Die Diskussion zu den Denkmalstürzen der letzten Tage wird oft auf eine einfache Opposition reduziert: Alles muss weg – oder nichts darf angetastet werden. Als Königsweg erscheint dann „Kontextualisierung“. Doch wie soll diese aussehen? Und was passiert da eigentlich gerade weltweit?

Nachdem Anfang Juni der US-amerikanische Bürger George Floyd von Poli­zisten in Minnea­polis getötet worden ist, sind in bisher mehr als 3.000 Städten welt­weit Menschen auf die Straßen gegangen. Die Proteste haben an vielen Orten auch zur Demon­tage und Zerstö­rung von Denk­mä­lern geführt, mit wütendem Ernst oder als fröh­li­ches Happe­ning. Soll damit Geschichte – zumin­dest symbo­lisch – ausge­löscht werden? Oder geht es darum, eine bestimmte in Stein gemei­ßelte und in Metall gegos­sene Inter­pre­ta­tion der Vergan­gen­heit in Frage zu stellen? Letz­teres ist oft genug Jahr­zehnte lang ebenso geduldig wie erfolglos geschehen, etwa im Fall des Denk­mals für Edward Colston, das nun doch unter dem Jubel der Menge im Hafen­be­cken von Bristol gelandet ist.

Geschichts­po­litik

In der Geschichte wurden immer wieder Denk­mäler errichtet, gewidmet, umge­widmet, abge­rissen, gestürzt. Oft waren es die Sieger, die Denk­mäler schleiften, heute sind es die Aufstän­di­schen in den Städten, die gegen Alltags­ras­sismus und struk­tu­rellen Rassismus in Insti­tu­tionen kämpfen sowie für eine Aufar­bei­tung der Geschichte von Kolo­nia­lismus und – beson­ders in den USA – der Sklaverei.

Columbus-Statue in Miami, mit Blut an den Händen; Quelle: tagesspiegel.de

Statuen verfügen über eine beson­dere, fast magi­sche Qualität, denn sie verkör­pern als stei­nerne oder bron­zene Abbilder eine konkrete histo­ri­sche Person und nicht allein ein histo­ri­sches Ereignis. Sie symbo­li­sieren den Zweck des Geden­kens und verkör­pern ihn gewis­ser­maßen. Dies spie­gelt sich in manchen Berichten über die jüngsten Ereig­nisse wider: Statuen sind „Opfer geworden“, sie werden „gewaltsam gestürzt“ und „ange­griffen“. Von den Demons­tranten werden die Gesichter der Statuen mit Farbe verschmiert oder verhüllt, bevor sie von ihrem Standort entfernt werden. Die Anthro­po­login Kathe­rine Verdery hat in ihrer Unter­su­chung „The Poli­tical Life of Dead Bodies” zur weit­ver­brei­teten Praxis der Umbet­tung von Toten im post­so­zia­lis­ti­schen Osteu­ropa auch die Entfer­nung von Statuen aus der Öffent­lich­keit als Teil einer symbo­li­schen „Körper­po­litik“ verstanden, mit der Räume neu „kodiert“, mit neuen Bedeu­tungen versehen werden. In dieser Lesart braucht es histo­ri­sche Symbole, um in Zeiten des Umbruchs über die Zukunft spre­chen zu können.

Auch der Akt des Denk­mal­sturzes kann ein starkes Symbol sein, wie sich in den letzten Tagen zeigte, etwa in Bristol, wo die Statue von Edward Colston vom Sockel geholt wurde. Colston war ein Skla­ven­händler und Deputy Governor der Royal African Company, die zwischen 1672 und 1689 etwa 100.000 versklavte Menschen aus West­afrika haupt­säch­lich in die Karibik verschifft hat. Viele Tausende starben bei den Über­fahrten und ihre Leichen wurden ins Meer geworfen. Daran erin­nert der perfor­ma­tive Akt, Cols­tons Denkmal nicht nur zu stürzen, sondern durch die Straßen zum Hafen zu rollen und dort eben­falls ins Wasser zu werfen. Die vielen Erin­ne­rungen an Colston, dessen Name in Bristol Straßen, Schulen, Plätze und öffent­liche Gebäude schmückt, gilt natür­lich nicht dem Skla­ven­händler, sondern dem Wohl­täter und groß­zü­gigen Mäzen. Woher das Geld genau kam, hat dabei wenig inter­es­siert. Schließ­lich waren auch die Sklaven im Hafen von Bristol nicht zu sehen, sondern nur die Waren, die den Handel am Laufen hielten. Doch diese Reduk­tion der Geschichte ist für viele nicht mehr akzep­tabel, wie Eingaben, Peti­tionen und Diskus­sionen zeigen. Und so erfolgte dieser Denk­mal­sturz auch weniger im Furor des Augen­blicks, sondern als vorläu­figer Schluss­punkt unter einer jahr­zehn­te­langen Debatte.

Reste des 1991 gestürzten Lenin-Denkmals in Berlin, wieder aus einer Sand­grube ausge­graben und vor der Über­füh­rung ins Museum, 2009; Quelle: bz-berlin.de

Immer wieder – so auch in den Ausein­an­der­set­zungen in Bristol über Colston, bei denen es Peti­tionen für und gegen Umbe­nen­nungen gab – wird argu­men­tiert, die Denk­mal­stürze bärgen die Gefahr, die Schre­cken der Vergan­gen­heit vergessen zu lassen. Doch man möchte sich ja ohnehin nicht an den Skla­ven­händler, sondern an den Gründer von Schulen und den Wohl­täter der Armen erin­nern. Und genau darum gehen die Ausein­an­der­set­zungen: An welchen Teil unserer Geschichte möchten wir uns erin­nern, und welchen Teil möchten wir lieber vergessen? Die Schre­cken sind eben gerade nicht Teil der offi­zi­ellen Erin­ne­rungs­po­litik um die nun gestürzten Denk­mäler, sondern deren Vergessen ist Anlass für den Sturz.

Die unsicht­baren Zeichen sichtbar machen

Braucht es wirk­lich Statuen, um Geschichte lebendig zu halten, zu verge­gen­wär­tigen? Zumeist sind Denk­mäler solange „unsichtbar“, Teil der Stra­ßen­ku­lisse, wie Robert Musil geschrieben hat – oder höchs­tens eine Touris­ten­at­trak­tion –, bis sie gestürzt oder ander­weitig „mit Leben erfüllt“ werden. 2019 etwa hat die Stadt Zürich zum Zwingli-Jahr über­le­bens­große, jeweils unter­schied­lich ausge­stat­tete Zwingli-Statuen in allen zwölf Stadt­kreisen aufstellen lassen, um damit Gespräche in Gang zu setzen – so gab es etwa einen „Klima-Zwingli“. Vermut­lich haben die meisten Bewoh­ne­rinnen und Bewohner der Stadt „ihren Zwingli“ zum ersten Mal bewusst ange­schaut, bevor die Statuen im Anschluss an die ökume­nisch getra­gene Aktion für einen sozialen Zweck verstei­gert wurden. Zwanzig Jahre früher hatte der Künstler Jan Morgen­thaler, eben­falls in Zürich, mit der Aktion „Transit 1999“ Denk­mäler auf Reisen geschickt. Escher, Pesta­lozzi, Wald­mann und Zwingli wurden von ihren Sockeln geholt und ins Indus­trie­quar­tier verschoben. Auch dies eine Aktion der Sicht­bar­ma­chung, die verschie­dene, nicht eindeu­tige Lesarten offen­halten wollte. Man kann Denk­mäler auch hinlegen, umdrehen oder auf den Kopf stellen, wie Jürgen Zimmerer jüngst hinsicht­lich des Bismarck-Denkmals in Hamburg vorge­schlagen hat. Wobei ein solch umge­drehtes Denkmal vermut­lich auch schnell wieder Teil der Stra­ßen­ku­lisse wird, und nicht Teil eines leben­digen Gedan­kens und Gefühls, um noch einmal Musil zu zitieren.

Im Falle des belgi­schen Königs Leopold II., dessen Statue in Antwerpen von den Behörden als Reak­tion auf die Proteste entfernt worden ist, könnte Geschichte sichtbar gemacht werden, anstatt sie schnell aus dem öffent­li­chen Raum zu entsorgen, z.B. indem allen Leopold Denk­mä­lern eine Hand entfernen wird, was sie vom Denkmal zum Mahnmal machte. Denn das Abha­cken von Händen und Füssen war gängige Praxis im kolo­nialen Kongo als Strafe für zu geringe Arbeits­leis­tungen. In Leopolds Privat­ko­lonie herrschte ein entfes­seltes Zwangs- und Folter­re­gime, das als Kongo­gräuel in die Geschichte einging, und bereits durch die Schriften von Zeit­ge­nossen wie Arthur Conan Doyle oder Joseph Conrad einer mehr oder weniger entsetzen Öffent­lich­keit in Europa und den USA bekannt war. Schon 2004 raubte die Künst­ler­gruppe De Stoete Ostenden­oare einem zentralen Stand­bild von Leopold eine Hand, aller­dings nicht dem König selbst, sondern einem der kongo­le­si­schen Männer, die Teil des 1931 errich­teten Reiter­stand­bild mit der Inschrift: „De dank van de Congo­lezen aan Leopold II“ sind. Sie wollten die Hand nur im Tausch gegen die Wahr­heit über die Herr­schaft im Kongo und eine Entschul­di­gung zurückgeben.

Kehinde Wiley: „Rumors of War“, 2019, Times Square, New York; Quelle: uapcompany.com

Einen anderen Weg beschreitet der US-Amerikanische Künstler Kehinde Wiley mit seiner Serie „Rumors of War“, die sich mit Reiter­por­traits im Kanon der west­li­chen Kunst­ge­schichte befasst. Als Höhe­punkt enthüllte er 2019 erst am Times Square in New York, und später in Virginia, eine monu­men­tale Reiter­statue aus Bronze, bei der ein junger Mann mit Dread­locks, Jeans und Turn­schuhen in der Pose des Konfö­de­rierten Gene­rals J.E.B. Stuart auf dem Pferd sitzt. Kehinde Wiley geht es sowohl darum, dass er mit seinem Werk den Monu­menten in den Südstaaten und deren Betrach­tern wider­spricht, ihnen antwortet („spea­king back“), als auch Teil eines globalen Gesprächs wird.

Momentan aber entlädt sich große Wut gegen die Symbole eines verwei­gerten Gesprä­ches, viel­leicht auch, weil die Debatten immer wieder verebben. Gleich­wohl zeigen die reich­lich in den Sozialen Medien kursie­renden Aufnahmen der Denk­mal­stürze auch eine gewisse Lust und Fröh­lich­keit, mit der diese (ehema­ligen) Herren vom Sockel geholt werden. Und natür­lich werden die mit den Denk­mä­lern verbun­denen Geschichten von Unter­drü­ckung und Wider­stand mit viel Pathos erzählt, aber es handelt sich schließ­lich nicht um Fach­kon­fe­renzen, sondern um Straßenaktionen.

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Geschichte sichtbar machen

Der Bürger­meister von Bristol, Marvin Rees, spürte kein großes Bedauern über den Denk­mal­sturz in seiner Stadt, obwohl er sagte, dass er Vanda­lismus nicht unter­stützen würde, und einen poli­ti­schen Prozess bevorzug hätte. Auf die Frage der BBC, warum er als Bürger­meister nicht längst die Entfer­nung der Colston-Statue veran­lasst hätte, mahnte er zu etwas mehr Realismus: Welche Diskus­sion hätte es wohl ausge­löst, wenn er als schwarzer Labour-Politiker mitten in der Brexit-Debatte als erste Amts­hand­lung ein zentrales Symbol des British Empire hätte abräumen lassen. Diese Antwort zeigt schmerz­lich das ganze Problem, um das es im Moment geht: Rees ist eben nicht einfach Bürger­meister, sondern ein schwarzer Bürgermeister.

Auch der Bürger­meister von London, Sadiq Khan, strebt eine poli­ti­sche Lösung an und hat eine Kommis­sion einge­setzt, die sich mit den Denk­mä­lern und Stra­ßen­namen der Stadt befasst. Natür­lich verän­dert sich der Prozess, wenn er in die Hand von Behörden über­geht, Kommis­sionen müssen nicht nur einge­setzt und pari­tä­tisch besetzt werden, es müssen Regu­la­rien und Krite­rien fest­ge­legt und unter­schied­liche Inter­essen berück­sich­tigt werden, alle Bürge­rinnen und Bürger müssen sich reprä­sen­tiert fühlen. Und vorsichtig hat Khan schon ausge­schlossen, Statuen von Persön­lich­keiten vom Rang eines Winston Chur­chills in seine Unter­su­chung einzu­be­ziehen, auch wenn Schul­kinder natür­lich über die guten und schlechten Seiten berühmter Persön­lich­keiten unter­richtet werden müssten, niemand sei schließ­lich perfekt, und das würde eben auch Chur­chill, Gandhi und Malcolm X betreffen. Aber es gibt eben keine Statue von Malcolm X in London…

Die Statue von Robert Milligan wird entfernt, London, 9. Juni 2020; Quelle: vietnamtimes.org.vn

Der Jour­na­list Stephen Kupak­wesu Bush schrieb denn auch im New Statesman, das Problem sei nicht, welche Statuen abge­rissen, sondern welche neu errichtet werden sollten. Und genau das ist auch Teil der Kommis­si­ons­po­litik von Bürger­meister Khan. In den Gale­rien Londons werden die Kunst­werke immer wieder umge­hängt, abge­nommen, ersetzt, neu arran­giert – warum sollte das mit der Kunst im öffent­li­chen Raum nicht möglich sein, fragt Bush. Und er weist auf eine Ironie der Geschichte hin. Ausge­rechnet die jüngst entfernte Statue des Skla­ven­händ­lers Robert Milligan ist erst 1997, nach der Entwick­lung der London Dock­lands als Finanz- und Ausgeh­viertel, wieder­errichtet worden.

Geschichte ausra­dieren – Geschichte bewirtschaften

Stadt­räume werden derzeit restau­rativ umge­staltet, man denke nur an das Stadt­schloss in Berlin oder die Frank­furter Altstadt, mit denen die Geschichte der DDR und des Zweiten Welt­kriegs archi­tek­to­nisch über­formt werden. Diese Verän­de­rungen und Neuschöp­fungen lösen ungleich weniger Ängste, Emotionen und Aggres­sionen aus als die gegen­wär­tigen und vergan­genen Denk­mal­stürze. (Schon 1961 etwa protes­tierten Studie­rende der Univer­sität Hamburg gegen zwei Kolo­ni­al­denk­mäler vor ihrer Univer­sität, die sie dann 1968 stürzten.) Dabei geht es in den meisten Fällen sicher nicht um den künst­le­ri­schen Wert der Abbilder ernst blickender Männer und dahin­spren­gender Rösser. Es geht um Geschichte, und zwar um Geschichte in der Gegen­wart. Niemand denkt im Ernst, dass Saddam Hussein oder Stalin in Verges­sen­heit geraten, weil ihre Denk­mäler gestürzt sind. Aber ein Südstaa­ten­ge­neral? Muss die Erin­ne­rung an ihn nicht sehr aktiv aufrecht­erhalten werden? Und damit stellt sich auch die Frage, welche Geschichten die Statuen von sich selbst erzählen, und hier sind die Bürger­kriegs­denk­mäler in den USA ein inter­es­santes Beispiel.

Bron­ze­statue für General Joseph O. Shelby in Waverly, Missouri; Quelle: pinterest.com

Viele dieser bereits vor drei Jahren und heute wieder umkämpften Denk­mäler zeigen Reiter­sta­tuen konfö­de­rierter Gene­rale. Sie gehören zu den etwa 1500 symbo­li­schen Orten des Bürger­kriegs, haupt­säch­lich in den Südstaaten, darunter 718 Monu­mente. Es sind keine Denk­mäler gegen die Skla­verei, gegen den Krieg oder für die Versöh­nung, sondern dezi­diert Erin­ne­rungen an die Südstaa­ten­armee, errichtet zumeist von privaten Gruppen und Vereinen, häufig während der Hoch­zeit des Ku-Klux-Klan und der Jim Crow-Gesetze. Noch 2009 wurde in Waverly, Missouri, eine Bron­ze­statue für General Joseph O. Shelby errichtet, der aus einer der reichsten Fami­lien in Kentucky stammte und eine Skla­ven­plan­tage besaß. “You are chan­ging history,” sagte Donald Trump, nachdem der Stadtrat von Char­lot­tes­ville beschlossen hatte, das Reiter­stand­bild von General Lee aus einem öffent­li­chen Park zu entfernen. “You’re chan­ging culture.” Doch diese Geschichte geht nicht beson­ders weit zurück. Der briti­sche Guar­dian kommen­tierte – damals noch ironisch gestimmt:

History about as old as the George W. Bush presi­dency, it turns out in a surpri­sing number of cases – and culture stret­ching back to the heyday of Britney Spears.

Mehr als dreißig Bürger­kriegs­denk­mäler sind nämlich erst in den letzten zwanzig Jahren errichtet worden. Die meisten Stand­bilder der Helden im Kampf für die Skla­verei wurden im 20. Jahr­hun­dert aufge­stellt. Sie sind keines­falls stumme Zeugen der Vergan­gen­heit, sondern aktiver Bestand­teil von Geschichts­po­litik. Dazu gehören auch Neuwid­mungen, rede­di­ca­tions, die mit fest­li­chen Akten begangen werden, um die alte (Sklavenhalter-)Gesellschaft des Südens zu feiern. So kann es nicht wundern, dass diese Denk­mäler zum Symbol von Alt Right und White Supre­macy geworden sind, nicht, weil die Protes­tie­renden das so sehen, sondern weil sie in diesem Sinn genutzt werden.

An wen wollen wir uns erinnern?

Derzeit wird in den Medien eher wohl­wol­lend über die Denk­mal­stürze berichtet, aber es werden auch immer wieder besorgte Stimmen laut: Wo soll das alles enden? Wer stünde noch zur Dispo­si­tion – Chur­chill, Bismarck, alle Natio­nal­helden der west­li­chen Welt? Kant gar? Doch hinter der Frage, wo soll das enden, verbirgt sich oft die Angst, über­haupt anzu­fangen. Und sie zeigt, dass es tatsäch­lich erst einmal kein Ende gibt, denn so vernetzt, global die Proteste sind, so vernetzt und global, so tief veran­kert in der Gesell­schaft waren Skla­ven­handel und Kolo­nia­lismus. Auf der inter­ak­tiven Karte „Topple the Racists“ finden sich neben Skla­ven­hal­tern und Kolo­nisten histo­ri­sche Persön­lich­keiten wie König Charles II., Oliver Crom­well, Horatio Nelson und Sir Francis Drake. Das zeigt das Problem, dass nicht nur Privat­per­sonen vom Skla­ven­handel profi­tiert haben, sondern es handelt sich um ein System. Viele Städte haben nicht nur eine Statue eines Skla­ven­hal­ters im Stadt­zen­trum, sondern die von ihm gestif­teten Parks, Schulen, etc. Eine Deko­lo­ni­sie­rung des öffent­li­chen Raumes würde nicht bedeuten, einige Statuen zu entfernen, sondern eine Kartie­rung dieses Erbes, um es sichtbar zu machen. Es geht um den gegen­wär­tigen Umgang mit der kolo­nialen Vergan­gen­heit und um die Gegen­wart kolo­nialer Manifestationen.

Und anstatt das was-wäre-wenn-Spiel zu spielen, sollte man sich mit den konkreten Aktionen und Orten befassen, an denen jetzt gerade Denk­mäler gestürzt werden. Was sind die Gründe, was sind Kontext und Vorge­schichte? Wem geht es um was genau in dieser globalen Bewe­gung, mit ihren jeweils sehr spezi­fi­schen lokalen oder regio­nalen Ausprä­gungen, die jeweils unter­schied­liche Lösungen brau­chen, die den Bedürf­nissen der Nach­bar­schaft, der Stadt, des Landes entspre­chen? Vergan­gen­heit wird keines­falls ausge­löscht, wenn ein Denkmal gestürzt wird, das wissen wir nicht erst seit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­tion. Die kriti­sche Unter­su­chung des histo­ri­schen Erbes – auch im öffent­li­chen Raum – am Beispiel von mit Denk­mäler geehrten Persön­lich­keiten nimmt der Geschichte nichts weg, sondern fügt ihr etwas hinzu. Wem wollen wir Denk­mäler setzen und in welcher Form? Das ist viel­leicht die bessere Frage als die, wer weg soll.