Wieder einmal stehen Migration und das Asylrecht im Zentrum hitziger politischer Debatten. Deutschland und Europa suchen einen Kompromiss – just in den Tagen, an denen sich die Verabschiedung des umstrittenen „Asylkompromisses“ durch den Deutschen Bundestag zum 30. Mal jährt. Ein Rückblick.

  • Stefan Zeppenfeld

    Stefan Zeppenfeld ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Ruhr-Universität Bochum und Postdoc im Verbundprojekt "Kulturen des Kompromisses". Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Migrationsgeschichte, die Geschichte von Freizeit und Alltag sowie Public History. Sein Buch „Vom Gast zum Gastwirt? Türkische Arbeitswelten in West-Berlin" erschien 2021 im Wallstein Verlag.

Die Diskus­sion um Flucht und Asyl hat gerade wieder Konjunktur. Laut der deut­schen Innen­mi­nis­terin Nancy Faeser liegt dies daran, dass es ein „histo­ri­sches Momentum“ gebe, um den jahre­langen Streit um die euro­päi­sche Flücht­lings­po­litik beizu­legen und zu einem „gemein­samen Asyl­system“ zu gelangen, das den Heraus­for­de­rungen der gegen­wär­tigen Migra­ti­ons­be­we­gungen gerecht werde. Der Weg dorthin, so lässt sich derzeit viel­fach lesen, führte nur über die „Suche nach einem Kompro­miss“. Es brauche, so hat etwa der nieder­län­di­sche Poli­tik­wis­sen­schaftler Ruud Koop­mans erklärt, „einen Kompro­miss zwischen den progres­siven und den konser­va­tiven poli­ti­schen Lagern“ Europas, für die „das Thema Flücht­linge“ glei­cher­maßen „ein macht­volles Mittel der Wähler­mo­bi­li­sie­rung“ sei. Um auf „euro­päi­scher Ebene Kompro­misse zu errei­chen“, zeigt sich die Bundes­re­gie­rung dabei auch „offen für einen restrik­ti­veren Kurs in der Migra­ti­ons­po­litik als im Koali­ti­ons­ver­trag verein­bart“. „Wir müssen“, so hat es etwa der Grünen-Politiker Anton Hofreiter vor wenigen Tagen im Spiegel formu­liert, „echte Kompro­miss­be­reit­schaft signa­li­sieren und zugleich klar­ma­chen, dass die andere Seite auch wirk­lich Verbes­se­rungen mittragen muss“.

Der Zeit­punkt der aktu­ellen Debatte ist brisant, liegt er doch unmit­telbar vor dem 30. Jahrestag des soge­nannten „Asyl­kom­pro­misses“ vom 26. Mai 1993. Durch diese Eini­gung hatte die Bundes­re­gie­rung aus CDU, CSU und FDP gemeinsam mit der Oppo­si­ti­ons­füh­rerin SPD nach jahre­langen Debatten an diesem Tag das Recht auf Asyl für poli­tisch Verfolgte nach Art. 16 GG refor­miert und damit ausge­höhlt. Das in Reak­tion auf die Verbre­chen des Natio­nal­so­zia­lismus 1949 ins Grund­ge­setz geschrie­bene Asyl­recht hatte unbe­schränkt gegolten und jedem Menschen ein Anrecht auf ein Asyl­ver­fahren garan­tiert, der die Bundes­re­pu­blik erreichte. Nach 1993 war dies nur noch dann möglich, wenn Menschen nicht aus einem soge­nannten „Sicheren Dritt­staat“ einreisten (d.h. Länder, in denen die Einhal­tung von Flücht­lings­kon­ven­tion und Menschen­rechten gewahrt ist) oder aus einem „Sicheren Herkunfts­staat“ stammten (d.h. Länder, in denen es keine Verfol­gung von Menschen gäbe). Dieser heftig umstrit­tene Vorgang ging in die Geschichte des vereinten Deutsch­lands ein. Der zeit­liche Zusam­men­fall von Jahrestag und aktu­eller Debatte provo­ziert zahl­reiche Analo­gien eines „Asyl­kom­pro­miss 2.0“. Sie stellen die Frage, was ein „Kompro­miss“ in Asyl­fragen eigent­lich bedeutet – und für wen.

Die Konflikt­li­nien der „Asyl­de­batte“

Lange Zeit in der Geschichte der Bundes­re­pu­blik war Art. 16 GG trotz seiner Grund­sätz­lich­keit  kaum ins Gewicht gefallen. Erst 1980 über­stiegen die gestellten Asyl­an­träge in der Bonner Repu­blik erst­mals die Zahl 100.000, die zudem mehr Menschen fasste, die nicht aus Europa stammten. Vor dem Hinter­grund der stei­genden Zahlen (und ihrer poli­ti­schen Instru­men­ta­li­sie­rung) entfal­tete sich in der Bundes­re­pu­blik der 1980er Jahre eine „auslän­der­feind­liche“ Stim­mung. Deren Projek­ti­ons­scheibe waren sowohl Arbeitsmigrant*innen und ihre Fami­lien, also die Gene­ra­tion der „Gast­ar­beiter“, als nun auch in zuneh­mendem Maße Asyl­su­chende. Nach einem kurz­fris­tigen Rück­gang stieg – bedingt durch den Krieg in Jugo­sla­wien, die Spätaussiedler*innen und dann vor allem durch den Zerfall der Sowjet­union – ab Mitte der 1980er Jahre die Zahl der Asyl­an­träge in der Bonner Repu­blik rapide an. Sie passierte 1988 erneut die Marke von 100.000 und klet­terte nach dem Mauer­fall weiter auf 190.000 Menschen im Jahr 1990 bis auf den Höchst­wert von knapp 440.000 Anträge im Jahr 1992. Die poli­ti­sche Debatte um Zuwan­de­rung und Asyl drohte zu dieser Zeit zu über­hitzen. Begriffe wie „Asyl­be­trug“, „Schein­asy­lanten“ oder auch Bilder wie das eines Deutsch­lands als „volles Boot“ hielten Einzug in den poli­ti­schen Diskurs. Der Spiegel titelte im September 1991 „Ansturm der Armen. Flücht­linge Aussiedler Asylanten“ mit einer Kari­katur eines riesigen und über­be­legten Bootes in schwarz-rot-gold.

Die „Asyl­de­batte“ domi­nierte trotz – oder gerade wegen – der Trans­for­ma­tion der beiden deut­schen Staaten den poli­ti­schen Diskurs der frühen 1990er Jahre, der sich auf die Frage einer Grund­ge­setz­än­de­rung als Reak­tion auf die Heraus­for­de­rungen der gestie­genen Flücht­lings­be­we­gungen zuspitzte. Die regie­renden Unions­par­teien übten dabei massiven öffent­lich Druck auf die oppo­si­tio­nelle SPD aus, um die für eine Grund­ge­setz­än­de­rung nötige Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundes­tags zu erlangen. Die SPD sowie die marginal im Bundestag vertre­tenen Grünen und die PDS lehnten die Pläne ab.

Um sie zum Einlenken zu bewegen, begann die CDU mit Unter­stüt­zung vor allem von Bild-Zeitung und Welt im Herbst 1991 eine Kampagne für die Einschrän­kung des Grund­rechts auf Asyl. CDU-Generalsekretär Volker Rühe, einer ihrer eifrigen Prot­ago­nisten, lieferte den Lokalpolitiker*innen der Partei Mate­rialen wie Muster­an­träge und Argu­men­ta­ti­ons­leit­fäden, die die SPD auch auf kommu­naler Ebene in Erklä­rungsnot bringen sollte. Wenn diese sich weiter gegen eine Grund­rechts­än­de­rung sperre, so Rühe, sei jeder weitere „Asylant“ ein „SPD-Asylant“. Im selben Monat verübten im säch­si­schen Hoyers­werda bis zu 500 Betei­ligte ein rassis­tisch moti­viertes Pogrom auf Unter­künfte von Arbeitsmigrant*innen und Asyl­su­chenden. Einen Monat später war es erneut Rühe, der der SPD vorwarf, mit ihrer Verwei­ge­rungs­hal­tung für „Gewalt­be­reit­schaft“ zu sorgen.

Die dras­ti­sche Zunahme rechter Gewalt­taten, die dem poli­ti­schen Streit um Asyl seit Hoyers­werda seine beson­dere Schärfe gab, ist eng mit der zeit­gleich statt­fin­denden gesell­schaft­li­chen Diskus­sion um ein zusam­men­wach­sendes und zusam­men­ge­hö­rendes „Wir“ im frisch vereinten Deutsch­land verflochten, das sich auch in Abgren­zung von einer stei­genden Zahl an „Anderen“ entwarf. Die Gewalt und der in den frühen 1990er Jahren gras­sie­rende Rassismus hatten ihren Ursprung weder (in zeit­li­cher Hinsicht) nach dem Mauer­fall noch (in geogra­fi­scher Hinsicht) exklusiv im Osten. Sie waren eben­falls soziale, wenn auch weit­rei­chend igno­rierte Phäno­mene in der Bonner Repu­blik. Doch die natio­nale Einheits­eu­phorie, zusätz­lich verstärkt durch davon unab­hän­gige Faktoren und Ereig­nisse wie der Gewinn der Fußball­welt­meis­ter­schaft der Männer im Sommer 1990, und die dras­tisch stei­genden Zahlen von Asyl­su­chenden verschärften nicht nur den Ton in der „Asyl­de­batte“, sondern auch konkret die Bedro­hungs­lage von rassi­fi­zierten Einge­wan­derten nach 1989/90. In dieser Hinsicht zählte zu den Gründen für den „Asyl­kom­pro­miss“ 1993 als Konflikt­schlich­tung auch, die rechte Gewalt zu stoppen.

Die Dyna­miken und Kausa­li­täten im Zusam­men­spiel von (Asyl-)Politik, rechter Gewalt und öffent­li­cher Meinung im zeit­ge­nös­si­schen Entschei­dungs­pro­zess des „Asyl­kom­pro­misses“ werden von Historiker*innen, Publizist*innen und Aktivist*innen unter­schied­lich und unter­schied­lich stark gedeutet. Aus den Bewer­tungen entwi­ckeln sich span­nende Folge­fragen, etwa welche infor­mellen Inter­es­sen­gruppen bei der Findung des „Asyl­kom­pro­misses“ als eine Art „Figur des Dritten“ noch am Verhand­lungs­tisch saßen. Mit dieser Diskus­sion geht letzt­lich einher, ob das Unter­binden weiterer Zuwan­de­rung durch die Grund­ge­setz­än­de­rung von 1993 nicht tatsäch­lich als (teil­weiser) „Erfolg“ der von rechter Gewalt getra­genen Forde­rung „Ausländer raus!“ gelten kann und muss.

Ein umstrit­tener Kompro­miss und seine Nachwirkungen

Noch im Früh­jahr 1991 hatte sich der SPD-Parteitag in Bremen eindeutig für eine Siche­rung des Art. 16 GG ausge­spro­chen. Im Mai 1992 stellte der Parteirat eine Anpas­sung des Grund­ge­setz­ar­ti­kels in Aussicht, wenn zuvor eine gemein­same euro­päi­sche Linie nach der Genfer Flücht­lings­kon­ven­tion verein­bart werde. Im Sommer 1992 spra­chen sich bei einer Emnid-Befragung drei Viertel der Deut­schen für eine Verschär­fung des Asyl­rechts aus. Im August des Jahres – nur Tage nach dem zweiten Pogrom der frühen 1990er Jahre in Rostock-Lichtenhagen –  über­raschte SPD-Chef Björn Engholm mit der „Peters­berger Wende“, mit der er seiner Partei einen Kurs­wechsel in der Asyl­frage verord­nete – für Kritiker*innen ein Wechsel „auf CDU-Kurs“.

Am 6. Dezember 1992 verein­barten CDU/CSU und die SPD schließ­lich die Ände­rung von Art. 16 GG. Nur wenige Tage zuvor, am 23. November 1992, hatten rechte Jugend­liche mit einem tödli­chen Anschlag in Mölln drei Türkei­stäm­mige getötet, deren Familie als Arbeitsmigrant*innen in die Bundes­re­pu­blik gekommen waren. Drei Tage nach der endgül­tigen Verab­schie­dung des „Asyl­kom­pro­misses“ durch den Bundestag, am Morgen des 29. Mai 1993, verübten rechte Gewalt­täter einen neuer­li­chen Brand­an­schlag auf ein von Türkei­stäm­migen bewohntes Haus im nordrhein-westfälischen Solingen, bei dem fünf Menschen starben.

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Heute erin­nern wir den „Asyl­kom­pro­miss“ in erster Linie als Entkräf­tung des Art. 16 GG, der sich mit der Einfüh­rung der Idee der sicheren Herkunfts- und Dritt­staaten für die weitere Gestal­tung des Asyl­rechts als ausge­spro­chen folgen­reich erwies. Daher wird er vor allem von linken und zivil­ge­sell­schaft­li­chen Gruppen immer wieder kriti­siert und gilt auch in gegen­wär­tigen Diskus­sionen als nega­tiver Refe­renz­punkt.

Dabei ist es bis heute auch der Begriff „Asyl­kom­pro­miss“, der provo­ziert. Denn mit ihm verband die Geset­zes­än­de­rung als Schlag­wort zwei zeit­ge­nös­sisch äußerst unpo­pu­läre Phäno­mene: Asyl, wie hinrei­chend darge­legt, und Kompro­misse. Kompro­misse gelten als Technik der zumin­dest vorüber­ge­henden Konflikt­lö­sung, bei dem alle betei­ligten Partner*innen zum Zwecke der Eini­gung für sie schmerz­hafte Abstriche machen, gleich­zeitig aber an ihren Ausgangs­stand­punkten fest­halten. Diese Vorge­hens­weise gilt als konsti­tutiv für die poli­ti­sche Kultur der Bundes­re­pu­blik. Dennoch verzeich­nete der Begriff erst ab Ende der 1980er Konjunktur. Auch deshalb liegt dem „Asyl­kom­pro­miss“ das weit­ge­hende Allein­stel­lungs­merkmal inne, die Art seiner Konflikt­bei­le­gung explizit im Namen zu tragen: Der 1993 geschlos­sene „Asyl­kom­pro­miss“ kann inso­fern in dieser sprach­li­chen Hinsicht auch als Trend­wende mit Blick auf die gegen­wär­tige Omni­prä­senz der Kompro­miss­be­mü­hungen in der Tages­po­litik gelten.

Kompro­miss mit sich selbst

Der genaue Ursprung der Wort­kom­po­si­tion „Asyl­kom­pro­miss“ scheint sich kaum rekon­stru­ieren zu lassen. Damit bleibt auch die Frage offen, ob der Begriff das Ergebnis eines gezielten Agenda-Settings war und welche Inten­tionen sich in diesem Fall an ihn banden. In Presse-Datenbanken taucht der Begriff im Herbst 1991 erst­mals auf, in der Bericht­erstat­tung zu Verhand­lungen über eben einen „Asyl­kom­pro­miss“ zwischen CDU/CSU und der SPD, der wegen des Pochens auf eine Grund­ge­setz­än­de­rung durch die Union geschei­tert sei. Dann scheint der Asyl­kom­pro­miss in den Medien vor allem ein internes Projekt der SPD gewesen zu sein, regel­recht als Kompro­miss mit sich selbst. Der Jour­na­list Robert Leicht kommen­tierte im Oktober 1992 nach der Peters­berger Wende in Die Zeit: „Von Woche zu Woche hangeln sich die Sozi­al­de­mo­kraten dem entgegen, was sie den Asyl­kom­promiß nennen.“ Und auch die taz meldete: „SPD sucht den Asyl-Kompromiß“.

Daraus lässt sich die Frage entwi­ckeln, welche Abstriche die Verhandlungspartner*innen beim „Asyl­kom­pro­miss“ mit Blick auf ihre ursprüng­liche Posi­tion machen mussten. Im Fall der SPD ist das Einlenken verbrieft. Das Entge­gen­kommen von Union und FDP und die Dimen­sionen „eines Abrü­ckens von Ausgangs­for­de­rungen auf allen Seiten“, die Migra­ti­ons­for­scher Klaus J. Bade in seinem Buch „Ausländer Aussiedler Asyl“ 1994 ausmachte, sind als „Gegen­leis­tung“ für die Grund­ge­setz­än­de­rung weit­ge­hend in Verges­sen­heit geraten. Das liegt einer­seits mit Blick auf die der CDU/CSU abge­run­genen Quotie­rung der Aussied­ler­auf­nahme daran, dass diese in Rela­tion zur Ände­rung des Art. 16 GG kaum ins Gewicht fiel. Ande­rer­seits wurde die von der SPD heraus­ge­han­delte Zusage, erst­mals ein Einwan­de­rungs­ge­setz zu erar­beiten, das legale Möglich­keiten zur Migra­tion nach Deutsch­land regeln sollte, anders als die anderen Eckpunkte der Über­ein­kunft, von der Bundes­re­gie­rung schlicht nicht weiter­ver­folgt. Im Gegen­satz zur Grund­ge­setz­än­de­rung war hierfür zwischen CDU und SPD kein konkretes Vorgehen verein­bart worden.

Die Bezeich­nung und das Framing der Einschrän­kung des Grund­rechts auf Asyl als „Asyl­kom­pro­miss“ erfüllte damit mehr­fache Kommu­ni­ka­ti­ons­funk­tionen. Durch die Wort­kom­po­si­tion des formellen Begriffs „Kompro­miss“, der das Errei­chen einer schmerz­haft erlangten Konflikt­bei­le­gung behauptet, mit dem Phänomen Asyl sollten beide negativ konno­tierte Wort­teile ein posi­tives Framing erhalten. Tatsäch­lich erweis sich der Begriff letzt­lich aber als bloßer Euphe­mismus, denn die Eckpunkte des „Asyl­kom­pro­misses“ fanden keine gemein­same Umset­zung: Was von ihm blieb war eine massive Verschär­fung des deut­schen Flücht­lings­rechts, mit der ein heftiger innen­po­li­ti­scher Streit zu Lasten Dritter beigelegt wurde. 

Ausblick

Das zufäl­lige Zusam­men­fallen des „histo­ri­schen Momen­tums“ in der euro­päi­schen Flücht­lings­po­litik mit dem anste­henden histo­ri­schen Datum des deut­schen „Asyl­kom­pro­misses“ böte die Chance, Lehren aus der Geschichte des deut­schen Asyl­streits zu ziehen. Denn es scheint, als würde in der gegen­wär­tigen Debatte das noble Wort „Kompro­miss“ wieder in Stel­lung gebracht, um ihn in der glei­chen Rich­tung zu suchen wie 1993: in der Erschwe­rung des Zugangs zum Asyl­recht durch die Auswei­tung der Listen Sicherer Herkunfts­länder und Dritt­staaten sowie der Durch­füh­rung „schneller Prüf­ver­fahren“ an den EU-Außengrenzen. Am Rück­blick auf den „Asyl­kom­pro­miss“ von 1993 wird beson­ders deut­lich, dass in ihm zwar die „Konflikt­par­teien“ Union, FDP und SPD lang­fristig und in einer schmerz­haften Profi­lie­rung ihrer poli­ti­schen Posi­tionen zuein­ander fanden, während die tatsäch­li­chen Konse­quenzen und Kosten ihres Kompro­misses andere zu tragen hatten: Geflüch­tete. Ihre Posi­tionen und Inter­essen standen ohne nennens­werte Lobby (außer einer zivil­ge­sell­schaft­li­chen) in deut­li­cher Asym­me­trie zu der ihrer Gegner*innen inner­halb der Mehr­heits­ge­sell­schaft, die von der Politik konkrete und deut­liche Antworten auf das „Asyl­pro­blem“ erwarteten. 

Dies gilt auch für dieje­nigen poli­ti­schen Kräfte, die für ihre Zustim­mung zur Einschrän­kung des Asyl­rechts die Aussicht auf andere Möglich­keiten der Zuwan­de­rung in den „Asyl­kom­pro­miss“ verhan­delt hatten. Gerade das Schei­tern dieser Zusage hält für die aktu­elle Diskus­sion eine wich­tige Lehre bereit: Wer sich wie Anton Hofreiter zu „echter Kompro­miss­be­reit­schaft“ bereit erklären will, um gegen „die andere Seite auch wirk­lich Verbes­se­rungen“ durch­zu­setzen, sollte mit den Erfah­rungen von 1993 darauf achten, diese auch ebenso detail­liert zu verein­baren wie die Zusagen der Beschrän­kungen von Flucht­mög­lich­keiten. Ansonsten droht das das „histo­ri­sche Momentum“ zum 30. Jahrestag des Asyl­kom­pro­misses nur zur bitteren Bestä­ti­gung eines geschichts­phi­lo­so­phi­schen Merk­satzes zu werden, nach dem sich Geschichte stets zweimal ereigne: zuerst als Tragödie und das zweite Mal als Farce.