Eine progressive „Identitätspolitik“, die im Namen des Widerstandes gegen nationalistische Beschränkungen betrieben wird, muss verschiedene, disparate „kollektive Identitäten“ für ein gemeinsames Ziel mobilisieren. Aber was, wenn diese Kollektive selbst gespaltene sind? Ein neuer Film untersucht dieses Rätsel.

  • Rafaël Newman

    Rafaël Newman studied classical philology at the University of Toronto and comparative literature at Princeton University, where he earned his doctorate. He has published essays on literature and contemporary culture in Germany, New Zealand, Poland, Switzerland, and the United States.

Die gegen­wär­tige globale Bewe­gung von Menschen, von denen sich immer mehr im Prozess der „erzwun­genen Migra­tion“ befinden, hat weit­rei­chende Konse­quenzen: Sie fügt zu einem bereits komplexen Geflecht aus sozialen und sexu­ellen Iden­ti­täten neue ethni­sche, reli­giöse und ideo­lo­gi­sche Nuancen sowie eine Viel­zahl von inter­sek­tio­nalen Subjekt­po­si­tionen hinzu. Damit wird das Projekt, kollek­tive Iden­ti­täten als eine Art Boll­werk gegen den Aufstieg des ethno­zen­tri­schen Popu­lismus zu orga­ni­sieren, immer schwie­riger. Denn wie lässt sich ein solches Netz­werk von Iden­ti­täten im Hinblick auf ein fort­schritt­li­ches poli­ti­sches Handeln koor­di­nieren? Wie könnte es möglich sein, den Rufen nach einem „linken Popu­lismus“, vorge­bracht von promi­nenten Wort­füh­rern wie Chantal Mouffe oder Bernie Sanders, zu folgen, ohne die verschie­denen Anliegen einzelner Gruppen bis zur Unkennt­lich­keit zu homo­ge­ni­sieren? Kann eine Gemein­schaft von „kollek­tiven Iden­ti­täten“, um Carolin Emckes Formu­lie­rung zu verwenden, dem Druck mitein­ander konkur­rie­render Loya­li­täten stand­halten? Können Spal­tungen inner­halb vermeint­lich homo­gener Gemein­schaften oder „Kulturen“ – Frauen, LGBTQI+, Flücht­linge – in diesem Sinne poli­tisch produktiv über­wunden werden? Müssen sie über­haupt über­wunden werden? Und wie können solche „Minderheiten“-Gemeinschaften die Verlet­zungen und die Ausgren­zung, die sie von einer domi­nie­renden Klasse erlitten haben, aufnehmen, umwerten und nutzen – von einer Klasse, die bereit war, Putsche zu insze­nieren, Armeen zu entsenden, um zivile Proteste nieder­zu­schlagen, und Wahl­er­geb­nisse auszu­setzen, indem sie den Ausnah­me­zu­stand erklärt…?

Belei­di­gungen und Urteile

Der Sozio­loge Didier Eribon hat in mass­ge­benden Arbeiten der Selbst­ana­lyse und in seinem poli­ti­schen Akti­vismus die Entste­hung und Bedeu­tung margi­na­li­sierter Iden­ti­täten inner­halb von Herr­schafts­sys­temen unter­sucht. Er hat gezeigt, dass Belei­di­gungen von „Minder­heiten“ und Urteile über „abwei­chende“ Iden­ti­täten als Zuwei­sungen von Menschen in bestimmte Kate­go­rien und Klassen eine auto­ri­täre, herr­schafts­si­chernde Funk­tion haben. Belei­di­gungen und Urteile dieser Art führen nach Ansicht von Eribons Kollege Edouard Louis zu einer „nega­tiven Iden­tität“, indem sie die gesell­schaft­liche Hand­lungs­fä­hig­keit mino­ri­tärer Akteure einschränken, was wiederum, im Fall von ethni­schen Iden­ti­täten, zur „Ghet­toi­sie­rung“ und im Fall von sexu­ellen Iden­ti­täten zur Selbst­ver­leug­nung führt. 

Film­still aus „Baghdad In My Shadow“, Quelle: dschointventschr.ch

Dies sind die Zwänge, mit denen die einzelnen Träger kollek­tiver Iden­ti­täten konfron­tiert sind, sowohl in ihren Bezie­hungen zur Mehr­heits­kultur als auch inner­halb ihrer jewei­ligen „Subkul­turen“, wenn sie sich um Mobi­li­sie­rung und Wider­stand bemühen. Und es sind die Kräfte, die in Baghdad In My Shadow, dem neuesten Film von Samir, thema­ti­siert werden. Der Regis­seur verkom­pli­ziert die Ausgangs­lage noch weiter, indem er seine Darstel­lung von Iden­ti­täts­po­litik im „multi­kul­tu­rellen“ Westen und hier fast ausschließ­lich inner­halb einer iraki­schen Exil­ge­mein­schaft in London ansie­delt. Das  vermeint­lich homo­gene „fremde“ Element erweist sich dabei als durch interne Konflikte und Para­do­xien zerrissen. Und getreu der Behaup­tung von Yuval Harari, dass sich Kulturen in Momenten des Selbst­wi­der­spruchs am besten verstehen lassen, zeichnet Samir das Porträt einer bestimmten Erfah­rung von Einwan­de­rern, das gleich­zeitig zutiefst einzig­artig und doch auch sinn­bild­lich ist für die internen Kämpfe, mit denen auch andere Kollek­tive in einer aufstre­benden post­na­tio­nalen Welt konfron­tiert sind.

Taufiq, der Dichter

Die Geschichte des Films folgt Taufiq, einem iraki­schen Dissi­denten unter Saddam Hussein, der seit den 1990er-Jahren im Exil lebt und heute als Nacht­wächter im Briti­schen Museum arbeitet. Dort begegnen wir ihm zum ersten Mal zwischen den Über­resten Meso­po­ta­miens, welche die Bühne für das zweite große Thema des Films, die asym­me­tri­sche Bezie­hung zwischen den Kulturen des „Abend­landes“ und denen des „Orients“, bilden. Denn während das erste didak­ti­sche Ziel des Regis­seurs dieses Spiel­films darin besteht, drei zentrale Tabus der isla­mi­schen Welt zu erfor­schen und zu sprengen – Abtrün­nig­keit (die Abkehr vom musli­mi­schen Glauben), Ehebruch (die eroti­sche Frei­heit der Frau) und Homo­se­xua­lität (hier haupt­säch­lich die männ­liche) –, ist seine Geschichte auch ein Versuch über die ungleiche Vertraut­heit mit dem kultu­rellen Erbe des jeweils „Anderen“.

Taufiq ist ange­stellt, um die Schätze seiner eigenen alten Vergan­gen­heit zu bewa­chen, zur Aufbe­wah­rung wegge­sperrt in einem Denkmal des briti­schen Kolo­ni­al­pro­jekts, und obwohl der Öffent­lich­keit nomi­nell zugäng­lich, weit­ge­hend unbe­kannt. So unbe­kannt wie auch Taufiqs eigene kultu­relle Produk­tion: Sein Ziel ist es, die Gedichte, die er während seiner Nacht­schichten im Museum schreibt, in einem ange­se­henen Londoner Verlag zu veröf­fent­li­chen, dessen Leiterin er umworben hat. Seine Bemü­hungen waren bislang vergeb­lich, offen­sicht­lich behin­dert durch den Mangel an briti­scher Leser­schaft für arabi­sche Verse. Und tatsäch­lich, obwohl sie ihre Bewun­de­rung für die meso­po­ta­mi­sche Kultur und Geschichte bekundet, symbo­li­siert Maud, die nicht-arabische Verlags­lei­terin, ihre Unkenntnis der arabi­schen Kultur, indem sie selbst über wich­tigste Namen stol­pert. Taufiq dagegen kennt seine engli­schen roman­ti­schen Dichter auswendig.

Film­still aus „Baghdad In My Shadow“, Quelle: dschointventschr.ch

Taufiqs Poesie wird im Abu Nawas Café, einem Treff­punkt der iraki­schen Gemein­schaft in einem Londoner Stadt­teil und dem Flucht­punkt der Film­hand­lung, deut­lich wärmer aufge­nommen. Benannt nach einem klas­si­schen arabi­schen Dichter, der einem Stamm­gast zufolge „ein alko­hol­kranker Homo­se­xu­eller“ war, wird das Café von Zeki geführt, einem iraki­schen Kurden und Kommu­nisten. Ihm hilft Amal, eine christ­liche Irakerin, die in Groß­bri­tan­nien Zuflucht gesucht hat und auf die Papiere wartet, die es ihr ermög­li­chen, von ihrem in Bagdad erlangten Archi­tek­tur­di­plom Gebrauch zu machen. Wenn Taufiq im Café eine Lesung seiner Gedichte veran­staltet, sitzen auch weitere Persön­lich­keiten aus der Gemeinde im begeis­terten Publikum: Seine verwit­wete Schwä­gerin Maha, eine schii­ti­sche Irakerin, und ihr Sohn Nasseer, der die Vormund­schaft seines athe­is­ti­schen Onkels gegen die Verlo­ckungen eines charis­ma­ti­schen funda­men­ta­lis­ti­schen Imams eintauscht; Samira, eine kämp­fe­ri­sche kommu­nis­ti­sche Irakerin und ironi­sche Beob­ach­terin des unver­bes­ser­li­chen Machismo ihrer Kame­raden; Ahmed Kamal, ein iraki­scher, zu Besuch anwe­sender Kultur­at­taché mit einer fins­teren baat­his­ti­schen Vergan­gen­heit; und Mohanad, ein junger iraki­scher Flücht­ling, dessen Homo­se­xua­lität sein Leben in Bagdad gefährdet hat und der in London mit einem deut­schen Geliebten sein Glück gefunden hat, den er jedoch nicht bereit ist, seinen vermeint­lich homo­phoben iraki­schen Freunden vorzustellen.

Ebenen der Zugehörigkeit

Einge­woben in den ganzen Film ist die iraki­sche Populär- und TV-Kultur, die die Freunde in der alten Heimat zurück­lassen haben und die auf den Fern­seh­bild­schirmen im Café und zu Hause gezeigt wird; sie bildet die Folie für die hoch­ge­sinnte lite­ra­ri­sche Produk­tion von Taufiq und seinem berühmten Vorfahren Abu Nawas. Amal, die den Irak verließ, um in Frei­heit von den Zwängen einer tradi­tio­nellen Ehe zu leben, wech­selt bei einer eman­zi­pa­to­ri­schen arabisch­spra­chigen Talk­show über weib­liche Lust den Sender, um sich einem senti­men­talen Lied über Herz­schmerz und das Frau­enlos hinzu­geben, während Zeki und Samira, die fort­schritt­li­chen Inter­na­tio­na­lis­tinnen, Amal’s briti­schen (d.h. nicht arabi­schen) Freund mit einer chau­vi­nis­ti­schen Inter­pre­ta­tion eines schmal­zigen Lobge­sangs über die Qualen der roman­ti­schen Liebe vertreiben. 

Diese arabi­sche Popmusik ist zusammen mit dem arabi­schen Tages­fern­sehen, das Maha konsu­miert, gleich­zeitig ein Symbol für das gemein­same Erbe der unglei­chen Auswan­derer und ein Symbol für die Wider­sprüche, die sie vonein­ander trennen und die auch quer durch ihre Iden­ti­täten verlaufen: Die erzäh­le­ri­schen Figuren von Stam­mes­den­kens, Folter und Terror, die in iraki­schen Balladen, Seifen­opern und Sitcoms einge­setzt werden, sind trivia­li­sierte Zerr­bilder jener Geschichten, die diese Menschen im Café tatsäch­lich erlitten haben, sowohl zuhause im Irak als auch draußen in der Diaspora. Es sind Geschichten, die sie unter­ein­ander und mit sich selbst in Konflikt gebracht haben, und die das Urteil der domi­nanten Kultur über sie als einem einheit­li­chen Block von „Arabern“, „Muslimen“ oder sogar „Irakern“ Lügen strafen.

Film­still aus „Baghdad In My Shadow“, Quelle: dschointventschr.ch

Diese verschie­denen Span­nungen erfor­dern eine erzäh­le­ri­sche Lösung, die hier in Form eines gewalt­samen Show­down zwischen den Kräften eines bestimmten provin­zi­ellen, ethno­zen­tri­schen, rechten Radi­ka­lismus und dem eklek­ti­schen, post­tri­balen, ästhe­tisch verfei­nerten Sozi­al­de­mo­kratie des Cafés erfolgt. Samir kennt natür­lich, wie Taufiq, seine „west­liche“ Kultur, in diesem Fall die anglo-amerikanische Film­ge­schichte – und es gibt in der Gestal­tung und Lösung der Krise Anspie­lungen auf so junge Klas­siker des alter­na­tiven gesell­schafts­po­li­ti­schen Films wie Spike Lees Do The Right Thing (1989) mit seinem Gleichnis von Strei­tig­keiten in Gemeinden und der Teilung von Minder­heiten, und Stephen Frears‘ My Beau­tiful Laun­de­rette (1985), einer Geschichte aus der Thatcher-Ära über immi­gran­ti­sches Unter­neh­mertum und „inter-ethnische“ sexu­elle Befreiung. Aber während Lee eine Minder­hei­ten­gruppe gegen eine andere antreten lässt – Afro­ame­ri­kaner gegen Italiener – und Frears einen Konflikt zwischen „weißen“ briti­schen Rassisten und ihren ehema­ligen „farbigen“ Kolo­ni­al­sub­jekten zeigt, kommt die Bedro­hung des Frie­dens in Bagdad In My Shadow aus der arabi­schen Gemein­schaft selbst – und zwar in Form eines Angriffs auf die iraki­schen Abtrün­nigen, Ehebre­che­rinnen, Kommu­nisten und Homo­se­xu­ellen, der von musli­mi­schen Hard­li­nern der lokalen Moschee verübt wird.

Sie können uns unter­stützen, indem Sie diesen Artikel teilen: 

Konflikt und Widerstand

Die Mobi­li­sie­rung der Wider­stands­kräfte kommt von uner­war­teter Seite. Muhanad, der junge iraki­sche Flücht­ling, dessen Arbeit in der Moschee der Auslöser für die reak­tio­näre Gewalt ist, ermahnt seine Freunde zum Handeln in Worten, die ihre eigenen grin­senden Bemer­kungen über seine Sexua­lität wider­spie­geln: „Are you cocks or chickens?“ Das ist die Belei­di­gung, mit der der Film beginnt, ein Film voller Belei­di­gungen – „Kommu­nist“, „Ungläu­biger“, „Schwuchtel“, „Versager“, „Ehebre­cher“, ja sogar „Kurde“ und „Engländer“, die alle als Urteile und Zuwei­sungen einer sozialen Kate­gorie fungieren.

Als Taufiq und Zeki Muhanad und seinen Geliebten Sven vor dem Café beob­achten, fragen sie sich ironisch, welcher der Männer „aktiv“ ist – der „Hahn“ – und welcher passiv – das „Huhn“. Sie werden von Samira für ihren einfa­chen Essen­tia­lismus geta­delt, der sie daran erin­nert, dass auch sie in ihren sexu­ellen Bezie­hungen zu Frauen jede der Rollen spielen können. Nun, da Muhanad diese Kate­go­rien selbst aufgreift, um seine Freunde aufzu­for­dern, den isla­mis­ti­schen Fana­ti­kern in Nasseers Moschee Wider­stand zu leisten, besteht er auf einer nicht essen­ti­ellen Inter­pre­ta­tion sozialer Hand­lungs­fä­hig­keit und erin­nert seine Freunde daran, dass Herr­schafts­ver­hält­nisse in der Politik wie in der Sexua­lität will­kür­lich, nicht fest­ge­legt sind, sondern eine Frage der „Perfor­mance“ und des Spiels.

Im einem Hand­ge­menge, das aus diesen Strei­te­reien unter Freunden entsteht, wird Taufiq gezwungen, die gemein­samen Rahmen der Café-Gemeinschaft aufzu­geben. Getrieben vom Willen, seine Verwandten zu schützen und die Schuld abzu­büßen, die er fühlt, weil er seine Familie im Exil verlassen hat, lässt er sich auf ein verhäng­nis­volles Treffen ein. Er wird sich in Gefahr begeben und zum aktiven Teil­nehmer eines privaten Rache­dramas werden, das eben­falls Teil der Story ist, da er sich von Blut­banden und gerade nicht von der perfor­ma­tiven Zuge­hö­rig­keit zu einer kollek­tiven sozialen Gruppe leiten lässt. Und er wird seine Frei­heit für die seines Neffen opfern. In den Worten des Gedichts, das er verfasst, wenn wir ihn zum ersten Mal im British Museum treffen, und das er später im Café rezi­tieren wird, ist es Bagdad, das ihn mit seinem „Schatten“, in seiner Erin­ne­rung, begleitet, das ihn bean­sprucht und das eine Gefängnis durch ein anderes ersetzt.

„Poesie lässt nichts geschehen“

Wer würde einen Dichter oder einfach nur eine lyri­sche Seele zum Prot­ago­nisten eines Unter­hal­tungs­films machen? Es ist eine exklu­sive Gruppe, zu der Ian MacEwan, Jim Jarmusch, Donna Leon – und natür­lich Homer – und jetzt Samir gehören. Aber warum tut sie es? Im Falle von Baghdad In My Shadow kann es hilf­reich sein, sich an die oft zitierte Zeile in Audens Eloge für Yeats zu erin­nern: „Poetry makes nothing happen“ – „Poesie lässt nichts geschehen“. Dieser einfache Satz, der in der Hommage eines Dich­ters an einen anderen über­ra­schen mag, lässt zwei unter­schied­liche Inter­pre­ta­tionen zu. Eine, die „neoli­be­rale“, beur­teilt die Poesie als unpro­duktiv, unfruchtbar, als teuren Schmuck, auf den im Namen der Austerität verzichtet werden sollte. Die andere, die „utopi­sche“, ist eine stär­kere Lesart: Poesie macht möglich und bringt hervor, was gerade noch ein Nichts war. Sie ist eine Erin­ne­rung an eine vergan­gene Zeit oder einen vergan­genen Ort – das para­die­si­sche Bagdad aus Amal’s Jugend mit seinen Gärten und liebens­werten Strei­tig­keiten, das intakte Bagdad von Taufiq’s Unschuld vor dem Fehl­tritt – die fort­be­stehen, wie der Schatten, der untrennbar mit dem erin­nernden Subjekt verbunden ist, und der die indi­vi­du­elle Präsenz dieses Subjekts zum Zeichen des Wider­stands und als ein Hindernis für die Markie­rungen der Macht prägt. Sie ist eine Erin­ne­rung, die als Grund­lage einer Zukunft dient, in der, um mit Amal’s Worten zu spre­chen, „nobody will judge us for who we are“. Eine Zukunft ohne Belei­di­gung, soziale Verur­tei­lung und erzwun­gene kollek­tive Identität.

Film­still aus „Baghdad In My Shadow“, Quelle: dschointventschr.ch

Die ulti­ma­tive Geste des Dich­ters Taufiq, sein aktives Eindringen in die Erzäh­lung, erfolgt im Geiste von E.M. Forster, der bekann­ter­maßen hoffte, dass er den Mut haben würde, sein Land zu verraten und nicht seinen Freund. Taufiqs Opfer, mit dem er seine Schuld sühnt, festigt auf einer sub-nationalen, privaten Ebene und in der symbo­li­schen Vater­schaft für den Neffen die Verbun­den­heit mit der Familie. Es lässt den Riss offen, der durch seine kollek­tive Iden­tität als ehema­liger Bürger des „Irak“ verläuft – eine imagi­näre Gemein­schaft, die das geschicht­liche Produkt eines Impe­riums, des Kolo­nia­lismus und der Bezie­hungen von Klassen- und ethni­scher Herr­schaft ist. Eine Nation, die in der Tat eine fast ebenso grosse Fiktion ist wie das „Verei­nigte Königreich“.

Über­set­zung: Sabrina Habel und Philipp Sarasin 
Autoren­por­trät: Nina Mann