Seit den Wahlen im Oktober 2015 ist der prognostizierte Rechtsrutsch in der Schweiz Tatsache geworden. Der Politologe Michael Hermann spricht von einer „tektonischen“ Verschiebung der gesamten politischen Mitte nach rechts.

Frage: Herr Hermann, Ihr Artikel zur „tekto­ni­schen“ Verschie­bung des poli­ti­schen Spek­trums in der Schweiz im Tages-Anzeiger vom 21. Dezember 2015 und die dazu­ge­hö­rende Grafik, die wir hier noch einmal publi­zieren, hat Aufsehen erregt. Sie zeigen, dass sich die poli­ti­sche Mitte in der Schweiz nicht in der nomi­nellen Mitte zwischen links und rechts befindet, sondern deut­lich rechts davon zu verorten ist. Ihre Daten basieren, wie Sie schreiben, auf der Tamedia-Wahlstudie, bei der sich „40’000 stimm­be­rech­tigte Schwei­ze­rinnen und Schweizer auf einer Skala zwischen links und rechts mit einem grafi­schen Regler selber posi­tio­niert“ haben.

Wie sich Schweizer Wählende im Oktober 2015 politisch selbst positionierten (Quelle: Tamedia Wahlstudie 2015/Sotomo)

Wie sich Schweizer Wählende im Oktober 2015 poli­tisch selbst posi­tio­nierten (Quelle: Tamedia Wahl­studie 2015/Sotomo)

Dabei stellt sich eine erste Frage: Wie stabil ist die Verknüp­fung zwischen der Einordung auf der Skala zwischen links und rechts einer­seits und den Partei-Präferenzen (oder -Mitglied­schaften?) andrer­seits? Wie wurden die Partei­prä­fe­renzen oder Partei­zu­ord­nungen erhoben? Geht die Unter­su­chung davon aus, dass diese stabil genug sind, damit die aktu­elle Einschät­zung der eigenen Posi­tion zwischen links und rechts unter der ceteris paribus-Voraussetzung funk­tio­niert, dass die Partei­prä­fe­renz sich nicht wandelt, wenn die Selbst­po­si­tio­nie­rung sich verschiebt? – dass also eine SP-Wählerin eine SP-Wählerin bleibt, auch wenn sie sich deut­lich rechts von der Mitte posi­tio­niert? Ist es nicht wahr­schein­li­cher, dass sie bei einer in dieser Weise gewan­delten poli­ti­schen Selbst­ein­schät­zung dann auch die Wahl­liste einer rechten Partei in die Urne legt?

MH: Die Umfrage wurde am Wahl­wo­chen­ende im letzten Oktober durch­ge­führt. Sie bezieht sich also ganz konkret auf die Partei, die bei den  Natio­nal­rats­wahlen gewählt wurde. Der Zusam­men­hang zwischen Wahl­ent­scheid und der Selbst­po­si­tio­nie­rung auf der Links-rechts-Achse ist bemer­kens­wert stark. Nur 4 Prozent der Anhän­ger­schaft von SP und Grünen posi­tio­niert sich rechts der Mitte. Umge­kehrt stufen sich nur 1 Prozent der SVP- und 4 Prozent der FDP-Wählerschaft als links der Mitte ein.

Hermann_Michael010Michael Hermann ist Geograph und Poli­to­loge. Er leitet das Forschungs­in­stitut Sotomo in Zürich

Dieser klare Zusam­men­hang zwischen Partei­en­wahl und ideo­lo­gi­scher Selbst­ein­schät­zung zeugt von einem starken Bewusst­sein für das Links-rechts-Schema und für die poli­ti­sche Ausrich­tung der Parteien. Wer seine Posi­tio­nie­rung von links nach rechts verschiebt, wird deshalb mit grosser Wahr­schein­lich­keit nicht mehr SP, sondern eine bürger­liche Partei wählen. Gene­rell lässt sich damit sagen, dass sich ein Rechts­rutsch bei den Posi­tionen auch auf die Partei­en­stärken auswirkt. Man muss sich aller­dings bewusst sein, dass hier eine ideo­lo­gi­sche Selbst­ein­schät­zung abge­fragt wird. Es ist möglich, dass eine Person sich zwar als „links“ iden­ti­fi­ziert, jedoch bei konkreten Sach­vor­lagen häufig andere Posi­tionen einnimmt. So lange sie diese Iden­ti­fi­ka­tion beibe­hält, dürfte sie aber weiterhin links wählen.

Frage: Die Grafik unter­scheidet nicht zwischen Jungen und Alten, Stadt und Land oder zwischen den Landes­teilen. Haben Sie dazu Daten, die die Diagnose der tekto­ni­schen Rechts­ver­schie­bung noch vertiefen würden – zum Beispiel, wenn man zeigen könnte, dass die jungen Wähler sich stärker rechts posi­tio­nieren als die älteren, und Ähnliches?

MH: Insge­samt haben die Parteien rechts der Mitte zuge­legt, während der rotgrüne Wähler­an­teil zurück­ge­gangen ist. Dieser Trend zeigte sich bei jüngeren Wählenden etwas stärker als bei älteren und bei Frauen mehr als bei Männern. Dies führte aber bloss zu einer Annä­he­rung der Profile. Da die Befra­gung das erste Mal durch­ge­führt wurde und ein direkter Vergleich mit anderen Umfragen nicht möglich ist, erlaubt sie keine Aussagen über Verän­de­rungen. Grund­sätz­lich können wir aber davon ausgehen, dass es eine Asym­me­trie schon immer gab. Schliess­lich waren die linken Parteien im Vergleich zu den bürger­li­chen in der Schweiz ja immer klar in der Minderheit.

Auch wenn wir mit unseren Daten nichts über die histo­ri­sche Verän­de­rung sagen können, so liefern die Ergeb­nisse jedoch Erklä­rungs­an­sätze für den Rechts­rutsch bei den vergan­genen Wahlen. Deshalb lautete der Titel meiner Analyse eigent­lich „Tektonik des Rechts­rutschs“. Das wurde dann durch den Tages­an­zeiger zum „Tekto­ni­schen Rechts­rutsch“ verkürzt. Jeden­falls zeigt die Befra­gung, dass der Begriff „Mitte-Links“ offen­sicht­lich nur eine Minder­heit anspricht. Genau deshalb eignet er sich so gut als Kampf­be­griff der Rechten. Im Parla­ment hat sich die rechte Seite zwar gleich häufig durch­ge­setzt wie die Linke. Man hätte also ebenso gut von einer Mitte-Rechts- wie von einer Mitte-Links-Mehrheit spre­chen können. Doch dank konse­quentem „Framing“ von rechts hat sich das Bild von Mitte-Links in der Öffent­lich­keit fest­ge­setzt und letzt­lich zum ange­strebten Ziel geführt.

Was wir wissen, ist, dass es in den letzten zwanzig Jahren im Spek­trum zwischen Mitte und Rechts starke Verän­de­rungen gab. Das zeigen die Selects-Befragungen, die aufgrund einer etwas anderen Methodik nicht direkt vergleichbar sind, dafür aber lang­fris­tige Entwick­lung abbilden. Bis in die frühen 1990er-Jahre verteilten sich die Wählenden der bürger­li­chen Parteien gleich­mässig im Spek­trum zwischen Mitte und Rechts. Seither ist es dort zu einer ideo­lo­gi­schen Sortie­rung gekommen. Ganz rechts steht die SVP-Wählerbasis, dann die der FDP. Am meisten einge­mittet sind die Wählenden der CVP. Statt des sozio­kul­tu­rellen Milieus ist die ideo­lo­gi­sche Posi­tio­nie­rung für die Wahl einer Partei wich­tiger geworden.

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Frage: Sie erwähnten hinsicht­lich der Partei­prä­fe­renzen soeben die beob­acht­bare Verschie­bung vom sozio­kul­tu­rellen Milieu hin zur ideo­lo­gi­schen Posi­tio­nie­rung als entschei­denden Faktor für die Wahl einer Partei. Woran machen Sie diese verschärfte Ideo­lo­gi­sie­rung fest? Und was sind ihre Konse­quenzen? Heisst das zum Beispiel, dass der poli­ti­sche Gegner nicht mehr als ebenso legi­time Vertre­tung seiner Inter­essen und seines „Milieus“ wahr­ge­nommen wird wie die eigene Partei – ich unter­stelle jetzt mal, dass das in den Hoch­zeiten der „Milieu“-Parteien eher der Fall war als heute –, sondern grund­sätz­lich „unrecht“ hat, eine „Gefahr“ darstellt, daher zu bekämpfen ist – und von seinem Stück geteilter Macht verdrängt werden muss?

MH: Ich kann Ihnen ein Beispiel geben. Mein Vater war Drogist im Emmental und als Gewerbler bei der SVP. Meine Mutter sass als Gewerb­lers­frau für die SVP im Gemein­derat. Dort besetzte sie zusammen mit der Zahn­arzt­frau, die für die FDP poli­ti­sierte, den linken Flügel. Während die beiden Sozi­al­de­mo­kraten, ein Bähnler und ein Schreiner, der in der Möbel­fa­brik arbei­tete, eifrig mit den konser­va­tiven Bauern stimmten. Heute wäre so etwas nicht mehr denkbar, weil das ideo­lo­gi­sche Profil darüber entscheidet, wo jemand poli­ti­siert und nicht mehr die soziale Herkunft.

Die SVP wird gele­gent­lich als Catch-all-Partei bezeichnet, weil sie von der Bankerin über den Bauern bis zur Coif­feuse alle Schichten anzieht. Die Bezeich­nung ist trotzdem falsch, weil die SVP sehr gezielt nur Menschen anspricht, die ihr rechtes Gedan­kengut teilen. Das ist der entschei­dende Unter­schied zu einer echten Catch-all-Partei wie der deut­schen CDU, die sowohl in sozialer wie auch welt­an­schau­li­cher Hinsicht eine sehr breite Wähler­schaft vertritt.

Anders als in der Zeit der Milieu­par­teien finden sich in den heutigen Welt­an­schau­ungs­par­teien nur noch Leute, die sich gegen­seitig in ihrer Welt­sicht bestärken. In diesen «Ghettos von Gleich­ge­sinnten» sinkt, wie Sie richtig erwähnen, das Verständnis für die anderen. Während sich die Milieu­par­teien irgendwie als funk­tio­nale Glieder eines Ganzen gesehen haben, geht es heute ausschliess­lich um die rich­tige oder falsche Welt­sicht. Die Wirkung ist der von Sekten nicht ganz unähnlich.

Frage: Das ist doch aber, wenn man nach Europa schaut, keine schwei­ze­ri­sche Beson­der­heit, nicht?

MH: Ja, sicher, aber in der Schweiz ist die Entwick­lung hin zu Welt­an­schau­ungs­par­teien beson­ders stark voran­ge­schritten. Zunächst weil hier der berühmte Median-Wähler kein Faktor ist. Es müssen keine Mehr­heits­ko­ali­tionen geschmiedet werden. Damit fehlt das Moment, welches in Deutsch­land zum Ausdruck kommt, wenn eine Partei, meis­tens die CDU, als „Kanz­ler­wahl­verein“ verspottet wird. Der Premier­mi­nister oder die Kanz­lerin sind ein wich­tiger gemein­samer Nenner. Damit geht es nie nur um Ideo­logie, sondern auch um die Persön­lich­keit und die Frage, von wem die Regie­rung geführt werden soll. Dies alles fällt in der Schweiz aufgrund der perso­nellen Entkopp­lung von Legislativ- und Exeku­tiv­wahl weg. Der öffent­liche Wahl­kampf der Kandi­die­renden für den Bundesrat beginnt bei uns typi­scher­weise erst nach den Parla­ments­wahlen. Die Parteien können sich deshalb voll auf die Pflege ihres ideo­lo­gi­schen Profils konzen­trieren. Seit die SVP dies sehr erfolg­reich betrieben hat, versu­chen sich alle als klar unter­scheid­bare ideo­lo­gi­sche Marken im poli­ti­schen Markt zu positionieren.

Frage: Es scheint einen deut­li­chen Unter­schied zu geben zwischen der ideo­lo­gi­schen Konso­li­die­rung im rechten Teil des Spek­trums einer­seits und der Disso­zia­tion zwischen linker Partei­prä­fe­renz und der Selbst­po­si­tio­nie­rung bis nach rechts hinein ande­rer­seits. Wenn ich recht sehe, hat auf Ihrer Grafik die SP von allen Parteien die brei­teste Streuung der Selbst­ein­schät­zungen zwischen links und rechts. Die Linke erscheint also deut­lich weniger fokus­siert, ihre Anhänger weit weniger um ein poli­ti­sches Projekt herum gebün­delt als dies die Rechte, nament­lich die SVP, offenbar ist. Zwei Fragen stellen sich hier: Ist zu erwarten, dass der hier erkenn­bare rechte Rand der SP unter dem Druck der „Anzie­hungs­kraft“ von rechts abbre­chen könnte oder schon abbrö­ckelt? Und: Haben Sie den Eindruck, die Linke könnte diesen Trend umkehren?

MH: Die Unter­scheide zwischen den Parteien lassen sich besser in der zweiten Abbil­dung erkennen. Hier ist das Links-rechts-Spektrum der Wähler­basis nach den einzelnen Parteien aufgeschlüsselt.

Parteienprofile der politischen Selbstpositionierung Schweizer Wählender, Oktober 2015 (Quelle: Tamedia Wahlstudie 2015/Sotomo)

Partei­en­pro­file der poli­ti­schen Selbst­po­si­tio­nie­rung Schweizer Wählender, Oktober 2015 (Quelle: Tamedia Wahl­studie 2015/Sotomo)

Auch wenn die Unter­schiede nicht drama­tisch sind, streuen die Wählenden der Grünen und der SP tatsäch­lich am stärksten auf der Links-rechts-Achse. Die Darstel­lungs­form erweckt jedoch den Eindruck von mehr Breite als dies der Fall ist. Beim ersten Wert rechts der Mitte auf der sieben­stu­figen Skala finden sich prak­tisch keine Wählenden dieser beiden Parteien mehr. Das gleiche gilt mit umge­kehrten Vorzei­chen für SVP und FDP. Selbst BDP und CVP haben fast keine Anhänger, die sich links der Mitte posi­tio­nieren. Die einzige Partei mit substan­zi­ellen Wähler­an­teilen auf beiden Seiten der Mitte ist die GLP. Entgegen ihrem eher rechten Ruf posi­tio­nieren sich 35 Prozent ihrer Anhän­ger­schaft links der Mitte und nur 23 Prozent rechts davon.

Frage: Also tatsäch­lich eine Mitte­partei, aller­dings mit geringem Gewicht.

MH: Aller­dings. Doch zurück zu SP und Grünen: Hier fällt nicht nur die eher breite Streuung auf der Links-rechts-Achse, sondern vor allem auch die insge­samt eher gemäs­sigte Posi­tio­nie­rung auf. Der Mittel­wert liegt auf der sieben­stu­figen Skala bei 1,7. Bei der SVP liegt der Mittel­wert dagegen nur 1,0 vom rechten Rand entfernt. Dies zeigt vor allem, dass die SVP-Basis in ihrer Haltung keine Zweifel zu hegen scheint. Sie scheut sich nicht, sich mit dem gebrand­markten Begriff «rechts» zu iden­ti­fi­zieren. Auf der linken Seite, wo doch gerade im Nach­gang der 1968er-Bewegung sehr starke Über­zeu­gungen herrschten, zeigen sich dagegen vermehrte Zweifel.

Für mich werden da gewisse Paral­lelen zur Arbei­ter­schaft in der Nach­kriegs­zeit sichtbar. Diese hatte bekannt­lich mit der Entwick­lung des Wohl­fahrts­staats, der Konsum­ge­sell­schaft und des Konsens­mo­dells zuneh­mend klein­bür­ger­liche Werte ange­nommen. Heute sind es die Post­ma­te­ri­ellen, die Verbür­ger­li­chungs­ten­denzen zeigen. Viele ihrer gesell­schafts­po­li­ti­schen Ziele sind erfüllt. Ökologie ist Main­stream und einige alte Illu­sionen alter­na­tiver Gesell­schafts­mo­delle sind zerbro­chen. Viele haben es sich in ihrem urbanen, akade­misch geprägten Milieu bequem gemacht. Auch wenn man grund­sätz­lich für Offen­heit und Ausgleich einsteht, ertappt man sich hie und da dabei, das eigene post­ma­te­ri­elle Para­dies durch Globa­li­sie­rung und Zuwan­de­rung bedroht zu sehen.

Das führt zwar zu einer gewissen poli­ti­schen Ermat­tung, nicht jedoch auto­ma­tisch zu einem massen­haften Einbre­chen des rechten Rands. Politik hat immer etwas Dialek­ti­sches. Wenn das System nach rechts rückt, wie momentan, weckt dies auch die Gegen­kräfte. Sehr schön liess sich dies bei den Natio­nal­rats­wahl­er­geb­nissen der Städte beob­achten. Man spürt hier zwar auf lokaler Ebene, dass die Euphorie gegen­über dem rotgrünen Projekt geschwunden ist. Auf natio­naler Ebene nehmen sich die Städter und Städ­te­rinnen jedoch klar als Korrektiv zum rechten Main­stream wahr und haben wieder vermehrt der SP die Stimme gegeben.

Frage: Der abtre­tende FDP-Präsident Philipp Müller hat kürz­lich in einem NZZ-Interview zwar davon gespro­chen, dass die FDP als natio­nale Partei und in der Frak­tion in Bern viel „homo­gener“ geworden sei – was Ihrer Analyse entspricht –; er hat aber auch betont, dass im Parla­ment von einem „Rechts­block“ keine Rede sein könne. Das zum einen, weil die SVP konser­vativ und brem­send sei, die FDP hingegen fort­schritt­lich und reform­ori­en­tiert; zum andern aber auch, weil in den Europa- und „Masseneinwanderungs“-Dossiers „keine gemein­samen Schnitt­flä­chen“ bestünden. Wie jetzt also: Sind die ideo­lo­gi­schen Fixie­rungen so stark, dass die im Oktober sieg­reiche Rechte sich selbst blockiert oder zumin­dest ihren eigenen Schwung bremst? Und was wären die mittel­fris­tigen Konse­quenzen aus dieser para­doxen Situation?

MH: Im Prinzip hat Philipp Müller Recht, und seine Diagnose der stär­keren Homo­ge­nität gilt auch für die Wähler­basis. Dabei über­schneidet sich das ideo­lo­gi­sche Profil der FDP-Basis aber stärker mit jenem der CVP als mit dem der SVP. Der Begriff „Rechts­block“ ist eine Verkür­zung ebenso wie „Mitte-Links“ als Bezeich­nung für die letzte Legis­latur. Es wird in Zukunft zwar häufiger rechte, aber dennoch weiterhin wech­selnde Mehr­heiten geben. Niemand hindert die FDP daran, in der Europa- und der Migra­ti­ons­frage auf eine Allianz der Nicht-Konservativen zu setzen. Dass die FDP zu den Wahl­sie­gern gehört, hilft ihr, ihre neue Rolle als Mehr­heits­ma­cherin selbst­be­wusst zu spielen.

Bei einem Teil der Stimm­be­völ­ke­rung wird sich aber durchaus Enttäu­schung einstellen. Das in unserem Diagramm darge­stellte rechte Über­ge­wicht bedeutet nämlich nicht, dass die Stimm­be­völ­ke­rung in Wirt­schafts­fragen die gemein­same neoli­be­rale Linie von FDP und SVP teilt. Die eher rechte Selbst­wahr­neh­mung der Stimm­be­völ­ke­rung ist alleine Ausdruck ihrer im Vergleich zur poli­ti­schen Elite stär­keren Migrations- und Öffnungs­skepsis. Die Stimm­be­völ­ke­rung wollte ein natio­nal­kon­ser­va­ti­veres Parla­ment, hat nun aber ein wirt­schafts­li­be­ra­leres bekommen. Ob sie dies in vier Jahren im Sinn der poli­ti­schen Dialektik wieder korri­giert, ist aber nicht gewiss. Zumin­dest wenn das poli­ti­sche Bewusst­sein weiterhin derart durch die Migra­ti­ons­frage in Beschlag genommen wird.


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