Der Enthüllungsjournalismus feiert gerade Festspielwochen: Geleakte Chat-Nachrichten und ein als Roman getarnter Augenzeugenbericht halten seit Tagen das Medienpublikum in Atem und öffnen Einblicke hinter die Kulissen des einflussreichsten deutschsprachigen Medienkonzerns. Sichtbar werden dabei nicht nur „Fehlverhalten“ und Machtmissbrauch einzelner Personen im Springer-Verlag. Die Enthüllungen werfen vor allem ein Licht auf die internen Verlagsabläufe und zeigen ebenso direkte parteipolitische Einflussnahmen auf die eigene Zeitungsberichterstattung wie die damit verbundenen Interessen. Auch wir werden von besonders kritischen Geistern immer wieder gefragt, wie Geschichte der Gegenwart „funktioniert“: Wer „hinter uns“ steht, wer uns „bezahlt“, wie „groß“ unsere Redaktion ist oder wozu wir denn Abo-Einnahmen brauchen, wo wir als „ein Uni-Projekt“ doch sicher mit „vielen Hiwis“ ausgestattet sind… Deshalb lassen auch wir heute – freiwillig – die Hüllen fallen: für ein kurzes Frequently asked Questions zu dem Geld und den Interessen, die hinter Geschichte der Gegenwart stehen.
Wie ist Geschichte der Gegenwart eigentlich entstanden?
Geschichte der Gegenwart entstand im Februar 2016 auf Initiative von Svenja Goltermann – mit der ursprünglichen Idee einer Plattform, auf der primär Doktorierende der Universität Zürich Interessantes aus ihren Dissertationsprojekten veröffentlichen könnten. Diese haben sich freundlich bedankt und sich dann aber auf ihre Diss konzentriert, wogegen ja nichts einzuwenden war. Da die Plattform aber nun einmal bereitstand, hat die entstehende Gruppe von ersten Herausgeber:innen begonnen, etwas weiträumiger Umschau nach Geistes- und Kulturwissenschaftler:innen aller akademischen Grade und Stufen zu halten, um sie als Autor:innen für unser neues Magazin zu gewinnen (den Begriff „Blog“ mochten wir schon damals nicht, aber daran soll’s nicht scheitern).
Und welche Interessen stehen hinter dem Projekt?
Von diesem Anfang an waren drei Dinge sonnenklar: Erstens, GdG war und ist kein Uni-Projekt. Die Universität Zürich, an der viele von uns damals und heute arbeiten, hat GdG nie Ressourcen zur Verfügung gestellt oder gar finanziert – und wir haben sie nie darum gebeten. Diese Unabhängigkeit war und ist uns wichtig. Zweitens: Wir als Herausgeber:innen arbeiten bis heute gratis. Einige von uns lassen unserem Betriebskonto sogar regelmäßig ein wenig Geld zukommen. Das Ansprechen möglicher Autor:innen, das Redigieren der Texte, die Koordination im Herausgeber:innen-Team findet jedenfalls in unserer Freizeit statt . Und schließlich drittens: Auch unsere Autor:innen, die in der Regel an einer Universität oder an Forschungsinstitutionen oder -projekten angestellt sind, schreiben ohne Honorar (mit Ausnahme von einigen wenigen freiberuflich Tätigen). Das alles ist bis heute so und wird auch so bleiben.
Schön und gut mit Eurem Gratis-Engagement. Aber das alles kostet doch trotzdem was!
Natürlich! Angefangen bei der Entwicklung und dem regelmäßigen Unterhalt der Webseite in technischer und gestalterischer Hinsicht, fallen für unseren normalen Betrieb beträchtliche Kosten an. Diese IT-Kosten waren zu Beginn höher als heute, aber das nächste Update und die nächste Hackerattacke kommen bestimmt, und da braucht unsere Technik im Hintergrund dann Ressourcen, die zur Verfügung stehen müssen. Auch die Weiterentwicklung der Gestaltung braucht Geld. Am meisten aber geben wir bewusst und mit Freude für die Stelle mit einem 45%-Pensum von Jule Govrin aus, die neben ihrer Forschung die Redaktion macht und kurz gesagt, den Laden am Laufen hält. Und zudem denkt sich Nadia Pettannice als Verantwortliche für Marketing und Kundenkontakt in einem etwa 10%-Job die Werbung aus und sorgt dafür, dass Sie als Leser:innen und Abonnent:innen ab und zu ein freundliches persönliches Wort von uns vernehmen.
Aha! Und woher kommt dann das Geld?
Den ersten, sehr substanziellen Finanzierungsschub verdankten wir der in Basel domizilierten Stiftung für Medienvielfalt – ohne sie hätte es GdG nie gegeben. Seit etwas mehr als zwei Jahren sind wir aber flügge geworden und finanzieren uns vollständig über die Abo-Zahlungen via SteadyHQ – einem in Berlin ansässigen Unternehmen mit Start-up-Charme, das sich auf die Abo-Verwaltung von „neuen“ und „eigenständigen“ Medienprojekten wie eben GdG (und vielen anderen) spezialisiert hat. Keine Angst: Steady macht das ganz transparent, in unserem Auftrag, und wickelt für ein kleines Entgelt (auf unsere Kosten) den ganzen Zahlungsverkehr ab. Und noch ein Wort an die Schweizerinnen und Schweizer unter Ihnen: Das Ganze geschieht in Euro.
In Euro???
Ja, es geht leider nicht anders. Unser Konto führen wir dann aber gut schweizerisch nicht bei der Credit Suisse, sondern immer schon bei der PostFinance in Bern. OK, mit einem kleinen Zwischenschritt bei PayPal, aber keiner lebt in einer idealen Welt, obschon einmalige oder regelmässige Spenden direkt auf unser Konto selbstverständlich auch immer sehr gerne gesehen sind (IBAN CH80 0900 0000 6171 2851 7 – Geschichte der Gegenwart – Zürich). Anyway, wir dürfen heute auf rund 750 Abonnent:innen zählen, die den weit überwiegenden Teil zu unserem Budget beitragen. Dazu kommen immer wieder sehr willkommene kleinere oder auch etwas größere Zuwendungen von Leser:innen. Ihnen allen gilt unser ganz großer Dank – mit Ihrer Unterstützung können wir den laufenden Betrieb gerade aufrechterhalten.
Na dann ist ja alles paletti! Oder reicht das etwa nicht?
Um ganz transparent zu sein: es reicht eben nur gerade knapp, so ungefähr Oberkante Unterlippe. Ehrlich gesagt: Um GdG zu erlauben, immer wieder Neues auszuprobieren, mehr Übersetzungen anzubieten oder Autor:innen zu gewinnen, die auf Honorare angewiesen sind oder unser Podcast-Angebot auszubauen (etc., etc…), träumen wir von der magischen Zahl von 1000 Abos. Aber wir denken, das sollte doch möglich sein, wenn man bedenkt, wie viele Menschen uns immer wieder sagen, wie gerne sie unsere Texte lesen ( auch wenn solch „symbolischer“ Lohn natürlich uns auch sehr hilft und motiviert!). Und übrigens kann man unsere Arbeit auch noch auf ganz anderem Wege unterstützen: mit Texten! Wir freuen uns jederzeit über kritische Perspektiven aus der Forschung zu Gegenwartsfragen, auch über unerwartete Einsendungen. Also überraschen Sie uns gerne mit Zwölftausend Zeichen. Oder schicken Sie uns eine erste Idee und wir schauen, ob sie in das eigenwillige GdG-Format passt.
Dann erzähl ich das doch direkt mal all meinen Freunden auf Facebook! Wirklich unabhängigen Medien muss man doch helfen!!1!1!
Danke!
Danke für diesen transparenten Einblick, ich werde sofort erneut auf LeserInnen-Werbung gehen – und weiterhin über das Aufmerksammachen auf einzelne Texte (= Links schicken) weiter „anlocken“. Und mehrfach habe ich versprochen, auch wieder einmal etwas zu schreiben – das wird hoffentlich auch bald. Ich muss mich aber erst einmal in meinem neuen Lebensabschnitt als pensionierte Wissenschaftlerin „neu ordnen“. Endlich aus vielen sinnlosen zeitlichen Zwängen befreit, möchte ich am liebsten gleich alle aufgeschobenen Dinge erledigen und merke, dass der Tag auch jetzt nur 24 h hat… Danke für alles bisher, ich freue mich weiter auf Kommendes.