Angesichts von umstrittenen Entscheidungen des US-amerikanischen Präsidenten Trump, seiner offensichtlichen Geringschätzung von Verfassungsorganen und seiner Weigerung, sich an lang-etablierte gewohnheitsrechtliche Praktiken zu halten, werden die Rufe nach einem Impeachment laut. Doch die Hoffnung auf eine Amtsenthebung ist wenig realistisch.

  • Norbert Finzsch

    Norbert Finzsch ist em. Pro­fes­sor für Anglo-Ameri­kani­sche Ge­schich­te an der Uni­versität zu Köln. Er ist Mit­heraus­geber der Reihe "American Culture", Mitglied des Wissen­schaft­lichen Bei­rats und Mit­heraus­geber der "Reihe Geschlecht - Kultur - Gesellschaft" und Mit­glied des Wissen­schaftlichen Beirats der Reihe "Konflikte und Kultur - Histori­sche Perspek­tiven".

Was gäbe es für juris­tisch belast­bare Gründe für ein Impeach­ment gegen Trump? Es sind speziell die Geschäfts­be­zie­hungen, die er und seine Familie im Ausland unter­hält, die als mögli­cher Grund genannt werden. Denn in der soge­nannten Emolu­ments Clause der Verfas­sung wird es einem Präsi­denten ausdrück­lich unter­sagt, Geschenke und Titel aus dem Ausland anzu­nehmen. Barack Obama zum Beispiel stif­tete das Preis­geld des Frie­dens­no­bel­preises, um nicht in den Geruch zu kommen, die Verfas­sung zu miss­achten, obwohl das Nobel­preis­ko­mitee keine auslän­di­sche Regie­rung darstellt.

Doch auch unge­achtet der juris­ti­schen Frage, ob dieser Verfas­sungs­ar­tikel im Falle Trumps anwendbar wäre, ist das Impeach­ment eine stumpfe Waffe, die bisher kein einziges Mal erfolg­reich gegen einen Präsi­denten geführt wurde.  Das liegt zum einen daran, dass die legalen Hürden für eine Amts­ent­he­bung sehr hoch sind, und zum anderen, dass das ausge­prägte Zwei­par­tei­en­system der USA jede Frage der Amts­ent­he­bung zu einem Gegen­stand von Partei­dis­zi­plin macht.

Geschichte des Impeachment-Verfahrens

Das Impeach­ment ist eine von der Verfas­sung der Verei­nigten Staaten vorge­ge­bene Prozedur, die in der Vergan­gen­heit erst zweimal einge­setzt worden ist, nämlich gegen den Demo­kraten Andrew Johnson (1808-1875), den 17. Präsi­denten der USA, und William J. (Bill)  Clinton (*1946), den 42. Präsi­denten der Verei­nigten Staaten, der eben­falls der Demo­kra­ti­schen Partei ange­hört. In beiden Fällen endete das Verfahren ohne Verur­tei­lung des Beklagten. Die Verfas­sung der USA bestimmt in Artikel 2, dass der Präsi­dent, der Vize­prä­si­dent und jeder Staats­be­amte der USA aus dem Amt entfernt werden können, wenn sie des Verrats, der Bestechung oder anderer „Verbre­chen und Vergehen“ ange­klagt und für schuldig befunden werden. Das Verfahren wird laut Artikel 1 vom House of Repre­sen­ta­tives durch einfache Mehr­heit initi­iert. Zudem legt die Verfas­sung fest, dass der Senat das ausschließ­liche Recht hat, das Impeach­ment gegen den Präsi­denten unter Vorsitz des Obersten Rich­ters durch­zu­führen – norma­ler­weise sitzt der Vize­prä­si­dent dem Senat vor – und dass zur Verur­tei­lung eine Zwei­drit­tel­mehr­heit der anwe­senden Sena­toren erfor­der­lich ist. Der Senat kann den Präsi­denten nur seines Amtes entheben; eine weitere straf­recht­liche Verfol­gung ist dennoch möglich, wenn auch nicht vor dem Senat.

Die Gründe für die äußerst vage Formu­lie­rung der justi­zia­blen Vorwürfe liegen in der Verfas­sungs­de­batte selbst. 1787 saßen die Verfas­sungs­väter in Phil­adel­phia zusammen, um den USA eine besseres Grund­ge­setz als die bis dato geltenden Articles of Confe­de­ra­tion zu geben, die sich in natio­nalen Krisen­zeiten nicht bewährt hatten. Zu umständ­lich, zu langsam und mit zu geringen Befug­nissen für die Exeku­tive hatten die Konfö­de­ra­ti­ons­ar­tikel beinahe zum Unter­gang der jungen Verei­nigten Staaten beigetragen. Die neue Verfas­sung sollte diese Schwä­chen beheben und u.a. dem Präsi­denten als Chef der Exeku­tive im Sinne einer strikten Gewal­ten­tei­lung größere Macht verleihen. Das sprach auch gegen ein allzu starkes Impeach­mentVerfahren: Wenn man das Parla­ment über die Abset­zung eines Teils der Exeku­tive entscheiden lassen wollte, schien die Tren­nung der Gewalten in diesem Punkt aufge­hoben. Daher entschied man sich in der Verfas­sung­ge­benden Versamm­lung, dem engli­schen Beispiel zu folgen, bei dem das Unter­haus das Verfahren durch Abstim­mung eröffnet, das Ober­haus aber Herr des Verfah­rens ist.

Benjamin Franklin, 1767; Quelle: wikipedia.org

Die Liste der Verbre­chen und Vergehen, die ein Impeach­ment nach sich ziehen, ist eigent­lich genau umrissen, da Treason (also Hoch­verrat) laut Verfas­sung darin besteht, Krieg gegen die USA zu führen oder mit dem Feind zu kolla­bo­rieren. High Crimes and Misde­me­anors ist ein recht­li­cher Terminus, der sich histo­risch nur auf gewählte Regie­rungs­be­amte bezog, die einen Amtseid abzu­legen hatten und eine große Band­breite von Tatbe­ständen abde­cken konnte. Dies war von den Verfas­sungs­vä­tern inten­diert. James Madison (1751-1836), 4. Präsi­dent der USA (1809-1817) und Mitglied des Ausschusses, der das Impeach­ment 1787 disku­tierte, vertrat die Auffas­sung, die „Gemein­schaft [müsse…] gegen die Unfä­hig­keit, Nach­läs­sig­keit oder Hinter­häl­tig­keit des obersten Beamten“ geschützt werden, da er „die Admi­nis­tra­tion zu einer Intrige zum Zwecke der Unter­schla­gung oder Unter­drü­ckung perver­tieren“ könne. Auch könne er Verrat an eine fremde Macht begehen. Letzt­lich entschied man sich für ein Enthe­bungs­ver­fahren, denn was wäre die Alter­na­tive gewesen? Nach Benjamin Franklin bestand der einzige Ausweg aus dem Problem eines krimi­nellen, hoch­ver­rä­te­ri­schen oder inkom­pe­tenten Präsi­denten in der Ermor­dung dieses Amts­in­ha­bers. Den Verfas­sungs­vä­tern war klar, dass das Impeach­ment letzt­lich keine juris­ti­schen Tatbe­stände zu bewerten habe, sondern dass es sich hierbei um ein poli­ti­sches Instru­ment handelte. Alex­ander Hamilton, der bei den Bera­tungen in Phil­adel­phia 1787 eben­falls zugegen war, schrieb in den Fede­ra­list Papers (Nr. 65), dem wohl wich­tigsten Kommentar zur Verfassung:

Ein wohl­be­stallter Gerichtshof für das Impeachment-Verfahren ist eine Sache, die ebenso sehr erfor­der­lich wie schwer zu bekommen ist. Gegen­stand seiner Juris­dik­tion sind dieje­nigen Vergehen, die sich aus dem Fehl­ver­halten öffent­li­cher Männer ergeben oder, in anderen Worten, aus dem Miss­brauch und der Verlet­zung des öffent­li­chen Vertrauens. Sie sind von einer Natur, die man mit eigen­tüm­li­cher Ange­mes­sen­heit poli­tisch nennen könnte, da sie sich in erster Linie auf Verlet­zungen beziehen, die der Gesell­schaft unmit­telbar zuge­fügt worden sind. –Alex­ander Hamilton, 1787

Andrew Johnson und Bill Clinton

Andrew Johnson, 1866; Quelle: history.com

In beiden bishe­rigen Fällen eines Impeach­ments gegen einen US-Präsidenten waren die gegen ihn erho­benen Vorwürfe juris­tisch vage bis unbe­deu­tend. Diese Verfahren erfüllen daher das von Hamilton beschrie­bene Krite­rium des poli­ti­schen Prozesses. Andrew Johnson war als Demo­krat auf das Wahl­ti­cket Abraham Lincolns gekommen, weil die Repu­bli­kaner sich von seiner Kandi­datur für das Amt des Vize­prä­si­denten verspra­chen, die poli­tisch wich­tigen Grenz­staaten des Südens für den Verbleib in der Union bewegen zu können. Mit der Ermor­dung Lincolns 1865 rückte Johnson auf und wurde Präsi­dent der USA. Er machte sich von Anfang an durch eine Reihe von Maßnahmen bei den Repu­bli­ka­nern sehr unbeliebt.

Im August 1867 entließ Johnson den Kriegs­mi­nister Edwin Stanton. Wie vom Tenure of Office Act verlangt, erbat er hierzu die Zustim­mung des Senats. Als diese ausblieb, feuerte der Präsi­denten den Minister ohne dessen Zustim­mung.  Damit lieferte er auch den gemä­ßigten Repu­bli­ka­nern im Kongress einen Grund für ein Amts­ent­he­bungs­ver­fahren. Dabei weigerte sich aller­dings der Oberste Richter des US Supreme Court, Salmon Chase, der dem Senat während der Verfah­rens vorsass, von Anfang an, allge­meine Vorwürfe wie Amts­miss­brauch gegen Johnson anzu­hören; statt dessen legte er eine enge Inter­pre­ta­tion der Verfas­sung zugrunde, nach der es ledig­lich um die unge­recht­fer­tigte Entfer­nung Stan­tons aus dem Amt gehen sollte. Als es zur Abstim­mung im Senat kam, fehlte sieben gemä­ßigten Repu­bli­ka­nern der Mut, Johnson zu verur­teilen; am Schluss fehlte es an einer Stimme, um das Impeach­ment mit einer Zwei­drit­tel­mehr­heit im Senat passieren zu lassen.

Im Falle Bill Clin­tons vertreten namhafte Juristen die Auffas­sung, Clinton habe durch seine Lügen und Falsch­aus­sagen im Zusam­men­hang mit seinen verschie­denen sexu­ellen Eska­paden zwar krimi­nell gehan­delt, doch sei die Bedeu­tung dieser Vergehen im poli­ti­schen Sinne minimal, da sie keine Auswir­kungen auf das Rechts­system oder die Funk­tion der Regie­rung gehabt habe. An Clin­tons „Schuld“ ange­sichts der Vorwürfe von Meineid und Rechts­be­hin­de­rung, könne juris­tisch wenig Zweifel bestehen, doch sei die Clinton-Lewinsky-Saga von Anfang an mit einem weit­rei­chenden Symbol­ge­halt ausge­stattet, der die Frage der tatsäch­li­chen Schuld habe in den Hinter­grund treten lassen.

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Bill und Hillary Clinton, während des Impeachment-Verfahrens 1999; Quelle: huffingtonpost.com

Das Ehepaar Clinton war schon vor dem Lewinsky-Skandal Gegen­stand von Ermitt­lungen des Inde­pen­dent Counsel Kenneth Starr, und zwar wegen einem schief­ge­gan­genen Invest­ment­ge­schäft, in das Geschäfts­partner der Clin­tons verwi­ckelt gewesen waren. Nachdem deut­lich wurde, dass man die Clin­tons dafür juris­tisch nicht zur Verant­wor­tung würde ziehen können, erwei­terte Starr seine Ermitt­lungen auf das persön­liche Umfeld Bill Clin­tons und erhielt anonyme Tipps über die sexu­ellen Fehl­tritte des Präsi­denten. Für das Clin­ton­lager und die Demo­kraten sah es so aus, als habe man dem Präsi­denten seitens der Repu­bli­kaner auf Biegen und Brechen etwas anhängen wollen; die Frage nach der Justi­zia­bi­lität der Über­tre­tungen Clin­tons schien demge­gen­über zweit­rangig zu sein. Die Offen­le­gung der sexu­ellen Hand­lungen zwischen Lewinsky und Clinton durch Chef­er­mittler Starr schien vielen Ameri­ka­nern aller­dings unan­ge­messen und unak­zep­tabel; die Zustim­mungs­werte Clin­tons stiegen während der Unter­su­chungen und dem Verfahren. Das House of Repre­sen­ta­tives strengte 1998 ein Impeachment-Verfahren an, das aber im Senat an der für die Verur­tei­lung erfor­der­li­chen Zwei­drit­tel­mehr­heit scheiterte.

Eine stumpfe Waffe

Das Impeach­ment, so scheint es in der Tat, ist eine stumpfe Waffe. Im Falle Trumps müsste eine Reihe von Bedin­gungen erfüllt sein, damit er erfolg­reich aus dem Amt gedrängt werden könnte. Zum einen müsste eine hieb- und stich­feste Verlet­zung geltenden Rechts nach­weisbar sein, die den Tatbe­stand von „treason, bribery, and other high crimes and misde­me­anors“ erfüllen. Ob sich die Emolu­ments Clause dafür eignet, darf bezwei­felt werden. Zum zweiten müsste das Reprä­sen­tan­ten­haus mehr­heit­lich das Verfahren eröffnen (was eine Mehr­heit der Demo­kraten im House voraus­setzt) und der Senat mit Zwei­drit­tel­mehr­heit das Impeach­ment zum Abschluss bringen. Gegen­wärtig kontrol­lieren die Repu­bli­kaner das House of Repre­sen­ta­tives mit 238 zu 193 demo­kra­ti­schen Stimmen. Ob in den im November 2018 anste­henden midterm-Wahlen mindes­tens 25 Sitze für die Demo­kraten hinzu­kommen können, ist voll­kommen offen, aber immerhin möglich. Anders sieht es im Senat aus. Hier stehen am 6. November 2018 33 Senats­sitze zur Wahl an. Gegen­wärtig kontrol­lieren die Repu­bli­kaner 52 der 100 Sitze. Für eine für die Verur­tei­lung erfor­der­liche Zwei­drit­tel­mehr­heit müssten die Demo­kraten 67 Sitze haben, das heißt, sie müssten von den 33 zu verge­benden Sitzen 19 gewinnen. Weil aber von den 33 neu zu wählenden Sena­toren ohnehin 23 Demo­kraten sind, die zur Wieder­wahl anstehen und ledig­lich neun repu­bli­ka­ni­sche Sena­toren neu gewählt werden müssen, ist es rech­ne­risch nicht möglich, dass die notwen­dige Senats­mehr­heit zustande kommt.

Man sollte selbst­ver­ständ­lich nicht hoffen, dass es jemanden gibt, der die von Benjamin Franklin ange­spro­chene Alter­na­tive zum Impeach­ment ins Auge fasst – auch wenn die Chancen eines Impeach­ments im Laufe der ersten Amts­zeit Donald Trumps gleich null sind. Theo­re­tisch denkbar wäre ein Impeach­ment nur dann, wenn eine ausrei­chende Anzahl von Repu­bli­ka­nern Trump die Loya­lität aufkündet. Ganz unvor­stellbar ist das nicht: Denn falls Trump erfolg­reich wegen Amts­miss­brauchs oder ähnli­cher Anklagen seines Amtes enthoben würde, wäre Vize­prä­si­dent Michael Pence auto­ma­tisch sein Nach­folger. Pence aber ist für viele tradi­tio­nelle Repu­bli­kaner letzt­lich der bessere, ihnen welt­an­schau­lich und in seinem persön­li­chen Habitus näher­ste­hende Poli­tiker: Er ist ein Ideo­loge der ultra­kon­ser­va­tiven Tea-Party, der sich als „Christ, Konser­va­tiver und Repu­bli­kaner“ bezeichnet – „in dieser Reihen­folge“. Mit anderen Worten: Ein erfolg­rei­ches Trump-Impeachment wäre nur ein halber Sieg der Demo­kraten – dafür aber ein ganzer Sieg der Tea-Party.