Die „alternative” Rechte in den USA entstand aus der Distanzierung von den „traditionellen“ Neo-Konservativen. Ihren Aufstieg und ihre Normalisierung verdankt die „Alt-Right“ einem aggressiven Antifeminismus, wuchernden Verschwörungstheorien und unverhülltem Rassismus – und, neben Fox News, der strukturellen Logik der neuen Medien.

  • Johannes von Moltke

    Johannes von Moltke lehrt als Professor für Film, Fernsehen und Medien sowie für German Studies an der University of Michigan, wo er zu Filmgeschichte, kritischer Theorie und neuen Medien forscht. Von 2019-2021 war er Präsident der German Studies Association.

Die Geschichte der 10er Jahre wird noch zu schreiben sein, aber im Rück­blick auf die poli­ti­sche Kultur des eben vergan­genen Jahr­zehnts wird die Ausein­an­der­set­zung mit einem Begriff unum­gäng­lich sein: Es war das Jahr­zehnt der „alt-right.” Kurz vor Beginn des Jahr­zehnts als Gegen­pa­role gegen bestehende „neo-” und „paleo­kon­ser­va­tive” Strö­mungen in den USA ins Feld geführt, fing das Wort im Laufe der folgenden Jahre Feuer und verur­sachte vor allem im Netz Flächen­brände. Unter dem Begriff der „alt-right” firmierten Atta­cken auf weib­liche gamer, die Mobi­li­sie­rung der „manos­phere” gegen jegliche Form des Femi­nismus oder „meme wars” gegen den vermeint­li­chen „cultural Marxism” in entspre­chenden Inter­net­foren. Es entstanden im Laufe des Jahr­zehnts ganze Netz­werke von neurechten „alter­na­tive influen­cers,” die in den ameri­ka­ni­schen „culture wars” verschärft Posi­tion bezogen. 

„Proud Boys“-Gründer Gavin McInnes, 2017; Quelle: nbcnews.com

Es formierten sich neue iden­ti­täre Grup­pie­rungen wie etwa die „Proud Boys” oder „Iden­tity Evropa” (heute „American Iden­tity Move­ment”) und die verschie­denen euro­päi­schen Spiel­formen der géné­ra­tion iden­ti­taire. Mit den kursie­renden Ideo­lo­gemen der „alt-right” iden­ti­fi­zierten sich Terro­risten in Texas, Kali­for­nien und Neusee­land, und die glei­chen ideo­lo­gi­schen Versatz­stücke mobi­li­sierten im Mai 2017 in Char­lot­tes­ville Anhänger unter dem Slogan „Unite the Right” zur öffent­li­chen Demons­tra­tion – mit tödli­chem Ausgang. Ja, letzt­end­lich fällt auch der Wahl­sieg eines Donald Trump unter das Sigel der „alt-right.”

Spätes­tens zu diesem Zeit­punkt aber, also um die Mitte des Jahr­zehnts, hätte sich die Frage aufge­drängt, was an der „alt-right” eigent­lich noch „alt” – also alter­nativ – war, schien doch mit dem Wahl­sieg der Marsch durch die Inter­net­zonen „from 4chan to the White House“ zum Abschluss gekommen und die popu­lis­ti­sche Rechte im Zentrum der Macht ange­langt zu sein. Aus der „alt-right” war die neue Rechte geworden, der Unter­schied zwischen „right” und „alt-right” scheint verschliffen. So ließe sich auch der deut­liche Rück­gang der Google-Suchanfragen zu „alt-right” nicht etwa als Abflauen der Bewe­gung erklären, sondern als deren erfolg­reiche Beset­zung des poli­ti­schen Mainstreams. 

Der Begriff der „alter­na­tiven” Rechten

Zwar gibt es einige gute Gründe, am Begriff der „alt-right” fest­zu­halten. So bezeichnet dieser nach wie vor eine poli­ti­sche Diffe­ren­zie­rung vor allem vom vorma­ligen rechten Main­stream – in den USA also vor allem von tradi­tio­nellen, konser­va­tiven Repu­bli­ka­nern, aber auch von den wirt­schafts­li­be­ralen „neocons” von Reagan bis G.W. Bush –, gegen die der Begriff der „alt-right” 2008 von Richard Spencer geprägt wurde. Vom tradi­tio­nellen, von rassis­ti­schen Tendenzen aller­dings keines­wegs freien rechten Spek­trum weicht die „alt-right” auch in ihrem unver­hoh­lenen Ethno­zen­trismus ab, weshalb zum Beispiel Alex­andra Stern in ihrem neuen Buch zu dem Thema am Begriff „alt-right” fest­hält. Hinzu tritt die trans­at­lan­ti­sche, ja trans­na­tio­nale Anschluss­fä­hig­keit an andere „Alter­na­tiven”, ob „für Deutsch­land”, „för Sverige”, oder sonstwo. Vor allem aber konno­tiert die Prägung „alt-right” nach wie vor eine poli­ti­sche Struktur, die ohne Internet und soziale Medien nicht denkbar wäre: Diese medialen Struk­turen und Möglich­keiten bildeten im Jahr­zehnt der „alt-right” den Nähr­boden, auf dem sich deren dezen­tralen Netz­werke ausprägen konnten. Anonyme message boards wie 4-chan und 8-chan, Platt­formen wie YouTube, deren Algo­rithmen schon aus betriebs­öko­no­mi­schen Gründen die poli­ti­sche Radi­ka­li­sie­rung begüns­tigen, leicht mani­pu­lier­bare Foren wie Face­book und Twitter, denen Jessie Daniels eine struk­tu­relle Affi­nität zur „white supre­macy” nach­ge­wiesen hat: Sie alle machen das Biotop aus, in dem sich in der Tat „alter­na­tive” Formen zur tradi­tio­nellen Rechten heraus­bilden konnten.

Neue Schlag­worte und neue Konturen

Dennoch scheint der Begriff „alt-right” in letzter Zeit sowohl an Bindungs- wie an Spreng­kraft verloren zu haben. Nach dem Tod der Gegen­de­mons­trantin Heather Heyer in Char­lot­tes­ville versuchten einige promi­nente Vertreter der US-amerikanischen „alt-right”, sich von dem Begriff (wenn auch nicht von den damit bezeich­neten ideo­lo­gi­schen Posi­tionen) zu distan­zieren und, wie Stern fest­stellt, zu dezen­tralen Formen poli­ti­scher Orga­ni­sa­tion im Netz zurück­zu­kehren. Hier werden inzwi­schen andere Schlag­worte ins Feld geführt, unter denen das poli­ti­sche Projekt fort­ge­setzt werden und neue Konturen gewinnen soll – sei es als „Iden­ti­täre”, als unver­blümte „Natio­na­listen” oder (genauer) als „Ethno­na­tio­na­listen”, als „affir­ma­tive right” oder gar als „dissi­dent right.” 

Nicht zufällig erin­nert letz­terer Begriff, der unter anderem im rechts-intellektuellen Umfeld von Greg John­sons Publi­ka­ti­ons­platt­form Counter-Currents favo­ri­siert wird, an ehemals linke Posi­tionen. Explizit und stra­te­gisch ist die neue Rechte bestrebt, genau jene poli­ti­schen Formen zu kapern und zu beerben, welche die neuen sozialen Bewe­gungen seit den 1960er Jahren ausge­prägt hatten (ein infor­ma­tives Hand­buch über die euro­päi­schen „Iden­ti­tären” beschreibt dies mit den Begriffen der „Mimikry” und der „Retor­sion”): Viele Stra­te­gien der Iden­ti­tären unter­scheiden sich von APO-happenings der späten 60er Jahre wie Pudding-Attentaten, der Spren­gung von Vorle­sungen oder dem Anbringen von Spruch­bän­dern im öffent­li­chen Raum nur hinsicht­lich des neuen Verstär­ker­ef­fekts der sozialen Medien. 

Umdeu­tung demo­kra­ti­scher Grundbegriffe 

Weitaus perfider ist aller­dings die Umdeu­tung demo­kra­ti­scher Grund­be­griffe von links- in rechts­al­ter­na­tive Parolen, die unter dem Deck­mantel seman­ti­scher Anleihen die ehemals progres­siven, demo­kra­ti­schen Gehalte durch rassis­ti­sche ersetzen. Diese Tendenz hat ihre Vorläufer in der Inte­gra­tion sozia­lis­ti­scher Elemente zumal in den deut­sche Faschismus, oder etwa in Henning Eich­bergs Prägung eines Begriffs wie Ethno­plu­ra­lismus in den 1970er Jahren, welcher dann von der Nouvelle Droite um Alain de Benoist aufge­griffen und verwendet wurde. Diese quasi beiläu­fige Spezi­fi­zie­rung von Plura­lismus unter ethni­schen Vorzei­chen hat nun die „alt-right” übernommen.

William Lind und Donald Trump; Quelle: theamericanconservative.com

Im Namen von Viel­falt werden rassis­ti­sche Formen sozialer Aus- und Abgren­zung propa­giert – die unter anderem in einschlä­gigen science fiction Romanen der „alt-right” von William Pierce’s Turner Diaries bis William Lind’s Victoria durch­ge­spielt werden. 

Deren Gewalt­phan­ta­sien entlarven die vorgeb­lich anti-hierarchische Vision eines plura­lis­ti­schen Neben­ein­ander der Ethnien ebenso wie den Sozi­al­dar­wi­nismus der avisierten demo­gra­phi­schen Expe­ri­mente. Diese werden dann noch mit rheto­ri­schem Augen­zwin­kern biolo­gis­tisch ausge­baut, etwa wenn sich die „alt-right” mit der Rede von „human biodi­ver­sity” selbst auf den Schutz von Arten­viel­falt bezieht (aber den Schutz einer weißen „Rasse” vor dem angeb­lich bevor­ste­henden „grand repla­ce­ment” meint). Diese Flos­keln sollen ebenso wie der verbrei­tete und verharm­lo­sende Slogan „it’s OK to be white” dazu dienen, die unüber­seh­baren faschis­ti­schen Inhalte (Rasse, Lebens­raum, Hier­ar­chie, Demo­kra­tie­feind­lich­keit) durch den Verweis auf scheinbar unver­fäng­liche, ja demo­kra­tie­freund­liche Begriffe von Plura­lität und Diver­sität glaub­haft abzustreiten. 

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Ange­sichts dieser rheto­ri­schen Anleihen und stra­te­gi­schen Über­schnei­dungen bezüg­lich progres­siver demo­kra­ti­scher Posi­tionen ist es kaum verwun­der­lich, dass einige neue Rechts­in­tel­lek­tu­elle dem eher deskrip­tiven Präfix „alt” ein pole­mi­sches „dissi­dent” vorziehen – womit gleich­zeitig deren Verein­nah­mung durch jegli­ches poli­ti­sches Estab­lish­ment vorge­beugt werden soll. Dieser Tendenz steht, eben­falls in Entspre­chung zur Geschichte der Linken, vor allem im euro­päi­schen Kontext ein Prozess gegen­über, der an den langen Marsch der ehemals außer­par­la­men­ta­ri­schen Oppo­si­tion der 60er Jahre durch die Insti­tu­tionen gemahnt – die AfD, die briti­sche UKIP oder das fran­zö­si­sche Rassem­blement National bieten einschlä­gige Beispiele für den Erfolg dieser Stra­tegie von rechts. 

Durch­set­zung

Nun spielt die „alt-right” für die rechts­po­pu­lis­ti­schen Parteien in Europa auf den ersten Blick eine unter­ge­ord­nete Rolle (ein zweiter Blick würde sich jedoch lohnen). Wenn aber der Eindruck stimmt, dass auch auf der anderen Seite des Atlan­tiks nicht nur die Such­an­fragen, sondern auch die Verwen­dung des Begriffs „alt-right” rück­läufig sind, sollten wir uns zur Begrün­dung nicht mit den Selbst­aus­sagen derer begnügen, die ein stra­te­gi­sches Inter­esse daran haben, die poli­ti­sche Semantik neu zu besetzen. Legen solche Versuche einer Neube­stim­mung – ob als ethno­na­tio­na­lis­tisch oder dissi­dent – zumal nach Char­lot­tes­ville das Einge­ständnis poli­ti­scher Fehler nahe, so scheint mir aller­dings das Gegen­teil der Fall zu sein. Die tenden­ziell rück­läu­fige Verwen­dung von „alt-right” zur Bezeich­nung rechts­po­pu­lis­ti­scher Ener­gien ist ein Index ihrer Durchsetzung.

Die Räume, welche die „alt-right” im Netz und in den sozialen Medien besetzten, haben mate­ri­elle Eigen­dy­na­miken: die medialen Möglich­keiten sind in erster Linie tech­no­lo­gi­sche, die zugrunde liegenden Inter­essen ökono­mi­sche. Der dort ausge­tra­gene Kampf aber ist poli­tisch. Genauer: Er ist, wie es Vertreter der „alt-right” gerne ausdrü­cken „meta­po­li­tisch.” Es geht, wie die „alt-right” frei­mütig einge­steht und die säch­si­sche AfD plaka­tiert, um die Erobe­rung von Diskurshoheit. 

Andrew Breit­bart; Quelle: washingtonpost.com

Andrew Breit­bart, Vordenker der „alt-right” und Gründer eines ihrer wich­tigsten Sprach­rohre, hat für diesen Kampf die Floskel geprägt „poli­tics is down­stream from culture” – wer strom­auf­wärts Einfluss auf die Kultur ausübt, bestimmt den poli­ti­schen Main­stream. Es kommt also, um die Welt zu verän­dern, doch darauf an, sie zunächst anders zu inter­pre­tieren. Frei nach Antonio Gramsci, den die „alt-right” sich wie schon de Benoist von der Nouvelle Droite in den 1970er und 80er Jahren im glei­chen Atemzug aneignet, in dem sie ihn als „cultural Marxist” verteu­felt, geht es um die Beset­zung hege­mo­nialer Posi­tionen im Stel­lungs­krieg um kultu­relle Macht. 

Norma­li­sie­rung

Die 10er Jahre lassen sich aus dieser Perspek­tive rück­bli­ckend als diskurs­po­li­ti­sche Erfolgs­ge­schichte der „alt-right” lesen. Im selben Maß, in dem einer­seits deren führende Köpfe, von Richard Spencer über Milo Yiann­o­poulos bis Steve Bannon, an persön­li­chem Einfluss verloren (wenn auch nur um diesen, wie Bannon, auf der euro­päi­schen Seite des Atlan­tiks wieder aufzu­bauen), haben sich ihre Provo­ka­tionen im medialen Diskurs norma­li­siert. In der Sprache der Rechten hat sich das „overton window” des Sagbaren inzwi­schen so verschoben, dass vordem als extre­mis­tisch tabui­sierte Begriffe und Meinungen – etwa zum „Ethno­na­tio­na­lismus,” zur „Inva­sion” durch Migra­tion, zur „WQ” (women ques­tion) oder gar zur „JQ” (Jewish ques­tion) – in den medialen Sprach­ge­brauch einge­gangen sind. In Deutsch­land sind mit der AfD Teile der Bevöl­ke­rung poli­tisch durch promi­nente Abge­ord­nete wie Alice Weidel vertreten, die unge­hemmt „alt-right”-Verschwörungstheorien über einen nun einge­deutschten „Kultur­mar­xismus” verbreiten. Diskurse, die zunächst auf 4chan und 8chan geschürt wurden, sind mitt­ler­weile auf die soge­nannten „main­stream media” übergesprungen. 

Die Rolle der Medien

Das Para­de­bei­spiel hierfür ist sicher­lich Fox News, nach wie vor der führende Nach­rich­ten­be­treiber im Kabel­fern­sehen, der in der Trump-Ära kaum anders denn als Staats­fern­sehen zu bezeichnen ist. Der Sender hat nicht nur jegliche Distanz zu Regie­rungs­or­ganen, geschweige denn zu Trumps twitter-feed aufge­geben, sondern auch jegliche Abgren­zung zum Inter­net­dis­kurs der „alt-right” auf 4-chan und YouTube. So werden etwa die wirren Mani­feste, welche die Atten­täter von Christ­church, Poway, El Paso und anderswo auf 4chan und Face­book veröf­fent­lichten, in Nach­rich­ten­sen­dungen auf Fox kaum entwirrt – im Gegen­teil, der Sender hat sich längst die Sprache der Atten­täter anver­wan­delt.

Tucker Carlson, Fox News; Quelle: mediamatters.com

Laura Ingraham auf Fox News, 2019; Quelle: mediamatters.org

Tucker Carlson und Laura Ingraham bedienen sich in den Mono­logen, mit denen sie allabend­lich ihre massiv popu­lären Shows beginnen, der glei­chen Begriffe und Phrasen wie die Atten­täter und leisten deren Verschwö­rungs­theo­rien Vorschub: Die USA sei an der mexi­ka­ni­schen Grenze einer latein­ame­ri­ka­ni­schen „Inva­sion” ausge­setzt; weiße US Ameri­kaner stünden deshalb unmit­telbar vor dem demo­gra­phi­schen Abgrund eines „cultural and ethnic repla­ce­ment” – ein Ideo­logem, das in Frank­reich vom Verschwö­rungs­theo­re­tiker Renaud Camus geprägt und dann in Char­lot­tes­ville mit tödli­chen Folgen skan­diert wurde.

Aber auch in den sozialen Medien zeichnen sich die mainstreaming-Erfolge der „alt-right” ab, etwa wenn sich Twitter inzwi­schen außer Stande sieht, den weißen Supre­ma­tismus einzu­dämmen. Zwar lassen sich, wie Twit­ters Vorgehen gegen den IS im Netz zeigt, Algo­rithmen entwi­ckeln, welche die Verbrei­tung von Hass und Hetze eindämmen. Doch der Versuch, solche Algo­rithmen auch für den ethno­na­tio­na­lis­ti­schen, rechts­extremen Terro­rismus zu entwi­ckeln, schei­terte, weil zu viele Twit­ter­konten im repu­bli­ka­ni­schen Main­stream, darunter auch solche von Abge­ord­neten der Partei, in die Fang­netze  geraten wären: Jeder denk­bare Algo­rithmus zum Aufspüren und Entfernen entspre­chender Tweets, stellten Mitar­beiter bei Twitter fest, hätte unwei­ger­lich zu einem auto­ma­ti­schen Ausschluss von repu­bli­ka­ni­schen Partei­mit­glie­dern geführt – was auch nicht im geschäft­li­chen Inter­esse eines Medi­en­kon­zerns läge, dessen ökono­mi­sche Macht auf der Akku­mu­la­tion von Accounts, Clicks und Retweets beruht.

Trump als Symptom

Trump-retweet, 2015; Quelle: bbc.com

Trumps Wahl­sieg ist daher auch inso­fern ein Erfolg der „alt-right,” als deren Rassismus nun regie­rungs­fähig geworden ist. Der anti-muslimische Vorstoß gegen Einreisen aus isla­mi­schen Ländern war hierfür nur ein früher Vorbote, und auch Trumps Retweets briti­scher rechts­extremer Videos und Bilder führender Politiker*innen in diffa­mie­render Absicht sind bloße Symptome der struk­tu­rellen Veran­ke­rung des weißen Supre­ma­tismus in der US-Regierung und deren Medi­enstra­te­gien. Ein Präsi­dent, dessen twitter feed nach­haltig im verschwö­rungs­theo­re­ti­schen Milieu vernetzt ist, kann kein poli­ti­sches Inter­esse daran haben, rechts­extremen Terro­rismus zu thema­ti­sieren oder konse­quent zu verfolgen. Denn das bedürfte der Distan­zie­rung vom Rassismus der „alt-right”, woran aller­dings ausdrück­lich kein Inter­esse besteht („[white supre­macism] is not some­thing this admi­nis­tra­tion is comfor­table spea­king out against” – so ein ehema­liger Mitar­beiter der Regie­rung Trump, der damit zu erklären versuchte, warum das Minis­te­rium für Heimat­schutz sich sträubt, den „dome­stic terro­rism” zur stra­te­gi­schen Prio­rität zu erklären). 

Mit solchen State­ments, mit der naht­losen Rück­kop­pe­lung zwischen Fox News und Trumps Twit­ter­netz­werken, und Dank der poli­ti­schen Unfä­hig­keit, ihrer Verbrei­tung im Netz Einhalt zu gebieten, ist die „alt-right” im Main­stream ange­langt. Die Geschichte wird wie gesagt noch zu schreiben sein, sie sollte sich aber von den seman­ti­schen Verwirr­spielen der „alt-right” ebenso wenig leiten geschweige denn hinters Licht führen lassen, wie vom vorder­grün­digen Abflauen des Begriffs, unter dem die neuen Rechten zumal im engli­schen Sprach­raum – und damit auch im globalen Netz – zu Beginn des Jahr­zehnts ange­treten waren. Ange­sichts der dezen­tralen Formen poli­ti­scher Orga­ni­sa­tion im Netz verliert die dafür geprägte Bezeich­nung „alt-right” in dem Maße an Gewicht, in dem deren Inhalte sich gesell­schaft­lich durchsetzen.

Das vergan­gene Jahr­zehnt begann mit der Kür von „alter­na­tivlos” zum Unwort des Jahres; es endet mit nach­hal­tigen Erfolgen einer als „alter­nativ” konno­tierten neuen Rechten (nicht nur) im Netz. Diese nicht alter­na­tivlos wirken zu lassen wird eine der dring­lichsten poli­ti­schen Aufgaben für die 20er Jahre sein.