Der Klimawandel ist eine wissenschaftliche Tatsache. Das hat jahrzehntelange Forschung von tausenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ergeben. Rechtspopulisten interessieren sich nicht dafür und streiten den Klimawandel ab. Stattdessen raunt man lieber von einer Weltverschwörung.

  • Manuel Kaiser

    Manuel Kaiser ist Doktorand an der Universität Zürich und arbeitet zu Wetter- und Klimawissen im Kalten Krieg.

Der Klima­wandel – oder besser gesagt: der angeb­lich ausblei­bende Klima­wandel gehört zu den Lieb­lings­themen rechts­kon­ser­va­tiver und rechts­po­pu­lis­ti­scher Kreise. Man könnte beliebig viele Beispiele von Poli­ti­kern aufführen, die insbe­son­dere in den sozialen Netz­werken, den Klima­wandel und seine Folgen rela­ti­vieren, verharm­losen oder ganz abstreiten.

Donald Trump twittert zum Klima; Quelle: twitter.com

Donald Trump twit­tert zum Wetter – oder zum Klima? 28. Juli 2014; Quelle: twitter.com

Tweed von SVP-Nationalrat Claudio Zanetti, gelöscht; Quelle: twitter.com

Tweed von SVP-Nationalrat Claudio Zanetti, 8. August 2015; Quelle: twitter.com

Dabei verwech­selt Donald Trump ab und an schon einmal „Wetter“ mit „Klima“, wenn er einen kühlen New Yorker Julitag als Beweis für den ausblei­benden Klima­wandel anführt. Der fleis­sige Twitter-User und SVP-Nationalrat Claudio Zanetti wiederum spottet nicht nur regel­mässig über „Klima­hys­te­riker“, sondern verlinkt immer wieder Texte, die auf angeb­liche Wider­sprüche der Klima­for­schung hinweisen.

Das sind keines­wegs verstreute Einzel­mei­nungen von beson­ders extremen Expo­nenten. Die rechten Parteien haben sich die „Klima­wan­del­skepsis“ auch in ihre Programme geschrieben: Die Alter­na­tive für Deutsch­land streitet in ihrem kürz­lich verab­schie­deten Grund­satz­pro­gramm die Exis­tenz des Klima­wan­dels grund­sätz­lich ab. Beklagt wird hingegen eine „Dekar­bo­ni­sie­rung“. Ganz so, als ob es sich bei Kohlen­di­oxid um ein schüt­zens­wertes deut­sches Kulturgut handeln würde. Im aktu­ellen SVP-Parteiprogramm kommen die Begriffe Klima­wandel oder Klima­er­wär­mung kein einziges Mal vor. „Unserer Umwelt geht es gut“, steht da lapidar als erster Satz im Kapitel zur Umwelt. Die SVP warnt vor „grünen Ideo­logen und Umwelt­theo­re­ti­kern“ und fordert „Praxis vor welt­fremder Theorie“, ohne jedoch genauer auszu­führen, was man sich unter einem „Klima­prak­tiker“ genau vorstellen soll.

Die Haupt­ar­gu­mente der „Skep­tiker“

Damit sind die zwei Haupt­ar­gu­mente der selbst­er­nannten „Skeptiker-Bewegung“ bereits genannt: Erstens wird unab­lässig auf angeb­liche Unstim­mig­keiten und Wider­sprüche inner­halb der Scien­tific Commu­nity verwiesen und zwei­tens die Klima­wis­sen­schaft als „ideo­lo­gi­sche Pseu­do­wis­sen­schaft“ diskre­di­tiert. Das erste Argu­ment des vermeint­li­chen Dissenses lässt sich in wenigen Sätzen wider­legen: Die Forschung zum Klima­wandel findet in einem inter­dis­zi­pli­nären, inter­na­tio­nalen Feld statt, und wird nicht nur von Klima­to­logen, sondern unter anderem auch von Ozea­no­grafen, Geogra­finnen oder Sozio­logen mitge­tragen. Natür­lich sind sich diese Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler auch heute keines­wegs in allen Punkten einig. Noch immer gibt es viele unge­löste Fragen und Probleme. Doch die derzei­tigen Debatten – die keines­wegs heim­lich geführt werden, wie die „Skep­tiker“ wider besseren Wissens beständig behaupten – ändern nichts daran, dass ein über­wäl­ti­gender Grund­kon­sens zum anthro­po­genen Klima­wandel besteht, wie etwa die US-amerikanischen Wissen­schafts­his­to­ri­kerin Naomi Oreskes bereits 2004 in Science mit einer Studie zur rele­vanten peer reviewed Lite­ratur im Zeit­raum von 1993 bis 2002 zeigte.

Vor diesem Hinter­grund kann man die beliebten Verweise der „Skep­tiker“ auf Forschungs- und Zeitungs­be­richte aus den 1970er-Jahren mit Prognosen einer neuen Eiszeit, die auf angeb­liche Wider­sprüche der Wissen­schaft hinweisen sollen, nur als absurd bezeichnen. Tatsäch­lich gab es in den 1970er-Jahren weit­rei­chende Debatten, ob und inwie­fern mensch­li­ches Handeln klima­re­le­vant sei. Und über Jahre waren sich die Klima­wis­sen­schaftler weder einig noch sicher, ob der schon länger bekannte Anstieg von Kohlen­di­oxid in der Atmo­sphäre zu einer Erder­wär­mung oder die Luft­ver­schmut­zung in Kombi­na­tion mit externen Faktoren, wie etwa den Sonnen­zy­klen, zu einer neuen Eiszeit führen würden. Der heutige Konsens ist aller­dings das Resultat genau dieser jahr­zehn­te­langen Forschung.

Screenshop aus einem Propagandafilm von "Klimaskeptikern"; Quelle: YouTube.com

Screen­shop aus einem Propa­gan­da­film von „Klima­skep­ti­kern“; Quelle: YouTube.com

Das zweite Argu­ment, die Behaup­tung, die Klima­for­schung sei eine „Pseu­do­wis­sen­schaft“, ist perfider. Die „Skep­tiker“ über­nehmen dabei geschickt die Termi­no­logie der post­mo­dernen Wissen­schafts­theorie und betonen sowohl die „Konstru­iert­heit“ wissen­schaft­li­chen Wissens als auch die Bedeu­tung wissen­schafts­externer Faktoren. Zunächst wird auf die vermeint­lich fehlenden empi­ri­schen Grund­lagen der Klima­mo­delle und -prognosen hinge­wiesen und damit das klima­wis­sen­schaft­liche Wissen als etwas Fiktives darge­stellt. Der SVP-Nationalrat Claudio Zanetti twit­terte beispiel­weise am 2. Juni 2016: „In der Klima­de­batte geht es nicht um Empi­rismus“ und die AfD spricht in ihrem Grund­satz­pro­gramm von „untaug­li­chen Computer-Modellen“. Zudem wird eine „links-grüne Ideo­logie“ imagi­niert, welche als externe Bedin­gung die Wissen­schaft nicht nur beein­flusse und konta­mi­niere, sondern lenke.

Die Einsicht, dass in der Wissen­schaft nicht einfach in Labor- und Feld­ex­pe­ri­menten kontextlos „ewige Natur­wahr­heiten“ enthüllt werden, ist weder neu noch beson­ders origi­nell. Von einem empha­ti­schen Wahr­heits­be­griff haben sich nicht nur Wissen­schafts­his­to­riker und -theo­re­ti­ke­rinnen, sondern inzwi­schen auch Natur­wis­sen­schaftler verab­schiedet. Nicht zuletzt die unter­schied­li­chen – oft zu Unrecht belä­chelten – turns der Geis­tes­wis­sen­schaften haben den Blick für die Orte, die Mate­ria­lität und den histo­ri­schen Kontext der Wissens­pro­duk­tion geschärft. Niemand würde heute ernst­haft eine abso­lute Unab­hän­gig­keit der Wissen­schaften behaupten. Spätes­tens seit Bruno Latours Labor­stu­dien ist die Fest­stel­lung, dass Wissen auch unter Labor­be­din­gungen in einem konkreten sozialen Austausch produ­ziert wird, ein Gemein­platz. Und dass Wissen­schaft sich in komplexen Wech­sel­wir­kungen mit der Gesell­schaft abspielt, kann heute nur mehr die wenigs­tens überraschen.

Wie Wissen­schaft funktioniert

Das bedeutet nun für die Klima­wis­sen­schaft erstens, dass man durchaus mit einer gewissen Vorsicht von einem „grünen Zeit­geist“ spre­chen kann, der nicht nur Forschung zum Klima­wandel, sondern auch zu umwelt­re­le­vanten Problem­stel­lungen im Allge­meinen begüns­tigt. Von den „Skep­ti­kern“ wird dabei aller­dings die Tatsache voll­ständig ausge­blendet, dass dieses globale Umwelt­be­wusst­sein zu keinem Zeit­punkt von poli­ti­schen Eliten aufok­troy­iert wurde. Im Gegen­teil: Die Etablie­rung des Umwelt­be­wusst­seins ist ein proto­ty­pi­sches Beispiel einer Graswurzelbewegung.

Zwei­tens und vor allem aber werden in der Klima­wis­sen­schaft (wie in allen anderen Wissen­schaften im Übrigen auch) natür­lich Modelle genutzt. Und man muss sogar hinzu­fügen, dass es in den Klima­wis­sen­schaften längst keine „rohen“ Daten mehr gibt, mit welchen die Modelle gefüt­tert werden könnten. Jede Daten­samm­lung durch­läuft zunächst eine ganze Reihe von Daten­mo­dellen. Der Wissen­schafts­his­to­riker Paul N. Edwards betont, dass wir alles, was wir über die Vergan­gen­heit, die Gegen­wart und die Zukunft des welt­weiten Klimas wissen, durch Modelle wissen. So etwas wie eine „reine“ Klima­si­mu­la­tion gibt es nicht. Daraus folgt, drit­tens, dass es sich bei den Klima­pro­gnosen um Zukunfts­wissen mit einem entspre­chend proble­ma­ti­schen epis­te­mo­lo­gi­schen Status handelt, das nur mit Wahr­schein­lich­keiten darge­stellt werden kann.

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Die Tatsache jedoch, dass wissen­schaft­liche Erkennt­nisse durch Modelle gewonnen werden, dass Begriffe und Vorstel­lungen, wie Ratio­na­lität, Objek­ti­vität und Wert­frei­heit, selbst eine Geschichte haben und nicht mehr als einzige und abso­lute Refe­renz­punkte für wissen­schaft­li­ches Arbeiten in Frage kommen, bedeutet nicht – und das ist das grosse Miss­ver­ständnis –, dass das produ­zierte Wissen falsch, fiktiv oder eine blosse Meinung wäre. Die sehr komplexen und rechen­auf­wän­digen Klima­mo­delle werden beispiels­weise immer wieder über­prüft. Unter anderem wird getestet, ob damit das vergan­gene oder gegen­wär­tige Klima korrekt simu­liert werden kann. Die Scien­tific Commu­nity ist sich also sehr wohl der Probleme bewusst. Fragen zur Aussa­ge­kraft von compu­ter­ge­nerierten Prognosen oder zur Kommu­ni­ka­tion von wissen­schaft­li­chen Resul­taten werden offen disku­tiert und reflek­tiert. Gerade diese andau­ernden Debatten führen oftmals zum Eindruck, „die Wissen­schaft“ sei wider­sprüch­lich und gene­rell unzu­ver­lässig. Was die „Skep­tiker“ tun, ist schlicht, dass sie wissen­schaft­liche Redlich­keit zum Vorwurf verdrehen, womit sie sich ein ebenso popu­lis­ti­sches wie zuver­läs­siges Instru­ment schaffen.

Entlar­vend ist auch, dass diese konstruk­ti­vis­tisch einge­klei­dete „Wissen­schafts­kritik“ nur sehr selektiv ange­wandt wird. Während die poli­ti­sche Rechte die Klima­wis­sen­schaft oder die Geis­tes­wis­sen­schaften unter Gene­ral­ver­dacht stellt, bekundet sie keinerlei Probleme damit, sich beispiels­weise auf die vor mehr als 50 Jahren geschrie­benen Texte eines Milton Fried­mans zu berufen, so als ob es sich um heilige Texte handeln würde. Als wissen­schaft­lich und „wahr“ gilt nur noch, was auch poli­tisch genehm ist.

Verschwö­rungs­theo­rien (und die SVP)

Klimaleugner-Karikatur zu Al Gore; Quelle: twitter.com

Klimawandelskeptiker-Karikatur zu Al Gore; Quelle: twitter.com

Dabei ist insbe­son­dere die diskre­di­tie­rende Behaup­tung von der Klima­wis­sen­schaft als einer von „links-grüner Ideo­logie“ bestimmten und verfälschten Unter­neh­mung längst über­zeu­gend ausge­he­belt worden. Naomi Oreskes hat zusammen mit Erik Conway in ihrem Buch Merchants of Doubt  (2010) für den US-amerikanischen Raum heraus­ge­ar­beitet, wie ein kleines, aber einfluss- und ressour­cen­rei­ches Netz­werk von Indus­trie­ver­tre­tern, rechts­kon­ser­va­tiven Poli­ti­kern, Think Tanks und meist fach­fremden Wissen­schaft­lern gezielt Zweifel am wissen­schaft­li­chen Konsens säen. Die Methoden reichen dabei von geschickter PR-Arbeit, über selek­tive Rezep­tion der wissen­schaft­li­chen Publi­ka­tionen bis hin zu hand­festem Betrug und persön­li­cher Diffa­mie­rung von Wissen­schaft­lern. Während es für die Annahme, dass tausende renom­mierte Wissen­schaftler Vertreter einer „links-grünen“ Ideo­logie seien (oder sich zumin­dest von ihr blenden lassen) doch sehr viel Fantasie benö­tigt, lassen sich die „Klima­wan­del­skep­tiker“ empi­risch gestützt sehr präzise poli­tisch verorten.

...aus der SVP-Parteibibliothek; Quelle: Amazon.de

…aus der SVP-Parteibibliothek; Quelle: Amazon.de

Die „Skep­tiker“ sind für solche kriti­schen Argu­mente nicht zugäng­lich. Und da zeigt sich das eigent­liche Problem: Mit der Behaup­tung, dass die über­wäl­ti­gende Mehr­heit der renom­mier­testen Wissen­schaft­le­rinnen und Wissen­schaftler Teil einer „links-grünen Ideo­logie“ seien und eine versteckte poli­ti­sche Agenda verfolgten, verbreiten sie nichts anderes als eine gegen jegliche Kritik immune Verschwö­rungs­theorie. Dieses verschwö­rungs­theo­re­ti­sche Denken der poli­ti­schen Rechten zeigt sich beson­ders deut­lich im Partei­pro­gramm der SVP, das bis 2015 gültig war und heute noch auf der offi­zi­ellen Webseite der Partei abruf- und einsehbar ist. Um den Klima­wandel in Abrede zu stellen, greift die Partei sogar auf Zitate aus dem Buch Rote Lügen in grünem Gewand: Der kommu­nis­ti­sche Hinter­grund der Öko-Bewegung von Torsten Mann zurück. Darin glaubt der Autor belegen zu können, dass der Klima­wandel eine Lüge sei, und der Umwelt­po­litik nicht ökolo­gi­sche Absichten, sondern rein ideo­lo­gi­sche Motive zugrunde liegen, die ausschließ­lich darauf abzielten, die Markt­wirt­schaft der west­li­chen Natio­nal­staaten in den Ruin zu treiben. An ihrer Stelle soll – so Torsten Mann – ein globaler Umver­tei­lungs­staat nach dem Vorbild der Sowjet­union errichtet werden, der von einer zur Welt­re­gie­rung ausge­bauten UNO plan­wirt­schaft­lich kontrol­liert wird. Das Buch ist im Kopp-Verlag erschienen, der für sein recht­se­so­te­ri­sches und verschwö­rungs­theo­re­ti­sches Verlags­pro­gramm bekannt geworden und äusserst umstritten ist.

Man muss sich das vor Augen halten: Die mit Abstand wähler­stärkste Partei der Schweiz wischt den durch jahr­zehn­te­lange Forschung erreichten wissen­schaft­li­chen Konsens mit einer rechts­extremen Welt­ver­schwö­rungs­theorie vom Tisch. Durch ihre Diffa­mie­rung einer gesamten Forschungs­rich­tung und ihr Raunen von der Welt­ver­schwö­rung klinkt sich die poli­ti­sche Rechte voll­ständig aus wissen­schaft­lich gestützten Diskus­sionen aus. Eine Basis für eine gemein­same, ratio­nale Klima-Politik bleibt damit nicht mehr übrig.