Noch ist nicht klar, wer sich in den Wahlen in den USA und nach Auszählung aller Stimmen als Sieger herausstellen wird. Im hoffentlich besten Fall ist das nur eine Geduldsprobe – im schlechtesten, aber keineswegs unwahrscheinlichen Fall wird bei dem sich abzeichnenden sehr knappen Ausgang die Legitimität der Wahl in Frage gestellt, wie Präsident Trump dies schon während dem Wahlkampf und auch jetzt wieder in der Wahlnacht getan hat. Die Folgen wären dramatisch: USA würden sich als unfähig erweisen, freie und faire demokratische Wahlen abzuhalten.
Vor allem aber würde eine erneute Präsidentschaft Trump, falls es tatsächlich so weit kommt, die USA nur noch weiter in Richtung eines neuen Autoritarismus, eines wiedererwachten weißen Suprematismus und eines vollständig ungebremsten Kapitalismus im Dienst der Reichsten treiben. Umgekehrt wäre zu hoffen, dass es Joe Biden und Kamala Harris zumindest gelingen wird, wieder Vertrauen in demokratische Institutionen und Prozesse und in die Wissenschaften herzustellen. Wir würden dann später einmal feststellen können, dass dieser Wahltag uns vor wahrhaft historischen Brüchen bewahrt hat.
Aber soweit ist es noch nicht – und einige grundsätzliche, tieferliegende Probleme warten so oder so auf uns. Nicht nur in den USA stehen die Geltung und die allgemein geteilte Anerkennung von Wissenschaft und wissenschaftlich erwiesenen Wahrheiten zur Disposition – bekanntlich einer der Gründe für die weitgehend unkontrollierte Ausbreitung von SARS-CoV-2 in populistisch und autoritär regierten Ländern –, wobei Geistes- und Kulturwissenschaften gleichzeitig als irrelevant und dennoch als gefährlich für alle sogenannten traditionellen Werte und Gewissheiten erklärt werden. Unter solchen Bedingungen drohen Staatspropaganda, fundamentalistische Religion und um sich greifende Verschwörungstheorien die Notwendigkeit kritischen Denkens infrage zu stellen, wenn nicht gar unverhohlen anzugreifen.
In den USA, aber auch in EU-Staaten wie etwa Polen und Ungarn bedeutet daher der Kampf um die Anerkennung von Wissenschaft und freiem Denken nicht weniger als die Verteidigung einer der elementarsten Voraussetzungen der Demokratie. Der Beitrag von GdG – in Form all unserer einzelnen „Beiträge zur öffentlichen Debatte“ – kann dabei nur ein ganz kleiner sein. Aber wir sind überzeugt, dass gerade die Auseinandersetzung mit Geschichte, vor allem mit den Geschichten der Gegenwart, einer politischen Kultur bedarf, welche die öffentliche Diskussion und die öffentlichen Konflikte um Geschichte pflegt und aushält – und dass es daher notwendig ist, für eine solche politische Kultur einzustehen. Auf die Gefahr hin, ein wenig pathetisch zu klingen: Diesem Auftrag fühlen wir uns verpflichtet.