Im Flüchtlingslager Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze sitzen zurzeit über zehntausend Menschen fest. Was heißt es, heute Flüchtling zu sein? Was passiert, wenn die Grenzen dichtgemacht werden? Florian Kessler und Nannina Matz sind vor Ort und berichten.

  • Florian Kessler

    Florian Kessler ist Lektor für deutschsprachige Gegenwartsliteratur im Hanser Verlag sowie Kulturjournalist. 2013 erschien von ihm im Hanser Verlag das Buch „Mut Bürger: Die Kunst des neuen Demonstrierens“.
  • Nannina Matz

    Nannina Matz studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und arbeitet derzeit als Autorin.

Mitt­woch, 6. April 2016

Wir sind seit ein paar Tagen in Idomeni und gleich in eine Helfer­gruppe hinein­ge­raten, deren Ort im unüber­sicht­li­chen Lager allge­mein als „the buil­ding with the ‚fuck your racist borders‘-graffiti“ beschrieben wird. Wir geben Klei­der­spenden aus, so wie viele andere Gruppen und einzelne Leute Essens­aus­gaben oder medi­zi­ni­sche Bera­tung oder Kinder­wasch­zelte oder andere Ange­bote orga­ni­sieren – der WhatsApp-Chat der diversen Helfer aus allen mögli­chen Ländern ist ein ziem­lich schönes euro­päi­sches Doku­ment in unseren Augen. Den Leuten im Lager wiederum geht es fürch­ter­lich schlecht. Sie schlafen auf dem Boden, kochen an Feuer­stellen in Konser­ven­dosen, haben die Klei­dung an, in der sie vor Monaten nach Grie­chen­land gekommen sind. Völlig zerstörte Schuhe und kaputte Füße, zerris­sene Herren­hosen, dicke Jacken, während es hier tags schon sehr heiß wird, Frauen, die verzwei­felt nach Hijabs fragen. Bei der Ausgabe der Sachen, wenn sie in Glücks­fällen vorhanden sind, gibt es unglaub­lich viele Anspan­nungen und Streit und Konflikte, denn anders als in Deutsch­land wissen diese ca. 12’000 Schutz­su­chenden ja nie, wann und ob sie wieder etwas bekommen werden. Über­haupt sind sie in einer verzwei­felten Lage. Fast jede Annehm­lich­keit im Camp wie eigenes Kochen kostet auf die ein oder andere Weise Geld, und mit immer gerin­geren Erspar­nissen für eine Weiter­reise oder irgend­einen anderen Plan wird ihre Lage auf diesem Acker vor Maze­do­nien immer noch aussichts­loser. Das ist den meisten auch bewusst, und das ist viel­leicht für uns das Schlimmste: Dass sie ihre Lage kennen, aber einfach nicht wissen, wie sie irgend­etwas ändern können. Kennen­ge­lernt haben wir bisher Afghanen, Jesiden aus dem Irak und vor allem Syrer. Einer von ihnen, gut Englisch spre­chend, mit seiner Frau und seinen Kindern hier, zeigte mir seinen frisch vernarbten, pulsie­renden, kaputten Bauch, von einem Bauch­schuss. Das sind also Kriegs­flücht­linge 2016 in Europa.

Idomeni, Foto: Florian Kessler

Idomeni, Foto: Florian Kessler

Freitag, 8. April 2016

Ein wich­tiger Ort von Idomeni liegt nicht im riesigen Camp, sondern im grie­chi­schen Dorf dazwi­schen: Die rasch eröff­nete Western Union-Bankfiliale, vor der ständig Dutzende Geflüch­tete warten. Diese Leute schi­cken aller­dings kein abge­spartes Geld in ihre kriegs­ver­sehrten Länder. Hier in Idomeni ohne Chancen auf Aner­ken­nung und Unter­stüt­zung gestrandet, hoffen sie statt­dessen verzwei­felt auf finan­zi­elle Hilfe ausge­rechnet durch jene schwä­cheren Teile ihrer Fami­lien, die nicht mit nach Europa kommen konnten. Das ist dann wohl tatsäch­lich eine neue Stufe der Ausbeu­tung: Es kommen jetzt nicht mehr nur möglichst wenige Flücht­linge und möglichst viele Turn­schuhe über das Mittel­meer, sondern es wird sogar noch das Geld der Ärmsten der Armen aus Ländern wie Syrien, Irak, Afgha­ni­stan nach Europa gepumpt. Und so unfassbar viele Verbes­se­rungen der eigenen Situa­tion kosten hier Geld, von Feuer­holz über Lebens­mittel zum selber Kochen bis zu Haar­schnitten von den Freiluft-Friseuren, als die mehrere Geflüch­tete hier arbeiten. Hier herrscht offen menschen­ver­ach­tender Turbo­ka­pi­ta­lismus. Das sieht man auch beim riesigen Schwarz­markt mit kleinen Ständen an den Straßen, wo sonst nur auf dem Asphalt und Schotter die tausenden Zelte aufge­baut sind, und bei dem alles weiter­ge­han­delt wird, von frischen Eiern über ursprüng­lich kostenlos ausge­teilte Sachen der Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen bis zu Erdbeeren. Und man sieht es auch daran, dass man gleich­zeitig in der Mehr­zahl richtig geschwächten Menschen begegnet, die in dieser Hack­ord­nung nicht zurecht­kommen: unbe­auf­sich­tigte Kinder mit Krätze und Husten, Männer in Lumpen und ohne Schuh­werk, Fami­li­en­väter, die bettelnd an der Straße stehen. An einer zentralen Stelle werden während­dessen vom grie­chi­schen Staat soli­dere Wasser­lei­tungen gelegt. Einer­seits ist das eine ziem­lich gute Idee – bei sehr schlechter Wasser­ver­sor­gung und keiner einzigen Dusche für über 12’000 Menschen, davon etwa die Hälfte Frauen und Kinder. Ande­rer­seits aber sehen diese Graben­ar­beiten ganz und gar nicht so aus, als würde irgend­je­mand damit rechnen, dass sich an diesen huma­ni­tären Zuständen mitten in Europa bald etwas ändert.

Sonntag, 10. April 2016

Idomeni, Foto: Florian Kessler

Idomeni, Foto: Florian Kessler

Gestern gab es plötz­lich Gerüchte, dass morgen die Grenze offen ist. Oder, dass sie am Vormittag durch eine Demo aller Camp­be­wohner gemeinsam geöffnet werde und die Grenze nach Maze­do­nien über­quert werden soll. Es tauchten auch hand­ge­schrie­bene arabi­sche Flug­zettel auf, die das verbrei­teten. Die Leute freuten sich. Bei der Klei­der­aus­gabe gab es welche, die sagten, wir würden uns zum letzten Mal sehen, morgen seien sie schon auf dem Weg nach Nord­eu­ropa … Kein Volun­teer, dem wir begegnet sind, unter­stützt solche Gerüchte, da sie die Leute in große Gefahr bringen. Auch die Helfer­gruppen erklären immer wieder öffent­lich, dass die Grenze nicht absehbar geöffnet wird. Trotzdem versteht man natür­lich die zum Zerreißen ange­spannten Hoff­nungen der Leute – und auch ihren Wunsch, auf ihre Situa­tion aufmerksam zu machen. Wir sind gespannt, ob eine große Demo an der Grenze inzwi­schen über­haupt noch in die Medien kommt. Die Helfer hier sagen, dass die Aufmerk­sam­keit bereits deut­lich geringer wird, das sieht man nicht nur an weniger Berichten, sondern auch an sinkenden Spenden und weniger neuan­kom­menden Volun­teers. Idomeni wird Alltag. Und das, obwohl die Zustände hier einfach nicht selbst­ver­ständ­lich werden dürfen. Ein Mann mit natür­lich unbe­han­delten Wunden an den Armen sagte uns eben­falls erst gestern, das wäre ihm beim letzten versuchten Grenz­über­tritt vor zwei Wochen passiert. Alle erzählen, wie brutal die maze­do­ni­sche Armee vorgeht. Es gibt ein weiteres Gerücht, dass die maze­do­ni­schen Soldaten gedroht haben, es könne auch mal eine gefakete „Eska­la­tion“ mit Todes­schüssen in „Notwehr“ durch sie geben. Und bei einer solchen Grenze wollen diese Kriegs­flücht­linge in ihrer Verzweif­lung dann heute demonstrieren.

Idomeni, Foto: Florian Kessler

Idomeni, Foto: Florian Kessler

Montag, 11. April 2016

Als die erste Tränen­gas­gra­nate zerplatzte, standen wir gerade vor dem Zelt von Noura. Noura ist eine junge Lehrerin aus Syrien, die gut englisch spricht und die ich schon vor ein paar Tagen kennen­ge­lernt habe. Ihr Mann war unter Assad sechs Monate im Gefängnis. Als er freikam, gaben die beiden sofort ihre Wohnung auf und machten sich mit ihren drei Jungs auf die Flucht aus Syrien. Und als jetzt Monate später nur ein paar hundert Meter entfernt von ihrem Zelt das erste Tränengas der maze­do­ni­schen Armee laut plat­zend deto­nierte, begann sie sofort zu weinen. Sie sagte, das Geräusch erin­nere sie an den Krieg in Syrien. Weinend holte sie dann die paar Taschen der Familie aus dem wie alles hier schlam­migen, kleinen Zelt. Wie viele Menschen um uns herum wollte auch ihre Familie nicht abwarten, sondern mit der Menschen­menge auf die Grenze zugehen – in der verzwei­felten Hoff­nung und wider besseres Wissen, dass sich die Grenze viel­leicht, viel­leicht jetzt doch für sie öffnen würde. Aber das ist natür­lich nicht geschehen.
Statt­dessen wurden die Leute einfach fürch­ter­lich behan­delt. Eine weitere nieder­schmet­ternde Erfah­rung in ihrer langen Kette von nieder­schmet­ternden Erfah­rungen mit euro­päi­scher Asyl­po­litik, die offi­ziell immer noch den Genfer Flücht­lings­kon­ven­tionen zu entspre­chen behauptet. Die anfäng­liche Demo jeden­falls weitete sich tatsäch­lich gegen elf Uhr zum versuchten Grenz­über­tritt aus. Vorne auf dem Feld vor dem Grenz­streifen waren vor allem Männer, aber gleich dahinter stauten sich auch viele Fami­lien, Kinder, alte Leute, manche von ihnen in Roll­stühlen. Viele Helfer warnten die Fami­lien mit Kindern, dass es gefähr­lich werden würde und sie wenigs­tens nicht nach vorne gehen sollten. Andere Helfer mischten sich einfach nur unter die Menschen, und wir ärgerten uns über sie. Trotzdem nochmal fester Wider­spruch gegen die Behaup­tung mancher Medien, das alles würde allein durch „euro­päi­sche Akti­visten“ „ange­zet­telt“, wie sie ja schon so oft benutzt wurde, um Flücht­lings­pro­teste klein­zu­reden. Die Leute sind aber nun wirk­lich selber nicht blöd und vor allem wirk­lich verzwei­felt. Sie halten es hier nicht aus. Sie wollen etwas versu­chen und haben Hoff­nungen, wie wir alle sie hätten. „At least we try“, sagte einer unserer Über­setzer von der Clothes Distri­bu­tion dazu, mehr nicht, und damit hat er einfach recht.

Für Infor­ma­tionen an die Menschen oder irgend­eine Dees­ka­la­ti­ons­stra­tegie hatte weder die grie­chi­sche Polizei noch die maze­do­ni­sche Armee Verwen­dung. Statt­dessen gingen erstmal Hubschrauber zum Angst­ein­jagen immer wieder so tief runter, dass viele Zelte kaputt­gingen. Dann schossen sie stun­den­lang immer wieder das Tränengas in die Menge, die vorne mit Steinen zurück­schmiss, ebenso harte Gummi­ge­schosse und Blend­gra­naten. Die AfD kann sich zurück­lehnen: Ha, wir sind jetzt wirk­lich schon ganz kurz davor, mit scharfen Waffen Flücht­linge zu erschießen, bezie­hungs­weise haben wir auch diese Drecks­ar­beit an andere Staaten outges­ourct. Es gab viele Verletzte. Es gibt hier ja wenig Wasser, keine Duschen und meist keine Ersatz­klei­dung – die Menschen kriegen das Tränengas also nicht vom Körper und leiden furchtbar. Auch drehte oft der Wind, immer wieder verteilte sich Tränengas über große Teile der Zelt­stadt mit den Frauen und Kindern hinweg. Und zu allem Übel waren viele Fami­lien den ganzen Morgen über aus anderen wilden Camps mit all ihrem Gepäck in der Hitze hierher gewan­dert, weil sie auf die Grenz­öff­nung hofften. Diese Fami­lien hatten jetzt keine Zelte. Dann setzte auch noch Regen ein, und es wurde dunkel. Frei­wil­lige orga­ni­sierten die ganze Nacht neue Zelte für sie. Und das war nur der Sonntag in Idomeni. Guten Morgen.

Mitt­woch, 13. April 2016

Idomeni, Foto: Florian Kessler

Idomeni, Foto: Florian Kessler

Idomeni war bis vor zwölf Tagen nur ein Name aus den Nach­richten für uns, mit Bildern von schmut­zigen Kindern, vielen Zelten und schlam­migen Feldern. Jetzt ist es zu einem realen Ort geworden, inzwi­schen eher staubig als verschlammt. Es ist ein Ort, an dem Menschen leben, deren Namen wir jetzt kennen, deren Geschichten, mit denen wir gelacht, geflucht, gear­beitet, gegessen, gespielt und auch geweint haben. Als wir gestern das letzte Mal die Haupt­straße entlang­laufen, kommt uns Nara entgegen. Wir hatten ihr morgens zum Abschied Lebens­mittel geschenkt. Am Nach­mittag hat sie nun auf der kleinen Feuer­stelle ihrer Nach­barn gekocht, hat Reis, Huhn und Nüsse gebraten, jetzt steht das Essen in großen Plas­tik­schüs­seln in ihrem Zelt, und Nara lädt uns ein. Wir ziehen die Schuhe vor dem Zelt aus und setzen uns auf die Armee­de­cken und Isomatten, auf denen die Familie nachts schläft.
Der Wind rüttelt an den Planen, die zum Schutz vor Regen und Sonne über das Zelt gespannt sind. An den Seiten ist der gesamte Haus­stand verstaut: Ein kleiner Gasko­cher, eine Dose Kaffee, Lebens­mittel, Baby-Nahrung. Eine Tasche mit den wich­tigsten Doku­menten, den Pässen, Urkunden und Zeug­nissen, in Klar­sicht­hüllen verpackt. Spiel­zeug, eine Tüte mit Klei­dung. Nara verteilt Hygie­ne­tü­cher an ihre vier Söhne, ihren Mann und uns, statt Hände­wa­schen. Der älteste Sohn ist 14, der jüngste 8 Monate alt. Wir spielen mit den Teddy­bären und bringen uns gegen­seitig deut­sche und arabi­sche Worte bei. Cashew­nuss, bitte, Kaffee. Später kocht uns Naras Mann starken, süßen Mokka. Er spricht kein Englisch, daher führt Nara das Gespräch. Wenn ihr Englisch nicht ausreicht, tippt sie ihre Sätze in Google Trans­lator. So beraten wir über ihre Lage. „Wird Thüringen uns aufnehmen?“, fragt Nara, von diesem Vorstoß hat sie gehört. „Lieber wäre ich versteckt in Syrien als hier.“ „Wir sind keine Terro­risten, wir wollen nur eine sichere Zukunft für unsere Familie.“ Was können wir ihr sagen? Ihr Sohn Ali strahlt uns an. „I Love Germany“, sagt er und formt ein Herz aus seinen Händen.
Wir verab­schieden uns. Es ist uner­träg­lich, ihnen zu sagen, dass wir bald in ein Flug­zeug steigen werden, um mit unseren deut­schen Pässen nach nur zwei Stunden Flug in München zu landen. Während­dessen hat auch Naras Familie längst gehört, dass für 5000 Euro pro Kopf Schlepper den lebens­ge­fähr­li­chen Transfer nach Öster­reich anbieten – unvor­stellbar viel Geld für eine Familie, die mit dem Verkauf ihrer syri­schen Besitz­tümer bereits die Bestechungs­gelder für die Flucht aus Syrien und die Boots­plätze über das Mittel­meer bezahlt hat. Der Unter­schied zwischen ihnen und uns ist in diesem Moment nichts als dieses Stück lami­niertes Papier, unsere Ausweise.
Wir krab­beln aus dem Zelt, gehen an der Poli­zei­sta­tion vorbei über die von den Flücht­lingen besetzten Gleise. Da liegt sie, glän­zend in der Abend­sonne, die Grenze: nichts als ein Zaun aus Stacheldraht.

Donnerstag, 14. April 2016

Und was passiert, während wir nach Thes­sa­lo­niki fahren? Unsere neuen Freunde von der Clothes Distri­bu­tion werden auf dem Weg zum Camp Idomeni von der Polizei verhaftet, wie allein gestern 27 Volun­teers. Sie sind bis jetzt noch im Gefängnis, man hört nichts von ihnen, sie durften nur ein einziges Mal jemanden anrufen. Wir haben die drei Norwe­ge­rinnen vor zwei Wochen kennen­ge­lernt. Sie sind Anfang bis Mitte 20, herz­lich, lustig und laut, sie fahren ihr Miet­auto wie die Wahn­sin­nigen und arbeiten jeden Tag wie die Bekloppten im Camp. Sie haben sich alle eine freie Zeit von der Uni genommen und waren vorher bereits lange Zeit in einem Flücht­lings­pro­jekt im Libanon, um erst jetzt vor einigen Wochen nach Grie­chen­land zu kommen. Bei der Clothes Distri­bu­tion der kleinen NGO Inter­volve arbeiten ansonsten in unserer Zeit als Frei­wil­lige (das wech­selt von Tag zu Tag): eine weitere Deut­sche, einmal für zwei Tagen acht wilde Basken, zwei Polinnen, drei hollän­di­sche Migra­ti­ons­be­amte, die die Auswir­kungen von Flucht nicht nur aus der Amts­stube heraus beur­teilen wollen, ein weiterer Holländer mit seiner Mutter, die sich wundert, warum nur so wenige Rentner mit ihrer vielen freien Zeit sich hierher trauen, ein Spanier mit Gitarre, eine Computer-Spezialistin aus Chicago… Und natür­lich jene Geflo­henen aus Syrien und dem Irak, die als Über­setzer helfen – und dafür eben­falls nichts und wieder nichts bekommen. So soli­da­risch stellt man sich Europa vor – auch wenn über dem Elend von Idomeni natür­lich unun­ter­bro­chen die Frage schwebt, wie es sein kann, dass hier Grund­be­dürf­nisse wie wenigs­tens nicht voll­kommen zerris­sene Schuhe für Kinder oder nach Monaten neue Unter­wä­sche für Frauen und Männer allein von Ehren­amt­li­chen provi­so­risch befrie­digt werden.

Was unsere Freunde gestern verbro­chen haben? Nun, sie hatten bei der Kontrolle durch die Polizei Walkie-Talkies dabei, mit denen man angeb­lich auch den Poli­zei­kanal abhören kann – und die man im Camp, das an der Grenze oft kein gutes Handy­netz hat, gut gebrau­chen kann und bisher immer anstandslos dabei­haben durfte. Der Grund für die Verhaf­tung wirkt also vorge­schoben. Die Volun­teers denken: Nach den Ereig­nissen des letzten Wochen­endes wollen die Grie­chen Idomeni verklei­nern. Sie wollen die Geflo­henen dazu bekommen, frei­willig in jene offi­zi­ellen Camps umzu­sie­deln, in die kriti­sche Außen­ste­hende nur schwer hinein­kommen und aus denen theo­re­tisch die Leute an die Türkei ausge­lie­fert werden könnten. Weil die Leute aber weiter nach Nord­eu­ropa wollen, wo oft auch Fami­li­en­mit­glieder von ihnen sind, weil sie verzwei­felt auf eine Grenz­öff­nung hoffen, weil sie den Volun­teers mehr vertrauen als der grie­chi­schen Regie­rung … hat Grie­chen­land womög­lich in dieser Woche den Kurs geän­dert. Es könnte sein, dass die NGOs in Idomeni jetzt drang­sa­liert werden sollen, dass ihnen die Arbeit erschwert werden soll. Um so perfi­der­weise NOCH SCHLECHTERE LEBENSBEDINGUNGEN für die Geflo­henen zu erzeugen. Damit sie so weich­ge­kocht irgend­wann einlenken und in eines der even­tu­ellen „Detention Camps“ gehen.

Das ist jeden­falls unsere Sicht der Dinge. In den Medien aber werden die vielen Verhaf­tungen viel­leicht wieder als Belege dafür genommen werden, dass hier links­ver­wirrte euro­päi­sche Rädels­führer heim­lich den Fall Europas vorbe­reiten. Die drei Norwe­ge­rinnen aber können vor allem jetzt gerade keine Schwangerschafts-Jeans mehr ausgeben, keine einzelnen Bekannt­schaften mehr machen, nicht mehr in ihren Ländern davon berichten, dass hier Flücht­linge aus Kriegen einfach nur auf ein besseres Leben hoffen und ein Asyl­recht in Anspruch nehmen möchten, das in Grie­chen­land derzeit nun wirk­lich nicht funktioniert.

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Mitteilung von Intervolve vom Mittwoch, 13. April 2016

Pres­se­mit­tei­lung von Inter­volve vom Mitt­woch, 13. April 2016