In den letzten Jahrzehnten hat der Klimawandel in der westlichen Öffentlichkeit zunehmend Aufmerksamkeit erfahren. Allerdings ist der wissenschaftliche Diskurs zum Thema „Klimawandel“ alles andere als neu. Bereits im achtzehnten Jahrhundert hatten Naturphilosophen wie David Hume, Jean-Baptiste Dubos, Thomas Jefferson und andere den Einfluss der menschlichen Gesellschaften auf das Klima diskutiert. In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, als die Klimawissenschaften mit dem Höhepunkt des Imperialismus um eine globale Sichtweise ergänzt wurden, gewann die Debatte noch weiter an Bedeutung. Entwicklungen wie die Errichtung von Netzwerken zu meteorologischen Beobachtungen auf der ganzen Welt, die Standardisierung meteorologischer Instrumente und Messungen sowie der Aufstieg der Statistik ermöglichten es den Wissenschaftlern in dieser Zeit, den Klimawandel nicht nur aus einer historischen, sondern auch aus einer globalen Perspektive zu betrachten, wie etwa der Wissenshistoriker James Rodger Fleming in seinem Buch „Historical Perspectives on Climate Change“ (2005) beschreibt.
In den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts stützten sich die Argumente für die Existenz eines Klimawandels häufig auf Klimarekonstruktionen, eine Form der Historisierung des Klimas, die sich auf antike sprachliche Quellen und Klimabeschreibungen stützt. Dabei wurden griechische und römische Texte bisweilen auch mit archäologischen Funden und geologischen Analysen verknüpft, um zu beweisen, dass in Griechenland, Cyrenaica und in Teilen Europas ein Klimawandel stattgefunden hatte.
Biblische Beweise für den Klimawandel

Bild aus „Palestine and its Tansformations“ (1911); Quelle: flickr.com
Einer der wichtigsten Quellentexte, der einen Klimawandel im Nahen Osten (und insbesondere in Palästina) beweisen sollte, war die hebräische Bibel. Der amerikanische Geograph Ellsworth Huntington, ein vehementer Geodeterminist und prominenter Verfechter der Theorie des Klimawandels, schrieb 1911 in einem Artikel mit dem Titel „Palestine and its Transformations“, dass in keinem anderen Land Klimatheorien so gut getestet werden könnten, denn Palästinas bekannte Geschichte reiche bis in die frühe Antike zurück. Huntington fügte hinzu, dass er während seiner Expedition nach Palästina „überrascht war, auch zu entdecken, wie eng historischer Fortschritt oder Niedergang mit den Veränderungen des Klimas verzahnt zu sein scheinen“.
1914 bestätigte der britische Geologe und Forschungsreisende John Walter Gregory den Befund des Klimawandels in einem Artikel mit dem Titel „Is the Earth Drying Up?“, in dem er den zeitgenössischen Zustand Palästinas mit den prächtigen biblischen Darstellungen verglich: Die Bibel beschreibt ein Land, in dem Milch und Honig fließen, das fruchtbar ist, reich an Wein und Oliven, und vieles deutet darauf hin, dass es dicht bewaldet war. Zudem war es den ‚Statistiken‘ des Alten Testaments zufolge auch dicht bevölkert. Zu Gregorys Zeit hingegen war Palästina ein armes und karges, von ungefähr 700.000 Menschen bewohntes trockenes Land mit spärlicher Vegetation, über das glühende Winde aus den Wüsten im Osten fegten.
Umweltfrage im Kolonialismus
Andere Publikationen zum Klimawandel aus dem gleichen Zeitraum gingen hingegen von gleichbleibenden Wetterphänomenen in Palästina aus, und sahen dies als Beweis für eine vom Menschen verursachte Verkümmerung der Umwelt. Statt in der Bibel Hinweise auf die Fruchtbarkeit der lokalen Umgebung in vergangenen Zeiten zu suchen, stützten sich diese Forschungen auf biblische Berichte über die Wettermuster im Land Israel. Palästina habe sein fruchtbares Potenzial nie verloren, wurde argumentiert. Der einzige Grund für die mögliche Verschlechterung des Zustands des Landes sei die Vernachlässigung durch die ansässigen Araber und Osmanen oder ihre „Unkultur“ – wie ein zeitgenössischer deutscher Wissenschaftler formulierte. Diese Vorstellung einer ‚vernachlässigten Umwelt‘ war Teil eines globalen kolonialen Diskurses, in dem Kolonialverwalter und -experten den ansässigen indigenen Bevölkerungen unterstellten, durch eine angeblich falsche Behandlung der natürlichen Ressourcen eine Verschlechterung der Umwelt herbeigeführt zu haben. Insbesondere die Briten und Franzosen neigten in Bezug auf Nordafrika und den Nahen Osten dazu, die Schuld an Raubbau, Bodenverschlechterungen und Ressourcenausbeutung den muslimischen Eroberern zuzuschieben.
Eine der am häufigsten angewandten Methoden der Kolonialzeit, der Austrocknung der Böden zu begegnen und zur ‚Verbesserung‘ des Klimas beizutragen, war die Aufforstung. Die Verknüpfung von Wäldern und Klimawandel, die sich durchgesetzt hat und bis heute eine große Rolle spielt, beruht auf dem Wissen, dass Bäume Kohlendioxid speichern und Sauerstoff abgeben und so – unter anderem – ein atmosphärisches Gleichgewicht schaffen, das dazu beiträgt, die Temperatur der Erde stabil zu halten. Diese Erkenntnis findet sich bereits in den Schriften des griechischen Naturforschers und Aristoteles-Schülers Theophrastos und blieb über den Großteil der nächsten Jahrtausende relevant.

Herbert Samuel (rechts, mit Krawatte) in Palästina, 27.7.1920; Quelle: reddit.com
Im 18. und 19. Jahrhundert wurde der Zusammenhang zwischen Wäldern und Klimawandel dann von wissenschaftsbasierten und kolonialen Gesellschaften weiterentwickelt. Eine Entwicklung, die die Briten dazu veranlasste, bis 1850 ein Viertel des Lands in ihrem gesamten Herrschaftsgebiet in geschützte Wälder umzuwandeln. Auch in Palästina waren die Briten von dem Moment, an dem sie Fuß auf das Land gesetzt hatten, mit Forstwirtschaft beschäftigt. Herbert Samuel, der seit 1920 der erste Hochkommissar des britischen Völkerbundmandats für Palästina war, schrieb 1921 einen Bericht an den Völkerbund, in dem er festhielt, dass die Aufforstung „die ersten Anfänge eines Prozesses [darstelle], der in großem Maße zur Produktivität Palästinas beitragen, die Niederschlagsmengen erhöhen und den Landschaften frischen Charme verleihen sollte“.
Politische Bäume
Die britischen Aufforstungsmaßnahmen erfüllten auch eine wichtige politische und territoriale Rolle. Wälder waren große Landflächen, die von der Regierung kontrolliert und überwacht wurden und in denen das Weidenlassen von Vieh, das Holzschlagen und mitunter sogar der als „Herumlungern“ bezeichnete Aufenthalt von Menschen verboten wurden, was die lokale landwirtschaftliche Sozialstruktur entscheidend beeinträchtigte. Obwohl die Aufforstung im Palästina der britischen Mandatszeit (1918-1948), also im frühen zwanzigsten Jahrhundert, mit dem Diskurs über den Klimawandel verbunden war, wurde sie im Laufe der Zeit auch zu einem Instrument, um politische, nationale, territoriale und kulturpolitische Ziele zu erreichen. Zu diesen Zielen gehörten, erstens, die ‚Wiederherstellung‘ imaginärer biblischer Landschaften, die sowohl den britischen als auch zionistischen Versuch widerspiegelte, ein historisches und moralisches Anrecht auf das Gebiet zu rechtfertigen; zweites die Umwandlung der lokalen Landschaft in eine für die Augen der europäischen Betrachter ‚vertraute‘ und ‚freundliche‘ Szenerie; und, drittens, die Aneignung von indigenem Land. Diese politischen Ziele, in deren Rahmen die Bäume mit der westlichen Kultur identifiziert wurden, gingen deutlich über genuin klimatische und ökologische Anliegen hinaus.
Ähnlich wie britische Experten behaupteten zionistische Botaniker und Agronomen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, dass die Aufforstung das lokale Klima verbessern würde, welches aufgrund von Überweidung und Vernachlässigungen durch die lokale Bevölkerung immer weiter degeneriert sei. Bevor der Zusammenhang zwischen der Emission von Treibhausgasen und dem Klimawandel hergestellt wurde, waren die Wälder der zentrale Gegenstand in den Diskussionen um den Klimawandel. Entwaldung wurde als schädlich und Aufforstung als nützlich angesehen, auch wenn letztere bedeutete, das lokale ökologische Gleichgewicht durch die Einführung neuer und fremder Pflanzenarten zu stören.
Vom australischen Eukalyptus zur europäischen Kiefer
In Palästina beispielsweise führte die mangelnde Kenntnis britischer und zionistischer Experten über die ökologischen Zusammenhänge der ‚ursprünglichen‘ Flora des Landes dazu, dass sie Bäume pflanzten, die es im Land noch nie gegeben hatte, womit sie radikal in lokale Prozesse eingriffen. Im späten neunzehnten Jahrhundert wurde der Eukalyptusbaum zusammen mit anderen Pflanzen ins Land eingeführt, um die großen Sümpfe in der Küstenebene zu entwässern. Der Eukalyptusbaum wurde dann aber in den 1920er Jahren von der Kiefer abgelöst, die von zionistischen Förstern deshalb geschätzt wurde, weil sie relativ schnell wuchs und nicht viel Kultivierung erforderte.
Darüber hinaus ließ sich mit Kiefern eine europäisch anmutende Landschaft schaffen, da die Kiefern die europäischen Juden an die Fichten in ihrer alten Heimat erinnerten. Ungeachtet all dieser allerdings recht speziellen Vorzüge hat die Kiefer jedoch den gravierenden Nachteil, dass sie im Laufe der Jahrzehnte zu einem signifikanten Rückgang der lokalen Biodiversität führt: Abfallende Kiefernnadeln und Samenschalen der Bäume verzögern nämlich das Keimen anderer Pflanzen. Daher neigen Kiefernwälder dazu, sich schnell auszudehnen, biologisch vielfältige Gebiete einzunehmen und sie in wenig bewachsene Landschaften zu verwandeln. Die dichte Anpflanzung von Kiefern erhöht zudem das Risiko für größere und schwerere Brände, wie sie in den letzten Jahrzehnten infolge des Klimawandels häufiger aufgetreten sind.
Ähnlich wie der britische Kolonialwald hatte auch der zionistische Wald territoriale Implikationen: Er diente als ein wichtiges Instrument für die Inbesitznahme von Land und die Erfüllung der zionistischen Siedlungsideologie. Bereits 1911 erkannten zionistische Institutionen, dass der Wald dank der osmanischen Landpolitik und später der britischen Baumschutzpolitik ein geeignetes Werkzeug sein konnte, um Macht über Gebiete zu erlangen und jüdischen Einwanderern Arbeit zu verschaffen. Nach osmanischem Recht ging Land, das von seinem Eigentümer nicht bebaut oder kultiviert wurde, an den Staat zurück. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert erwarb die zionistische Bewegung mehr Land als sie tatsächlich besiedeln konnte (manches eignete sich auch nicht zur Besiedelung). Um das Land behalten zu können, pflanzten sie Bäume an. Nach dem Krieg von 1948 wurde die Forstwirtschaft dann zu einem Hilfsmittel, mit dem der Staat Israel ehemalige palästinensische Dörfer übernahm, deren Bewohner geflohen oder vertrieben worden waren. Die Bäume bedeckten die Ruinen der Dörfer und verhinderten die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge.
Waldpolitik im heutigen Israel
Wie Eyal Weizman in seinem Buch The Conflict Shoreline: Colonialism as Climate Change in the Negev Desert (2015) festhielt, schrieb Yosef Weitz, Direktor der Abteilung für Land und Aufforstung des Jüdischen Nationalfonds (JNF) im Jahr 1933, dass Wälder eine wichtige Rolle dabei spielten, „vor Ort geopolitische Fakten zu schaffen“. Mit Blick auf die trockene geographische Zone des Negev behauptet Weitz, Wälder seien in der Lage, „die Wüste abzuwehren und so eine Sicherheitszone für die Einwohner Israels zu schaffen“. Heute nennt sich der Jüdische Nationalfond mit Stolz den größten und wichtigsten ökologischen Einflussnehmer in Israel und eine der führenden Kräfte in der Bekämpfung der Wüste durch das Anpflanzen von Bäumen. Auf der offiziellen Website der Organisation heißt es: „Israel ist eines der wenigen Länder der Welt, das heute mehr Bäume hat als vor hundert Jahren“. Diese Aussage wird auch von internationalen Umweltorganisationen bestätigt und gutgeheißen. Leider spiegeln die heutigen Erfolge Israels bei der Bekämpfung der Desertifikation nicht wirklich die Bedeutung wider, die Umweltbelangen von Regierungsstellen und Entscheidungsträgern tatsächlich eingeräumt wird. Und dann ist da noch das koloniale Erbe der Waldpolitik.

Der Yatir Wald; Quelle: youtube.com
Im Jahr 2015 befürwortete die UNO Maßnahmen, die in Israel im Rahmen des Kampfes gegen die Desertifikation durchgeführt wurden und die die Aufforstungspraktiken im Yatir-Wald im nördlichen Negev in den Mittelpunkt stellten. Der Yatir-Wald, der in den 1960er Jahren gepflanzt wurde und hauptsächlich aus Kiefern besteht, ist heute nicht nur der größte Wald in Israel, sondern auch der größte von Menschenhand geschaffene Wald der Welt in einem Halbtrockengebiet. Professor Dan Yakir, israelischer Preisträger für Umweltwissenschaften und Gründer der von der NASA unterstützten Klimaforschungsstation des Weizman-Instituts, zeigte 2019, dass der Yatir-Wald Kohlenstoff in der gleichen Geschwindigkeit und Kapazität wie europäische Wälder absorbiert und daher für den Kampf gegen die globale Erwärmung und insbesondere für die Waldforschung in Halbtrockenregionen von großer Bedeutung ist. Der Yatir-Wald ist jedoch zugleich auch als zentraler Schauplatz bekannt, an dem der Staat Israel seine beduinischen Bürger bekämpft. Beduinendörfer wie Hassein Al Rafiaa und Al-Araqeeb sind seit Ende der 1990er Jahre aufgrund der Aufforstungsprogramme von Zwangsumsiedlungen bedroht, obwohl es im Negev genügend andere Gebiete gäbe, in denen die Aufforstungspläne umgesetzt werden könnten.
Wie das Beispiel Palästina/Israel zeigt, wurde der Klimawandel in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts häufig aus kolonialistischer Perspektive betrachtet. In dieser Zeit konnten Experten den Wandel des Klimas erstmals erfassen – zum einen aufgrund der Vereinheitlichung der wissenschaftlichen Instrumente und Methoden, zum anderen aufgrund des erweiterten Blicks auf die Klimaphänomene, der durch den europäischen Besitz großer geographischer Gebiete auf der ganzen Welt möglich wurde. Die Kolonialisten nutzten aber auch ihre Machtposition aus, um fremde Flora einzuführen, was zur Folge hatte, dass lokale Ökosysteme gestört wurden. Den indigenen Gesellschaften, denen man Vernachlässigung und Missbrauch ihrer natürlichen Umwelt vorwarf, wurden ‚Modernisierungsprozesse‘ aufgezwungen. Während dieses Vorgehen heute tendenziell kritisiert wird, auch weil es zum Anstieg der globalen Kohlendioxidemission geführt hat, zieht es die aktuelle Umweltpolitik in Israel immer noch vor, dem Klimawandel auf die ‚altmodische‘ koloniale Weise zu begegnen: Nicht durch die Begrenzung des CO2-Ausstoßes, sondern durch den Anbau fremder Pflanzenarten und die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung.
Übersetzung: sh.
Eine kürzere Version dieses Textes erschien am 13.11.2019 auf Hebräisch in der Haaretz, und am 28. Mai 2020 auf Englisch auf dem Blog politicaltheology.com