Vorsorge ist wichtig und gut. Das zeigt sich vor allem in Zeiten der Pandemie. Doch was ist mit den Gefahren, die Vorsorge erst hervorbringt? Nicht nur Franz Kafka wusste davon – die Geschichte der Moderne ist voll solcher Ambivalenzen.

  • Nicolai Hannig

    Nicolai Hannig lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. 2019 erschien seine Studie „Kalkulierte Gefahren. Naturkatastrophen und Vorsorge seit 1800“.

In Franz Kafkas Erzäh­lung „Der Bau“ richtet ein Tier ein unter­ir­di­sches Gewölbe ein. Es dient ihm mit seinen verzweigten Gängen als Schutz­raum, zugleich als Vorrats­kammer und Falle für Beute. Für das Tier ist der Bau ein hoch­kom­plexes Absi­che­rungs­system gegen äußere Gefahren. Kafka erzählt seine Geschichte als Monolog, der sich ebenso verzweigt wie die Tunnel des Baus. Schnell wird klar, dass das Tier in einer Schleife der Voraus­sicht gefangen ist. Die Suche nach Schwach­stellen wird endlos sein, denn mit jeder Maßnahme gibt sich eine neue Schwäche zu erkennen. Immer tiefer muss es sich in seinem Bau eingraben. Die Vorsorge wird zum Lebens­in­halt – und Sargnagel.

Anlei­tung zum Bunker­selbstbau; Quelle: plaene.info

Kafka brachte 1923 ein typisch modernes Para­doxon auf den Punkt. Es speist sich aus der Sorge des Menschen um sein Dasein. Nur wenige Jahre später defi­nierte Martin Heid­egger diese Sorge als „Wesens­be­stim­mung“ des Menschen. Sie durch­herr­sche seinen „zeit­li­chen Wandel in der Welt“. Eine Möglich­keit, Sorgen erträg­lich zu machen, ist die Vorsorge. Sie beugt Gefahren vor, mildert sie oder wendet sie im Ideal­fall ganz ab. Es gibt jedoch einen Haken: Vorsorge produ­ziert selbst Bedro­hungen. Dahinter steckt ein scheinbar unauf­lös­li­cher Wider­spruch. Bei der Einnahme von Medi­ka­menten haben wir uns daran gewöhnt, dass sie Krank­heiten heilen, aber gleich­zeitig auch neue Beschwerden hervor­rufen können. Beipack­zettel listen detail­liert die Neben­wir­kungen auf. Die Wahr­schein­lich­keiten sind zumeist jedoch gering, was es erträg­li­cher und weniger paradox macht. Was aber, wenn die uner­wünschten Neben­folgen der Regel­fall sind, sie sogar das Ausmaß der Gefahr über­steigen, gegen die sie eigent­lich gerichtet waren?

Epide­mio­logen kennen noch ein zweites Vorsor­ge­pa­radox. Je wirk­samer Maßnahmen sind, die ein Infek­ti­ons­ge­schehen unter­bre­chen, desto höher ist die Wahr­schein­lich­keit, dass genau diese Maßnahmen unnötig wirken. Das zeigt sich bei erfolg­rei­chen Impf­pro­grammen. Krank­heiten verschwinden aus der Erfah­rungs­welt, weshalb immer mehr Menschen impf­müde werden. Auch in der Coro­na­krise lässt sich dieser Effekt beob­achten. Viele halten den Lock­down für unver­hält­nis­mäßig, weil das Virus doch gar nicht so gefähr­lich sei, obwohl gerade diese Maßnahme die Bedro­hung eindämmt. Mit anderen Worten: Der eigene Erfolg gefährdet Vorsorge.

Zur Geschichte des Vorsorgestaats

Das Verhältnis der Moderne zur Zeit ist dennoch von Voraus­sicht geprägt, von Vorgriffen auf die Zukunft, die es in der Gegen­wart zu planen gilt. Die Coro­na­krise führt der ganzen Welt vor Augen, welche Bedeu­tung es hat, das Kommende im Hier und Jetzt zu gestalten. Der größte Zank­apfel, so scheint es, ist aber nicht die Bedro­hung durch SARS-CoV-2, sondern die Vorsor­ge­folge. Gemeint sind damit zwei Dinge: erstens die abstrakte Vorsor­ge­schleife, wie Kafka sie beschreibt, in der Versäum­nisse von gestern stets neue, bessere Eingriffe im Heute notwendig machen; zwei­tens ganz konkrete, sofort spür­bare Auswir­kungen, die konzer­tierte Vorsor­ge­maß­nahmen zeitigen. In Coro­na­zeiten ging es insbe­son­dere um wirt­schaft­li­chen Schaden durch einen rigiden Lock­down, um die Einschrän­kung von Frei­heits­rechten sowie physi­sche und psychi­sche Folgen des social distancing. Schnell kamen Verschwö­rungs­theo­rien auf, die das Vorsor­ge­pa­radox miss­ver­standen und den Regie­rungs­ver­ant­wort­li­chen unter­stellten, unter dem Deck­mantel der Vorsorge Grund­rechte einzu­schränken und Menschen zu überwachen.

Ein Blick in die Vorge­schichte dieser Gegen­wart zeigt, dass solche Reflexe nicht neu sind. Aber er erhellt noch mehr: Die Vorsor­ge­folge ist Teil einer histo­risch gewach­senen Vorsor­ge­logik, deren Tücken sich nicht nur im Umgang mit Pande­mien, sondern auch mit anderen Gefahren zeigen.

Vorsorge erscheint uns oft als Retterin, doch bleibt sie stets paradox. Sie verlangt, abzu­wägen zwischen Schäden, die eintreten, wenn vorbeu­gende Maßnahmen nicht oder nur gebremst erfolgen, und Schäden, die sie erzeugt. Vorsorge hantiert mit mehreren Zukunfts­ebenen: zunächst mit einer uner­wünschten Gefah­ren­zu­kunft, die eintritt, sofern man sich gegen vorbeu­gende Maßnahmen entscheidet, und einer gewünschten Vorsor­ge­zu­kunft, die sich erfüllt, wenn man recht­zeitig inter­ve­niert. Hinzu kommt eine dritte Ebene, die der Vorsor­ge­fol­gen­zu­kunft. Auf dem Zeit­strahl liegt sie noch weiter vorn und ist daher nur schwer zu berechnen. Denn es gilt abzu­schätzen, welche Neben­folgen aus Maßnahmen hervor­gehen, von denen man gar nicht weiß, wie sie mit der Bedro­hung reagieren, gegen die man vorsorgen möchte.

Die Zusi­che­rung, dieses Vorsor­ge­ge­flecht zu entwirren, war ein zentrales Motiv bei der Grün­dung moderner Staaten. Sie verspra­chen ihren Bürge­rinnen und Bürgern nicht nur Schutz vor äußeren Feinden und Verbre­chen, sondern auch vor Krank­heiten, Natur­ge­fahren und Unfällen, schließ­lich auch vor Verar­mung und sogar vor sozialer Isola­tion. Der Einzelne dele­gierte seinen Schutz an den Staat, während dieser Vorkeh­rungen traf, die Gefahren fernhielten.

Der Inter­ven­ti­ons­staat war ein Vorsorgestaat.

Prepper-Bunker, USA; Quelle: netflix.com

Analog dazu entwi­ckelten sich im zivil­ge­sell­schaft­li­chen und privat­wirt­schaft­li­chen Bereich paral­lele Vorsor­ge­kul­turen. Erin­nert sei an Deich­ver­bände, die sich bereits seit Jahr­hun­derten dem Hoch­was­ser­schutz widmen. Hinzu kam die Versi­che­rungs­branche, die im 19. Jahr­hun­dert Vorsorge kapi­ta­li­sierte und im Scha­dens­fall finan­zi­elle Kompen­sa­tion anbot. Einigen ging dies nicht weit genug. In den USA formierte sich Mitte des 20. Jahr­hun­derts die „Prepper“-Szene, die heute auch in Europa immer mehr Anhänger findet. Sie bereitet sich auf apoka­lyp­ti­sche Zeiten vor und kapselt sich vom Vorsor­ge­main­stream ab.

Die meisten Menschen jedoch verlernten es, selbst vorzu­sorgen, gerade weil sie einen Groß­teil ihrer Vorsor­ge­ver­ant­wor­tung abgaben. Das Gefah­ren­po­ten­tial von Vorsorge verdun­kelte sich, wie über­haupt ihre Logik und Wider­sprüch­lich­keit. Zugleich wuchsen die Ansprüche an Staat und Privat­wirt­schaft, Bedro­hungen zu verbannen – das zeigte sich immer dann beson­ders deut­lich, wenn es zu Kata­stro­phen kam. Behörden und Unter­nehmen leiteten daher wissen­schaft­liche Forschung an, hielten Reserven vor, entwi­ckelten einen umfas­senden Versi­che­rungs­schutz und trafen tech­ni­sche Vorkeh­rungen. Vorsorge wurde komplexer, voraus­set­zungs­rei­cher, anspruchs­voller – und invasiver.

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Die Natur ist dafür ein tref­fendes Beispiel. Ein mittel­eu­ro­päi­scher Zeit­rei­sender des 18. Jahr­hun­derts würde bereits einhun­dert Jahre später seine Land­schaft nicht mehr wieder­erkennen. Melio­ra­tionen und Fluss­be­gra­di­gungen, die Über­schwem­mungs­ge­fahren bannen sollten, gaben ihr ein völlig neues Äußeres. Doch bereits diese Maßnahmen, die Hydro­tech­ni­kern lange Zeit als Wunder­waffe gegen Hoch­wasser galten, pola­ri­sierten. Die einen verwiesen auf Vorsor­ge­folgen, etwa auf erhöhte Fließ­ge­schwin­dig­keiten von Flüssen. Immer wieder kam es zu Sabo­tage und Blockaden. Anderen wiederum konnte es gar nicht schnell genug gehen, bis die mäan­dernden Flüsse endlich in schnur­ge­rade Kanäle verwan­delt waren.

Die lang­fris­tigen Resul­tate schienen zunächst den Befür­wor­tern Recht zu geben. Die Hoch­was­ser­häu­fig­keit sank rapide. Aller­dings weckte die umge­stal­tete Land­schaft Begehr­lich­keiten. Der Mensch siedelte enger am Fluss, Unter­nehmen ließen sich nieder und konzen­trierten hohe Werte an den Ufern. So reichte häufig schon eine Über­schwem­mung, um als Vorsor­ge­folge einen größeren Schaden anzu­richten als dutzende Hoch­wasser aus Zeiten vor den Begradigungen.

Vorsor­ge­lust vs. Vorsorgefrust

Der Geschichte von Vorsorge scheint das Schei­tern einge­schrieben zu sein. Kafka würde sagen, sie kann gar keine Erfolgs­ge­schichte sein. Die Dualität von Vorsor­ge­lust und Vorsor­ge­frust moti­vierte daher einen Stra­te­gie­wandel. Resi­lienz lautete die neue magi­sche Formel, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts immer mehr Behörden, Schutz­dienste und Think Tanks in ihren Bann zog. Man gestand sich ein, dass der wissenschaftlich-technische Fort­schritt bestimmte Gefahren nicht völlig aus der Welt schaffen, aber doch abmil­dern und Gesell­schaften wider­stands­fä­higer machen kann. Aus der Krise, so die Hoff­nung, solle keine geret­tete, sondern eine opti­mierte Gegen­wart hervorgehen.

Damit versuchte man, die Spiel­re­geln des Kafka-Kreislaufs zu ändern und Vorsorge in einen neuen Zirkel einzu­spannen, in dem sie sich neben anderen Maßnahmen wie Vorbe­rei­tung, Schutz und Erho­lung gleich­be­rech­tigt wieder­fand. Vorsorge wurde reflexiv, weil ihre Neben­folgen immer häufiger das Gefah­ren­ma­nage­ment prägten und in Risi­ko­kal­ku­la­tionen einge­preist wurden. In den sieb­ziger Jahren fragten US-amerikanische Forscher in einer Simu­la­ti­ons­studie nach den Auswir­kungen einer Erdbe­ben­vor­aus­sage. Ihre Befunde waren so zynisch wie fatal. Unzäh­lige geret­tete Menschen­leben standen in ihrer Abschluss­rech­nung dem ökono­mi­schen Kollaps einer gesamten Region gegen­über. Der wirt­schaft­liche Schaden einer Vorher­sage erschien größer als der des Erdbe­bens. Forschungen wie diese machten Vorsor­ge­folgen sichtbar und zwangen Regie­rungen dazu, in ihrer Risi­ko­po­litik abzu­wägen zwischen den Gefahren, gegen die man vorsorgte, und denen, die sich erst aus der Vorsorge ergaben.

Am Vorsor­ge­pranger: Pandemiezeiten

Corona-Party „Der letzte Tanz“ in Klagen­furt, Mitte März 2020; Quelle: krone.at

Je engma­schiger das Vorsor­ge­netz wurde, desto häufiger kam es zur Verwei­ge­rung – eine typi­sche Vorsor­ge­folge, ob es um Anschnall­pflicht im Auto oder um Impf­gegner geht. Sobald sich ein rigides Vorsor­ge­re­gime aufspannt, suchen Menschen Schlupf­lö­cher, da Vorsorge mit Einschrän­kungen und Aufwand verbunden ist. Das zeigt sich nicht erst auf heim­li­chen Coro­na­partys. Als die Bundes­re­pu­blik Deutsch­land 1960 Afri­ka­nern, Südame­ri­ka­nern und Asiaten vorschrieb, bei ihrer Einreise einen Pocken­impf­schein vorzu­legen, wichen viele auf einen Schweizer Flug­hafen aus und fuhren mit dem Auto Rich­tung Deutsch­land weiter, weil sie an den Grenzen keinen Immu­ni­täts­aus­weis vorlegen mussten.

Solche Formen der Vorsor­ge­ver­mei­dung konnten wiederum  Stig­ma­ti­sie­rungs­re­flexe unter den Vorsor­ge­be­flis­senen auslösen, die xeno­phobe und rassis­ti­sche Stereo­typen aktua­li­sierten. Das öffent­liche Anpran­gern der „flie­genden Pocken­träger“, wie der Spiegel Reisende aus besagten Regionen taufte, ist ein tref­fendes Beispiel dafür. Aber auch china­feind­liche Reak­tionen zu Beginn der Coro­na­krise und shit storms mit auslän­der­feind­li­chen Parolen gegen Anwohner eines Göttinger Hoch­hauses, die gegen Quaran­tä­ne­maß­nahmen verstoßen hatten, zeugen von diesem Zusam­men­hang. Dass Rechts­po­pu­listen unter dem Deck­mantel der Behaup­tung, sich für Bürger­rechte einzu­setzen, Stra­ßen­pro­teste von Vorsor­ge­geg­nern kapern oder gegen Muslime hetzen, die sich angeb­lich nicht an Lock­down­re­geln halten, spricht eben­falls für diese Tendenzen. Diffa­mie­rungen und Exklu­sionen zählen zu den sozialen Vorsor­ge­folgen – das zeigen pauschale Zuschrei­bungen gegen­über AIDS-Kranken in den acht­ziger Jahren genauso wie bestimmte Ressen­ti­ments in Coronazeiten.

Bereits im 19. Jahr­hun­dert hatte sich die Seuchen­prä­ven­tion zu einer Leis­tungs­schau moderner Vorsor­ge­staaten entwi­ckelt. Wech­sel­seitig stellten sie sich Zeug­nisse aus, wessen Hygie­ne­kon­zepte Epide­mien am besten vorbeugten. Im 20. Jahr­hun­dert verschärfte dieser Vorsor­ge­wett­lauf die Block­bil­dung und nährt bis heute den Natio­na­lismus. In der Coro­na­krise wurde dies sinn­fällig nicht nur in Grenz­schlie­ßungen und über­wie­gend natio­nalen Inves­ti­tionen in Gesund­heits­sys­teme, sondern auch in täglich aktua­li­sierten Covid-19-Statistiken. Wie ein umge­drehter Medail­len­spiegel bei Olym­piaden weisen sie Infektions- und Todes­zahlen im Länder­ver­gleich aus und zeigen, wem es wie gut gelingt, die Bedro­hung in den Griff zu bekommen.

Natio­nale Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien wider­spre­chen jedoch der Logik viraler Infek­tionen und Muta­tionen. Die Virussphäre ist trans­na­tional und lässt sich nur durch Grenzen inner­halb eines jeden Körpers einhegen. Und um diese zu befes­tigen, braucht es vor allem im Seuchen­fall Gesund­heits­sys­teme, die auf inter­na­tio­nale Koope­ra­tion, nicht auf natio­nale Über­le­gen­heit abzielen und Atem­ge­räte horten, Liefe­rungen von Schutz­masken abfangen oder Lizenz­rechte an Impf­stoffen zu sichern versuchen.

Vorsor­ge­kon­kur­renz

In histo­ri­scher Perspek­tive zeigt sich, dass die Coro­na­krise kein Unikum ist, das uns erst­mals die Para­do­xien der Vorsorge vor Augen führt. Viel­mehr wird deut­lich, dass wir es mit einem syste­ma­ti­schen Problem zu tun haben, einem erzwun­genen Abwägen zwischen poten­ti­ellen Gefahren. Vorsorge kann und muss Menschen­leben retten. Sie sollte selbst Risiken eingehen, zumal das zukünf­tige Krisen­ma­nage­ment von Vorsor­ge­eva­lua­tion profitiert.

Damit ist jedoch eine weitere Vorsor­ge­folge auf den Plan gerufen, viel­leicht die verhäng­nis­vollste: die Vorsor­ge­kon­kur­renz. Große Vorsor­ge­an­stren­gungen wie in der Coro­na­krise ziehen Aufmerk­sam­keit und Ressourcen aus anderen vorsor­ge­be­dürf­tigen Berei­chen ab, von Gefahren, die sich in einem anderen Tempo entwi­ckeln. Klima- und nukleare Risiken, die zu den größten Heraus­for­de­rungen des Anthro­po­zäns zählen, finden sich schnell auf den niederen Rängen gesell­schaft­li­cher Rele­vanz wieder – ähnlich geht es Initia­tiven, die sich mit Migra­tion oder demo­gra­fi­schem Wandel ausein­an­der­setzen. Sie müssen mit ansehen, wie Regie­rungen plötz­lich Mittel bereit­stellen, die sie selbst nie für sich gewinnen konnten. Oder anders gewendet: In Greta-Zeiten war es bedeu­tend leichter, Projekte zum Klima­schutz auf den Weg zu bringen als in Corona-Zeiten. Diese Mecha­nismen sind aller­dings nicht nur der Coro­na­krise vorbe­halten. Viel­mehr sind sie Teil moderner Vorsor­ge­logik, die umge­kehrt auch für andere Groß­ri­siken gilt.

Indem Vorsorge die Zukunft in der Gegen­wart zu schützen versucht, kann sie die Welt von morgen retten und zugleich schwä­chen. Vorsorge ist ein mäch­tiges Instru­ment, mit dem moderne Staaten vieles bewegen können. Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie wichtig zivil­ge­sell­schaft­liche Kritik an staat­li­chen Programmen und deren Folgen ist. Sie sensi­bi­li­siert für die Para­do­xien des Vorgriffs auf die Zukunft. Die Vorsor­ge­logik sollte sie aber durch­schauen. Denn das Abwä­gungs­di­lemma, in dem sich Entschei­dungs­träger befinden, ist groß und verlangt Kalku­la­tionen mit mehreren Unbe­kannten. Viele machen es sich zu leicht und gehen komple­xi­täts­re­du­zie­renden Verschwö­rungs­theo­rien auf den Leim – was übri­gens auch eine nicht zu unter­schät­zende Vorsor­ge­folge ist.