Dirk Moses hat einen dringend benötigten und gedankenreichen Text über die deutsche Praxis des Holocaust-Gedenkens und dessen Missbrauch geschrieben. „Der deutsche Katechismus“, wie Moses ihn nennt, wird von „selbsternannten Hohepriestern“ getragen, die unter anderem behaupten, der Holocaust sei einzigartig, der Antisemitismus ein von anderen Formen des Rassismus klar unterscheidbares Vorurteil und Antizionismus sei Antisemitismus gleichzusetzen.
Ein Kontext, in dem Moses’ Essay zu verstehen ist, ist mithin die Debatte über den Antisemitismus. Der Grund, warum diese Debatte ungefähr im letzten Jahrzehnt so hitzig geworden ist, liegt nicht so sehr daran, dass die Fälle von Antisemitismus in die Höhe geschnellt sind, sondern dass das Thema Israel und Palästina untrennbar mit dem Thema Antisemitismus selbst verwoben ist. Wir reden ja deshalb so viel über Antisemitismus, weil wir uns nicht einig sind, wie er zu definieren ist: Wie unterscheidet man zwischen antisemitischen Äußerungen und legitimer Kritik an Israel, so hart und schmerzhaft sie für manche auch sein mag? Pointiert ausgedrückt besteht die Herausforderung darin, einerseits die spezifische Erinnerung an den Holocaust am Leben zu erhalten und Antisemitismus zu bekämpfen, wo er auftaucht, und andrerseits den universellen Wert, der aus dem Holocaust hervorging, einzulösen: dass gleiche Rechte und Garantien für ein Leben frei von Diskriminierung für alle Menschen grundlegend sind – Rechte, die den Palästinensern heute von Israel verweigert werden.
Dieses Geflecht in Spannung zu halten, ohne es zu zerbrechen, ist das, was Deutsche, Juden und viele andere trennt, weil es eine unmögliche Aufgabe ist: Kein Argument kann es rechtfertigen, einer Gruppe von Menschen gleiche Rechte zu verweigern – schon gar nicht die Erinnerung an den Holocaust. Der Wert von Moses’ Intervention in diesem intellektuellen und politischen Moment der wissenschaftlichen und öffentlichen Debatte über Antisemitismus in Deutschland, Europa, den USA, Israel, Palästina und darüber hinaus liegt darin, darauf hinzuweisen, wie in Deutschland die Erinnerung an den Holocaust, die wir mit Werten wie Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Rechten zu verbinden versuchen, dennoch zu einem legitimierenden Schutzschild und einer Rechtfertigung für die Diskriminierung von Palästinensern durch israelische Juden geworden ist. In meinen Augen ist das heute das dringendste und wichtigste Problem des deutschen Umgangs mit der Vergangenheit.
Die Immunisierung Israels gegen Kritik
Deutschlands Geschichte der Vergangenheitsaufarbeitung hat sich, sehr grob skizziert, von einer anfänglichen Verweigerung, sich zu seinen Verbrechen zu bekennen, ab den 1970er Jahren zu einer beeindruckenden sozialen, kulturellen und politischen Bewegung entwickelt, die die NS-Verbrechen einräumte und sich zu ihnen bekannte, wie Helmut Walser Smith in seinem Beitrag zur Debatte betont. Sie ist zu einem Modell dafür geworden, wie man mit einer gewaltsamen nationalen Vergangenheit lebt. Seit etwa zwanzig Jahre zeichnet sich in Deutschland jedoch noch eine andere Entwicklung des auf den Antisemitismus bezogenen Erinnerns ab, die Dirk Moses klar erkannte: Sie heiligt Israels Status als immun gegen historische und evidenzbasierte Argumente und dessen Verständnislosigkeit für die Erfahrung der unter der Besatzung lebenden Palästinenser. Diese Verschiebung der jüngsten Erinnerungspolitik mit Begriffen zu identifizieren, die der Sprache des Heiligen und des Profanen entliehen sind, ist nicht falsch – denn genau in dieser Sprache stellen sich die Anhänger dieses Glaubens selbst dar.
Ich verstehe, woher dieses deutsche Empfinden kommt, und zwar aus dem Wunsch, für den Holocaust zu sühnen. Es spiegelt auf einer gewissen Ebene ein deutsches Gefühl – und Gefühl ist hier das richtige Wort –, dass die Deutschen ihren eigenen Ansichten über Juden nicht ganz trauen können und es daher besser ist, sich ganz auf die Seite Israels zu stellen und es bedingungslos zu unterstützen. Doch damit ignorieren sie die Meinungsvielfalt unter Juden in der Frage von Israel und Palästina. Es gibt dazu kaum einen Konsens. Viele Juden in Israel und anderswo lehnen die israelische Politik der Diskriminierung der Palästinenser ab. Warum repräsentieren offizielle deutsche Akteure und deutsche Medien diese Position nicht, geschweige denn, dass sie sie übernehmen würden?
Dieser die offizielle Politik wie auch die Haltung der Medien in Deutschland dominierende Ansatz basiert auf dem Axiom, eine Lektion des Holocausts bestehe darin, dass Juden und Israel (oder genauer gesagt: israelische Juden) immer im Recht seien. Es wäre allerdings ein Gebot der Weisheit, keine menschliche Gruppe so zu verehren, als wäre diese allen moralischen Vorwürfen und aller historischer Verantwortung enthoben. Aus dem Holocaust zu lernen, dass alle Menschen ein Leben in Würde und mit grundlegenden Rechten verdienen, außer gerade jene, denen diese Rechte von israelischen Juden verweigert werden, ist eine moralische Farce und ein Hohn. Ich bin ein israelischer Jude, der in Amerika lebt. Ich bin genauso misstrauisch gegenüber Philosemiten, die denken, dass Israel nichts falsch machen könne, wie gegenüber Antisemiten, die denken, dass Juden ewig schuld seien. Hüte dich ebenso vor denen, die dich heiligsprechen, wie vor jenen, die dich entmenschlichen. Mir ist es lieber, israelische Juden als Menschen zu behandeln, die genau wie alle anderen Menschen nach ihrem Tun beurteilt werden – in dem sich notwendigerweise gute und nicht so gute Taten mischen –, und dafür auch verantwortlich gemacht werden.
Eine Frage der Realität
Diejenigen, die dieses einschränkende Verständnis der Erinnerung an den Holocaust, Israels und des Antisemitismus teilen, haben faktisch jede ernsthafte Debatte über diese Themen in Deutschland erstickt. Sie sehen jüdische Israelis reflexartig als Opfer und schalten palästinensische Stimmen in Deutschland systematisch aus. Das macht sie blind für die Tatsache, dass es zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer zwei nationale Gruppen von etwa 6,8 Millionen Juden und 6,8 Millionen Palästinensern gibt – das heißt eine Gruppe, die alle Rechte hat und diese auf verschiedene Weise der anderen verweigert (etwa durch systemischen Rassismus gegenüber den palästinensischen Bürgern Israels, die Besatzung im Westjordanland oder die Blockade des Gazastreifens, die der Schaffung eines riesigen Gefängnisses gleichkommt). Allgemeiner gesprochen und um dem außerordentlich aufschlussreichen Beitrag von Frank Biess zu dieser Debatte zu folgen, setzt sich die Erinnerung an den Holocaust in Deutschland heute in einer Form fort, die nicht-jüdische und nicht ethnisch-weiße Deutsche, die einen wachsenden Teil der deutschen Gesellschaft ausmachen, aus der Debatte ausschließt.
Wenn es eine Lehre aus dem Holocaust gibt, dann diejenige, dass alle Menschen gleiche Rechte und ein Leben in Würde verdienen. Das Beharren auf gleichen Rechten für Palästinenser (unter welchem politischen Arrangement auch immer) kann nicht als antisemitisch angesehen werden. Die Situation in Israel und Palästina durch Begriffe wie „Apartheid“ und „Siedlerkolonialismus“ zu kennzeichnen, kann diskutiert und bestritten werden, ebenso wie die Positionen der gewaltfreien sozialen Bewegung BDS oder jene von palästinensischen Stimmen, die ihre Erfahrung und ihre Politik formulieren – aber sie sind nicht antisemitisch. Bill Niven hat Moses dafür kritisiert, dass er an einige dieser Themen nicht hinreichend ausgewogen herangegangen sei. Zu differenzieren ist immer ein kluger Rat. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass es hier nicht um Ausgewogenheit geht, sondern darum, in Deutschland zuzugeben, dass diese Themen einen legitimen Teil der Auseinandersetzung bilden, und Ausgewogenheit – oder Komplexität – nicht als Argument benutzt werden dürfen, um die gewalttätige Realität von Besetzten und Besatzern zu kaschieren. Die israelische Menschenrechtsgruppe B’tselem veröffentlichte kürzlich einen detaillierten Bericht (A Regime of Jewish Supremacy from the Jordan River to the Mediterranean Sea: This is Apartheid), dem ein ähnlicher von Human Rights Watch folgte (A Threshold Crossed: Israeli Authorities and the Crimes of Apartheid and Persecution). Diese Expertengutachten sollten diskutiert und debattiert werden; es sind keine ketzerischen Dokumente, die man ins Feuer wirft. Bücher zu verbrennen, ist, metaphorisch gesprochen, nicht die Antwort; die einzige ist, sich der Geschichte zu stellen.
Antisemitismus?
Deutsche, die solche apologetischen Ansichten vertreten, haben die Unverfrorenheit, Juden, Israelis und andere, die anderer Meinung sind als sie, als Antisemiten zu beschimpfen. Sie teilen die reflexartige Reaktion, Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen. Doch wir sollten den Kampf gegen Antisemitismus von den Auseinandersetzungen über Zionismus und Antizionismus und über die israelische Politik trennen. Antisemitismus ist eine Form von Rassismus oder Diskriminierung und niemals akzeptabel. Zionismus hingegen ist, wie jede Form von Nationalismus, immer diskutabel. Das wichtigste Prinzip in diesen Auseinandersetzungen muss die Unterstützung der Gleichberechtigung aller Einwohner sein, die zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben. Wie diese Bewohner sich entscheiden, diese Rechte politisch aufzuteilen – in einem Staat, in zwei Staaten, in einer Konföderation oder irgendeinem anderen politischen Arrangement –, ist ihre Sache. Eine weite historische Perspektive ist in diesem Zusammenhang hilfreich. Juden sind seit langer Zeit über die Frage der jüdischen Selbstbestimmung gespalten. Sollen wir, als ein Erbe des Holocaust, Hannah Arendt, Martin Buber und Judah Magnes als Antisemiten betrachten, weil sie sich eine jüdische Heimat nicht als exklusiven jüdischen, sondern als binationalen Staat vorstellten?
Die restriktiven deutschen Ansichten über Antisemitismus, Israel und Palästina haben die Regierungspolitik auf Bundes- und lokaler Ebene beeinflusst. Die deutsche Regierung unterstützt das IHRA-Dokument (International Holocaust Remembrance Alliance) von 2016 zum Thema Antisemitismus, das ungeachtet der ursprünglichen Absichten seiner Verfasser inzwischen zu einer Waffe geworden ist, um Kritik an Israel zum Schweigen zu bringen. Der Bundestag hat eine Resolution verabschiedet, in der die BDS-Bewegung als antisemitisch bezeichnet wird. Es wird gefordert, mit einer Stimme zu sprechen. Ein deutscher Kollege schrieb mir vor ein paar Wochen während der jüngsten Gewalt in Israel und Gaza: „Dies ist eine neue Etappe in der Geschichte unserer Demokratie; die Medien sprechen alle mit einer Stimme, aber sie scheinen dies nicht unter starkem Zwang von oben zu tun, sondern weil jeder den anderen übertreffen und ausstechen will, wenn es darum geht, den Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen.“
Es hat Gegenwind gegeben. Im Dezember 2020 lancierten deutsche Kultureinrichtungen die „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“ für Meinungsfreiheit in Kunst und Wissenschaft, diejenigen eingeschlossen, die einen Boykott Israels unterstützen wollen. Die im März 2021 veröffentlichte „Jerusalemer Erklärung gegen Antisemitismus“ (JDA), zu deren Verfassern ich gehörte, gab Richtlinien zur Unterscheidung zwischen antisemitischer Rede und legitimer Kritik an Israel vor. Die mehr als 300 Unterzeichner, renommierte Namen aus den Bereichen Holocaust-, Nazi-, Antisemitismus-, Juden- und Israelforschung, teilen die Verpflichtung, Antisemitismus zu bekämpfen, Meinungsfreiheit zu schützen und gleiche Rechte für alle Bewohner des Heiligen Landes zu fordern. Einige Reaktionen auf diese Initiative in Deutschland waren jenseits von Gut und Böse und richteten sich insbesondere gegen deutsche Kollegen. Der Frankfurter Bürgermeister Uwe Becker, Chef der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen, veröffentlichte kürzlich einen Artikel, in dem er den JDA-Unterzeichnern vorwarf, die Zerstörung Israels zu unterstützen. Wir befinden uns im Reich gewalttätiger Fantasien, und man fühlt sich unangenehm an frühere antisemitische Phantasmen erinnert: Wieder sind die Juden – diesmal jene auf der Linken – allmächtig und für alles Böse verantwortlich.
Eine andere Erinnerungspolitik
Wir brauchen eine andere deutsche Erinnerung an den Holocaust und eine andere Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus, mit Israel und mit Palästina – für Deutsche, Juden und Palästinenser. Deutschland hat vor einigen Tagen angekündigt, dass es den Genozid, den es in Namibia in den frühen 1900er Jahren begangen hat, anerkennt und Wiedergutmachung leisten wird. Dies rückt eines der Elemente von Moses’ „Katechismus“ – die Einzigartigkeit des Holocaust – in ein anderes Licht. Wie Udi Greenberg in seinem Beitrag zur Debatte anmerkte, erfordert die Anerkennung des Genozids in Namibia von den Deutschen nicht, von ihrer Auffassung der besonderen Rolle des Holocausts für die Bildung der deutschen nationalen Identität abzurücken. Eine solch kluge Verbindung, die manchen bis heute widersprüchlich erscheint – nämlich die Fähigkeit, gleichzeitig den Völkermord in Namibia anzuerkennen, ohne den Holocaust zu schmälern –, wäre in Deutschland nun allerdings auch angezeigt, um das Holocaust-Gedenken und die Kritik an Israels Verletzung der Menschenrechte und der politischen Rechte der Palästinenser zusammenzuführen.
Der Holocaust hat den Deutschen eine bleibende moralische Verpflichtung auferlegt, diesen zu erinnern und Antisemitismus zu bekämpfen. Gleichzeitig ist die Geschichte des Antisemitismus seit der Gründung des Staates Israel nicht einfacher, sondern komplizierter geworden. Die Bedingungen für die jüdischen Gemeinden in der Diaspora als Minderheiten in ihren jeweiligen Staaten sind nicht zu vergleichen mit jenen der Juden als einer souveränen Mehrheit im Staat Israel. Auf der ganzen Welt werden Juden als Minderheit in Staaten von Antisemiten angegriffen, während Israel den Palästinensern in der Vergangenheit und in der Gegenwart Unrecht zugefügt hat und weiter zufügt. Juden können sowohl Opfer sein als auch andere zum Opfer machen. Diese Komplexität sollte man zur Kenntnis nehmen.
Die Deutschen sollten nach einem Weg suchen, den Antisemitismus zu bekämpfen und das Gedenken an den Holocaust zu pflegen, aber zugleich auch die Kritik an Israel wegen der Verweigerung gleicher Rechte für Palästinenser als legitimen Teil der Auseinandersetzung anerkennen. Das bedeutet nicht, dass man mit dieser Kritik einverstanden sein muss. Es wäre jedoch ein erster Schritt hin zu einer ernsthaften öffentlichen Diskussion darüber, wie man die richtigen Worte findet, um die Verpflichtung zur Erinnerung an den Holocaust und die Kritik an Israel wegen der Verweigerung gleicher Rechte für die Palästinenser miteinander in ein Verhältnis zu bringen. Dies ist eine heikle, schwierige Herausforderung; es ist aber nicht unmöglich, wenn der dafür notwendige moralische und zivile Mut vorhanden ist, sich der Vergangenheit immer wieder neu zu stellen. Wenn es eine Lehre gibt, die man aus dem Holocaust ziehen kann, dann ist es diejenige, dass diese Herausforderung die Anstrengung wert ist.
Der Beitrag der Wissenschaft
Die Grenze zwischen wissenschaftlichem Streben und politischem Engagement ist in dieser Debatte oft unscharf, ganz so, wie sie im Historikerstreit Mitte der 1980er Jahre über die Einzigartigkeit des Holocaust und des „Dritten Reiches“ verwischt wurde. Akademiker in Deutschland sollten ihre Stimme erheben; Regierungsvertreter und Medienleute sollten auf Wissenschafter hören und die Arbeit lokaler Aktivisten zur Kenntnis nehmen. Sa’ed Atshan und Katharine Galor porträtieren in ihrem Buch The Moral Triangle: Germans, Israelis, Palestinians (2020) dieses konfliktreiche Terrain am Beispiel von Berlin, wo sie Räume aufspüren, in denen Deutsche, Israelis und Palästinenser gemeinsam aktiv und solidarisch sind, was dabei hilft, wechselseitige Anerkennung und wiederherstellende Gerechtigkeit (restorative justice) zu schaffen.
In der Wissenschaft haben sich die Felder der Holocaust-, der Israel- und der Palästina-Studien in Richtung einer integrativen Geschichte bewegt. Ein erster Anlaufpunkt dafür ist das wegweisende, von Bashir Bashir und Amos Goldberg gemeinsam herausgegebene Buch The Holocaust and the Nakba: A New Grammar of Trauma and History (2018), das Gegenstand von Diskussionsforen im Journal of Genocide Research und in der Zeitschrift Central European History war. Die Debatten über das Thema sind fruchtbar und gehen weiter. Meines Erachtens ist es nicht die Frage, ob man die beiden Ereignisse – den Holocaust und die Nakba, d.h. die Vertreibung der Palästinenser aus dem israelischen Staatsgebiet von 1948 – gemeinsam erforschen sollte, sondern wie man dies aufschlussreich tun kann. Die beiden Ereignisse sind in ihrem Ausmaß und ihrem historischen Charakter völlig unterschiedlich; es geht nicht darum, sie zu vergleichen, sondern ihre bedeutungsgeladenen Beziehungen in der Geschichte und der Erinnerung nachzuzeichnen, nicht zuletzt, weil die Zeitgenossen schon damals und auch später sie auf unterschiedliche Weise als aufeinander bezogen betrachteten. Wichtige wissenschaftliche Arbeiten haben verschiedene Stränge dieser Beziehungen zwischen Europa, Deutschland, Israel und Palästina jenseits eines binären und moralisierenden Verständnisses zusammengetragen, so namentlich das kürzlich von Bashir Bashir und Leila Farsakh herausgegebene Buch The Arab and the Jewish Questions: Geographies of Engagement in Palestine and Beyond (2020).
Die offizielle deutsche Erinnerung an den Holocaust und ihr Umgang mit Antisemitismus, Israel und Palästina, wie sie sich heute darstellen, sind hingegen auf dem Weg ins Nichts. Es mangelt an Menschlichkeit für die Opfer, egal wer sie sind. Es kann in unserer Welt keine Rechtfertigung dafür geben, einer bestimmten Gruppe von Menschen gleiche Rechte zu verweigern. Die Verweigerung dieser Rechte implizit oder explizit mit der Erinnerung an den Holocaust zu rechtfertigen, ist eine kreischende Dissonanz.