„Cultured Meat“ revolutioniere die Landwirtschaft und bremse den Klimawandel, sagt die Biotech-Industrie. Doch in Israel, neben Kalifornien der wichtigste Forschungs- und Produktionsstandort für künstliche Fleischproduktion, verweist dieses Fleisch nicht nur auf die Zukunft, sondern auch auf die koloniale Vergangenheit des Landes.

  • Efrat Gilad

    Efrat Gilad ist Postdoktorandin am Institut für Jüdische Studien an der Universität Bern. Sie unterrichtet zur jüdischen Geschichte, zur Lebensmittelgeschichte und zur Umweltgeschichte. Ihr demnächst erscheinendes Buch „Meat in the Heat“ befasst sich mit der Geschichte der Fleischproduktion und des Fleischkonsums im britischen Mandatsgebiet Palästina. Auf Twitter ist sie als @EfratGilad zu finden.

Im März 2022 läutete ein neues israe­li­sches Unter­nehmen die Glocke der NASDAQ in New York. Dieses Ereignis markierte eine neue Part­ner­schaft zwischen Tnuva, Israels größtem und bekann­testem Lebens­mit­tel­kon­zern, und Pluristem, einem israe­li­schen Biotech-Unternehmen, das auf Zell­kul­turen spezia­li­siert ist. Das erklärte Ziel der neuen Part­ner­schaft: die Vermark­tung von „kulti­viertem Fleisch“ (cultured meat).

Um mit Hilfe von Zell­kul­turen Fleisch herzu­stellen, entnehmen Wissenschaftler:innen Tieren zunächst Zellen. Anschlie­ßend lassen sie Fett- und Muskel­ge­webe in sepa­raten Strängen wachsen, vermi­schen sie und formen daraus ein Produkt, das Hack­fleisch ähnlich ist. Die Heraus­for­de­rung besteht heute darin, diese Tech­no­lo­gien auszu­bauen und ihre Kosten zu senken, um eine Massen­pro­duk­tion zu ermög­li­chen. Obwohl dieses Ziel noch in weiter Ferne liegt, werben Start-ups bereits für kulti­viertes Fleisch als ökolo­gi­sche Alter­na­tive zur herkömm­li­chen Fleischindustrie.

Eine viel­ver­spre­chende Biotech-Industrie

Quelle: vegnews.com

Israel ist ein wich­tiges Zentrum für kulti­viertes Fleisch. Nach dem kali­for­ni­schen Silicon Valley finden sich hier die meisten Biotech-Start-ups und Pilot­an­lagen, die sich der Produk­tion von kulti­viertem Fleisch verschrieben haben. Das erste im Labor erzeugte Steak der Welt wurde in Israel herge­stellt. Hier wurde die welt­weit erste Produk­ti­ons­an­lage für kulti­viertes Fleisch lanciert. Als welt­weit erstes Staats­ober­haupt kostete der ehema­lige Premier­mi­nister Benjamin Netan­jahu kulti­viertes Fleisch. Im Jahr 2022 hat ein israe­li­sches Start-up allein 347 Millionen USD aufge­bracht – ein Rekord­wert in diesem Sektor. Fast 40 % aller welt­weiten Inves­ti­tionen in kulti­viertes Fleisch fließen in israe­li­sche Unter­nehmen, darunter vor Kurzem auch Inves­ti­tionen der Schweizer Firmen Nestlé und Migros.

Quelle: elpais.com

Dass Israel in diesem Tech­no­lo­gie­be­reich eine heraus­ra­gende Stel­lung einnimmt, ist keine Über­ra­schung. Das Land ist eine selbst­er­nannte „Startup-Nation“, und die Israelis bezeichnen ihre Tech-Industrie liebe­voll als „Silicon Wadi“ („Wadi“ bedeutet „Tal“ auf Arabisch und Hebrä­isch). Das Land hat in der Tat eine lange Tradi­tion des Rück­griffs auf tech­no­lo­gi­sche Lösungen – so auch zur Bewäl­ti­gung von Umweltproblemen.

Die Entschei­dung, in kulti­viertes Fleisch zu inves­tieren, ist jedoch nicht nur auf Israels tech­no­lo­gi­sche Fähig­keiten zurück­zu­führen, und bei der Kulti­vie­rung von Fleisch geht es nicht nur um eine nach­hal­tige Zukunft. Tech­no­lo­gien sind stets auch an die Geschichte der Orte gebunden, an denen sie entstehen und sich entwi­ckeln. In Israel ist diese Geschichte in das kolo­niale Erbe seiner Fleisch­in­dus­trie einge­bettet, verbunden mit einem Jahr­hun­dert der Sehn­sucht nach Fleisch in einer natür­li­chen Umge­bung, die eine solche eigent­lich nicht zulässt.

Prekäre Fleisch­ver­sor­gung

In Paläs­tina konsu­mierten bis zum Ende des 19. Jahr­hun­derts nur die sehr Wohl­ha­benden regel­mäßig Fleisch. Die Lage an der Ostküste des Mittel­meers mit ihren langen, heißen und trockenen Sommern ließ inten­sive Vieh­zucht nicht zu. Die meisten Bauern bauten Getreide an, Vieh wurde haupt­säch­lich als Arbeits­kraft genutzt. Die Fleisch­ver­sor­gung wurde in Paläs­tina durch ein regio­nales Handels­netz gewähr­leistet, inner­halb dessen Händler die Tiere durch den Nahen Osten trieben. Sie kauften das Vieh von lokalen Züch­tern und brachten es zu den regio­nalen Märkten. Im Zuge der zuneh­menden Urba­ni­sie­rung und des wegen der boomenden Zitrus­in­dus­trie stei­genden Wohl­stands nahmen immer mehr Einhei­mi­sche Fleisch in ihren Spei­se­plan auf.

Nach dem Ersten Welt­krieg nahm die Geschichte des Flei­sches in Paläs­tina eine neue Wendung. Die briti­schen Streit­kräfte eroberten Paläs­tina und been­deten damit die 400-jährige osma­ni­sche Herr­schaft. Die neu gebil­dete briti­sche Regie­rung Paläs­tinas regierte über eine viel­fäl­tige Gemein­schaft von Muslim:innen, Christ:innen und einer Minder­heit von (meist) sephar­di­schen Jüdinnen und Juden. In der rest­li­chen Region teilten die briti­schen und fran­zö­si­schen Verwalter die ehema­ligen osma­ni­schen Gebiete unter sich auf und legten neue Grenzen fest, die die Zirku­la­tion von Menschen und Vieh kontrol­lierten. Entlang dieser Grenzen wurden Quaran­tä­ne­sta­tionen einge­richtet, neue Regeln und Vorschriften für den Handel mit Tieren in der Region aufge­stellt und somit die histo­risch gewach­senen Vieh­han­dels­wege künst­lich unterbrochen.

«Man hat uns über die Erfin­dung von ‚synthe­ti­schem Fleisch‘ in unserem Land infor­miert, herge­stellt aus Pilzen und Auber­ginen…» «Was ist das für ein Tier?» «Seht, eine synthe­ti­sche Kuh!», in: Ma’ariv, 11. November 1949; Quelle: The National Library of Israel

Während der Import von regio­nalem Vieh nach Paläs­tina unter der briti­schen Herr­schaft zurück­ging, nahm die Immi­gra­tion von Menschen zu. Infolge der briti­schen Politik in Paläs­tina und des zuneh­menden insti­tu­tio­nellen Anti­se­mi­tismus in Europa kam zwischen den beiden Welt­kriegen eine beispiel­lose Zahl jüdi­scher Siedler:innen aus Europa nach Paläs­tina. Die Nach­frage nach Fleisch stieg in dieser Zeit sprung­haft an. Obwohl Fleisch auch in den vielen Gemein­schaften Paläs­tinas auf Grund seiner nahr­haften und sätti­genden Eigen­schaften geschätzt wurde, waren die jüdi­schen Mittel­schichten aus Europa daran gewöhnt, in größeren Mengen und mit größerer Regel­mä­ßig­keit Fleisch zu essen als die meisten Paläs­ti­nenser oder die lokalen sephar­di­schen Jüdinnen und Juden.

Die zuneh­mende jüdi­sche Einwan­de­rung verschärfte die Span­nungen zwischen den Gemein­schaften im Land und führte zum paläs­ti­nen­si­schen Aufstand von 1936-1939, einem entschei­denden Moment in der Geschichte Paläs­tinas. Der paläs­ti­nen­si­sche Gene­ral­streik betraf Häfen, Straßen und Märkte und unter­brach die Lebens­mit­tel­lie­fe­rungen der jüdi­schen Siedler. In den Augen der zionis­ti­schen Führer in Paläs­tina verdeut­lichte der Aufstand die Abhän­gig­keit der jüdi­schen Sied­lungen von der paläs­ti­nen­si­schen Land­wirt­schaft und Infra­struktur, insbe­son­dere, was die Versor­gung mit Fleisch betraf.

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In Europa waren die Juden seit dem Mittel­alter mit dem Vieh­handel verbunden. In Paläs­tina hingegen hing der Fleisch­konsum von paläs­ti­nen­si­schen und regio­nalen arabi­schen Züch­tern ab. Jüdi­sche Akteure (Impor­teure, Metzger, reli­giöse Auto­ri­täten, städ­ti­sche Beamte) versuchten, im Fleisch­handel des Landes verstärkt Fuß zu fassen. In den 1930er Jahren begannen jüdi­sche Vieh­händler mit dem Import von Rindern aus Europa und stützten sich dabei auf ihre alten konti­nen­talen Netz­werke. Durch die Verschif­fung von Tieren aus Übersee erwei­terten die jüdi­schen Händler Paläs­tinas den regio­nalen zu einem trans­kon­ti­nen­talen Handel. Dieser Austausch über den Seeweg vermochte den regio­nalen arabi­schen Handel jedoch nicht zu ersetzen und funk­tio­nierte auch nicht gänz­lich von ihm getrennt. Doch er ermög­lichte es den jüdi­schen Händ­lern, in den Fleisch­handel des Landes einzu­dringen, indem sie in Paläs­tina euro­päi­sche Rinder einführten, die dreimal grösser waren als die einhei­mi­schen Arten.

Während die jüdi­schen Händler in Importe inves­tierten, kam es seitens der zionis­ti­schen Führung zu keinen Versu­chen, die lokale jüdi­sche Rind­fleisch­pro­duk­tion zu fördern. Aus gutem Grunde: Die Umwelt­be­din­gungen in Paläs­tina sind mit einer inten­siven Vieh­zucht nicht vereinbar. Zwar strebte die zionis­ti­sche Führung eine sepa­rate und autarke Sied­ler­wirt­schaft an, doch die Fleisch­ver­sor­gung blieb weiterhin von paläs­ti­nen­si­schen Züch­tern, regio­nalen arabi­schen Händ­lern und Über­see­im­porten aus Europa abhängig. All dies stand in einem krassen Wider­spruch zu den zionis­ti­schen Bestre­bungen nach einer autarken Wirtschaft.

Die Import­zahlen zeigen jedoch, dass die jüdi­schen Konsu­menten aus Europa weiterhin Fleisch aus verschie­denen Quellen kauften und trotz der wirt­schaft­li­chen Pläne ihrer Führung große Mengen Rind­fleisch verzehrten. Tel Aviv beispiels­weise war finan­ziell, demo­gra­fisch und auch in Bezug auf den Fleisch­konsum die wich­tigste Stadt des Sied­lungs­ge­bietes. Die sich entwi­ckelnde Fleisch­in­fra­struktur – insbe­son­dere der 1931 errich­tete Schlachthof – förderte die Expan­sion der Stadt und damit der gesamten jüdi­schen Besiedelung.

Statt nach einem Land, in dem Milch und Honig fließen, sehnten sich die Siedler:innen nach Fleisch als mate­ri­ellem Ausdruck einer wahr gewor­denen Utopie von Wohl­stand und Über­fluss. Die Verbes­se­rung des Zugangs der Juden zu Fleisch in Paläs­tina unter briti­schem Mandat mag zwar gegen wirt­schaft­liche Ideale verstoßen haben, diente aber dennoch dem zionis­ti­schen Ziel: dem Ausbau der Sied­lung und der Kolo­ni­sie­rung Palästinas.

Zeit der Entbehrungen

Haupt­sitz der Firma Tnuva; Quelle: Tnuva

Nach dem Ende der briti­schen Herr­schaft im Jahr 1947 kam es 1948 zum Paläs­ti­na­krieg. Als die israe­li­schen Brigaden die Paläs­ti­nenser von ihrem Land vertrieben, plün­derten sie auch deren Vieh­be­stand, nicht zuletzt, weil die durch den Krieg verur­sachte Störung des Handels zu einem Rück­gang der Fleisch­im­porte führte. In der Folge­zeit beauf­tragte das neu gegrün­dete israe­li­sche Land­wirt­schafts­mi­nis­te­rium die Firma Tnuva mit der Zentra­li­sie­rung des lokalen Fleisch­han­dels. Zu diesem Zeit­punkt war Tnuva bereits der größte Lebens­mit­tel­händler des Landes und war vor allem mit der jüdi­schen Milch­in­dus­trie verbunden. Auf seiner Website erin­nert das Unter­nehmen daran, wie es in das Fleisch­ge­schäft einge­stiegen ist: Bis 1948 sei die Fleisch­ver­sor­gung von der „arabi­schen Land­wirt­schaft und noma­di­schen Beduinen abhängig [gewesen]. Doch mit der Staats­grün­dung verschwand diese Haupt­quelle für Fleisch“. In Anleh­nung an die hege­mo­niale israe­li­sche Haltung redu­ziert die Website von Tnuva die Paläs­ti­nenser auf eine „Fleisch­quelle“ und ihren erzwun­genen Exodus auf ein „Verschwinden“.

Für jüdi­sche Israelis war die Fleisch­knapp­heit eines der prägenden Merk­male der ersten Jahre Israels. In diesen Jahren, die auch als Zeit der Entbeh­rungen bezeichnet werden, enthielt eine Lebens­mit­tel­ra­tion etwa 100 Gramm Fleisch pro Person und Woche. Beim Minis­te­rium für Ratio­nie­rung und Versor­gung gingen zahl­reiche Beschwer­de­briefe ein. Die Bürger gingen auf die Straße, um gegen die Reduk­tion der Fleisch­por­tionen zu protes­tieren. Der Schwarz­markt blühte. Der ille­gale Fleisch­handel war so lukrativ, dass selbst die Feind­se­lig­keiten zwischen den Bevöl­ke­rungs­gruppen manche Juden und Paläs­ti­nenser nicht davon abhielten, beim Fleisch­handel über die feind­li­chen Linien hinweg zusam­men­zu­ar­beiten. Einige schmug­gelten Fleisch aus paläs­ti­nen­si­schen Dörfern in jüdisch besie­delte Gebiete. Andere trieben ihr Vieh über die Grenzen der benach­barten arabi­schen Länder. Damit wurden jene histo­ri­schen regio­nalen Vieh­han­dels­pfade wieder­be­lebt, die seit der osma­ni­schen Zeit bestanden und unter der briti­schen Herr­schaft weiter­ver­wendet worden waren, wenn auch nicht mehr als regu­läre Handels­wege, sondern als Schmugglerpfade.

Die Fleisch­knapp­heit prägte auch die Entste­hung der israe­li­schen Küche. Mit dem Ziel, Fleisch zu imitieren, expe­ri­men­tierten Koch­lehrer, Ernäh­rungs­wis­sen­schaftler und Haus­frauen mit verschie­denen vege­ta­ri­schen Krea­tionen. In den 1950er Jahren behaup­tete ein israe­li­scher Chemiker, „das neue Fleisch“ erfunden zu haben, oder, wie die Presse es nannte: „synthe­ti­sches Fleisch“. Die Krea­tion war größ­ten­teils pflanz­lich, fermen­tiert und versprach, zu schme­cken wie das beste Stück Rind­fleisch mit einem Hauch von Enten­fett. Doch das „neue Fleisch“ wurde nie kommer­ziell produ­ziert. Das Minis­te­rium für Ratio­nie­rung und Versor­gung lehnte den Antrag des Erfin­ders auf Einfuhr der erfor­der­li­chen Zutaten ab.

Statt­dessen wurden israe­li­sche Köche und Verbrau­cher ermu­tigt, sich mit Auber­ginen als dem fleisch­ähn­lichsten einhei­mi­schen Gemüse zu trösten. Fleisch durch verschie­dene Ersatz­pro­dukte ersetzen zu müssen, war sinn­bild­lich für die Opfer, die den neuen Israelis abver­langt wurden. Wie der berühm­teste Ernäh­rungs­wis­sen­schaftler des Landes fest­stellte: „Der neue Einwan­derer muss nicht nur lernen, er muss auch vergessen“. Wie das so oft bei natio­nalen Ernäh­rungs­stilen der Fall ist, wurden auch hier manche dieser Ersatz­ge­richte allmäh­lich zu einem festen Bestand­teil der israe­li­schen Küche. Ein beliebter Auber­gi­nen­ein­topf, der dem Geschmack und die Konsis­tenz der osteu­ro­päi­schen Deli­ka­tesse „Gehackte Leber“ nach­emp­funden ist, wird noch heute in israe­li­schen Super­märkten verkauft.

Auf dem Weg zur Fleisch-Autarkie

Fleisch­theke in israe­li­schem Super­markt; Quelle: israeltoday.co.il

Erst mit dem Wirt­schafts­boom der 1990er Jahre und der Öffnung des israe­li­schen Marktes für inter­na­tio­nale Importe wurde Fleisch in Israel zu einem Grund­nah­rungs­mittel. Und trotz der jüngsten veganen Trends ist Israel heute einer der größten Fleisch­kon­su­menten der Welt. Im Jahr 2021 belegte es beim Rind­fleisch­konsum nach den Verei­nigten Staaten, Argen­ti­nien und Brasi­lien Platz 4 unter den OECD-Ländern. Doch im Gegen­satz zu diesen Ländern wird in Israel immer noch vergleichs­weise wenig Rind­fleisch produ­ziert. Die einhei­mi­sche Fleisch­in­dus­trie ist von Fleisch­im­porten und Schiffs­la­dungen mit lebenden Tieren abhängig. Das Unter­nehmen, das nach wie vor den größten Anteil an der israe­li­schen Fleisch­in­dus­trie hält, ist Tnuva.

Rund 70 Jahre nachdem Tnuva vom Staat mit der Zentra­li­sie­rung der Fleisch­in­dus­trie beauf­tragt wurde, steigt die Firma jetzt in das neue Geschäfts­feld des cultured meat ein. Als Israels größter Lebens­mit­tel­pro­du­zent mit dem größten Vertriebs­netz des Landes und täglich rund vier Millionen verkauften Produkten hat Tnuva das Poten­zial, die Kultur­fleisch­in­dus­trie zu verän­dern. Im April gab die israe­li­sche Inno­va­ti­ons­be­hörde bekannt, dass Tnuva ein „natio­nales Konsor­tium für kulti­viertes Fleisch“ leiten wird, das aus 14 Unter­nehmen und 10 akade­mi­schen Labors besteht. Das Konsor­tium wird eine erste Tranche staat­li­cher Mittel in Höhe von 60 Millionen NIS (etwa 17 Millionen CHF) erhalten, eine welt­weit beispiel­lose Unter­stüt­zung der Regie­rung für den Kulturfleischsektor.

Dass die israe­li­sche Regie­rung im Labor gezüch­tetes Fleisch unter­stützt, beruht auf dem Wunsch, bei der Entwick­lung einer hoch­mo­dernen und poten­ziell renta­blen Lebens­mit­tel­tech­no­logie führend zu sein. Darüber hinaus behaupten die Befür­worter des von Tnuva geführten Konsor­tiums, dass die Beschaf­fung nach­hal­tiger Prote­in­quellen Teil der natio­nalen Bemü­hungen um Ernäh­rungs­si­cher­heit und -souve­rä­nität sei. Nach einem Jahr­hun­dert der Sehn­sucht nach Fleisch wird das Aufkommen einer Tech­no­logie, die es ermög­licht, Fleisch unab­hängig von den natür­li­chen Gege­ben­heiten vor Ort zu züchten und sich von der Abhän­gig­keit von auslän­di­schen Importen zu befreien, als magi­sche Lösung für zahl­reiche, seit Langem bestehende Probleme ange­sehen. Dass Tnuva die Glocke der NASDAQ läuten ließ, erin­nert uns jedoch auch daran, dass Fleisch­kul­turen in der Vergan­gen­heit oft auch den Kolo­nia­lismus geför­dert haben.

Dieser Text erscheint in Koope­ra­tion mit dem Blog der Schwei­ze­ri­schen Gesell­schaft Mitt­lerer Osten und Isla­mi­sche Kulturen (SGMOIK).