Der Status wissenschaftlicher Wahrheit ist in der Öffentlichkeit umstrittener denn je. Ein neuer Wissenschafts-„Hoax“ macht gegenwärtig die Runde, zum Gaudi aller Wissenschaftsverächter. Wie können Wissenschaften heute ihre Wahrheiten verteidigen? Der Wissenschaftstheoretiker Bruno Latour könnte eine Antwort auf diese Frage haben.

  • Remo Grolimund

    Remo Grolimund ist Historiker, forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich zur Umwelt- und Wissensgeschichte und publiziert als freier Autor zu Themen mit Schwerpunkt Schweizer Geschichte.

„Sollten wir auch in den Krieg ziehen, wir, die Gelehrten, die Intel­lek­tu­ellen?“ Das fragte sich der fran­zö­si­sche Philo­soph und Wissen­schafts­so­zio­loge Bruno Latour vor beinahe fünf­zehn Jahren. In einem viel­be­ach­teten Aufsatz nahm er vieles vorweg, das wir heute unter dem Stich­wort ‚post­fak­ti­sches Zeit­alter‘ disku­tieren. Latour stellte sich seine Leit­frage als „Kriegs­ve­teran“: er war eine der zentralen Figuren der „Science Wars“ der 1990er Jahre. In diesem Kampf um den wissen­schaft­li­chen Wahr­heits­an­spruch standen Vertreter der Wissen­schafts­so­zio­logie einem Lager von „Realisten“ gegen­über. Erstere betonten, dass wissen­schaft­liche Erkennt­nisse nie rein objektiv seien, sondern aus ihrem spezi­fi­schen historisch-sozialen Kontext hervor­gingen. Sie entsprängen auch nicht einzig den genialen Köpfen der Wissen­schaftler. Viel­mehr hingen sie von Diskursen, Inter­essen, und mate­ri­ellen Dingen ab, die sich der Kontrolle der Forscher zu weiten Teilen entzögen. Kurz: die wissen­schaft­liche Wahr­heit sei „konstru­iert“.

Die andere Seite, die sich vor allem aus prak­ti­zie­renden Natur­wis­sen­schaft­lern rekru­tierte, verwahrte sich gegen den „post­mo­dernen Rela­ti­vismus“. Da dieser in ihren Augen jegli­chem wissen­schaft­li­chen Objek­ti­vi­täts­an­spruch den Boden unter den Füssen wegzu­ziehen drohte, setzten sie zum Gegen­an­griff an. Die Ausein­an­der­set­zungen gipfelten in der soge­nannten Sokal-Affäre. Dem Physiker Alan Sokal gelang es, einen fehler­haften und mit kultur­wis­sen­schaft­li­chem Jargon durch­setzten Hoax-Artikel in einer sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrift zu veröf­fent­li­chen. Das Medi­en­echo, das er damit auslöste, war gewaltig. „Professor Sokal’s Bad Joke“ brachte es bis zur Titel­story der New York Times. Damit war der Schaden ange­richtet. Latours Seite konnte noch so sehr betonen, dass das betref­fende Journal eine „schlechte Zeit­schrift“ ohne Peer-Review-Verfahren sei. Die „Post­mo­derne Theo­rien“ schienen dem geneigten Publikum als „Impos­tures Intellec­tu­elles“ – intel­lek­tu­elle Hoch­sta­pe­leien – entlarvt.

Ein neuer Hoax

Und nun machte in den letzten Tagen unter dem Namen #SokalS­quared – Sokal im Quadrat –ein neuer Hoax in den sozialen und klas­si­schen Medien die Runde. Während eines Jahres hatte sich ein Akademiker-Trio die Mühe gemacht, rund 20 Fake-Artikel zu verfassen und wissen­schaft­li­chen Fach­jour­nalen vorzu­legen. Es handelte sich dabei um Zeit­schriften aus Forschungs­fel­dern, die gemäss der etwas wack­ligen Defi­ni­tion des Trios „lose als ‘Kultur­wis­sen­schaften’, ‘Iden­ti­täts­stu­dien’ (z.B. Geschlech­ter­for­schung) oder ‘kriti­sche Theorie’ bekannt sind, weil sie in jener post­mo­dernen Art der ‘Theorie’ verwur­zelt sind, die in den späten sech­ziger Jahren entstand.“ Tatsäch­lich gelang es, dass immerhin sieben der Hoax-Papers zur Publi­ka­tion akzep­tiert wurden. Und wieder schienen die post­mo­dernen Sozial- und Kultur­wis­sen­schaften unter Hohn­ge­lächter und teils erstaun­lich unkri­ti­scher Bericht­erstat­tung selbst seriöser Medien als Kaiser ohne Kleider entlarvt.

Aber ist diese Schluss­fol­ge­rung richtig? Sokal hatte später selber einge­standen, dass aus seiner Parodie „nicht viel gefol­gert werden kann. Sie beweist nicht, dass das ganze Feld der Kultur­wis­sen­schaften – und noch viel weniger jenes der Wissen­schafts­so­zio­logie – Nonsens sei.“ Auch belege sie nicht, dass die intel­lek­tu­ellen Stan­dards in diesen Feldern gene­rell lasch seien. Dasselbe gilt auch für ‘#SokalS­quared’. Dass eine Teil­menge der abge­feu­erten Papers ange­nommen wurde, sagt kaum etwas über die Rele­vanz des aufs Korn genom­menen Forschungs­be­reichs oder über die Qualität der darin aktiven Wissenschaftler*innen aus. Es wirft einzig ein Schlag­licht auf tatsäch­lich proble­ma­ti­sche Aspekte in der wissen­schaft­li­chen Publi­ka­ti­ons­praxis. Im Zuge der „publish-or-perish“-Kultur hat sich gerade auch in der Publi­ka­ti­ons­land­schaft eine Art „wissen­schaft­li­cher Kapi­ta­lismus“ heraus­ge­bildet. Dabei stehen die gerade bei klei­neren Jour­nals oft ehren­amt­lich arbei­tenden akade­mi­schen Heraus­ge­ber­schaften unter Publikations- und Zeit­druck und sind entspre­chend anfäl­liger für derar­tige Hoaxes geworden – trotz inzwi­schen breiter Durch­set­zung der Peer-Review-Praxis. Diese Schat­ten­seiten des Publi­ka­ti­ons­sys­tems stehen durchaus auch in der Wissen­schafts­ge­meinde unter Kritik. Dies gerade auch seitens ‘post­mo­derner’ Wissen­schaftler, die sich bewusst sind, dass Wissen in spezi­fi­schen historisch-sozialen Kontexten konstru­iert wird. Und selbst­ver­ständ­lich bilden auch die Publi­ka­ti­ons­prak­tiken einen Teil dieser Kontexte.

Diese unbe­strit­tenen Probleme beschränken sich keines­falls auf die aufs Korn genom­menen post­mo­dernen Studien, sondern erstre­cken sich bis in die ‘harten’ Wissen­schaften. Entspre­chend kam es auch in anderen Forschungs­felder immer wieder zu Parodien, gefälschten Ergeb­nissen oder mani­pu­lierten Expe­ri­menten. Bloss produ­zieren diese Wissen­schafts­skan­dale selten so genüss­liche Schlag­zeilen wie: „Sozi­al­wis­sen­schaftler mit Hundesex und ‘Mein Kampf’ veräp­pelt“ (ein guter Über­blick über die Hinter­gründe, die zur teil­weisen Annahme der Hoax–Artikel führen, sowie über die ideo­lo­gi­sche Moti­va­tion der Hoaxer findet sich hier).

Nicht die ‘Post­mo­dernen’ hätten das Vertrauen in die Wissen­schaft erschüt­tert, sondern Sokal, der diese mit seiner subver­siven Aktion gegen vermeint­liche schwarze Schafe zu vertei­digen trach­tete, hiess es damals in der New York Times. Selbiges – wenn­gleich hoffent­lich nicht im Quadrat – gilt für #SokalS­quared. Sein Publi­kums­er­folg zeigt, dass eine mitt­ler­weile jahr­zehn­te­alte Diskus­sion um den Wahr­heits­an­spruch der Wissen­schaft noch lange nicht entschieden ist. Auch wenn sich die Diskus­sion wie ein müder Abklatsch der ‘Science Wars’ aus den 1990er Jahren ausnehmen mag: In unserem neuen Medi­en­um­feld und der aktu­ellen poli­ti­schen Situa­tion könnte diese Neuauf­lage des Sokal-Hoax eine toxi­schere Wirkung entfalten als noch sein Original. 

Hat Latour die Seiten gewechselt?

Bruno Latour; Quelle: tagesspiegel.de

Inzwi­schen scheint es, als habe Veteran Latour die Seiten gewech­selt. Heute kämpft er auf Seiten der Wissen­schaft gegen das Lager der ‘Alter­na­tive Facts’ und Klima­leugner. Der Klima­wandel und der sorg­lose Umgang der ‚Modernen‘ mit ihren Lebens­grund­lagen haben ihn in seinen jüngeren Arbeiten stark beschäf­tigt. In seinem vor kurzem auf Deutsch erschie­nenen Terres­tri­schen Mani­fest pran­gert er unsere Orien­tie­rungs­lo­sig­keit ange­sichts der ökolo­gi­schen Umwäl­zungen an, denen wir – aus Zynismus, Gleich­gül­tig­keit, oder in einem Zustand der Schock­starre – seltsam tatenlos gegen­über­stehen. Dabei sei die Klima­frage zentral, um die politisch-soziale Gross­wet­ter­lage zu verstehen, von der Globa­li­sie­rungs­kritik über die Migra­ti­ons­frage bis zum konser­va­tiven Back­lash. Da die Situa­tion auch auf ein Klima der Wissen­schafts­skepsis zurück­zu­führen ist, sei es an der Zeit, etwas von der Auto­rität der Wissen­schaft zurück­er­obern“, forderte er in einem Inter­view mit Science: „Das bedeutet das komplette Gegen­teil von dem was wir taten, als wir begannen, sozio­lo­gi­sche Wissen­schafts­stu­dien durch­zu­führen“.

Latours ‘Seiten­wechsel’ könnte man als Ironie der Geschichte betrachten. Jeden­falls, wenn man bereit ist, das oben skiz­zierte Bild einer unver­söhn­li­chen Feind­schaft zwischen post­mo­derner Theorie und wissen­schaft­li­cher Praxis zu akzep­tieren. Doch diese Lesart greift zu kurz. Latour selbst nannte die ‘Science Wars’ einen „Sturm im Wasser­glas“, in dem der alles rela­ti­vie­rende ‚post­mo­derne Intel­lek­tu­elle‘ als neues Feind­bild konstru­iert worden sei. Leute mit einem „idea­lis­ti­schen und untrag­baren“ Bild der Wissen­schaft hätten sich unter Beschuss geglaubt. Dass sie die kriti­schen Sozial- und Kultur­wis­sen­schaften als Gegner betrach­teten, sei zwar auch auf deren zuweilen wohl­feile ikono­klas­ti­sche Pose der Kritik zurück­zu­führen, gesteht er zwar –  viel­leicht zu selbst­kri­tisch – ein. Seine Kolleg*innen aus den soge­nannten Science & Tech­no­logy Studies (STS) hätten sich aber stets als Verbün­dete der Wissen­schaft betrachtet. In einer Zeit, in der wir zuneh­mend in poli­ti­sche Ausein­an­der­set­zungen verwi­ckelt würden, sässen wir alle im selben Boot, schrieb er 1998 in einem Rück­blick auf die ‚Science Wars‘. „Alle, sowohl die Wissen­schaftler in den ‘harten’ als auch in den ‘weichen’ Wissen­schaften, Poli­tiker und Anwender, haben ein berech­tigtes Inter­esse daran, eine möglichst realis­ti­sche Einschät­zung dessen zu erlangen, was die Wissen­schaften können und was nicht.“

Im post-faktischen Zeitalter

Latours Unbe­hagen über eine poli­ti­sche Bela­ge­rung der Wissen­schaft hat sich bewahr­heitet. Inzwi­schen sind unter einer öffent­li­chen Kultur der Fake-News-Vorwürfe, der „alter­na­tiven Fakten“ und Info-Wars in den sozialen Netz­werken neben den etablierten Medien auch die Wissen­schaften massiv unter Druck geraten. Und wie in den 1990er Jahren wird auch in der heutigen Krise der Wahr­heit auf den Sünden­bock der ‘Post­mo­dernen’ zurück­ge­griffen. Die These: post­mo­derne Theo­rien hätten die Grund­lage für unser ‘post-faktisches Zeit­alter’ geschaffen; der Erfolg der Lügen des gegen­wär­tigen US-Präsidenten und der Zerfall des Vertrauens in die tradi­tio­nellen Gate­keeper für den Common Sense lasse sich auf die post­mo­derne Belie­big­keit“ zurück­führen. Dieser Topos hat sich in den Feuil­le­tons mitt­ler­weile zu einem eigent­li­chen Sub-Genre gemau­sert. ‚Post­mo­derne‘, die wie Latour zur Vertei­di­gung wissen­schaft­li­cher Tatsa­chen über­ge­gangen sind, ernten Häme: „Nun reagieren die eins­tigen Apolo­geten der Belie­big­keit empört und wollen die schöne alte Wahr­heit zurück.“

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Allein: wie in den 90er Jahren beruht der Angriff gegen die „puber­tären Theo­re­tiker“ des Rela­ti­vismus auf einem Strohmann-Argument. Man bedient sich dabei eines stra­tegic misre­a­dings, wie Sylvia Sasse und Sandro Zanetti fest­hielten. Einer­seits wird dabei die analy­ti­sche mit der norma­tiven Ebene vermischt: Das oft zitierte «Anything goes» etwa hatte der Philo­soph und Wissen­schafts­theo­re­tiker Paul Feyer­abend eher als deskrip­tive Fest­stel­lung zur Realität der Wissens­pro­duk­tion formu­liert denn als norma­tive Forde­rung nach ‚post­mo­derner Belie­big­keit‘. Vor allem aber verkehrt diese Lesart Ursache und Wirkung. Unsi­cher­heit über die Wahr­heit ist kein genuin post­mo­dernes, sondern ein sehr modernes Problem. Wie unter anderem Jürgen Habermas heraus­ge­ar­beitet hat, wälzt der philo­so­phi­sche Diskurs der Moderne seit mehr als 200 Jahren die Frage, wie ein Wahr­heits­an­spruch ohne meta­phy­si­sche, d.h. letzt­lich gött­liche Absi­che­rung begründet werden könnte. Mit der Aufklä­rung verloren reli­giöse Auto­ri­täten ihre Kraft zur Durch­set­zung abso­luter Wahr­heits­an­sprüche. In ihre Fuss­stapfen trat die Wissen­schaft, jedoch ohne die eins­tige Macht über die Wahr­heit in glei­chem Masse zurück zu erlangen. Nietz­sches geflü­geltes „Nein, gerade Tatsa­chen gibt es nicht, nur Inter­pre­ta­tionen“ ist bloss eine der augen­fäl­li­geren Mani­fes­ta­tionen einer Skepsis, die die Moderne von Anbe­ginn begleitete.

Die ‚Modernen‘, wie Latour sie nennt, wussten ihre von Habermas beschrie­bene ‘struk­tu­relle Über­for­de­rung’ noch zu über­spielen. Fort­schritte und Fort­schritts­eu­phorie einer vor Selbst­be­wusst­sein strot­zenden Wissen­schaft vermochten das funda­men­tale Problem der Moderne vergessen zu machen, wie Geltungs­an­sprüche aus sich selbst zu schöpfen wären. Doch genau zu der Zeit, als das Gross­nar­rativ des Fort­schritts mit der ‚1970er-Diagnose‘ rissig wurde, öffnete die post­mo­derne Theorie diese alte Wunde, etwa, als Jean-François Lyotard 1979 das Zeit­alter der Meta-Narrative für beendet erklärte. Und später stocherten die STS um Latour weiter in der offenen Wunde, die viele moderne Realisten immer noch verdrängen wollten. Kein Wunder, dass sie aufheulten.

Drôle de Guerre und die Vertei­di­gung der Wissenschaft

Anders als noch in den 90er Jahren herr­sche heute tatsäch­lich Krieg, so Latour. „Wir stehen endlich in einer eindeu­tigen Kriegs­si­tua­tion, frei­lich eines komi­schen Krieges, einer drôle de guerre: offen erklärt und zugleich verschleiert.“ Die Front­li­nien haben sich verschoben: aus einer eher inner­aka­de­mi­schen Ange­le­gen­heit ist ein Graben­kampf in der breiten Öffent­lich­keit geworden. Die gras­sie­rende Wissen­schafts­skepsis hat die Wissen­schaft aller­dings zu einem Teil sich selbst zuzu­schreiben. Die – nicht nur in den Natur­wis­sen­schaften beliebte – szien­tis­ti­sche Vorstel­lung von „harten“, objek­tiven, durch wissen­schaft­liche Proze­duren fixierte Fakten kann den Blick auf das Verständnis verstellen, wie Wissen­schaft eigent­lich funk­tio­niert. Der ‚Erfolg‘ des Sokal-Hoaxes und seiner Nach­folger baut auf einer „idea­lis­ti­schen und untrag­baren“ Vorstel­lung auf, dass in einem wissen­schaft­li­chen Journal allein die wissen­schaft­liche ‘Wahr­heit’ stehen dürfte. Dabei war die Wissen­schafts­ge­schichte immer auch eine Geschichte von Irrtümern.

Genau dieses Verständnis wäre daher ein Schlüssel, um die Posi­tion der Wissen­schaft in der Öffent­lich­keit zu vertei­digen. „Ange­sichts der Streit­lage und des gegen­wär­tigen Vertrau­ens­schwunds können wir nicht einfach hinter den Diskus­si­ons­stand zurück­gehen und verkünden, dass der Klima­wandel ‘schlicht eine Tatsache’ sei”, meint denn auch Latour. In der Wissen­schafts­kom­mu­ni­ka­tion reicht es nicht mehr, auf der Wissen­schaft­lich­keit von „Fakten“ zu bestehen. Vermut­lich genügt nicht einmal mehr der Verweis auf die scien­tific commu­nity und ihren „durch gegen­sei­tige Kontrolle, Über­prü­fung und Kritik struk­tu­rierten Forschungs­pro­zess“. Denn de facto ist die Wissen­schaft kein perfekter „Markt­platz der Ideen“. Auch hier zählt, wie man etwa bei Bour­dieu nach­lesen kann, das bessere Argu­ment nicht ohne weiteres als Leit­wäh­rung. Es wird bela­gert von anderen „Kapi­tal­formen“: Repu­ta­tion, Status, Vernet­zung, Forschungs­gelder, PR-Etats… In diesem kompe­ti­tiven Umfeld wird auch mal mit harten Bandagen gekämpft. Und so kann jede in die Öffent­lich­keit getra­gene Kontro­verse, jeder Fehler, jeder Wissen­schafts­skandal, jeder noch so lustige Hoax die Meinung bestärken, dass Wissen­schaft eben nicht viel mehr wert sei als: Meinung. Dass bei der Wissen­schaft gar wie ehemals bei der Reli­gion letzt­lich der Glaube bestimme, was gilt.

Und so kommt es, dass neben der wissen­schaft­li­chen nun auch andere Commu­ni­ties Zulauf erhalten, die ‘alter­na­tive Fakten’ anbieten. „Es gibt mitt­ler­weile mehrere mitein­ander unver­ein­bare Terri­to­rien [in denen die Intel­li­genz der Menschen zur Anwen­dung kommt]”, so Latour. Es sei aller­dings nutzlos, sich darüber zu empören, dass Leute an alter­na­tive Fakten glauben, wenn sie faktisch in alter­na­tiven Welten lebten.

Wenn wir an einer Rück­ver­si­che­rung für den Wahr­heits­an­spruch der Wissen­schaft arbeiten wollen, sollten wir also statt Krieg zu treiben, die Brücken zwischen den Welten wieder­auf­richten. Das heisst, dass wir trans­pa­rent und ‚inter­sub­jektiv nach­voll­ziehbar‘ zeigen müssen, wie Wissen­schaft in der Praxis funk­tio­niert: als wack­lige, tappende „Science in Action“, wie Latour mit Verweis auf eines seiner Haupt­werke betont: „Ich stimme zu, dass dies riskant ist, weil wir dadurch unsere Unsi­cher­heiten und Kontro­versen explizit machen.“ Doch genau das ist jenes zentrale Merkmal von Wissen­schaft­lich­keit, das trans­pa­rent gemacht werden muss, um die Glaub­wür­dig­keit der Wissen­schaft zu sichern.