Die Neuübersetzung und Kontextualisierung von historischen Sprachaufnahmen lässt die Gegenrede Kolonisierter und ihre Kritik an kolonialer Gewalt noch einmal hörbar werden. Im Buch „Kolonialgeschichte hören“ erzählt Anette Hoffmann von der Ton-Sammlung des österreichischen Arztes und Anthropologen Rudolf Pöch.

Geschichte der Gegenwart
Geschichte der Gegenwart 
Der Klang des Kolonialarchivs
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Gegen­wärtig erleben das gespro­chene Wort und damit verbunden auch das Hören einen regel­rechten Boom. Das totge­sagte Radio ist als Podcast nicht nur wieder­auf­er­standen, sondern hat sich in rasender Geschwin­dig­keit, was die schiere Anzahl, aber auch die Themen­viel­falt und die unter­schied­li­chen Genres betrifft, verbreitet. Und selbst eindeutig für das Lesen geschrie­bene Texte, etwa für Zeitungen und andere Medien, werden häufig als Service eben­falls vorge­lesen – wie auch dieser Text, den Sie gerade lesen oder eben wahl­weise hören können.

Sinne der Geschichte

In der Geschichts­wis­sen­schaft lässt sich eben­falls eine (neue) Hinwen­dung zum Gesagten und Gehörten fest­stellen. Die Sound History inter­es­siert sich seit etwa 20 Jahren für Stimmen und Klang, für Geräu­sche und Lärm, also dafür, wie sich die Vergan­gen­heit ange­hört hat, nachdem zunächst in den 1980er Jahren das Bild und die Visua­lität der Welt „entdeckt“ worden waren. In beiden Fällen braucht es neben der Neuin­ter­pre­ta­tion bekannter Quellen auch neues Mate­rial, also Bilder und Töne, aber auch neue Methoden und Darstel­lungs­formen. Und in beiden Fällen war eine Histo­ri­sie­rung der Sinne, schon früh voran­ge­trieben von der Schule der Annales, notwen­dige Voraus­set­zung für diese Erwei­te­rung des histo­ri­schen Reper­toires. Das heißt, es wurde nicht nur die Bedeu­tung des Hörens und Sehens für die Welt­wahr­neh­mung unter­sucht und auf der Basis neuer Quellen versucht, die Verän­de­rungen der Geräusch­ku­lissen in den verschie­denen und verklun­genen Umwelten von Stadt und Land, Arbeit und Muße­zeit zu rekon­stru­ieren, sondern es wurde auch gezeigt, dass die Art und Weise, wie Menschen hören und sehen, und welche Bedeu­tung sie den jewei­ligen Sinnen zumessen, einem histo­ri­schen und kultu­rellen Wandel unterliegen.

Diese Thema­ti­sie­rung der Sinne zieht häufig eine Hinwen­dung zum Alltag und zur Arbeits­welt nach sich, zu Fragen von Macht, Herr­schaft und Unter­drü­ckung, gerade weil die geschrie­benen Doku­mente der staat­li­chen Archive hier oft „schweigen“ und zudem auch illi­te­rate Menschen, die des Lesens und Schrei­bens nicht mächtig sind, in Rede und Gesang, in Klagen und Schreien, Spott und Gebet zu Wort kommen. Shane White und Graham White haben schon 2005 in ihrem Buch „The Sounds of Slavery” die sound­scape der Skla­verei des 18. und 19. Jahr­hun­derts in den USA rekon­stru­iert und dabei ihr Augen­merk auf Lieder, Predigten und Reden gelegt. Noch grund­sätz­li­cher zeigt Mark M. Smith in seiner Studie „How Race is Made“ die Bedeu­tung aller Sinne bei der Konstruk­tion von „race“ im ameri­ka­ni­schen Süden, und zwar zu einer Zeit, in der die schein­bare Sicher­heit des äußeren Anscheins, wer denn Schwarz bzw. Weiß sei, durch eine Zunahme einer „raci­ally mixed popu­la­tion“ ab den 1850er Jahren verun­si­chert wurde. „Rasse“ ist niemals ein nur visu­elles (und natür­lich recht­li­ches, poli­ti­sches und soziales) Phänomen gewesen, sondern auch eines des Fühlens, Schme­ckens, Hörens und Riechens. Gerade die wirre Ideo­logie der „one-drop-rule“ musste zwangs­läufig andere Krite­rien als das Sicht­bare ins Feld führen, um eine binäre Rassen­zu­ord­nung aufrecht erhalten zu können. Denn nach dieser Regel galt jeder Mensch dann als Schwarz, wenn sich ein afri­ka­ni­scher bzw. schwarzer Vorfahre irgendwo in der Ahnen­reihe finden ließ.

Acou­stic Archives – Die Stimmen der Anderen

Auch wenn rassis­ti­sche Theo­rien sich etwa über die Beson­der­heiten der „schwarzen“ Stimmen ausließen, erklingen die Stimmen der Versklavten, der Margi­na­li­sierten, der Unter­drückten, der Subal­ternen selten selbst im Archiv. Sie werden entweder eben doch anhand von schrift­li­chen Über­lie­fe­rungen rekon­stru­iert oder ohnehin nur meta­pho­risch aufge­rufen – im Anspruch auch ihnen „eine Stimme zu geben“. Ganz anders nun arbeitet die Histo­ri­kerin Anette Hoff­mann. Ihr Forschungs­in­ter­esse richtet sich auf eine oft genug gewalt­same akustisch-koloniale Wissens­pro­duk­tion, die sich in histo­ri­schen Tondo­ku­menten zeigt, welche seit mehr als hundert Jahren in euro­päi­schen Archiven liegen und über die Hoff­mann unter dem Titel Kolo­ni­al­ge­schichte hören (2020) ein äußerst lesens­wertes Buch geschrieben hat. Sie unter­sucht darin – wie auch in ihrem aktu­ellen Projekt „Listening to the Archive. Histo­rical Voice Recor­dings as Sources for Histo­rio­gra­phies of the Colo­nial Period die Bedeu­tung akus­ti­scher Samm­lungen als Quellen zur Kolo­ni­al­ge­schichte. Konkret handelt es sich dabei um Wachs­walzen und Archiv­platten mit Sprach­auf­nahmen in Beispiel­sätzen und freier Rede aus der Samm­lung des als „Medi­en­pio­nier“ gefei­erten öster­rei­chi­schen Anthro­po­loge Rudolf Pöch (1870-1921).

Das von Pöch aufge­zeich­nete Naro, eine noch heute in Bots­wana und Namibia gespro­chene Sprache, verstand er aller­dings nicht (und er konnte sich offenbar vor Ort zudem nur unzu­rei­chend in einem Kauder­welsch aus Deutsch, Englisch und Afri­kaans verstän­digen). Obwohl mithin auf den Wachs­walzen und Archiv­platten die Stimmen der Kolo­ni­sierten zu hören sind, ging es kolo­nialen Forschern wie Pöch, der sich vor allem für die Sprach­me­lodie und den Sprach­fluss inter­es­sierte, nicht darum, den Sinn dessen zu erfassen, was sie aufzeich­neten; sie verfolgten viel­mehr davon unbe­rührte lingu­is­ti­sche und (rassen-)anthropologische Fragestellungen.

!Ai-khoë (Naro) Frauen mit Hörschläu­chen beim Abhören von Tonauf­nahmen, aufge­nommen 1908 von Rudolf Pöch (Quelle: Phono­gramm­ar­chiv der Öster­rei­chi­schen Akademie der Wissenschaften)

Hoff­mann betont, dass die von ihr unter­suchten Tonauf­nahmen nicht wie andere kultu­relle Arte­fakte „gesam­melt“ wurden, sondern gemeinsam produ­ziert worden seien – in einem eigen­ar­tigen, tech­nisch sehr avan­cierten Zusam­men­spiel von Körper und Maschine. Vor allem aber wurden diese Tondo­ku­mente in einer kolo­nialen Situa­tion zwischen den ausge­wählten Sprecher:innen und den Anthro­po­logen produ­ziert. Sie entstammten damit einer gemein­samen Wissens­pro­duk­tion, bei der es jedoch weder um Einver­nehmen noch um gemein­same Inter­essen ging. Daher waren es gerade das Unwissen und die mangel­haften bis fehlenden Sprach­kennt­nisse von Anthro­po­logen wie Pöch, die es ermög­lichten, dass mit den aufge­zeich­neten Sprach­bei­spielen auch subver­sive, das heißt zornige und kriti­sche Botschaften in die Samm­lungen und Archive gelangten – und damit die Stimmen jener, die eigent­lich nicht „zu Wort“ kommen sollten…!

Close listening – Wider­stand hören

Doch Anette Hoff­mann geht es mit dem Hinweis auf die beson­dere Produk­ti­ons­si­tua­tion vor allem darum, die entkör­perten „dem Echo verwandten“ Stimmen, die „als Wider­hall von ihren Spre­che­rInnen abge­löst und als Wieder­ho­lungs­stimmen nahezu unsterb­lich“ sind, wieder in eine konkrete histo­ri­sche Situa­tion zurück­zu­betten, sie mit Namen und Portraits zu versehen und die Situa­tion zu rekon­stru­ieren, in der die Tonauf­nahme entstanden ist. Wie aus Pöchs Tage­bü­chern deut­lich hervor­geht, wusste er selbst genau, unter welchen Umständen die von ihm vor den Gram­mo­phon­trichter gestellten und zuvor anthro­po­me­trisch vermes­senen und foto­gra­fierten Menschen lebten. Erst in der veröf­fent­lichten Forschungs­li­te­ratur wurden die verfolgten, prole­ta­ri­sierten und margi­na­li­sierten Naro-Sprecher:innen zu Vertreter:innen der letzten „Natur­völker“.

In dieser Forschungs­si­tua­tion fand keine Kommu­ni­ka­tion statt, sondern eine Bemäch­ti­gung, eine Extrak­tion von Wissen.  Dabei gehört es zum Paradox des Kolo­ni­al­ar­chivs, dass es sehr viel mehr über den Wissen­schaftler selbst zu zeigen vermag – auch wenn er sich als „neutrale Instanz“ ohne körper­liche Bedürf­nisse und Subjek­ti­vität zu präsen­tieren versuchte – als über die unter­suchten Menschen, die zwar Gegen­stand der Forschung waren, aber als Indi­vi­duen gleichsam durch­ge­stri­chen wurden. 

Hans Lich­ten­ecker: Unbe­kannte Frau spricht in den Phono­gra­phen; Samm­lung Hans Lich­ten­ecker © Nami­bian Scien­tific Society in Wind­hoek; Quelle: altertuemliches.at

Unsichtbar werden in den wissen­schaft­li­chen Texten auch die in Briefen und Tage­bü­chern zumin­dest erwähnten, manchmal auch einge­hend beschrie­benen „Helfer“: bota­ni­sche und zoolo­gi­sche Exper­tinnen, Köche, Träger, Scouts, Vermitt­le­rinnen, Über­set­ze­rinnen, tech­ni­sche Assis­tenten, die Geräte einrich­teten und Filme entwi­ckelten – das heißt all die Menschen, welche die kolo­niale Wissens­pro­duk­tion erst ermög­lichten, und deren Stimmen in Einzel­fällen auch auf den Wachs­walzen von Pöch über­lie­fert sind.

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Dass diese Tonauf­nehmen heute noch zu hören sind, mag zu der Idee verführen, hier könnte durch die Zeit hindurch etwas Verlo­renes wieder­ge­wonnen werden. Aller­dings, so der Klang­his­to­riker Frieder Miss­felder in einem ausge­zeich­neten Einfüh­rungs­text zur Klang­ge­schichte: „Walzen, Tonbänder, Schall­platten oder mp3-Dateien sugge­rieren zwar den Reali­täts­ef­fekt einer natur­ge­treuen Wieder­gabe des Verklun­genen, sind aber prin­zi­piell nicht weniger medial form(at)iert als andere Medien der akus­ti­schen Inskrip­tion“ – wie zum Beispiel Notenschriften. 

Nicht nament­lich benannter Mann, viel­leicht ein Lehrer aus Berseba, hört eine Tonauf­nahme. Bild­aus­schnitt aus einer Foto­grafie von Hans Lich­ten­ecker, Deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia), 1931; © Nami­bian Scien­tific Society in Wind­hoek; Quelle: kultur-online.net

Dieser „Forma­tie­rung“ begegnet Anette Hoff­mann mit der Methode des „close listening“, bei der sie nicht nur auf die gespro­chenen Wörter achtet, sondern alle Hintergrund- und Neben­ge­räu­sche einbe­zieht, „das Räus­pern oder Husten, die Ansage des Aufneh­menden, das Rumpeln des Phono­grafen und die Melodie des Gesagten. Close listening“, so Hoff­mann weiter, „beachtet alle akus­ti­schen Signale und kann so die Aufmerk­sam­keit verschieben“ – und zwar von den aufge­sagten Sprach­bei­spielen hin zu den expres­siven und perfor­ma­tiven Sprech­si­tua­tionen, zu denen auch die akus­ti­schen Spuren der Zuhö­rer­schaft gehören, ihre Zustim­mung, ihr Aufmerken, ihr Murren. Aber erst durch die – manchmal aufgrund der Tonqua­lität nur schwer zu bewerk­stel­li­genden – Neuüber­set­zungen durch Job Morris, Naro-Sprecher aus D’kar und Akti­vist für San-Rechte in Bots­wana, ist auch der Inhalt der Sprach­auf­nahmen genauer zu entschlüs­seln, den Pöch oft nur sehr ober­fläch­lich zusam­men­fasste und oft stark verzerrt wiedergab. 

In einer dieser Aufnahmen ist zu hören, dass ein Mann zornig und immer wieder und wieder sein Messer zurück­for­dert. Unklar bleibt, wann und wie Pöch es in seinen Besitz gebracht hat, doch der Blick auf die angeb­lich eher unwich­tigen Alltags­ge­gen­stände in kolo­nialen Samm­lungen verän­dert sich schlag­artig, wenn anhand der Über­set­zung der gera­dezu verzwei­felten Rück­for­de­rung und durch Anette Hoff­manns Erläu­te­rungen deut­lich wird, wie extrem wert­voll ein solches Metall­werk­zeug in der dama­ligen Situa­tion war. Pöch hingegen behauptet in seiner Zusam­men­fas­sung, der Mann wünsche sich ein Messer.

Die folgenden, als Beispiel­sätze aufge­nom­menen Worte bedürfen wohl kaum einer Interpretation:

               Ich fürchte mich zu reden.
               Warum lachst du?
               Ich bin durstig und will Wasser.
               Ich bin hungrig.

Das Archiv verschlingt Wörter

Quelle: mandelbaum.at

Wenn von einer geteilten Wissens­pro­duk­tion und geteiltem Wissen die Rede ist, heißt dies wie gesagt nicht, dass das Wissen bzw. die Quellen oder Daten einver­nehm­lich produ­ziert oder im Sinne eines sharing mitein­ander geteilt wurden. Wie Anette Hoff­mann schreibt, steht daher auch heute noch die Gewalt­sam­keit, mit der Wort­be­deu­tungen, Mittei­lungen und Kritiken „vom Archiv verschlungen“ wurden, unver­söhn­lich jener Sorg­falt gegen­über, mit der die Tonob­jekte bis heute konser­viert wurden. Direkter Zwang und indi­rekte Zwangs­si­tua­tionen dürfen also keines­falls unter­schlagen werden, viel­mehr soll auf die Beson­der­heit dieser kolo­nialen Wissens­pro­duk­tion hinge­wiesen werden, die aller­dings ganz analog zu den Sammel­prak­tiken von Objekten verlief: Die in Samm­lungs­ob­jekte verwan­delten Alltags­ge­gen­stände, spiri­tu­ellen Objekte und sterb­li­chen Über­reste wurden eben­falls in deut­lich nicht-symmetrischen Situa­tionen der Befra­gung und Erklä­rungen, der Verwei­ge­rung oder auch Über­las­sung zuerst zu „Quellen“, bevor sie, der Syste­matik des Kolo­ni­al­ar­chivs unter­worfen, in Samm­lungen landeten. 

In diesem Sinne wurde auch das von den kolo­nialen Ton-Anthropologen erho­bene indi­gene Wissen mit Aufzeich­nungs­ge­räten und der nach­fol­genden Archi­vie­rung in die Wissens­ord­nung der Kolo­ni­al­herren trans­fe­riert. Es verstand sich immer zugleich als univer­sell gültiges Wissen – zum Beispiel über „Natur­völker“ – und als spezi­fisch euro­päi­sche Leis­tung und Errun­gen­schaft. Eine radi­kale Kritik und Deko­lo­ni­sie­rung eines solchen Wissens kann nicht darin bestehen, solche Archive insge­samt zu verbrennen und mit den schmel­zenden Wachs­walzen auch die Stimmen derer zu verlieren, die bereits sorg­fältig aus den veröf­fent­lichten wissen­schaft­li­chen Publi­ka­tionen heraus­ge­schrieben wurden: Die einhei­mi­schen Expert:innen und Helfer:innen und auch dieje­nigen, die nur gezwun­ge­ner­maßen etwas preis­ge­geben haben, die aber im Archiv in den Winkeln und Nischen der Tage­bü­cher, Briefe oder eben auch auf nie unter­suchten Tonträ­gern zu finden sind. 

Viel­mehr kann es zum Beispiel zur wissen­schaft­li­chen Selbst­kritik gehören, die im Fall von Pöch auf fünf Wiener Insti­tu­tionen verteilten Objekte wieder zusam­men­zu­bringen und aufein­ander zu beziehen. Dadurch würde nicht nur die subal­terne Kritik aus dem Tonar­chiv auch in der Objekt­aus­stel­lung hörbar, sondern es würde zum Beispiel deut­lich, wie eng Kolo­ni­al­krieg und Wissen­schaft auch in dieser konkreten Samm­lung zusam­men­hängen. Immer dann, wenn Pöch von deut­schen Soldaten begleitet wurde, deren Ausrüs­tung und Gebärden auf alten Foto­gra­fien zu sehen sind, schwoll die Anzahl der Objekte im Gepäck deut­lich an. Obwohl es kriti­sche Kommen­tare zur euro­päi­schen Samm­lungs­praxis in den von Pöch gesam­melten Tonauf­nahmen gibt, die ein wich­tiger histo­ri­scher Beitrag zur gegen­wär­tigen Resti­tu­ti­ons­de­batte sein könnten, sind diese – das gilt auch für andere Tonar­chive – bisher wenig untersucht.

Die mangelnde Beschäf­ti­gung mit Tondo­ku­menten und die Absenz der Stimmen haben auch damit zu tun, dass die Tonauf­nahmen oft nicht tran­skri­biert und über­setzt sind, ihr Inhalt falsch verzeichnet ist, oder sie aufgrund mangel­hafter Verschlag­wor­tung nicht in Kata­logen und Regis­tern aufge­funden werden können. Die Resti­tu­tion von Tonauf­nahmen – was in digi­ta­li­sierter Form sehr einfach wäre – erschließt aller­dings eine große Chance, denn solange sie in euro­päi­schen Archiven „inter­niert“ bleiben, wie Anette Hoff­mann schreibt, können sie kaum durch Mitglieder der Herkunfts­ge­sell­schaften zum Spre­chen gebracht werden, und der aufzeich­nende Forscher bleibt der allei­nige auto­ri­sierte Interpret. 

Anette Hoff­mann hat ein zorniges Buch geschrieben, in dem sie ganz im Sinne von Ann Stoler das Archiv nicht als Ort der Wissens­ab­frage, sondern zurecht als einen Ort der Wissens­pro­duk­tion betrachtet.

 

Anette Hoff­mann: Kolo­ni­al­ge­schichte hören. Das Echo gewalt­samer Wissens­pro­duk­tion in histo­ri­schen Tondo­ku­menten aus dem südli­chen Afrika, Mandel­baum Verlag Wien 2020