Soziale Medien eröffnen neue Möglichkeiten der Manipulation und Verunsicherung. Sie politisch regulieren zu wollen, ist nachvollziehbar – aber auch zweischneidig. Denn wenn es demokratiefeindlichen Kräften schwerer gemacht werden soll, müssten wohl auch liberale Normen relativiert werden.

Wir erin­nern uns: Endlose Weiten, in denen natio­nale Schranken aufge­hoben sind, freie Ange­bote, für die die Gesetze des Marktes nicht gelten, und virtu­elle Netz­werke, die sich der staat­li­chen Kontrolle entziehen. Das war die Perspek­tive, die das Internet vielen Menschen noch zur Jahr­tau­send­wende bot. Mitt­ler­weile jedoch ist es von unter­neh­me­ri­schen Verwer­tungs­prin­zi­pien durch­drungen und von natio­nalen Netz­po­li­tiken einge­kerbt worden. Verstärkt im poli­ti­schen Fokus stehen mitt­ler­weile auch die sozialen Medien, denen eine zerset­zende Kraft für den sozialen Frieden nach­ge­sagt wird. Während auto­ri­täre Staaten bereits zu dras­ti­schen Regu­la­tionen jener Netz­werke gegriffen haben, unter­nehmen die libe­ralen Demo­kra­tien erste Schritte in diese Richtung.

Schon länger wird nicht bloß disku­tiert, ob die sozialen Medien ein Herd der Radi­ka­li­sie­rung seien, der poli­tisch einge­dämmt werden müsse. Die Debatten über proble­ma­ti­sche Inhalte im Netz haben tatsäch­lich schon erste Regu­la­tionen dessel­bigen gezei­tigt. Das deut­sche Netz­werk­durch­set­zungs­ge­setz oder die EU-Richtlinie zu Upload-Filtern, die zumin­dest mittelbar die Meinungs­frei­heit betrifft, zeugen davon. Mit dem Massaker an Muslimen in Neusee­land, in dem – wie auch beim Anschlag in Halle – die Online-Dimension des neuen Rechts­ter­ro­rismus beson­ders deut­lich wurde, haben diese Bemü­hungen weiteren Auftrieb erhalten. So hatte der Pariser „Christchurch-Gipfel“ im Mai zur Folge, dass sich diverse Inter­net­kon­zerne und Staats­chefs zu weiteren Maßnahmen gegen extre­mis­ti­sche Inhalte im Netz verpflich­teten. Als Folge davon möchte etwa Youtube stärker gegen rassis­ti­sche und verschwö­rungs­theo­re­ti­sche Videos vorgehen. Auch der aktu­elle Neun-Punkte-Plan der Bundes­re­gie­rung gegen Rechts­extre­mismus sieht eine härtere Gangart gegen Hetze in den sozialen Medien vor.

Anfänge einer restrik­tiven Digitalpolitik?

Womög­lich stellen diese Schritte erst den Anfang einer restrik­tiven Digi­tal­po­litik dar. Denn über die bishe­rigen Maßnahmen hinaus sind noch ganz andere Eingriffe denkbar. Vorschläge wie die des deut­schen Bundes­tags­prä­si­dent Wolf­gang Schäuble, Klar­namen in den sozialen Medien verpflich­tend zu machen, des deut­schen Innen­mi­nis­ters Horst Seehofer, Messenger-Dienste zur Entschlüs­se­lung zu zwingen, oder von Poli­ti­kern unter­schied­li­cher Couleur, den Inter­net­gi­ganten Face­book zu zerschlagen, zeigen an, wohin die Reise gehen könnte: Es sollen die Betreiber sozialer Medien nicht mehr nur stärker in die Verant­wor­tung für die dort gestreuten Inhalte genommen werden – es soll deren Funk­ti­ons­weise selbst verän­dert werden.

Aller­dings haben die Wildwest-Zeiten des Inter­nets Fakten geschaffen, die nicht so einfach zu besei­tigen sind. Im Netz anonym und diskret agieren zu können, ist ebenso eine Norm libe­raler Gesell­schaften geworden wie der Umstand, Inhalte ohne selek­tive Instanzen (z.B. Redak­tionen oder Verlage) verbreiten und beziehen zu können. Einschrän­kungen der Anony­mität und der Infor­ma­ti­ons­mo­bi­lität verbindet man eher mit auto­ri­tären Staaten, die Oppo­si­tio­nelle über­wa­chen und die Meinungs­frei­heit verachten. Gerade bei jüngeren Menschen werden diese Frei­heiten als selbst­ver­ständ­lich, ihre Beschnei­dung als regressiv wahr­ge­nommen. Einen Vorge­schmack liefert etwa die Empö­rung über Artikel 13, also jene EU-Richtlinie, die Online­platt­formen bei Urhe­ber­rechts­ver­let­zungen haften lassen will – und insbe­son­dere aus der Youtuber-Szene als „Zensur“ kriti­siert wurde.

Berlin gegen 13 – Demo gegen die EU-Urheberrechtsreform am 23. März 2019, Quelle: berlingegen13.files

Mit Versu­chen der Regu­la­tion riskiert man also, die vermeint­lich fort­schritt­liche Wähler­schaft zu verprellen. Wenn­gleich diese auch aner­kennen mag, dass es eines Vorge­hens gegen Hass und Hetze im Netz bedarf, gilt ihr doch derje­nige, der etwa Verant­wor­tung für die Inhalte bei den soge­nannten „Inter­me­diären“ zentrieren möchte, als illi­be­raler Zucht­meister, der sich mit den Frei­heiten der digi­talen Welt schwertue, zumin­dest aber als über­for­derter Gest­riger, der das Netz nicht verstanden habe. Und oben­drein kolli­dieren solche Versuche mit den mark­li­be­ralen Prin­zi­pien, die einigen poli­ti­schen Akteuren noch immer heilig sind. Mit derar­tigen Eingriffen in das Geschäfts­mo­dell von Inter­net­un­ter­nehmen werden sie daher nicht sonder­lich warm. Und so verwun­dert es in dieser Gemenge­lage auch nicht, dass Vorschläge zur Regu­la­tion immer noch recht zaghaft daherkommen.

Die Frei­heit, gegen Frei­heit zu sein

Ändern könnte sich diese Zurück­hal­tung aber, je mehr sich unter Libe­ralen die Ansicht durch­setzt, dass die Frei­heiten, die soziale Medien bieten, Entwick­lungen ermög­li­chen, die letzt­lich die libe­rale Demo­kratie selbst unter­graben. Dieses Paradox ist nicht neu. Es ist eben die Achil­les­ferse von offenen Gesell­schaften, dass ihre Frei­heiten auch von denen genutzt werden, die eine illi­be­rale Politik anstreben. Der Philo­soph Karl Popper leitete daraus, im Umkehr­schluss, einst das „Paradox der Tole­ranz“ ab: die tole­rante Gesell­schaft müsse into­le­rant gegen­über Into­le­ranz sein. Im digi­talen Zeit­alter zeigt sich dieses Problem in erneu­erter Form. Denn mit den erwei­terten Möglich­keiten der Meinungs­äu­ße­rung erwei­tern sich auch die Möglich­keiten into­le­ranter Kräfte.

Tatsäch­lich ist es kaum zu über­sehen, dass die extreme Rechte von den sozialen Medien bisher profi­tiert hat. Frag­lich ist dabei aber, ob rechte Akteure diese digi­talen Struk­turen nur beson­ders intensiv und stra­te­gisch clever nutzen, wie etwa die über­pro­por­tio­nale Präsenz rechter Akteure in den sozialen Medien nahe­legt – oder ob deren Funk­ti­ons­weise für die rechte Agenda auch noch beson­ders vorteil­haft ist. Die dras­tischste Vermu­tung besagt sogar, dass die sozialen Medien selbst für illi­be­rale Ansichten förder­lich seien. So ließe sich zumin­dest die provo­kante These des Schweizer Histo­ri­kers Antoine Acker verstehen. Der „digi­tale Faschismus“, so Acker, zeichne sich dadurch aus, dass sich nun die Massen stärker selbst mani­pu­lierten – und weniger von Parteien und Führern fehl­ge­leitet würden.

Von dem Grad, in dem soziale Medien förder­lich für illi­be­rale Ansichten sind, hängt aber die Sinn­haf­tig­keit aller Regu­la­tionen ab. Was etwa, wenn die Funk­ti­ons­weise sozialer Medien tatsäch­lich Wahr­neh­mungen fördert, die anfäl­liger für auto­ri­täre Problem­lö­sungen sind? Dann stünde man vor dem Problem, dem Rechts­extre­mismus online nicht nur mit inhalt­li­chen Filtern und digi­taler Zivil­cou­rage begegnen zu können. Es würde nämlich bedeuten, dass illi­be­rale Tendenzen den Vorteil genießen, durch das tech­ni­sche Design sozialer Medien verstärkt zu werden. Um sich zu schützen, müsste die libe­rale Demo­kratie also Eingriffe in die Struk­turen sozialer Medien vornehmen – und damit selbst in gewissem Maße illi­beral handeln. Es versteht sich, dass so eine zwei­schnei­dige Ange­le­gen­heit wohl begründet sein müsste.

Ange­nommen, das Netz tickt rechts

Welche Mecha­nismen vorteil­haft für digi­talen Faschismus sind, wurde bereits an anderer Stelle darge­legt. Zentral für ein Verständnis dieser Mecha­nismen ist der Umstand, dass die extreme Rechte heute, wie auch der klas­si­sche Faschismus, ihre Dynamik vor allem aus Mythen der natio­nalen Bedro­hung (z.B. „Bevöl­ke­rungs­aus­tausch“ oder „Messer­mi­gra­tion“) zieht, mit denen sich außer­or­dent­liche und illi­be­rale Maßnahmen begründen lassen. Zupass kommt ihr dabei etwa, dass Infor­ma­tionen, die zuvor nicht über die Lokal­presse hinaus­ge­kommen sind, nun frei im globalen Netz kursieren. Nicht nur können dadurch rechts­extreme Akteure effektiv Ängste verstärken, indem sie gezielt die News­feeds mit drama­ti­schen Lokal­ereig­nissen fluten. Die Funk­ti­ons­weise der sozialen Medien wirkt sogar selbst als Verstärker von Angst, da mit der geogra­phi­schen Entgren­zung von Infor­ma­tionen die Konsu­men­ten­nei­gung zu schlechten Nach­richten stärker bedient wird.

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Quelle: archiv.berliner-zeitung.de

Zugleich können die klas­si­schen gate­kee­pers des öffent­li­chen Diskurses, die an jour­na­lis­ti­sche und ethi­sche Stan­dards, aber auch pres­se­recht­liche Verant­wor­tung gebunden sind, nun effektiv umge­gangen werden, so dass rechts­extreme fake news gezielt gestreut werden, während post-faktische Inhalte gene­rell durch Algo­rithmen gepusht und gesell­schaft­lich aner­kannte Wahr­heiten rela­ti­viert werden. Nicht zuletzt ermög­li­chen die sozialen Medien, dass die extreme Rechte mit fake accounts, bots und online armies metri­sche Mani­pu­la­tionen betreiben kann, um Inhalte sicht­barer zu machen und eine bestimmte Sicht­weise als weit verbreitet erscheinen zu lassen. Der berüch­tigte Matthäus-Effekt, der durch die Inter­ak­ti­ons­öko­nomie der sozialen Medien nochmal verstärkt wird, tut dabei sein Übriges, so dass viele Nutzer scheinbar beliebte Inhalte durch likes, shares und Kommen­tare mit promoten. Sogar nega­tive Reak­tionen tragen unfrei­willig zur besseren Sicht­bar­keit rechts­extremer Inhalte bei.

Diese Beispiele zeigen, dass ein digi­taler Anti-Faschismus, welcher der Propa­ganda der extremen Rechten mit orga­ni­sierter Gegen­rede entge­gen­treten möchte, schnell an Grenzen stößt. Um zum digi­talen Faschismus aufzu­schließen, müsste er selbst von den neuen Mani­pu­la­ti­ons­mög­lich­keiten Gebrauch machen, welche die sozialen Medien eröffnen – und damit seine eigenen Werte unter­mi­nieren. Und selbst dann wäre er vermut­lich noch im Hinter­treffen, da das tech­ni­sche Design der sozialen Medien Wahr­neh­mungen zu fördern scheint, die kompa­tibel mit der rechts­extremen Ratio­na­lität sind, Ängste zu schüren, inter­sub­jek­tive Stan­dards der Wahr­heits­fin­dung aufzu­lösen und öffent­liche Diskurse zu emotio­na­li­sieren. Dabei stellt sich auch die Frage, ob eine Art digi­tales Wett­rüsten, in dem sich poli­ti­sche Akteure im Online-Aktivismus zu über­bieten versu­chen, über­haupt eine wünschens­werte Perspek­tive wäre. Es ist daher davon auszu­gehen, dass mit dem Fort­schreiten der Debatte über Demo­kratie in Zeiten sozialer Medien zuneh­mend die Frage nach struk­tu­rellen Reformen und poli­ti­scher Regu­lie­rung eben dieser in den Vorder­grund drängen wird. 

Ansatz­punkte der Regulation

Es gibt also durchaus Anlass, die sozialen Medien als förder­lich für illi­be­rale Bewe­gungen zu begreifen. Damit stellt sich aber auch für libe­rale Demo­kra­tien die Frage, wie soziale Medien poli­tisch zu regu­lieren sind, ohne selbst libe­rale Prin­zi­pien (zu sehr) zu unter­graben. Als kaum gangbar erscheinen dabei schon mal Versuche, die geogra­fi­sche Entgren­zung von Infor­ma­tionen, die angst­ver­stär­kend wirkt, wieder zurück­zu­drehen. Wie schon bei früheren Inno­va­tionen der Medien – seien es Buch­druck und Massen­presse, seien es Radio und Fern­sehen – muss sich die Gesell­schaft daran gewöhnen, dass Infor­ma­tionen mobiler über geogra­fi­sche Grenzen hinweg strömen können. Medi­en­po­li­ti­sche Aufklä­rung bleibt hier uner­läss­lich, damit mehr Menschen die neue Flut an schlechten Nach­richten besser einordnen können.

Quelle: https://www.lexology.com

Durchaus zu disku­tieren wäre hingegen, bei der Haftung für Inhalte anzu­setzen. Zwar scheinen diverse Inter­net­kon­zerne nun mehr gewillt, gegen extre­mis­ti­sche Inhalte vorzu­gehen. Frag­lich ist aber, ob dies hinrei­chend sein wird, lässt sich mit deren drama­ti­schen Gehalt doch viel Geld machen. Nicht nur deswegen sollte eine Verant­wor­tungs­zen­trie­rung erwogen werden, die sich nicht in Upload-Filtern erschöpft. Es stellt sich auch ganz grund­sätz­lich die Frage, ob Platt­formen wie Youtube für die Inhalte haften sollten, die von ihnen veröf­fent­licht werden. Denn momentan wird das Pres­se­recht ad absurdum geführt, wenn klas­si­sche Medien redak­tio­nell für die Inhalte von Autoren haften, viel einfluss­rei­chere Medien aber die Verant­wor­tung auf die einzelnen Beitra­genden abwälzen können. Das mag die indi­vi­du­ellen Ausdrucks­mög­lich­keiten erwei­tern, öffnet aber auch der post­fak­ti­schen Dynamik das Tor, auf der illi­be­rale Bewe­gungen reiten. Zu klären wäre hier also, ob letz­tere Gefahr mehr wiegt als der Nutzen des Ersteren.

Beson­ders dring­lich aber wäre, der metri­schen Mani­pu­la­tion Einhalt zu gebieten. Auch hier sind – neben Debatten über die „Deme­tri­fi­zie­rung“ sozialer Medien – erste Schritte der Konzerne zu erkennen. Falsche Profile werden etwa bei Face­book zurzeit verstärkt gelöscht. Doch ohne Verbind­lich­keit kann sich das schnell wieder ändern. Und gene­rell werden nur ein Teil der fake accounts erfasst. Cyber­tech­nisch gut orga­ni­sierte Akteure – insbe­son­dere einmi­schungs­wil­lige Staaten – können sich dem Raster entziehen und Wege finden, um die Erken­nung von Fake-Profilen zu umgehen. Dage­gen­wirken würde zwei­fellos eine Klar­na­men­pflicht, vor allem in Verbin­dung mit einer zentralen Nutzer­re­gis­trie­rung, die jeder Person nur einen Account ermög­licht. Das wäre aber in der Umset­zung sehr heikel. Zum einen wäre es ein Ausbau von Über­wa­chungs­mög­lich­keiten, die selbst Quelle illi­be­raler Entwick­lung sein können. Zum anderen würde es auch zivil­ge­sell­schaft­liche Akteure expo­nieren, die über Extre­misten aufklären und mit deren Gewalt rechnen müssen. Und so drängt sich, bei aller Dring­lich­keit, eine frei­heits­ver­träg­liche Lösung erstmal nicht auf.

Einschrän­kungen, die Frei­heit schützen?

Mögliche Regu­la­ti­ons­ver­suche müssen daher genau bedacht sein, wenn sie keine uner­wünschten Neben­ef­fekte hervor­rufen sollen. Das gilt insbe­son­dere auch, weil jeder Ansatz vor dem Problem der digi­talen Globa­li­sie­rung steht. So zweck­mäßig man auch eine pres­se­recht­liche Reform halten mag, nur national umge­setzt würde sie ihren Zweck verfehlen, da post­fak­ti­sche und extre­mis­ti­sche Inhalte, die aus dem Ausland stammen (und sei es nur von der digi­talen Signatur her), weiter frei in die sozialen Medien einfließen würden. Dasselbe gilt für Maßnahmen im Bereich der Nutzer­re­gis­trie­rung. Von einer solchen Einschrän­kung auf natio­nalem Level würden eher noch die Akteure profi­tieren, die aus dem Ausland Accounts betreiben oder die tech­ni­schen Umwege zu gehen bereit sind: profes­sio­na­li­sierte Mani­pu­la­toren eben.

Ein anderes Dilemma bringt die Macht der Inter­net­kon­zerne mit sich. Unter markt­wirt­schaft­li­chen Prämissen kann man ihnen nicht einfach vorschreiben, wie ihre Funk­ti­ons­weise gestrickt sein soll, obwohl sie mitt­ler­weile die poli­ti­sche Wahr­neh­mung ganzer Gesell­schaften struk­tu­rieren. Zugleich können die Nutzer nicht einfach zu Anbie­tern wech­seln, die auf alter­na­tive Weise funk­tio­nieren. Der große Nutzen von Face­book etwa besteht ja darin, soziale Kontakte universal zu vernetzen. Deswegen tendieren die Nutzer dazu, sich dort zu konzen­trieren. Es ist daher – wie auch Youtube als univer­sales Netz­werk von Videos – ein „natür­li­ches Monopol“, das der Staat nicht so einfach zerschlagen kann. Damit gibt es aber auch keinen Markt, in dem Wett­be­werb regu­lie­rend wirkt. Weswegen der Staat eben doch Veran­las­sung hat, eine poli­ti­sche Regu­la­tion zu forcieren.

Kari­katur von Sergei Elkin über „Souve­ränes Internet“ in Russ­land, Quelle: dw.com

Greift der Staat jedoch zu Regu­la­tionen, riskiert er Wider­stand auch von libe­raler Seite. Gerade die Netz­ge­ne­ra­tion empfindet das als Eingriff in selbst­ver­ständ­liche Frei­heiten. Platt­formen für Inhalte haftbar zu machen, gelten ihr etwa als Angriff auf die Meinungs­frei­heit. Da jedoch verwech­selt sie etwas. Denn in Wirk­lich­keit rekla­miert sie damit nicht das Recht, dass Meinung frei geäu­ßert werden darf, sondern dass jede Meinung unge­fil­tert veröf­fent­licht werden darf. Eine Platt­form ist eben nicht, wie mancher Youtuber es darstellt, ein Dienst­leister wie die Post, der private Nach­richten über­mit­telt, deren Inhalt ihn nichts angeht. Sie stellt viel­mehr in einer Weise Öffent­lich­keit her, wie es über private Webseiten – die digi­tale Entspre­chung des Selbst­ver­lags – kaum machbar wäre, und fungiert so quasi als Verleger. Nur dass sie eben kaum selek­tiert und ihre Autoren die Inhalte selbst einstellen lässt. Die damit geschaf­fene Veröf­fent­li­chungs­frei­heit kann sich letzt­lich gegen die Meinungs­frei­heit richten.

Eine Zentrie­rung von Verant­wor­tung bei den Quasi-Verlegern könnte jeden­falls ein Anschub sein, um die jour­na­lis­ti­schen und ethi­schen Stan­dards wieder­her­zu­stellen, die Demo­kra­tien einst aus gutem Grund für Medien entwi­ckelt haben, die Einfluss auf die öffent­liche Meinung haben. Es muss die Frage erlaubt sein, ob ihr kollek­tiver Nutzen für die demo­kra­ti­sche Verstän­di­gung wirk­lich weniger wiegen soll als das Inter­esse Einzelner, eine stets brüchige Gesell­schaft unge­hemmt beein­flussen zu dürfen – ob mit arglosem Influen­certum oder brauner Propa­ganda. Fürwahr, viele Poli­tiker haben Youtube noch nicht verstanden, wie zahl­reiche Youtuber zu beklagen wissen. Doch genauso haben viele Youtuber das poli­ti­sche Problem nicht verstanden, dass manche Einschrän­kungen auch nütz­lich sein können, um Frei­heiten zu bewahren. Das mag ein heißes Eisen sein, das man lieber nicht anfasst. Aber es bloß als Zensur abzutun, könnte ebenso nega­tive Folgen haben wie unbe­dachte Lösungs­ver­suche, die letzt­lich auch illi­be­ralen Kräften von Nutzen sind.