Stellen Sie sich eine Gruppe russischer Frauen vor, die sich Tag für Tag in der Nähe des Roten Platzes versammeln und die Rückkehr ihrer Ehemänner und Söhne aus dem Krieg gegen die Ukraine fordern. Ausgehend von diesem Szenario können wir uns den Geist der Rosenstrasse besser vorstellen: Das lautstarke Aufbegehren, mit dem nicht-jüdische Frauen Ende Februar, Anfang März 1943 eine Woche lang in der Rosenstrasse 2-4 vor der Tür des zum Gefängnis umfunktionierten Gebäudes der ehemaligen Behörde für Wohlfahrtswesen und Jugendfürsorge der Jüdischen Gemeinde Berlins protestierten und die Freilassung ihrer jüdischen Ehemänner forderten.
Bis zum gegenwärtig achtzigsten Jahrestag dieses einzigartigen Protests haben die Deutschen in der Bewältigung der NS-Vergangenheit Fortschritte gemacht, die man nur als vorbildlich bezeichnen kann. Dennoch bleibt noch einiges zu tun: Deutsche Jüdinnen und Juden überlebten, weil ihre „arischen“ Partner:innen sich weigerten, sich von ihnen scheiden zu lassen – sie zu kennen, ihrer zu gedenken und sie zu ehren. Dies erfordert aber, dass wir unser Verständnis der nationalsozialistischen Vergangenheit überdenken.
„Mischehen“ als Überlebensnischen
Unser heutiges Bild der NS-Herrschaft wurde über Jahrzehnte ausgebildet, ohne dass man dazu diese bemerkenswerte Geschichte und ihren Hintergrund näher in Betracht gezogen hätte. Dieser Hintergrund ist beachtlich: Von Beginn des Hitler-Regimes an weigerte sich die überwältigende Mehrheit der Deutschen, die in „Mischehen“ lebten, die Jüdinnen und Juden ihrer Familie im Stich zu lassen. Im Gegenzug machte das Regime eine Reihe von Zugeständnissen an Jüdinnen und Juden in „Mischehen“, so dass am Ende fast alle von ihnen nicht etwa im Verborgenen, sondern offen in diesen „gemischten“ Ehen überlebten. An der Seite ihrer Partner:innen brauchten diese Jüdinnen und Juden nicht unterzutauchen – sie erhielten sogar Lebensmittelmarken. Mit anderen Worten, in dieser kleinen Nische der „gemischten“ Ehen lernte eine kleine Gruppe von Menschen täglich dem Druck des Regimes zu widerstehen, während andere, die nicht durch ein jüdisches Familienmitglied dazu motiviert wurden, sich – sei es mit Unbehagen, sei es mit Begeisterung – Hitler und der von ihm dominierten Gesellschaft anpassten.
An dieser kleinen Gruppe verheirateter Paare am Rande der Gesellschaft lassen sich wichtige Merkmale der NS-Herrschaft aufzeigen, die anderswo nicht so leicht erkennbar sind. Hier offenbart sich ein strategisch vorgehender Hitler, der zwar seine Ziele nie aus den Augen verlor, aber dennoch bereit war, vorübergehend Zugeständnisse zu machen, um schneller voranzukommen. An den Anpassungen, die er für Jüdinnen und Juden in „Mischehen“ vornahm, lässt sich aufzeigen, wie wichtig es dem faschistischen Diktator war, den Schein zu wahren – sei es den Schein des scheinbaren Konsenses einer breiten Unterstützung für den „Führer“, sei es den des Fehlens von Widerstand. Warum wartete das Regime mit der Deportation von verheirateten Jüdinnen und Juden, also gerade jener verabscheuungswürdigen „Kriminellen“, die sich der „Rassenschande“ schuldig gemacht hatten, bis ihre arischen Partner:innen einwilligten, sie im Stich zu lassen? Warum machte man überhaupt Zugeständnisse an verheiratete Jüdinnen und Juden und liess nach dem Rosenstrassen-Protest auch noch Juden frei? Warum teilte Hitler die Jüdinnen und Juden in „Mischehen“ nach der bitteren Reichskristallnacht in zwei Kategorien ein, und warum machte seine Entscheidung, die einen zu „privilegieren“ und die anderen nicht, für die Überlebensraten der einzelnen Gruppen kaum einen Unterschied?
Die Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Klar ist jedenfalls: Über seine eigene „Rasse“ herrschte Hitler nicht nur mit roher Gewalt und Charisma, sondern auch mit Anreizen und manchmal Kompromissen, um seinen Ruf als gerechter „Führer“ aufrechtzuerhalten. Das Überleben von Jüdinnen und Juden in „Mischehen“ stellt daher vor allem die verbreitete Vorstellung eines Regimes in Frage, das im Takt der Ideologie marschierte und alles, was sich ihm entgegenstellte, wie Ungeziefer zerquetschte.
Geschichtswissenschaftlicher Dissens
Historiker:innen, die Nichtjuden in Mischehen als Retter:innen ihrer Partner:innen verstanden, ernteten nicht immer nur Widerspruch. Ausgehend von den Quellen kamen die angesehensten Historiker der Nachkriegszeit zu dem Schluss, man müsste, um die Ereignisse zu verstehen, die Proteste in der Rosenstrasse als Akt der Rettung betrachten. Hierüber waren sie sich einig, darunter deutsche Historiker wie Wolfgang Scheffler (1960) und Wolfgang Wipperman (1982). 1988 hingegen schrieb der Historiker Wolfgang Benz, dass Jüdinnen und Juden in „Mischehen“ im Untergrund überlebt haben. Einer seiner Studierenden argumentierte, die Gestapo habe während des Rosenstrassen-Protests keinen einzigen „Mischlingsjuden“ deportieren wollen – gegenteilige Ansichten seien Erfindungen der Nachkriegszeit. Benz schrieb daraufhin in der Süddeutschen Zeitung, sein Student habe entgegen früherer Studien „die wirkliche Geschichte der Rosenstraße rekonstruiert“. Er verkündete, der Spiegel habe diese neue Wahrheit akzeptiert, die seine (eigentlich) differenziertere und überzeugendere Interpretation des Rosenstrassen-Protests von 1993 ins Gegenteil verkehrte. Offenbar war es wichtig, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und es wurde schnell klar, dass von Seiten der Vertreter dieser neuen Lesart der Ereignisse kein Interesse an weiteren wissenschaftlichen Debatten bestand.
Die Belege für diese Neuinterpretation waren jedoch denkbar dünn. Dokumente, die die Selektion von Arbeitern aus dem behelfsmässigen Gefängnis an der Rosenstrasse belegen, werden als „Plan“ gehandelt, der einen wirkungsvollen Protest von vornherein verunmöglicht hätte. Dabei existieren Hinweise darauf, dass die Auswahl dieser Arbeiter als Reaktion auf den Protest improvisiert wurde. Doch die Verfechter der neuen Position beriefen sich auf einen Erlass aus Frankfurt (Oder), der angeblich beweisen sollte, dass die in der Rosenstrasse gefangenen Juden nur registriert werden sollten. Allein, das ist wenig überzeugend: Kein Teil der Bevölkerung wurde so akribisch registriert wie die Juden. Man denke nur an die zahlreichen Erfassungen, die durchgeführt wurden, bevor die Gestapo am 27. Februar 1943 im Hinblick auf die „Entjudung des Reichsgebietes “ mit den Verhaftungen begann. Im Zuge dieser dann nach dem Krieg „Fabrikaktion“ genannten Verhaftungswelle wurde jeder aufgegriffen, der den gelben Stern trug, sei es auf der Strasse, zu Hause oder am Arbeitsplatz, darunter auch Juden aus „nichtprivilegierten Mischehen“.
Das revisionistische Argument beruft sich auf ein Wort („Erfassung“) in dem Erlass aus Frankfurt (Oder) vom 25. Februar 1943. Im Jahr 1999 schrieb Beate Meyer, dieser Erlass habe festgelegt, dass Juden aus „Mischehen“ „nur [zur] Registrierung“ in der Berliner Rosenstrasse inhaftiert worden seien. Noch 2018 bestritt der Spiegel den Einfluss des Protests in Berlin mit dem Argument, der Erlass habe nicht die Abschiebung, der Erlass habe für die Juden aus „Mischehen“ nicht die Abschiebung, sondern nur die „Entfernung aus den Betrieben vorgesehen, um sie zu ‘erfassen’“.
Den Schein wahren
Ungeachtet dessen, wie „Erfassung“ hier verstanden werden kann, zeigt dieser Erlass, wie die Berliner Zentrale die Gestapo-Beamten im ganzen Reich damit beauftragte, ihre Befehle an die Gegebenheiten vor Ort anzupassen. Die Anweisungen zur Deportation der deutschen Jüdinnen und Juden waren mit Euphemismen und Lügen gespickt und erlaubten es den örtlichen Beamten, den Umständen entsprechend zu improvisieren – insbesondere, wenn es sich um die letzten deutschen Juden handelte. So richtete sich der Erlass aus Frankfurt (Oder) gegen alle Jüdinnen und Juden, die noch in den Fabriken arbeiteten, und nicht nur gegen jene aus „Mischehen“. Und selbst wenn es 1943 in den Frankfurter Fabriken keine Juden mehr gegeben haben sollte, die nicht in „Mischehen“ lebten, so arbeiteten in den Berliner Fabriken immer noch mehrere Tausend von ihnen.
Anfang März 1943 erwarteten die Fabriken in Auschwitz zudem eine bestimmte Anzahl jüdischer Arbeiter aus Berlin, welche ohne die Juden aus „Mischehen“ nicht hätte erreicht werden können. Der Erlass aus Frankfurt (Oder) spiegelt mithin das reichsweite Bestreben wider, in „Mischehen“ lebende deutsche Jüdinnen und Juden zu deportieren, ohne Ausschreitungen zu provozieren. Sie sollten in Konzentrationslager deportiert werden, falls sie sich „frech“ verhielten – aber nur, wenn dies „unauffällig“ geschehen konnte, um sowohl „störende Menschenmengen“ als auch den „Eindruck“ zu vermeiden, dass alle mit Arier:innen verheirateten Jüdinnen und Juden verhaftet würden. Die faschistische Regierung wollte den Schein um jeden Preis wahren.
Noch wichtiger ist jedoch, dass dieser Befehl aus dem Hinterland – eben Frankfurt (Oder) – für Berlin nicht bindend war. Reichsminister Joseph Goebbels war der Gauleiter von Berlin, und er erhielt die Anweisungen bezüglich der Berliner Juden direkt von Hitler. Goebbels dachte daher offen über seine Entscheidung nach, verheiratete Juden freizulassen, weil es zu „unliebsamen Szenen“ kam, wenn sich Menschen auf der Strasse versammelten, um für die Juden einzutreten. In einer Passage, die von denjenigen abgetan wird, die Goebbels nur dann und zudem selektiv zitieren, wenn es ihnen passt, wettert er gegen die Beamten, die blind Befehle ausführten, ohne die sich verändernden Umstände zu berücksichtigen:
Es haben sich da leider etwas unliebsame Szenen vor einem jüdischen Altersheim abgespielt, wo die Bevölkerung sich in größerer Menge ansammelte und zum Teil sogar für die Juden etwas Partei ergriff. Ich gebe dem SD Auftrag, die Judenevakuierung nicht ausgerechnet in einer so kritischen Zeit fortzusetzen. Wir wollen uns das lieber noch einige Wochen aufsparen; dann können wir es umso gründlicher durchführen. Man muß überall eingreifen, um Schäden zu verhüten. Gewisse Stellen sind in ihren Maßnahmen politisch so unklug, daß man sie nicht zehn Minuten allein laufen lassen kann. Das Grundübel unserer Führung und vor allem unserer Verwaltung besteht darin, daß alles nach Schema F gemacht wird. Man hat manchmal den Eindruck, daß die Leute, die diese oder jene Maßnahme durchführen, überhaupt nicht persönlich darüber nachdächten, sondern sich nur an ein geschriebenes Wort anklammern, bei dem sie den Hauptwert darauf legen, daß sie nach oben gedeckt wird.
Flexible Machtausübung
Historiker:innen, die die Wirksamkeit des Protests in der Rosenstrasse nicht anerkennen möchten, betrachten das NS-Regime als starr und unfähig, zur Wahrung seines Images zu improvisieren. Doch das tat es damals, und dies aus ähnlichen Gründen wie 1935, als Hitler die „Mischlinge“ in zwei Kategorien einteilen liess, oder 1938, als auch die verheirateten Juden in zwei Kategorien eingeteilt wurden. Die Rassenideologie war an sich klar: Jeder Tropfen jüdischen Blutes musste ausgemerzt werden. Allein, Jüdinnen und Juden mit „arischen“ Familienmitgliedern verwischten die sonst deutlichen Grenzen der Verfolgung zwischen Juden und Nichtjuden. Ihre Kinder brachten die Bürokraten offenbar zum „Nachdenken“: Einige vertraten die Meinung, der kostbare „arische“ Anteil ihres Blutes müsse gerettet werden, während andere befanden, diese Mischung sei die schlimmste aller „Erscheinungen“. Bei der Aufteilung der „Mischehen“ versuchte Hitler, vorsichtig vorzugehen, Schritt für Schritt, eine Gruppe nach der anderen. Die „psychologische“ Kluft zwischen öffentlicher Meinung und Politik sollte durch Hitlers Image als gerechtem Führer überbrückt werden. Hitler stützte seine Macht zwar in dem Masse auf Terror, wie er diesen für die wirksamste Taktik hielt; mit Blick und in Rücksicht auf das „Volk“ jedoch war ihm die Bedeutung von überlieferten Normen, Werten und Gesetzen durchaus bewusst.
Daher ist die innerhalb des Reichs von Region zu Region variierende Behandlung der Jüdinnen und Juden in „Mischehen“ wohl darauf zurückzuführen, dass eben keine starre Struktur existierte, die Befehle von oben ausführte. Lieber improvisierte man an Ort und Stelle den Umständen entsprechende Lösungen, als unter unvorhersehbaren Gegebenheiten strikt an einem Plan festzuhalten. Das geschah auch in der Rosenstrasse: Die Proteste der nicht-jüdischen Frauen vereitelten die an sich geplante Deportation der Berliner Juden in Gruppen von 2.000 Personen, die Goebbels am 18. Februar 1943 beschlossen hatte, um die Reichshauptstadt bis Ende März „judenfrei“ zu machen.
Dass allerdings so wenige Belege für den Protest überliefert sind, ist zum Teil auf die Bemühungen der Nazis zurückzuführen, ihr Image zu kontrollieren. Überdies sollten Formulierungen der offiziellen Deportationsbefehle dazu verleiten, der offiziellen Behauptung zu glauben, die Juden würden ,nur‘ in Arbeitslager geschickt.
Historiker:innen, die in Gestapo-Befehlen nach endgültigen Belegen suchen, welche dann dazu verwendet werden, die Debatte zu beenden, verstehen das Regime als zuverlässig funktionierendes System und gehen davon aus, dass Berlin allen Gestapo-Stellen denselben Befehl erteilte, der dann punktgenau ausgeführt wurde. Ungeachtet der rivalisierenden Machtzentren und Akteure wird das Regime dabei als Monolith dargestellt, das heisst als eine geschlossene Front kooperierender, um Hitler versammelter Satrapen, die stets mit Terror operierten.
Geleugnete Augenzeugenberichte
Bedauerlicherweise führt der Fakt, dass die Organisation des NS-Regimes als unerschütterlich angesehen wird, dazu, dass Augenzeugenberichte, die den Rosenstrassen-Protest als wirksam bezeichnen, geleugnet werden. Diese Berichte werden einer nach dem andern – wenn auch nie als Ganzes, im Verhältnis zueinander oder im Verhältnis zu anderen Quellen – schlicht unter den Tisch gekehrt, um den Demonstrantinnen jegliche Handlungsmacht abzusprechen. Details aus ihren Augenzeugenberichten über den Protest werden als unplausibel abgetan, so z.B. Drohungen bewaffneter Wachen, die Strassen räumen zu lassen oder die Demonstrantinnen zu erschiessen; diese in „Mischehen“ lebenden Nichtjüdinnen, die in dieser schrecklichen Zeit durch ihr Handeln ihre Integrität bewiesen, werden als überhebliche Besserwisser verunglimpft, und dies nur, weil ein Gestapo-Dokument angeblich die Wahrheit verkündet. Einfach ignoriert oder als wenig glaubwürdig abgetan werden auch Beweise wie jener amerikanische Geheimdienstbericht aus einer „vertrauenswürdigen“ Quelle vom März 1943, wonach „das Vorgehen der Gestapo gegen jüdische Ehefrauen und Ehemänner […] wegen der Proteste, die solche Aktionen hervorriefen, eingestellt werden musste“.
Erschreckend ist auch, dass Gestapo-Ergüsse verwendet werden, um die jahrzehntelange gewissenhafte Arbeit jener Historiker:innen zu diskreditieren und zu verwerfen, welche befanden, dass es am plausibelsten und vernünftigsten sei, den Protest als wirksam anzuerkennen. Schlussfolgerungen von hochkarätigen Historiker:innen aus West- und Ostdeutschland, aus dem Vereinigten Königreich und den USA, darunter Helmut Eschwege, H.G. Adler, Raul Hilberg und Sybil Milton, werden schlichtweg bestritten. Dabei berufen diese sich nicht bloss auf ein einzelnes Dokument, sondern urteilen ausgehend von ihrem Wissen darum, wie das Regime unter ähnlichen Umständen Entscheidungen traf. Es ist daher kaum anzunehmen, dass sie einfach auf Grund einer erneuten Forderung nach einem Schlussstrich ihre Meinung ändern würden oder sich auf die Suche nach unwiderlegbaren Belegen in Gestapo-Akten machen würden. Und dennoch folgte auf den Ruf nach einer smoking gun, die alle Fragen zu den Auswirkungen des Protests zum Verstummen bringen sollte, von Seiten einer geeinten Front aus offiziellen Gedenkstätten und Historiker:innen, von denen viele vielleicht einfach nur unbehelligt weiterarbeiten wollten, schlicht die Weigerung, die Debatte fortzuführen.
Gegen den Strom schwimmen
An Hand eines einzelnen Dokuments lassen sich keine Aussagen über den Rosenstrassen-Protest treffen, ebenso wenig, wie man auf diese Weise Hitlers Verantwortlichkeit für den Holocaust belegen kann. Was auf dem Spiel steht, ist die Arbeitsweise professioneller Historiker:innen. Da wir nicht sicher sein könnten, was passiert sei, müssten wir uns auf den Konsens verlassen, dass die Rosenstrasse keinerlei Auswirkungen hatte, schrieb vor Kurzem ein Historiker. Doch Historiker:innen müssen oft gegen den Strom schwimmen und sollten, wenn sie ihren Berufsstand erhalten wollen, ihre eigenen Methoden anwenden.
Zudem sollte sich die Gesellschaft ein Beispiel an jenen unerschrockenen deutschen Frauen nehmen, die gezeigt haben, dass Juden nur retten konnte, wer gegen die Norm verstiess und sein eigenes Leben aufs Spiel setzte. Die „Tyrannei der öffentlichen Meinung“, schrieb John Stuart Mill, „macht aus Exzentrizität einen Vorwurf [… . Doch] das Ausmaß der Exzentrizität in einer Gesellschaft [war] im Allgemeinen proportional zu dem Ausmaß an Genialität, geistiger Kraft und moralischem Mut […], das sie enthielt“.
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Anne Krier und Philipp Sarasin
„Gegen den Strom schwimmen“ …Ich finde es schwierig aus Einzelereignissen dieser Zeit generalisierende Schlüsse zu ziehen. Die Frauen der Rosenstraße sind Heldinnen, ohne Zweifel. Wäre es schief gegangen, wüssten wir vielleicht heute nichts mehr von ihnen. Es gibt auch viele Beispiele von deutschen Soldaten, die sich nicht (mehr) an Massenerschiessungen in den „Ostgebieten“ beteiligen wollten/konnten, und schlicht versetzt wurden. – Diesen Beispielen stehen die tausenden von Morden an Menschen gegenüber, die aufgrund von falschen Denunziationen vom Nazi-Regime hingerichtet wurden. Rosenstraße: 1943 war das Jahr, in dem an der Ostfront klar wurde, der Krieg ist nicht mehr zu gewinnen. Goebells hat… Mehr anzeigen »