Warschau ist eine Metropole, in deren urbane DNS die Folgen der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg unauslöschlich eingeschrieben sind. Bei Kriegsbeginn hatte die Stadt offiziell rund 1,3 Millionen Bewohner, darunter mehr als 360.000 Juden; 1946 lagen die amtlichen Zahlen noch bei knapp 480.000 bzw. 18.000. Neben hunderttausenden Menschen verschwanden während der Besatzung ganze Stadtviertel. Der von den Deutschen hinterlassene Trümmerberg wird auf 18-20 Millionen Kubikmeter geschätzt. Der Warschauer Künstler Tymek Borowski visualierte dies, indem er 2015 in ein Foto der städtischen Skyline einen massiven Schuttmonolith dieses Volumens montierte, der alle Wolkenkratzer des Kontinents in Höhe und Breite überragen würde. Aus welchen Vierteln der in getrennte Wohnbezirke für Juden, Nichtjuden – und die deutschen Besatzer – eingeteilten Stadt die einzelnen Trümmerteile jeweils stammen, ist auf dem Bild selbstverständlich nicht erkennbar.

Tymek Borowski, Gruz nad Warszawą (2015), Quelle:
warszawa.wyborcza.pl
Drei Jahrzehnte nach Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags frage ich mich, was die erneut in Deutschland geführte Debatte über Umgangsweisen mit der Geschichte des Holocausts am Ort des Geschehens bedeutet. Sind derlei Diskussionen ein Nachweis deutscher Selbstbezogenheit und Dialogverweigerung? Oder hat man in Polen im Gegensatz zum Land der Täter Wesen und Dimension der Schoah nie wirklich verstanden, weil hiesige Historiker:innen und geschichtspolitische Akteur:innen sich zentralen und unumstößlichen Erkenntnissen verweigern?
Geschichtspolitik als Image-Politik
Aus Warschauer Perspektive erscheint es offensichtlich, dass die Schoah nicht losgelöst von der Unterdrückung der nichtjüdischen Bevölkerung zu denken ist. Der Antislawismus bzw. Antipolonismus gilt vielen Polen als nicht minder konstitutiv für die NS-Ideologie, wie der Antisemitismus. Emblematisch steht dafür die für alle sichtbare systematische Auslöschung des jüdischen und polnischen Warschaus nach den Aufständen 1943 und 1944 sowie der kriegsbedingt nicht realisierte Plan, an seiner Stelle eine „neue deutsche Stadt“ zu errichten.
Die alle paar Jahre in Deutschland aufflackernden Debatten um die Singularität des Holocaust stoßen vor diesem Hintergrund in der polnischen Hauptstadt oft auf Schulterzucken. Für manche bestätigt sich, was man schon längst wusste: Die deutsche Öffentlichkeit interessiert sich zwar für die Schoah, für die Millionen nichtjüdischen Toten finden sich höchstens ein paar Worte an Jahrestagen. Indes – die meisten Interessierten sind aktuell so sehr in den innerpolnischen Deutungskämpfen engagiert, dass für die Beschäftigung mit den Diskursen im Nachbarland nur wenig Raum bleibt. Vertreter einer kritischen Geschichtsschreibung setzen sich im heutigen Polen beharrlich gegen Einflussnahmen vonseiten der Politik zur Wehr, sehen sie sich aber mit einer immer mächtiger werdenden Front unterschiedlichster staatlicher, halbstaatlicher und zivilgesellschaftlicher Gegenspieler konfrontiert. Denn die politisch Verantwortlichen bemühen sich seit mittlerweile sechs Jahren um nichts weniger als eine allgemeinverbindliche Interpretation der jüngeren Nationalgeschichte: Demnach sei Polen das einzige Land gewesen, das die europäischen Werte gegen die totalitären Regime in den Nachbarländern Deutschland und Sowjetunion bedingungslos und konsequent verteidigt und so die Grundlage für ein freies, geeintes und demokratisches Europa geschaffen habe. Mit dieser beliebig ausbaufähigen Argumentationskette betreiben die Warschauer Geschichtspolitiker:innen nichts anderes als die Exotisierung, ja Singularisierung der polnischen Geschichte. Wollte man sich nach 1989 Polen eigentlich als Teil Westeuropas verstanden wissen, inszeniert man nunmehr Nationalgeschichte als europäischen Sonderfall, der in einer eigentümlichen Dialektik zugleich die Quintessenz der europäischen Geschichte verkörpern soll.
In dieser historischen Lesart verschwimmen nicht nur die Unterschiede zwischen NS-Besatzung und stalinistischer Herrschaft. Auch der Holocaust wird zu einer bloßen Begleiterscheinung einer deutschen Expansions- und Rassepolitik herabgestuft, die sich vorrangig gegen die Existenz Polens und des polnischen Volkes richtete. Den Juden bleibt hier nur ein Platz am erinnerungskulturellen Katzentisch: Als wehrlose Opfer der deutschen Vernichtungsmaschinerie, als Objekte der Hilfe selbstloser Judenretter:innen, als Kollaborateure mit dem sowjetischen Okkupanten in Ostpolen – oder aber als tapfere Warschauer Ghettokämpfer:innen, die inspiriert vom Kampfesmut und Heroismus ihrer polnischen Brüder und ausgestattet mit deren Waffen starben, um ihrem ansonsten sinnlosen Tod doch noch einen patriotischen Sinn abzugewinnen.

Tadeusz Rolke „ZACISZE“ (2010), Rolke stellt ein aus der Literatur bekanntes Bild nach, das er fotographisch festhält. Quelle: fototapeta.pl
Zu einer wahren Obsession hiesiger geschichtspolitischer Akteure wurde in den letzten Jahren die Frage der Verstrickung von Polinnen und Polen in den Holocaust. Die derzeitige Koalitionsregierung und ihr nahestehende NGOs durchforsten weltweit Presseartikel nach unangemessenen Formulierungen, gründen neue Museen und Institutionen, erfinden rechtliche Regelungen und unternehmen juristische Schritte gegen in ihren Augen unangemessene Darstellungen. Dabei leugnen sie keineswegs die Kollaboration einzelner Polen mit den Deutschen bei der Judenverfolgung. Nur in der Frage ihres Ausmaßes und vor allem ihrer nationalgeschichtlichen Relevanz kommen sie zu völlig anderen Bewertungen als polnische Historiker in den letzten Jahren. Denn letztlich geht es bei dieser Geschichtspolitik vorrangig um zweierlei: Die Gleichsetzung der deutschen Verbrechen an der polnischen Zivilbevölkerung als Genozid mit dem Holocaust und die Schaffung eines positiven internationalen Markenimages „polnische Geschichte im 20. Jahrhundert“. Gemessen wird der Erfolg dieser Politik an der erreichten Position Polens in der internationalen Opferhierarchie, die wiederum als Indikator für die soft power des eigenen Landes gesehen wird. Dies gilt dann als Herstellung historischer Gerechtigkeit, hatten doch die Polen im Gegensatz zu den Juden jahrzehntelang keine Möglichkeit, ihr Geschichtsnarrativ auf einer internationalen Bühne erfolgreich zu präsentieren. Deutschland, so die Wahrnehmung, konnte seine Täterschaft unterdessen zumindest teilweise auf die besetzten Gesellschaften abwälzen und in einen eigenen Opferstatus ummünzen. Die gefühlte Dominanz des Holocaust in der globalen Erinnerungskultur wird also nicht nur als verkürzend und ungerecht, sondern vor allem als Beleg für die hervorragende geschichtspolitische Arbeit israelischer und jüdischer Institutionen gesehen.
Inkompatible Wahrnehmungen und Fallen im wissenschaftlichen Austausch
Es ist leicht, diese Positionen und die sich dahinter verbergenden Absichten zu dekonstruieren. Doch ist es überhaupt möglich und angemessen, für die deutsche Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg in Polen zu werben und das Land dazu bringen zu wollen, wie Deutschland dem Gedenken an den Holocaust erinnerungskulturelle Priorität einzuräumen? Wie dem auch sei, die Versuchung ist jedenfalls groß, etwa die renitenten Reparationsforderungen von der Weichsel mit einem Verweis auf die eigenen Aufarbeitungserrungenschaften abzubügeln. Ganz zu schweigen vom nur schwach ausgeprägten Willen deutscher Museen und Bibliotheken, die Provenienz ihrer in Kriegszeiten erworbenen Bestände zu erforschen. Denn um die polnische Geschichtspolitik krachend scheitern zu lassen, bedarf es keiner Anstrengung von außen, dies besorgen die Handelnden in Warschau selbst. Damit hat die seit 2015 amtierende Warschauer Regierung deutsche Akteure in eine komfortable Situation gebracht und vertraute Hierarchien wiederhergestellt: Hier die Vertreter einer aufgeklärten, demokratischen und europäisierten Gedenkkultur, dort die aus der Zeit gefallenen nationalistischen Nervensägen.

Zbigniew Libera, „Kolarze“ (Radfahrer) von 2003, Foto aus der Serie „Positive“. Libera reenacted ein berühmtes historisches Foto, das den Überfall auf Polen aus deutscher Perspektive harmlos und beschönigend darstellt.
Dabei haben die deutschen Politiker und Medienmacher durchaus ihre Lernfähigkeit unter Beweis gestellt: In Verlautbarungen, Gedenkreden, Presseartikeln und Filmen wird das große Ganze der deutschen Besatzung meist korrekt dargestellt. Die Warschauer Aufstände von 1943 und 1944 werden nicht mehr verwechselt. Sogar ein Polendenkmal wird in der deutschen Hauptstadt errichtet. Dennoch hat es nicht selten den Anschein, es handele sich dabei um erzwungene Pflichtübungen, während die Auseinandersetzung mit dem Holocaust ganz selbstverständlich zum politischen und kulturellen Alltag gehört. Ist es nicht so, dass nicht wenige in Deutschland die nur selten offen verbalisierte Erwartung hegen, es sei endlich an der Zeit, dass Polen eine kollektive Mitverantwortung an der Ermordung der Juden einräumt? Ist dieses Sitzen auf dem hohen Ross der eigenen Aufarbeitung nicht der eigentliche Bremsstein, der einen besseren Austausch über Krieg, Besatzung und Holocaust verhindert? Diesen Eindruck kann man mitunter gewinnen, wenn in Deutschland etwa über Antisemitismus und Kollaboration in Polen diskutiert wird. Zugleich heben viele den moralischen Zeigefinger, wenn nichtjüdische Opfergruppen stärker in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit drängen. Die Benennung der nationalen oder ethnischen Zugehörigkeit öffnet, wird reichlich inkonsequent argumentiert, ihrer neuerlichen Hierarchisierung nach nationalen oder ethnischen Kriterien Tür und Tor.

Und hier das Original, auf das sich Libera bezieht: Polen, Schlagbaum, deutsche Soldaten, Bundesarchiv, Bild 146-1979-056-18A / Sönnke, Hans / CC-BY-SA, Quelle: Wikipedia
Genau in dieser polnisch-deutschen Inkongruenz gegenseitiger Wahrnehmungen und Erwartungen liegt der sprichwörtliche Hund begraben: Für Berlin hat Warschau mehr denn je seine politische Relevanz eingebüßt und der Rückzug Polens in die europa- und geschichtspolitische Schmollecke macht es für die deutsche Seite allzu leicht, in dieser Position zu verharren. So kann man Verantwortung postulieren, ohne wirkliche Demut zeigen zu müssen. Für Warschau wiederum ist Berlin ein Ort paternalistischer Besserwisser, deren exklusives Eintreten für die Verankerung des Holocausts in eine postnationale europäische Erinnerungskultur nur den Versuch darstellt, durch die Hintertür die eigene Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg politisch korrekt zu externalisieren.
Mit etwas boshafter Zuspitzung ließe sich von kommunizierenden Röhren der Singularitäten sprechen: In dem Maße, wie die eine Seite ihr Gefäß mit Ausschließlichkeiten befüllt, steigt der Pegel auf der anderen Seite. Freilich ist diese Metapher schief, denn der Wunsch polnischer Akteur:innen nach stärkerer Berücksichtigung hat viel mehr Gründe als die deutsche Erinnerungskultur. Das Bild hilft aber, Befindlichkeiten und Reaktionsmechanismen auf beiden Seiten zu verdeutlichen.
An einer strukturellen Asymmetrie krankt auch der wissenschaftliche Dialog zwischen beiden Ländern. Zwar geben sich zahlreiche Institutionen redlich Mühe, polnische Wissenschaftler:innen in Deutschland zur Sprache kommen zu lassen. Nicht wenige deutsche Historiker:innen lernen Polnisch und besuchen polnische Archive. Doch fällt hier erneut eine Unwucht in der Wahrnehmung auf. Auch sie ist nicht in Publikationen nachlesbar und tritt nur inoffiziell zu Tage. Denn so gern man sich mit Historiker:innen aus den polnischen akademischen Zentren austauscht, so süffisant kommentieren manche deutsche Kolleg:innen hinter vorgehaltener Hand deren Verharren in nationalen Denkmustern und deren methodische und inhaltliche Rückständigkeit. Dabei ist es gerade das mitunter formelhafte Insistieren auf der Singularität des Holocaust, wie auch die kaum reflektierte rhetorische Figur des „polnischen Antisemitismus“ (anstelle der Formulierung „Antisemitismus in Polen“) als analytisches Multifunktionswerkzeug, die es kritischen Historiker:innen aus Polen schwermachen, im deutschen Diskurs zu bestehen. Denn in dem Moment, wo sie auf Kontexte, Latenzen und parallele Prozesse verweisen (und möglicherweise den Begriff „Totalitarismus“ verwenden), begeben sie sich selbst ins diskursive Abseits. Sie verlieren dabei ihren Nimbus als kritische Geister und laufen Gefahr, auf den Status eines wenig relevanten Provinzhistorikers zurechtgestutzt zu werden.
Der Standort bestimmt die Perspektive
Man nimmt dem Holocaust nichts von seiner Bedeutung als singuläres Menschheitsverbrechen, wenn man ihn nicht nur in die deutsche Geschichte, sondern auch in die Geschichte seines Hauptschauplatzes einbettet. Historiker:innen haben in den letzten Jahren in verschiedenen Studien gezeigt, dass dies sogar unabdingbar ist. Der Holocaust ereignete sich nämlich nicht in ahistorischen Räumen, sondern an konkreten Orten mit einer eigenen Historie, inmitten einer besetzten Bevölkerung mit einer eigenen Kultur-, Sozial- und Mentalitätsgeschichte. Der Blick von Deutschen auf die ostmitteleuropäische Geschichtsregion war im 19. und 20. Jahrhundert nicht selten ein kolonialer, auch dies ist ein wichtiger, längst beschriebener historischer Kontext der nationalsozialistischen Besatzung. Wie im derzeit vieldiskutierten Falle der Kolonialverbrechen in Afrika gilt es, dies mit der Geschichte des deutschen Antisemitismus und Judenmords in Beziehung zu setzen und nicht beide Ereignisse mit einem Gleichheitszeichen zu versehen oder direkte Kausalitäten zu konstruieren, die es nicht gab.
Hinzu kommt: Unsere heutige Deutung des Holocaust als präzedenzloser Zivilisationsbruch und als dunkle Seite von Modernisierung und Aufklärung ist stark von der Sicht Intellektueller bestimmt, die nach 1945 auf der nichtkommunistischen Seite des Eisernen Vorhangs lebten. Prägend war für sie das Schicksal von meist deutschen oder westeuropäischen Juden, deren Ermordung von einer reibungslos funktionierenden Bürokratie und Organisation des Tötens ermöglicht wurde, die direkt auf der Rampe von Auschwitz endete. Die bäuerlichen lokalen Gesellschaften im Generalgouvernement, deren Tradierung vormoderner Gewalt bis ins 20. Jh. nur in Ansätzen erforscht ist, unterschieden sich in soziologischer und lebensweltlicher Hinsicht von den urbanen Zentren im Westen. Antisemitische Gewalt war für sie auch eine Erfahrung aus dem Ersten Weltkrieg, dem Polnisch-Sowjetischen Krieg und der Zwischenkriegszeit. Außerdem zeigte die deutsche Besatzung hier ein anderes Gesicht als in Westeuropa: Die Gewalt gegen Juden wie Nichtjuden begann mit dem Einmarsch der Wehrmacht und nahm unverzüglich nie geahnte Ausmaße an. Sie trug anfangs oft nichts Systematisches, Koordiniertes oder gar Modernes in sich, das gilt auch für den beginnenden Holocaust. Dem industriellen Morden in Sobibór, Bełżec und Treblinka ging vor den Augen der Landbevölkerung eine Entgrenzung der Gewalt der Besatzer gegen Juden voraus, in deren Sog sich auch Einheimische begaben. Dies setzte sich fort, als die Vernichtungslager längst eingeebnet waren und Deutsche mit der Unterstützung lokaler Helfer nach versteckten Juden „jagten“. Aus dieser Mischung unterschiedlicher Erfahrungen in der Kriegs- und Nachkriegszeit entstanden die heutigen nur bei oberflächlicher Betrachtung inkompatiblen Erzählungen über Besatzung und Judenmord.
Mit einer undogmatischen Debatte über Verlauf, Kausalitäten und Kontexte der Besatzungsverbrechen und des Holocaust kann man also wenig verlieren, aber viel gewinnen. Für das polnische Beispiel bedeutet dies vor allem: Zuhören. Polen hat viele Geschichten des 20. Jahrhunderts zu erzählen, und Deutschland sowie die jüdischen Bürger Polens spielen darin eine zentrale Rolle. Bedenken wir, dass nicht jeder Konflikt zwischen Polen und Juden auf einen genetisch veranlagten Antisemitismus der ersteren zurückzuführen ist, wie auch nicht jedes Plädoyer für eine historische Einordnung etwa von Kollaboration ein Versuch nationalistischer Verdrängung darstellt. Wir Deutschen müssen auch keine Aufarbeitungsmissionare entsenden, denn Polen diskutiert seit 40 Jahren mit offenem Visier die eigene Rolle im Zweiten Weltkrieg und Holocaust. Unser Interesse muss angesichts des derzeitigen politischen Drucks vorrangig jenen Akteuren gelten, die als Autor:innen, Lehrer:innen, Wissenschaftler:innen und Kulturschaffende sich jeden Tag dem derzeitigen nationalistischen Rollback der offiziellen Geschichtspolitik entgegenstellen.
Aus Warschauer Perspektive fehlt unserer Singularitätsdebatte damit vor allem eins: Ihre Rückbindung an den Ort der Vernichtung und die dortigen Gesellschaften. Will man die heutige deutsche Sicht auf den Holocaust auch in Polen vermitteln, muss man glaubhaft machen, dass man die anderen Aspekte der Besatzung ebenso ernst nimmt, indem man sich als verlässlicher Teilnehmer an den kontroversen Diskursen beteiligt und eigene Gewissheiten nicht als alleinige moralische Richtschnur versteht. Und man sollte akzeptieren, dass Vergleich und Kontextualisierung die Geburtshelfer eines jeden Diskurses sind, der die Schoah nicht als Genozid unter vielen interpretiert. Es ist, als würde man in die eingangs erwähnte Fotomontage hineinzoomen: Man erkennt dann nämlich, dass der Warschauer Trümmermonolith aus äußerst unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetzt ist, die bei aller Differenz doch auf vielfältigste Weise aufeinander bezogen sind.