Kompromisse gelten als Ausdruck demokratischer Reife und sind konstitutiv für die politische Kultur der Bundesrepublik. Doch gilt das auch für den „Kohlekompromiss“, der von den regierenden Grünen zwar mitgetragen, von Klimaaktivist:innen aber als „dreckiger Deal“ bekämpft wird?

  • Constantin Goschler

    Constantin Goschler ist Professur für Zeitgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum und zur Zeit Gerda Henkel Visiting Professor am Deutschen Historischen Institut London und der London School of Economics and Political Science. Er arbeitet an einem Projekt zu den Kulturen des Kompromisses in der Bundesrepublik und Großbritannien nach 1945.

Quelle: wdr.de

Jüngst ließ sich in Echt­zeit die Entste­hung eines neuen Mythos beob­achten: die ‚Schlacht um Lützerath‘. Während auf den Feldern um den Weiler Demonstrant:innen mit Polizist:innen rangen, tobte in den Medien der Kampf um die Deutungs­ho­heit. Grüne Poli­tiker und Poli­ti­ke­rinnen von Robert Habeck über Mona Neubaur und Oliver Krischer bis Ricarda Lang vertei­digten eine im Herbst 2022 mit RWE getrof­fene Verein­ba­rung, den soge­nannten Kohle­kom­pro­miss: Für einen geop­ferten Weiler seien fünf Dörfer gerettet worden und zudem würden erheb­liche Mengen Braun­kohle im Boden bleiben, statt wie zuvor geplant abge­baut zu werden. Zugleich sei der für 2038 geplante Kohle­aus­stieg zumin­dest in West­deutsch­land auf 2030 vorver­legt worden. Damit versu­chen sie das mit RWE ausge­han­delte Ergebnis als einen wich­tigen Etap­pen­sieg auf dem Weg zum Klima­schutz zu kommunizieren.

Umge­kehrt kriti­sierten Klima­schüt­ze­rinnen wie Luisa Neubauer und Greta Thun­berg diese Verein­ba­rung als nicht-akzeptablen Deal. Sie kriti­sieren die Grund­lagen der Verein­ba­rung mit RWE und verweisen auf wissen­schaft­liche Gegen­ex­per­tisen, wonach die Kohle­vor­kommen von Lützerath zur Herstel­lung von Versor­gungs­si­cher­heit gar nicht benö­tigt würden. Über­dies insis­tierten sie auf dem unbe­dingten Vorrang des Klima­schutzes, der keine Kompro­misse (mehr) zulasse. 

Greta Thun­berg im Inter­view mit Anne Will; Quelle: ardmediatek.de

Von Anne Will vor der Kulisse eines durch die Eini­gung mit RWE vor dem Abriss geret­teten Bauern­hofes mit gackernden Hühnern ins Kreuz­verhör genommen, erklärte Greta Thun­berg: „Als Akti­vistin ist es nicht meine Rolle, Kompro­missen zwischen Regie­rungen und sehr zerstö­re­ri­schen Unter­nehmen zuzusehen“. 

Unter­gangs­sze­na­rien rund um die ‚Schlacht um Lützerath‘

Doch es geht hier nicht nur um unter­schied­liche Rollen poli­ti­scher Akteure zwischen Akti­vismus und Regie­rungs­ver­ant­wor­tung. Denn zugleich treffen bei der der öffent­li­chen Vertei­di­gung oder Kritik des „Kohle­kom­pro­misses“ zwei konkur­rie­rende Krisen­be­schrei­bungen aufein­ander: Auf der einen Seite gilt Lützerath als unver­zeih­li­cher Verstoß gegen die klima­po­li­ti­schen Verpflich­tungen der Bundes­re­pu­blik, der es unmög­lich mache, die verein­barten Ziele zur Begren­zung der Erder­wär­mung einzu­halten. Andere Stimmen sehen in der radi­kalen Ableh­nung des Kohle­kom­pro­misses dagegen einen weiteren Schritt in die gesell­schaft­liche Spal­tung und imagi­nieren damit mittelbar den Nieder­gang der libe­ralen Demo­kratie. So kriti­sierte etwa der nordrhein-westfälische Innen­mi­nister Herbert Reul am 15. Januar bei „Anne Will“ (ARD) den Kampf gegen den Kohle­kom­pro­miss als Symptom allge­mein schwin­dender Ambi­gui­täts­to­le­ranz in der deut­schen Gesell­schaft. Der Münchner Sozio­loge Armin Nassehi hatte am Tag zuvor im Spiegel manchen Teilen der Klimaaktivist:innen Manich­äismus vorge­worfen und daran die Frage geknüpft, ob man mit der Apoka­lypse über­haupt noch Politik machen könne, denn poli­ti­sche Posi­tionen müssten in der Demo­kratie prin­zi­piell verhan­delbar sein. Grüne Poli­ti­ke­rinnen und Poli­tiker sitzen somit zwischen beiden Stühlen. Denn einer­seits fühlen sie sich dem poli­ti­schen Milieu der Klima­schützer verbunden und teilen deren poli­ti­schen Ziele, ande­rer­seits vertei­digen auch sie den Kompro­miss als Grund­lage poli­ti­schen Handelns in der Demokratie.

In der Debatte um Lützerath stoßen somit zwei Posi­tionen aufein­ander, von denen die eine als Sach­wal­terin wissen­schaft­li­cher Erkennt­nisse auftritt und die andere als Hüterin demo­kra­ti­scher Spiel­re­geln. Die klima­po­li­ti­sche Logik des „Kipp­punktes“, die keinen Aufschub und keine Halb­heiten duldet, trifft somit auf die bundes­re­pu­bli­ka­ni­sche Tradi­tion der Konflikt­ver­ta­gung durch Kompromiss.

Theorie und Praxis von Konflikt und Kompromiss

Quelle: @ardmoma, Twitter

In der poli­ti­schen Theorie und Philo­so­phie des Kompro­misses, wie sie etwa Ulrich Willems und Vero­nique Zanetti betreiben, wird dieser als eine Konflikt­lö­sung defi­niert, die eine zumin­dest vorüber­ge­hende Befrie­dung prin­zi­piell unüber­brück­barer Stand­punkte herbei­zu­führen vermag. Dabei verzichten beide Seiten ein Stück weit auf die Umset­zung ihrer Ziele, ohne dabei ihre Stand­punkte prin­zi­piell aufzu­geben. Deshalb ist der Kompro­miss notwendig mit Schmerzen auf beiden Seiten verbunden. Die Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang twit­terte dies mit jener emotio­nalen Expres­si­vität, die zum Marken­zei­chen grünen Regie­rens in Deutsch­land geworden ist: „Warum der Kompro­miss zu Kohle­aus­stieg 2030 und #Lützerath für mich schmerz­haft aber richtig ist.“

Obwohl die Begriffs­ver­wen­dung im alltäg­li­chen Sprach­ge­brauch oftmals verschwimmt, ist es hilf­reich, den Kompro­miss vom Konsens und vom Deal abzu­grenzen: Der Konsens bezeichnet im Gegen­satz zum Kompro­miss, der die Gegen­sätze nicht aufhebt, sondern ledig­lich still­legt, eine geglückte Annä­he­rung zwischen strit­tigen Posi­tionen. Beim Deal hingegen wiegen die norma­tiven Aspekte, bei denen jeweils Abstriche gemacht werden, weniger schwer gegen­über den beid­seitig erlangten Vorteilen. Damit ist die Grenze zwischen Kompro­miss und Deal flie­ßend, hängt es doch von der jewei­ligen Perspek­tive ab, wie diese Balance gewichtet wird. Dieje­nigen, die nicht am Zustan­de­kommen des Kompro­misses betei­ligt waren, betonen in der Regel die prin­zi­pi­elle Seite stärker.

Zudem hängt es von histo­risch wandel­baren Voraus­set­zungen ab, ob Kompro­misse als akzep­ta­bler Weg zur Lösung antago­nis­ti­scher Konflikte gelten. Im Gefolge der Parla­men­ta­ri­sie­rung erlangte der Kompro­miss seit dem 19. Jahr­hun­dert zuneh­mende Promi­nenz, da er eng mit der Frage verbunden ist, wie parla­men­ta­ri­sche Mehr­heiten mit der Minder­heit umgehen sollten. Aller­dings entwi­ckelte sich im Deut­schen Kaiser­reich eine Tradi­tion, die den Kompro­miss vor allem als Ausdruck charak­ter­li­cher Schwäche verstand: Dafür stand insbe­son­dere die Wort­ver­bin­dung des „faulen Kompro­misses“. Der Poli­tik­wis­sen­schaftler Martin Greif­fen­hagen, der sich vor allem auf den kultur­so­zio­lo­gi­schen Essay von Norbert Elias Über die Deut­schen stützte, erklärte diese tradi­tio­nelle deut­sche Kompro­miss­feind­lich­keit mit einer weit verbrei­teten Kultur des dezi­sio­nis­ti­schen Entweder-Oder, die auch nach dem Ende des Kaiser­reichs noch lange domi­niert habe. 

Dezi­sio­nis­ti­sche Diskurse der alten Bundesrepublik

Nach der Grün­dung der Bundes­re­pu­blik klang der alte dezi­sio­nis­ti­sche Diskurs noch einige Zeit nach. Einer­seits blieb er stark im protes­tan­ti­schen Milieu veran­kert, ande­rer­seits gingen von dort aber auch Initia­tiven aus, die mit dieser Tradi­tion brechen wollten und für den Kompro­miss als tragendes Element der poli­ti­schen Kultur plädierten. Im Bundestag wurde der Kompro­miss schließ­lich zu einer Bekennt­nis­formel, mit der Demokrat:innen ihr gemein­samen Einstehen gegen die tota­li­täre Bedro­hung unter­stri­chen, womit sie immer zugleich die Abgren­zung gegen­über den poli­ti­schen Rändern mani­fes­tierten. Darunter befanden sich neben den Kommu­nisten, die aber nur bis 1953 im Bundestag saßen, auch radi­kale rechte Positionen. 

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Quelle: amazon.de

Die empa­thi­sche Beschwö­rung des poli­ti­schen Kompro­misses, der in der parla­men­ta­ri­schen Praxis vor allem in nicht-öffentlichen Ausschüssen erar­beitet wurde, entwi­ckelte sich zugleich zu einem wich­tigen Element jener Haltung, die der Schweizer Jour­na­list Fritz René Alle­mann 1956 auf die prägnante Formel „Bonn ist nicht Weimar“ brachte. Zumin­dest als Oppo­si­ti­ons­führer gehörte Helmut Schmidt zu jenen, die im Bundestag die Bereit­schaft zum poli­ti­schen Kompro­miss immer wieder zum zentralen Krite­rium der Demo­kra­tie­fä­hig­keit über­haupt erhoben. Damit atta­ckierte er explizit auch die Wendung vom „faulen Kompro­miss“. Beim Kompro­miss handelt es sich somit nicht nur um ein Verfahren oder ein Ergebnis poli­ti­scher Konflikt­lö­sung, sondern auch um ein Element der poli­ti­schen Rhetorik: „Von faulem Kompromiß wird immer dann gespro­chen, wenn der Kompromiß einem nicht passt“, konsta­tierte Otto Graf Lamb­s­dorff 1973 im Bundestag.

Je länger sich aber im Bundestag die Partei­en­land­schaft auf die seit den 1960er Jahren herr­schende „klas­si­sche“ Drei­er­kon­stel­la­tion von CDU/CSU, SPD und FDP konzen­trierte und je mehr sich der Kompro­miss als parla­men­ta­ri­sche Praxis durch­setzte, desto größer wurde zugleich die Kritik außer­halb der Parla­mente, wofür para­dig­ma­tisch die APO stand. Der „Scheiß­li­be­rale“, der Prin­zi­pien zugunsten von Kompro­missen verrate, wurde dort zur poli­ti­schen Hass­figur, gewis­ser­maßen als Gegen­figur zum „Extre­misten“, der sich aus Sicht der etablierten poli­ti­schen Kräfte gerade dadurch auszeich­nete, dass er sich dem Verfahren des Kompro­misses verweigere. 

Konsti­tu­ie­rende Sitzung des Bundes­tages 1983; grüne Abge­ord­nete mit einem Trans­pa­rent zur Poliitk der USA in Nica­ragua; Quelle: rhein-zeitung.de

Als nun die Grünen, die nicht zuletzt in den neuen sozialen Bewe­gungen wurzelten, 1983 erst­mals in den Bundestag einzogen, stellten sie zunächst diese poli­ti­schen Spiel­re­geln infrage. Vor allem pran­gerten sie an, dass Kompro­misse in nicht­trans­pa­renter Weise ausge­han­delt und anschlie­ßend im Bundestag nur noch kommu­ni­ziert würden, statt dort herge­stellt zu werden. Damit kriti­sierten sie ein Kern­ele­ment des Selbst­ver­ständ­nisses der reprä­sen­ta­tiven Demo­kratie, das sich seit 1949 in der Bundes­re­pu­blik durch­ge­setzt hatte. Entspre­chend warfen die anderen Parteien den Grünen nach ihrem Einzug in den Bundestag mangelndes Demo­kra­tie­ver­ständnis vor. Dieses Spiel gegen­sei­tiger Vorwürfe wieder­holte sich in ähnli­cher Weise, als die PDS/Die Linke 1990 in den Bundestag einzog. Während den Grünen in den folgenden Jahr­zehnten jedoch attes­tiert wurde, dass sie kompro­miss­be­reit und damit zugleich demo­kra­tie­fähig seien, gilt dies für die Linke zumin­dest auf Bundes­ebene und vor allem für die AfD bis zuletzt nur sehr eingeschränkt.

Alte Worte, neue Konfliktlage

Die aktu­elle Ausein­an­der­set­zung um den soge­nannten „Kohle­kom­pro­miss“ steht im Schatten dieser Geschichte: Das alte, bundes­re­pu­bli­ka­ni­sche Lob des Kompro­misses trifft nun auf eine Posi­tion, die gerade das Element des Verta­gens des Konflikts, das jedem Kompro­miss inne­wohnt, für fatal erachtet. Für die Grünen bedeutet dies gefangen zu sein zwischen einer Politik des Entweder-Oder und einer Politik des Kompro­misses, die ihre Ziele allen­falls schritt­weise zu errei­chen vermag. Dies zeigt sich schon daran, dass ihr Spit­zen­per­sonal im sprach­li­chen Umgang mit dem  „Kohle­kom­pro­miss“ gele­gent­lich auch schwankt. 

»Was ist in die Partei gefahren?« – »Was hättest du an meiner Stelle gemacht, Luisa?« Klima-Aktivistin Luisa Neubauer im Strei­ge­spräch mit der Co-Fraktionschefin der Grünen im Deut­schen Bundestag Katha­rina Dröge am 17.01.2023 im SPIEGEL Büro in Berlin; Quelle: spiegel.de

So verwenden etwa in einem am 20. Januar veröf­fent­lichten Spiegel-Inter­view mit Luisa Neubauer und Katha­rina Dröge neben den beiden Jour­na­listen nicht nur die Klima­ak­ti­vistin, sondern auch die Grünen-Fraktionschefin perma­nent den Begriff des Deals. Anders als in der poli­ti­schen Theorie schwingt bei diesem Begriff in der poli­ti­schen Sprache stets unter­schwellig das Adjektiv „dreckig“ mit. Damit ging Dröge situativ auf ihre Gesprächs­partner zu, auch wenn sie zugleich die Eini­gung mit der RWE vertei­digte. Aber indem sie gleich­falls von einem „Deal“ sprach, akzep­tierte sie still­schwei­gend die Prämisse der anderen Gesprächsteilnehmer:innen, welche den Kompro­miss­cha­rakter der Verein­ba­rung mit RWE bestreiten. Auf der anderen Seite wissen aber auch die Klimaaktivist:innen sich der Sprache des Kompro­misses zu bedienen. So bezeich­nete etwa Lisa Neubauer am 3. Januar 2023 in einem Tweet die im Pariser Klima­ab­kommen fest­ge­legte Grenze von 1,5 Grad Celsius Erder­wär­mung als Grund-Kompromiss, gegen den der Lützerath-„Deal“ verstoße.

Kompro­miss oder Deal? Die Frage, wie man das Abkommen mit RWE nennt, ist nicht uner­heb­lich – allein schon, weil dieses eine wesent­liche Voraus­set­zung eines fairen Kompro­misses kaum zu erfüllen scheint: Er muss beiden Seiten weh tun. Während grüne Politiker:innen ihre Schmerzen bei jeder Gele­gen­heit zur Schau stellen, ist bislang noch nicht klar erkennbar geworden, wo genau dieser Kompro­miss dem Essener Ener­gie­kon­zern weh tut. Doch zugleich verde­cken die alten Begriffe Kompro­miss und Deal, dass an Lützerath eine neue Konstel­la­tion entsteht: die Verkop­pe­lung zweier Krisen – des Klimas und der libe­ralen Demo­kratie. Sie gewinnt seine Schärfe erstens daraus, dass hier zwei unter­schied­liche Zeit­lich­keiten aufein­an­der­stoßen: Fünf vor Zwölf trifft auf Über­morgen. Zwei­tens gewinnt dieser Konflikt aber in Deutsch­land seine beson­dere Schärfe daraus, dass der Kompro­miss in der Bundes­re­pu­blik zu einem Güte­siegel der geglückten Demo­kra­ti­sie­rung geworden ist. Dies lässt sich dazu gebrau­chen, Klimaschützer:innen aus der „Gemein­schaft der Demo­kraten“ zu exor­zieren und zu „Extre­misten“ zu dekla­rieren. So zitierte die Bild-Zeitung am 3. November 2022 die „Terrorismus-Expertin“ Bettina Röhl, deren Exper­tise vor allem darauf beruht, dass es sich um die Tochter von Ulrike Mein­hoff handelt: „Die Klima-Kleber sind auf dem Weg der RAF“.

Solche bizarren Anschul­di­gungen, die mehr­fach sogar von Seiten der Justiz und des Verfas­sungs­schutzes als unver­hält­nis­mäßig kriti­siert wurden, enthalten einen erheb­li­chen emotio­nalen Über­schuss, der jedoch nicht auf einen von Medien wie der Bild-Zeitung orches­trierten popu­lis­ti­schen Abwehr­re­flex der „Gemein­schaft der Auto­fahrer“ redu­ziert werden sollte. Viel­mehr speisen sich diese nega­tiven Ener­gien auch aus jener Tiefen­schicht der bundes­re­pu­bli­ka­ni­schen poli­ti­schen Kultur, in der der Stolz auf eine gelun­gene Trans­for­ma­tion in eine libe­rale Demo­kratie veran­kert ist. Und dafür besitzt das Bekenntnis zum Kompro­miss als Weg zur Lösung antago­nis­ti­scher Konflikte hohen symbo­li­schen Wert. Vor diesem Hinter­grund wird dann die Verwei­ge­rung des Kompro­misses durch Klimaschützer:innen im äußersten Fall gera­dezu als Bruch mit dem Prozess der erfolg­rei­chen Rezi­vi­li­sie­rung der Bundes­re­pu­blik nach 1945 skan­da­li­siert, während umge­kehrt die „Gemein­schaft der Auto­fahrer“ gewis­ser­maßen mit der „Gemein­schaft der Demo­kraten“ verschmilzt. Und so hat die Form der Ausein­an­der­set­zung um Lützerath viel­leicht auch damit zu tun, dass hier die Zukunfts­her­aus­for­de­rung des Klima­wan­dels auf eine bislang wenig reflek­tierte Folge der deut­schen Vergan­gen­heits­po­litik trifft.