Wenn über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf öffentlich gesprochen wird, geht vor allem darum, wie Frauen trotz Kinder Karriere machen können. Dabei steht viel mehr zur Debatte. Ein Film aus den 1970ern hilft, den Blick hierfür zu öffnen.

Wie man es mit Kindern und Karriere, Beruf und Familie halten sollte, ist zu einer der Gret­chen­fragen unserer Zeit geworden, die trotz der Diskus­sionen um den Vater­schafts­ur­laub immer noch mehr­heit­lich mit den Frauen als den Männern in der Gesell­schaft in Verbin­dung gebracht wird. Kaum eine Woche, in der sich nicht in den Zeitungen Meldungen dazu finden lassen, ob der Anteil erwerbs­tä­tiger Mütter gestiegen sei oder Kinder sich für Frauen noch immer als „Karrie­re­killer“ erwiesen. Wissen­schaft­liche Studien zu dem Thema können sich öffent­li­cher Aufmerk­sam­keit sicher sein. Und insge­samt ist es in Politik und Wirt­schaft weit­ge­hend unstrittig, dass die „Verein­bar­keit von Familie und Beruf“ den entschei­denden Faktor für die Berufs­tä­tig­keit und Karrie­re­wege insbe­son­dere von Frauen darstellt. In Deutsch­land, aber auch in zahl­rei­chen anderen euro­päi­schen Ländern, hat dies zur Einfüh­rung neuer Unterstützungs- und Kinder­be­treu­ungs­an­ge­bote geführt, die Müttern (und Vätern) einen schnel­leren Berufs­ein­stieg ermög­li­chen sollen. Und den Schwie­rig­keiten, die es weiterhin macht, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bekommen, widmet sich ein stetig wach­sender Markt an Ratge­bern mit mehr oder weniger hilf­rei­chen Tipps. 

Szene aus „Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit“; Quelle: youtube.com

Unter dem Schlag­wort der „Verein­bar­keit von Familie und Beruf“ ist damit ein Problem in das Zentrum gesell­schaft­li­cher Erör­te­rung gerückt, das noch vor wenigen Jahren kaum öffent­liche Beach­tung fand. Noch Ende der 1970er Jahre waren Beiträge zu diesem Thema so selten, dass sie dort, wo sie den Weg in die brei­tere Öffent­lich­keit fanden, Furore zu machen vermochten. Auf der Berli­nale 1978 etwa zog ein Film die Aufmerk­sam­keit auf sich, der als einer der ersten das Schweigen der Massen­me­dien über die durch die Doppel­last von Arbeit und Familie entste­henden Schwie­rig­keiten vorführte und zugleich erprobte, wie sich mit den massen­me­dialen Mitteln von diesem vermeint­lich privaten Problem spre­chen ließe. Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit – REDUPER wurde zu einem Klas­siker des frühen femi­nis­ti­schen Kinos. Der Film ist noch immer sehens­wert: als eindrucks­volles Zeit­do­ku­ment der 1970er Jahre, aber auch, weil er weiterhin die Diskus­sion um Kinder und Karriere zu berei­chern vermag.

Berlin im März 1977: Zwei Tage im Leben von Edda Chiemnyjewski

Am Anfang des Films steht sein Spielort: „Berlin im März 1977“ verkündet die eröff­nende Text­tafel, bevor eine lange Kame­ra­fahrt der Berliner Mauer und den anschlie­ßenden Stra­ßen­zügen der Stadt folgt. In ihr lebt und arbeitet Edda Chiem­ny­jewski, eine Foto­jour­na­listin, die von ihren mageren Foto-Honoraren den Lebens­un­ter­halt für sich und ihre Tochter bestreiten muss. Der Film folgt ihr zwei Tage lang durch das voll­ge­stopfte Leben: zu ihren Foto­ter­minen, auf ihren Wegen durch die Stadt, in ihre Wohnung. Auch hier domi­niert die Arbeit. In Bade- und Wohn­zimmer werden die Filme entwi­ckelt, retu­schiert und Abzüge erstellt. Dennoch ist das Foto­gra­fieren für Edda mehr als Brot­er­werb. Bei einer nächt­li­chen Demons­tra­tion gegen Verge­wal­ti­gung macht sie Fotos auf „eigenes Risiko“. Den „inter­es­santen Leuten“, die sie um Fotos für eine Broschüren der Umwelt­be­we­gung bitten, schenkt sie Zeit und Ratschläge, obwohl diese sie nicht bezahlen können. Und vor allem enga­giert sich Edda mit viel Zeit in einer Frau­en­fo­to­gruppe, die Gelder des Berliner Senats bekommen hat, um für eine Image­kam­pagne die Stadt foto­gra­fisch zu doku­men­tieren. Als Groß­fotos sollen die Arbeiten auf Plakat­wänden in der Stadt gezeigt werden, wofür die Gruppe in diesen Tagen mit einem Test­foto die öffent­liche Wirkung erprobt. Doch ange­sichts ihrer Aufnahmen von tristen Stra­ßen­zügen und Mauer­streifen ist unklar, ob ihnen die öffent­liche Präsen­ta­tion nicht noch unter­sagt werden wird. Die Diskus­sionen über die mögliche Zensur und die unsi­cheren Versuche, bei Poli­ti­kern und der Presse Unter­stüt­zung zu mobi­li­sieren, bean­spru­chen viel Zeit.

Szene aus „Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit“; Quelle: itpworld.com

Dazwi­schen stehen kurze Szenen mit Edda und ihrer Tochter Doro­thea, die sie am Morgen nicht zur Arbeit gehen lassen will und schon hinter der Scheibe wartet, wenn die Mutter nach Hause kommt. Eine extra große Eispor­tion soll den Mangel an gemein­samer Zeit ausglei­chen, ebenso Verspre­chungen. „Heute war kein schöner Tag für uns“, sagt Edda als sie Doro­thea ins Bett bringt. „Morgen machen wir einen besseren“. Und dann ist da noch alles Weitere, was auch zum Leben gehört: der Aikidō-Kurs am Abend, der Edda verspricht, „sich selbst zu finden“, zu dem sie es in den letzten drei Monaten aber nur fünf Mal geschafft hat; die spär­liche Zeit mit ihrem Partner, der ihr „irgend­wann zuge­laufen“ ist und an dem sie vor allem schätzt, dass Doro­thea so gut mit ihm spielen kann; die morgend­liche Zeitungs­lek­türe, um „auf dem Laufenden zu bleiben“; ein Anruf ihrer Mutter; Früh­sport. Und immer wieder Arbeit – auch abends und nachts, wenn Edda auf einer Vernis­sage Kontakte zu knüpfen versucht oder für Nacht­auf­nahmen aus dem Bett geklin­gelt wird. Edda stol­pert durch ein Leben, dass für vieles keine Zeit lässt: in dem „aus Zeit­mangel verdrängt wird, was auf Verar­bei­tung drängt“, wie es die Erzäh­le­rin­nen­stimme beschreibt, die im Film die distan­zierten und ruhigen Schwarz-Weiß-Bilder mit Ironie, Sarkasmus und Lite­ra­tur­zi­taten kommen­tiert. „Vor dem Einschlafen denke ich, dass aus Tagen wie diesen das Leben besteht“, spricht die Stimme Edda Worte von Christa Wolf zu, als die Foto­grafin erschöpft ins Bett fällt. „Punkte, die am Ende, wenn man Glück gehabt hat, eine Linie verbindet.“

Filme, Studenten, Frauen

Edda Chiem­ny­jewski ist keine reale Person. Erdacht und verkör­pert hat sie Helke Sander, die mit Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit 1978 ihren ersten abend­fül­lenden Spiel­film vorlegte. Filme machte Sander zu diesem Zeit­punkt aber schon mehr als zehn Jahre; mindes­tens ebenso lang wehrte sie sich dagegen, dass die Doppel­last aus Arbeit und Kinder­er­zie­hung unsichtbar blieb. 1966 hatte Sander als Teil des legen­dären ersten Jahr­gangs der Deut­schen Film- und Fern­seh­aka­demie Berlin (dffb) ihr zweites Studium begonnen, um Filme machen zu können. Doch schon im zweiten Studi­en­jahr drängte sich anderes in den Vorder­grund: Die dffb wurde 1967/68 zu einem der Hotspots der Studen­ten­be­we­gung, an dem sich viele der ange­henden Filmemacher(innen) – mit und ohne Kamera – der poli­ti­schen Revolte verschrieben. Auch Sander gehörte dazu. Dass sie dabei zur trei­benden Figur der entste­henden Frau­en­be­we­gung wurde, war in starkem Maße jener Lebens­kon­stel­la­tion geschuldet, für die sie später in Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit so starke Bilder fand. 

Als allein­er­zie­hende Mutter waren Film­tä­tig­keit, poli­ti­sche Arbeit und Kinder­er­zie­hung für sie in den turbu­lenten Monaten 1967/68 schlicht nicht zusam­men­zu­bringen. Die von ihr maßgeb­lich initi­ierte Grün­dung der Berliner Kinder­läden stellte eine ebenso prak­ti­sche Lösung für drän­gende Alltags­pro­bleme dar, wie sie die Aufmerk­sam­keit der revol­tie­renden Studenten auf das darin sicht­bare „spezi­fi­sche Ausbeu­tungs­ver­hältnis, unter dem die Frauen stehen“, lenken sollte. Aus der Initia­tive entstand der Akti­onsrat zur Befreiung der Frau und ihn vertrat Helke Sander im Herbst 1968 auf der Dele­gier­ten­kon­fe­renz des Sozia­lis­ti­schen Deut­schen Studen­ten­bundes in Frank­furt, wo sie den männ­li­chen Genossen ihre Unfä­hig­keit vorhielt, vermeint­lich private Probleme als gesell­schaft­liche zu erkennen, und wo eine anschlie­ßend auf das Podium geschleu­derte Tomate das ikoni­sche Bild für die Grün­dung der zweiten Frau­en­be­we­gung schuf.

Männer-Fernsehen – Frauen-Probleme

Zehn Jahre später ging es Helke Sander nicht mehr darum, der aus der Studen­ten­be­we­gung erwach­senen Linken ihre geschlech­ter­po­li­ti­sche Blind­heit vorzu­führen, wie sie es noch bei ihrem ersten Spiel­film Eine Prämie für Irene (1971) getan hatte; eine femi­nis­ti­sche Vari­ante des zu dieser Zeit viel beach­teten „Berliner Arbei­ter­films“, in der sie eine Gruppe von Fabrik­ar­bei­te­rinnen ins Zentrum der Hand­lung stellte und auch deren Leben außer­halb der Fabrik­tore. In Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit hallte die Ausein­an­der­set­zung inner­halb der Linken zwar noch nach – nicht zuletzt im Titel, der das sozia­lis­ti­sche Ideal der „allseitig entwi­ckelten Persön­lich­keit“ verball­hornt. Doch die Anklage, die der Film formu­lierte, galt nun vor allem den Massen­me­dien: insbe­son­dere Film und Fern­sehen, in denen Frauen in den 1970er Jahren noch immer ebenso einflusslos geblieben waren wie weib­liche und femi­nis­ti­sche Perspek­tiven. Die Wut darüber, „dass die Bevöl­ke­rung rund 40 Prozent ihrer Frei­zeit, wenn nicht mehr, vor dem Fern­seh­schirm zubringt, dessen Programm fast 100 Prozent von Männern gemacht wird und männ­liche Leit­bilder prägt“, hatte sich Sander Mitte der 1970er Jahre in einem program­ma­ti­schen Text von der Seele geschrieben, der wich­tige Diskus­sionen um die Situa­tion von Filme­ma­che­rinnen anstieß. Diskus­sionen, die nun in der neuen Zeit­schrift Frauen und Film geführt wurden, die Sander zugleich gründete.

Szene aus „Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit“; Quelle: filmstarts.de

In Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit fand sie eine subti­lere Sprache für diese Wut. Gleich in den ersten Minuten folgt der Film seiner Prot­ago­nistin zu einem Foto­auf­trag, bei dem sich Edda gemeinsam mit anderen Foto­grafen am kalten Früh­lings­morgen die Beine in den Bauch steht. Im Niemands­land vor dem Mauer­streifen sind die Objek­tive auf eine Eisen­bahn­brücke gerichtet, über die an diesem Morgen die letzte Dampf­lo­ko­mo­tive der Strecke Hamburg – Berlin passieren soll. „Ein der Veröf­fent­li­chung wert befun­denes Ereignis“, kommen­tiert die Stimme aus dem Off, das Edda für eine Zeitung doku­men­tieren soll. Solche Ereig­nisse gibt es in dem Film viele. Edda macht Pres­se­fotos beim Treffen des Kura­to­riums „Unteil­bares Deutsch­land“ oder bei einer Senio­ren­feier. Die Stimme aus dem Off verliest eine Nach­rich­ten­mel­dung über die Aufnahme von Gruß­nach­richten des UN-Generalsekretärs an mögliche fremde Lebens­formen, die mit einer Sonde in den Welt­raum geschossen werden sollen. Und immer wieder ist da das Radio, das Edda bei ihren Auto­fahrten oder zu Hause hört, und das von der ersten Sonnen­en­er­gie­ta­gung in München, Reformen im Berufs­schul­wesen oder der inter­na­tio­nalen Touris­mus­messe berichtet. Auch ein Beitrag über das Jubi­läum der DDR-Frauenorganisation ist zu hören, aber nie ist von den Dingen die Rede, die das Leben von Edda bestimmen und die die Kamera zugleich einfängt. „Ihrer Meinung nach werden ihr viel zu wenig Bilder abge­nommen von Dingen, die Leute wirk­lich bewegen“, kommen­tiert die Erzäh­lerin aus dem Off, als Edda ohne Auftrag bei der Demons­tra­tion gegen Verge­wal­ti­gung foto­gra­fiert, und spricht damit aus, was der Film beständig vor Augen führt. Auch die Sorgen um das Foto­pro­jekt für den Berliner Senat kreisen um das Problem, dass solche Bilder, wie sie sie zeigen wollen, „nicht in Zeitungen“ zu finden sind. Und was nicht in der Zeitung erscheine, „darfst Du in einer Ausstel­lung auch nicht machen“, sagt eine der Frauen. Wieder und wieder provo­ziert der Film so die Span­nung zwischen dem, was man sieht und dessen mangelnder Sicht­bar­keit in den Massen­me­dien. „Was erfährt man nicht und ist doch Zeit­ge­nosse“, heißt es an seinem Ende.

Eine Bild­sprache für das ganze Leben

Doch der Film ist nicht nur Anklage, sondern zugleich eine Refle­xion darüber, wie sich mit den Mitteln des Films über­haupt von dem erzählen ließe, was man nicht erfährt. Ausführ­lich thema­ti­siert er diese Frage in den Schwie­rig­keiten der Frau­en­gruppe, ihre Sicht auf die Stadt ins Bild zu bannen, in ihren Enttäu­schungen über die mangel­hafte Wirkung des Groß­bildes im Stadt­raum und in der Sorge, mit den eigenen Foto­gra­fien „keine völlig andere Perspek­tive“, sondern nur die Umkehr bekannter Bilder geschaffen zu haben. Fehlende Sicht­bar­keit wird in Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit nicht nur als Ergebnis mangelnden Inter­esses oder poli­ti­scher Absichten gekenn­zeichnet, sondern ist auch eine Frage der Darstellungsform.

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Der Film findet seine Antwort darauf in ruhigen, fast unschein­baren Bildern, in denen Details und Beiläu­fig­keiten zählen: In der Foto­gruppe mault eine, dass „jedes Mal eine von Euch ihr Kind mitschleppen“ müsse. Edda berichtet einer Freundin, wie sie auf der Suche nach ihrem Foto­pa­pier die Waren­häuser abklap­pern musste, weil es dieses nicht mehr im Groß­handel zu kaufen gibt, was fast doppelt so hohe Kosten bedeutet. Die Umwelt­ak­ti­visten bitten sie um Fotos, weil sie glauben, dass Edda, im Gegen­satz zu einem männ­li­chen Kollegen, Zeit für so etwas hat. Bei der Senio­ren­feier tanzt und spricht Edda mit den alten Frauen, statt sich auf ihren Foto­auf­trag zu konzen­trieren. Doro­thea klam­mert sich bei der Verab­schie­dung zur Arbeit „wie jeden Morgen“ an ihre Mutter, will sie nicht gehen lassen und behält schließ­lich wenigs­tens ihren Schal zurück. Zum Gespräch mit dem Vertreter der Werbe­firma, auf deren Plakat­wänden die Fotos der Gruppe gezeigt werden sollen, fahren die Frauen zu zweit, „um sicherer aufzu­treten“. Als Edda bei einer Zeitung ihr Honorar für ein ohne Absprache abge­drucktes Foto einfor­dert, muss sie sich dafür recht­fer­tigen, „mit Freund­lich­keit nicht immer weiter“ zu kommen.

Szene aus „Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit“; Quelle: achtungberlin.de

All diese Klei­nig­keiten verweisen auf etwas Größeres, das der Film aber nicht benennt. Er gibt die Fragen an die Zuschau­enden weiter: wo alltäg­liche Schwie­rig­keiten gesell­schaft­liche oder persön­liche Ursa­chen haben, inwie­weit sie auf ökono­mi­schen Struk­turen oder sexis­ti­schen Vorur­teilen gründen, ob sie Edda alleine oder auch andere betreffen – und inwie­weit sich das alles über­haupt unter­scheiden und sepa­riert betrachten lässt. Im Film entfalten die einzelnen Szenen ihre Bedeu­tung jeden­falls erst in der Zusam­men­schau: So marginal die einzelnen Momente für sich genommen sind, so zeigen sie gemeinsam ein Leben, dessen Haupt­figur auf ganz unter­schied­liche Grenzen und Hinder­nisse stößt, die weit mehr verhin­dern als beruf­li­chen Erfolg und eine liebevoll-gelassene Kinder­er­zie­hung. Was vor allem auf der Strecke bleibt, sind die „vielen in ihr verbor­genen, gespei­cherten Pläne“, von denen der Film nur ganz am Rande spricht: Dinge, die Edda gerne einmal machen oder können würde, wie etwa „mehr von Physik verstehen“. 

Sie würde „das Wort ‚Verein­bar­keit‘“ nicht mögen, hat Helke Sander vor ein paar Jahren zu ihrem Film gesagt, „weil in einem Leben so viel mehr exis­tiert als nur Beruf und Familie: Wünsche, Tätig­keiten, Philo­so­phie, Poesie …“. In dem Wort zeige sich letzt­lich nur die noch­ma­lige „Redu­zie­rung der redu­zierten Persön­lich­keit“. In der Tat demons­triert Die allseitig redu­zierte Persön­lich­keit auch in der heutigen Konstel­la­tion, wo die „Verein­bar­keit von Familie und Beruf“ zum medialen Dauer­thema geworden ist, wie beschränkt die öffent­liche Debatte zu diesem Thema weiterhin ist. Darin haben sich andere Darstel­lungs­formen durch­ge­setzt, nicht zuletzt Daten und Zahlen, die das Problem auf die Frage nach dem Anteil von Frauen in Führungs­gre­mien und der Fort­set­zung ihrer Karriere nach der Geburt konzen­trieren. Helke Sanders kluger und suchender Film hilft deshalb noch immer dabei zu erkennen, dass bei der „Verein­bar­keit von Familie und Beruf“ weit mehr zur Dispo­si­tion steht als die Frage, wie sich Kinder und Karriere am geschick­testen unter einen Hut bekommen lassen. Es geht vor allem um den Kopf, auf dem der Hut sitzen soll.