erschreckt mich“, sagte Biblio­theks­di­rektor Felix Hüppi. 

Schon im Oktober 2022 hatte eine Neonazi-Gruppe am Weg zum Veran­stal­tungsort der „Drag Story Time“ für Kinder im Tanz­haus Zürich  Rauch­fa­ckeln ange­zündet und Parolen gesungen, anschlie­ßend stürmten sie die Veran­stal­tung und begannen, vor den Kindern rechts­ra­di­kale Parolen zu skandieren. 

Ähnliche Töne hört man dieser Tage auch aus den Reihen der CSU. Deren Münchner Stadtrat Hans Theiss, LGBTQ-Sprecher seiner Frak­tion, war entsetzt: „Hier wird eine rote Linie über­schritten, wenn klar sexua­li­sierte Themen bei Vier­jäh­rigen plat­ziert werden.“ CSU-Generalsekretär Martin Huber pflich­tete ihm bei: „Lasst Kinder einfach Kinder sein […] Vier­jäh­rige sollten mit Bauklötzen oder Knete spielen und nicht mit woker Früh­sexua­li­sie­rung indok­tri­niert werden.“

Alles für das Kindeswohl?

Worum ging es? Wenn man Theiss Glauben schenken würde, um Folgendes: „Sexu­al­kunde durch Drag Queens für vier­jäh­rige Kinder – ist das wirk­lich Euer Ernst?“, schrieb er auf Twitter. Die Realität sah anders aus: In der Stadt­bi­blio­thek im Münchener Stadt­teil Bogen­hausen sollten Drag-Darstellende und eine jugend­liche trans Autorin eine Lesung für Kinder ab vier Jahren abhalten. Theiss warnte, es brauche eine „alters­ad­äquate Heran­ge­hens­weise“ und „viel Finger­spit­zen­ge­fühl“ – wofür genau, das sagte er nicht. Aber er schien eine genaue Vorstel­lung davon zu haben, wie die Vortra­genden gekleidet sein würden: „Schauen Sie doch mal, in welchen Outfits die Prot­ago­nisten dort auftreten, ist das alters­ge­recht? Wenn mich meine sieben­jäh­rige Tochter fragt, warum die ,Drei Frage­zei­chen‘ alles Jungs sind, dann spielt sich das auf der rich­tigen Ebene ab – aber so?“ Theiss konnte natür­lich nicht wissen, in welchen Outfits die Drag Künstler*innen auftreten würden, weil die Veran­stal­tung (ange­kün­digt für den 13. Juni) noch gar nicht statt­ge­funden hatte. Doch seine Impli­ka­tion war klar: die Behaup­tung nämlich, dass hier Drag Darsteller*innen sexuell aufrei­zend vor Kindern auftreten würden. Mit der Realität hat das jedoch nichts zu tun. 

Wenn Theiss gewollt hätte, hätte er sich auch über Drag-Lesungen für Kinder infor­mieren können, bevor er einen Shit­s­torm auf Twitter entfachte. Aber er wollte nicht, denn die Empö­rung und das Schüren einer mora­li­schen Panik gehören zum Hand­werks­zeug reak­tio­närer Politik. In den USA findet beispiels­weise seit Jahren die Veran­stal­tungs­reihe Drag Queen Story Hour statt. Drag Queens treten dort in Drag auf – doch die Kostü­mie­rung unter­scheidet sich natür­lich stark von einer Drag Show in einem Nacht­club für Erwach­sene. Drag Queens treten vor Kindern als Prin­zes­sinnen oder Fabel­wesen verkleidet auf – wie bei einer gewöhn­li­chen Märchen­le­sung, nur bunter und viel­leicht mit mehr Glitzer. 

Es geht bei den Veran­stal­tungen darum, alters­ge­recht Tole­ranz für verschie­dene Ausdrucks­formen von Geschlecht zu fördern und Kinder zu unter­halten. So war die Veran­stal­tung, die Ziel der Empö­rungs­welle wurde, auch beworben: „Sie erzählen von den unter­schied­lichsten Held:innen: Jungs in Klei­dern, Prin­zes­sinnen mit ihrem eigenen Willen, den Farben Blau und Rosa, von Kanin­chen und Füch­sinnen, dem Entde­cken der eigenen Frei­heit und vielem mehr. Freut euch auf unsere farben­frohe Lese­runde und tauscht euch im Anschluss gerne mit unseren Vorleser:innen aus!“

Fakten­freie, sexu­al­mo­ra­li­sche Panik

Warum aber dann der Vorwurf der Sexua­li­sie­rung? Kritiker*innen gaben als einen Grund zur Sorge den Namen des auftre­tenden Drag Kings an, der als „Eric Big Clit“ ange­kün­digt war. Möglich, dass ein Kind danach seine Eltern fragt, was eine Klitoris ist – nicht, dass das ein Drama wäre. Doch es geht hier weder um Fakten, noch um die Namen von Drag-Darsteller*innen. Hinter der Empö­rung steckt eine künst­lich von Rechten und Frauen mit trans­feind­li­chen Ansichten, die sich als Femi­nis­tinnen verstehen, aufge­peitschte mora­li­sche Panik, die eine ohnehin schon margi­na­li­sierte Gruppe von Menschen weiter in Gefahr bringt, Opfer von gewalt­tä­tigen Über­griffen, Mobbing und Ausgren­zung zu werden. Das zeigt die Bemer­kung Hubert Aiwan­gers: Der baye­ri­sche Wirt­schafts­mi­nister und stell­ver­tre­tende Minis­ter­prä­si­dent (Freie Wähler) war sich nicht zu schade, ganz tief in die reak­tio­näre Motten­kiste zu greifen und einen Klas­siker der Queer­feind­lich­keit auszu­graben: „Das ist Kindes­wohl­ge­fähr­dung und ein Fall fürs Jugendamt, keine Welt­of­fen­heit, wie es die Grünen verharm­losen“, behaup­tete Aiwanger

Die angeb­liche Sorge um das „Kindes­wohl“, die Aiwanger und andere Gegner*innen von Drag- Lesungen für Kinder vorbringen, ist ein Deck­mantel für die Queer­feind­lich­keit, die sich hinter ihrem Protest versteckt. Es ist kein Zufall, dass ähnliche Einwände immer wieder zu hören sind, wenn es um die Rechte von LGBTQ Menschen geht. Denn Queer­ness und damit die bloße Exis­tenz von Menschen, die gegen hete­ro­nor­ma­tive, cis Vorstel­lungen von Gender und Sexua­lität verstoßen, werden von konser­va­tiven Kräften als exis­ten­ti­elle Bedro­hung ihres auf einer strengen Bina­rität der Geschlechter aufbau­enden Welt­bildes verstanden.

Nun sind eine Drag Queen und eine trans Person nicht synonym, doch auf diese Unter­schiede kommt es LGBTQ-Feinden über­haupt nicht an. Die Gleich­set­zung von trans und Drag nutzt ihnen viel­mehr, um trans als Geschlechts­iden­tität als bloße „Verklei­dung” diffa­mieren zu können. Beson­ders häufig findet wird dieser Vorwurf trans Frauen gemacht: Ihnen aberkennen Transfeind*innen die Weib­lich­keit und diffa­mieren sie, sich bloß als Frauen zu „verkleiden”. Es geht ihnen darum, eine mora­li­sche Panik gegen die Exis­tenz und die Menschen­rechte aller Personen zu schüren, die gegen christ­liche, hete­ro­nor­ma­tive Vorstel­lungen von Geschlecht und Gesell­schaft verstoßen. Daher sexua­li­sieren diese Akteure ständig allein schon die schlichte Exis­tenz von LGBTQ-Menschen, obwohl sie vorgeben, einer angeb­li­chen „Sexua­li­sie­rung“ von Kindern Einhalt gebieten zu wollen. Das ist ein Para­doxon, das verwandt ist mit dem Kreuzzug von Verfechter*innen der soge­nannten Purity Culture, die Sex vor der Ehe und sexu­elle Aufklä­rung von Kindern und Jugend­li­chen ablehnen. Durch den Versuch, Sex zu vermeiden und Absti­nenz zu predigen, sexua­li­sieren sie aber voll­kommen alltäg­liche Situa­tionen, weil sie alles im miso­gynen Framing wahr­nehmen, dem gemäß  Frauen- oder Mädchen­körper in Männern angeb­lich unkon­trol­lier­bare Lust wecken. 

Sie können uns unter­stützen, indem Sie diesen Artikel teilen: 

Hinter der angeb­liche Sorge um „die Kinder“ steckt der Mythos, dass Queer­ness – egal ob Trans­ge­schlecht­lich­keit oder Homo­se­xua­lität – durch „soziale Anste­ckung“ „über­tragen“ werden könne. Das geht auf die Annahme zurück, dass Trans­ge­schlecht­lich­keit, Homo­se­xua­lität oder Queer­ness allge­mein Krank­heiten seien, mit denen man sich „infi­zieren“ und von denen man dementspre­chend auch „geheilt“ werden könne. 

Rechte Cancel Culture 

Deut­sche Konser­va­tive eifern jedoch nicht nur inhalt­lich der Repu­bli­ka­ni­schen Partei jenseits des Atlan­tiks nach, sondern bedienen sich auch der Taktiken rechter Aktivist*innen in den USA – mit verhee­renden Folgen. Tilman Kuban, ehema­liger Vorsit­zender der Jungen Union und CDU-Abgeordneter im Bundestag, sorgte durch einen Tweet dafür, dass eine Kinder­ta­ges­stätte im Bistum Fulda mit Hass­nach­richten und Drohungen über­schüttet wurde. Kuban hatte anläss­lich des soge­nannten Mutter­tags auf Twitter einen Brief der Kita an die Eltern­schaft – samt Kontakt­daten des Kinder­gar­tens – veröf­fent­licht, mit den Worten: „Dem Wahn­sinn sind keine Grenzen mehr gesetzt […] Irgendwie find ich es ziem­lich cool, wenn man Kindern beibringt seiner Mutter einfach mal Danke zu sagen für ihren Mega­ein­satz Tag für Tag!“ Die Kita hatte in dem Brief erklärt, dass sie aus Rück­sicht auf Kinder aus Fami­lien, die nicht der tradi­tio­nellen Vater-Mutter-Kind Zusam­men­set­zung entspre­chen, – und aus Perso­nal­mangel – zum Muttertag keine „Muttertags“-Geschenke basteln würden. Es handle sich dabei nicht um eine Herab­set­zung dieser Fami­li­en­form, sondern um Respekt und Tole­ranz gegen­über anderen Konstel­la­tionen des fami­liären Zusam­men­le­bens. Kuban war das herz­lich egal. Nach Kritik löschte er den Ausgangst­weet und schwärzte die Adresse auf dem Brief – aber da war es zu spät. 

Die CDU Hessen legte noch einmal nach: Zwei Tage nach Kubans Tweet postete der offi­zi­elle Account der Partei: „Kindern in einer Kita zu verbieten, Mutter­tags­ge­schenke und andere Tradi­tionen zu pflegen, weil ,die Konstel­la­tion Mutter-Vater-Kind/er nicht mehr die Norm in heutigen Fami­lien‘ ist, gleicht einem Denk­verbot! Das macht mich fassungslos“. Dazu hatten sie eine Zitat-Kachel mit einer Aussage des hessi­schen  CDU-Generalsekretär Manfred Pentz gebas­telt: „Jetzt schon Woke­ness in katho­li­schen Kitas?!“ 

Hass und Hetze: reak­tio­näre Kampf­be­griffe und Shitstorms

Auch die Verwen­dung von woke als Kampf­be­griff zeigt, woher die CDU Hessen hier ihre Inspi­ra­tion genommen hat: von Rechten und Rechts­extremen jenseits des Atlan­tiks, wo woke längst poli­tical correct­ness als Kampf­be­griff  ersetzt hat. Der rechte Shit­s­torm samt Drohungen war erfolg­reich: Das Bistum Fulda, der Träger der Kinder­ta­ges­stätte, veröf­fent­lichte auf Anfrage eine Entschul­di­gung: „Die KiTa wird auch weiterhin ein katho­li­sches Profil haben und sich für das christ­liche Fami­li­en­bild einsetzen. Gleich­zeitig werden andere Lebens­mo­delle und Reali­täten nicht ausge­schlossen”, heißt es darin. Christ­lich bedeutet scheinbar in diesem Kontext: „Familie“ wird, wie so oft im reli­giösen Kontext, als Synonym für Vater-Mutter-Kind verwendet. Dass die CDU Hessen den Post später löschte und Pentz behaup­tete, „Hass und Hetze“ gegen die Kita seien für ihn „inak­zep­tabel“ – geschenkt. Sie hatten sich längst daran beteiligt. 

Die Angriffe auf Drag Shows und alle Lebens­weisen, die nicht der hete­ro­nor­ma­tiven „Kern­fa­milie“ aus cis Vater, cis Mutter, cis Kindern bestehen,  geschehen nicht in einem Vakuum. Denn die queer­feind­li­chen Narra­tive, die unter dem Vorwand des „Kinder­schutzes“ zur Verleum­dung von LGBTQ Personen, vor allem von trans Personen und Drag Performer*innen, verbreitet werden, werden derzeit in den USA in Geset­zes­form gegossen. Allein in diesem Jahr wurden auf Bundes­staa­ten­ebene mehr als fünf­hun­dert LGBTQ-feindliche Gesetze einge­bracht – und es ist erst Mai. 

Die Lage für trans Personen in Repu­bli­ka­ni­schen Staaten ist drama­tisch, gar lebens­be­droh­lich: Dort werden immer mehr Verbote von gender affir­ming Gesund­heits­ver­sor­gung für trans Kinder und Jugend­liche erlassen. Dabei ist die Gender affir­ming Gesund­heits­ver­sor­gung die von führenden medi­zi­ni­schen Verbänden als best prac­tice” empfoh­lene Behand­lungs­me­thode.  Sie senkt das Suizid­ri­siko erheb­lich, das bei trans Kindern und Jugend­li­chen beson­ders hoch ist. Doch die Unter­stüt­zung von Eltern für ihre trans Kinder wird zuneh­mend krimi­na­li­siert; beispiels­weise droht in Florida  gar der Entzug des Sorge­rechts

Kinder­schutz“ war schon immer ein Vorwand zur Diskri­mi­nie­rung von und für stochas­ti­schen Terro­rismus gegen LGBTQ-Menschen  – deut­lich zu sehen dadurch, dass Repu­bli­kaner gerade alles daran setzen, die Verbote für gender affir­ming Gesund­heits­ver­sor­gung auch auf erwach­sene Menschen auszu­weiten: Es geht letzt­end­lich darum, die Exis­tenz von trans Menschen im öffent­li­chen Raum zu krimi­na­li­sieren und Queer­ness zu verbieten. In diesem Zusam­men­hang ist das Verbot von Drag Shows im Repu­bli­ka­ni­schen Tennessee zu verstehen – andere von der Grand Old Party (GOP) regierte Bundes­staaten ziehen bereits nach. Gleich­zeitig haben die Angriffe auf Insti­tu­tionen und Veran­stalter in den USA, die Drag Shows hosten, zuge­nommen – von Beläs­ti­gung von Gästen bis zu Brand­an­schlägen mit Molotov-Cocktails und Bomben­dro­hungen. Drag Perfor­mances – für Erwach­sene und solche speziell für Kinder – müssen immer häufiger unter dem Schutz bewaff­neter lokaler Antifa-Gruppen statt­finden, um die Sicher­heit der anwe­senden Künstler*innen und Gäste zu garan­tieren. Denn die rechten „Demons­tranten“, die Drag Queens und Publikum als Groomer beschimpfen (das heißt als pädo­se­xu­elle Straf­täter), sind oft schwer bewaffnet: mit Sturm­ge­wehren und Base­ball­schlä­gern, die mit Stachel­draht umwi­ckelt sind. In Coeur d’Arlene (Idaho) verhin­derte die Polizei im Juni letzten Jahres, dass Anhänger der Patriot Front, einer faschis­ti­schen White Natio­na­list-Grup­pie­rung, in Kampf­aus­rüs­tung eine Pride Parade stürmten. In Ohio demons­trierten im März Neonazis mit Hakenkreuz-Fahnen gegen eine Drag Queen Story Hour für Kinder und skan­dierten „There will be Blood“ – „Es wird Blut fließen“. Im April versuchte eine weitere Neo-Nazi Grup­pie­rung in Ohio, Besucher*innen eines Drag Brunchs einzu­schüch­tern, indem sie Nazi-Lieder sangen, Hitler­grüße zeigten und anti-trans Slogans skandierten. 

Es ist nicht verwun­der­lich, dass Nazis und White Natio­na­lists sich an dem rechten Kultur­kampf betei­ligen – und physi­sche Gewalt androhen und auch ausüben. Sie sehen die Exis­tenz von Drag Queens und Queer­ness insge­samt als exis­ten­ti­elle Bedro­hung für die „Familie“ und damit die „weiße Rasse“ – und sie verbünden sich, wie auch schon im Kampf gegen Abtrei­bung, mit der konser­va­tiven und reli­giösen Kräften. Anti-queerer Hass und Forced-Birth Akti­vismus sind poli­tisch mitein­ander verbunden: Beide gehen zurück auf die Ideo­logie der White Supre­macy

Kultur­kampf um des Macht­er­halt willens

Nichts von alldem hält einzelne Mitglieder der CDU und CSU ab, auf eben jenen „Kulturkampf“-Zug aufzu­springen. In München brachte derweil die CSU-Fraktion im Bezirks­aus­schuss einen Dring­lich­keits­an­trag ein und forderte die Absage der Lesung. Die AfD verkün­dete im baye­ri­schen Landtag, es sei die Aufgabe der Politik, Kinder vor „solch linker Ideo­logie“ zu beschützen. Und sogar SPD-Bürgermeister Dieter Reiter, Schirm­herr des Chris­to­pher Street Day (CSD), sagte der Bild: „Ich habe für diese Art Programm kein Verständnis und glaube nicht, dass das für Vier­jäh­rige geeignet ist“ – er würde mit seinen Enkeln nicht an der Veran­stal­tung teil­nehmen. Er stehe „weiterhin stabil an der Seite der queeren Szene“, behaup­tete er in demselben Inter­view und sei gegen ein Verbot der Veran­stal­tung. Reiter bleibt trotz dieser Über­nahme queer­feind­li­cher Narra­tive weiterhin Schirm­herr des CSD und wird diesen auch anführen. Deut­sche Konser­va­tive und Teile der berühmten „bürger­li­chen Mitte“, aber auch bestimmte Teile der femi­nis­ti­schen Bewe­gung sind nicht die einzigen in Europa, die gerade das anti-Drag-Narrativ der US-amerikanischen und reli­giösen Rechten für sich übernehmen: 

Euro­päi­sche konser­va­tive Politiker*innen und Aktivist*innen, die auf den LGBTQ-feindlichen „Kulturkampf“-Zug der US-amerikanischen Rechten aufspringen, machen gemein­same Sache mit Rechts­extremen und legi­ti­mieren so deren Posi­tionen. Es ist ein extrem gefähr­li­ches Spiel – für Leib und Leben derer, die Ziel­scheibe solcher Hass-Kampagnen werden, und für die Demokratie.